Im Rahmen dieser Arbeit soll zunächst im Bezug auf die allgemeine Wissenschaftsgeschichte untersucht werden, welche unterschiedlichen kulturellen, sozialen, politischen und wissenschaftlichen Faktoren im Verlauf des späten 18. und des 19. Jahrhundert zur Herausbildung einer spezifischen Form des Sozialdarwinismus bzw. Rassismus von Europäern oder genauer Deutschen gegenüber der afrikanischen Bevölkerung führten. Hier sollte es möglich sein, anhand weniger exemplarischer Beispiele, wie der Bevölkerungsentwicklung und des Pauperismus in Deutschland, der Amerikaauswanderung des 19. Jahrhunderts, der Gründerkrise und der zunehmenden sozialen Gegensätze im deutschen Reich, wichtige Ursachen des Sozialdarwinismus aufzuzeigen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse soll dann im zweiten Teil dieser Arbeit versucht werden, die konkrete Entwicklung rassistischer Weltbilder in den deutschen Kolonien in Deutsch- Südwest- und Deutsch-Ostafrika herauszuarbeiten. Dafür soll zunächst das Verhalten der deutschen Kolonisten gegenüber der afrikanischen Bevölkerung vor und während der Kolonialkriege in diesen beiden Regionen untersucht werden. Anschließend soll in einem dritten Teil der Frage nachgegangen werden, inwiefern es sich bei den Kolonialkriegen um einen Genozid der Kolonialisten an der einheimischen Bevölkerung handelte und inwiefern dieser Genozid als Vorläufer des Holocaust an der jüdischen Bevölkerung im Dritten Reich betrachtet werden kann. Schließlich soll im letzten Kapitel dieser Arbeit untersucht werden, wie der bereits vor den und während der Kolonialkriege bestehende Rassismus gegenüber den Afrikanern durch die Gesetze zur Rassentrennung von 1905 und 1906 weiter verstärkt und praktisch festgeschrieben wurde. Dabei soll hier – im Anschluss an die Überlegungen in meinem damaligen Referat zum Thema „Koloniale Männlichkeit im Spiegel der Debatten über Sexualität und Ehe“ – die Forschungsperspektive durch einen Vergleich des Rassismus in Deutsch-Süd- und Deutsch-Ostafrika mit dem Rassismus in Deutsch-Samoa exemplarisch erweitert werden. Auf diese Weise kann meiner Ansicht nach noch einmal verdeutlicht werden, wie stark sich der koloniale Rassismus über phänotypische Merkmale bzw. das äußere Erscheinungsbild der betroffenen Ethnien konstituierte. Im Ausblick der Arbeit möchte ich dann noch einige Hinweise zu Untersuchungen von Birthe Kundrus geben, die eine direkte Kontinuität zwischen Kolonialkriegen und Holocaust äußerst fraglich erscheinen lassen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Rassismus und Wissenschaftsgeschichte
- Rassismus in den Kolonialkriegen
- Der Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika (1904-1907)
- Der Kolonialkrieg in Deutsch-Ostafrika (1905-1908)
- Vergleich und Bewertung der beiden Kolonialkriege
- Die Kolonialkriege als früher Genozid und Vorläufer des Holocaust?
- Zur Definition und Unterscheidung der Begriffe Genozid und Holocaust
- Zur Anwendung der Kriterien auf die Kolonialkriege
- Zusammenfassung und Gewichtung der Untersuchungsergebnisse
- Rassistische Geschlechterpolitik? Das Problem der Mischehen
- Imperiales Patriarchat und nationaler Liberalismus als Spielarten des männlichen Rassismus
- Vergleich der Rassentrennungsgesetze in DSWA, DOA und DS
- Die Folgen der Rassentrennung für afrikanische und deutsche Frauen
- Zusammenfassung und Ausblick: Von Windhoek nach Nürnberg?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entstehung und Anwendung rassistischer Prinzipien im Kontext des deutschen Kolonialismus in Afrika im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Sie untersucht, wie sich ein spezifischer kolonialer Diskurs entwickelte und welche Faktoren zur Herausbildung des Sozialdarwinismus und Rassismus in Deutschland führten.
- Die Entwicklung des Sozialdarwinismus und Rassismus in Deutschland im Kontext von Kultur- und Mentalitätsgeschichte.
- Die Rolle des Kolonialismus und der Kolonialkriege in der Verbreitung und Festigung rassistischer Ideologien.
- Die Frage der Anwendung der Begriffe Genozid und Holocaust auf die Kolonialkriege.
- Die Implementierung rassistischer Geschlechterpolitik durch Gesetze zur Rassentrennung und ihre Auswirkungen auf afrikanische und deutsche Frauen.
- Die Kontinuität rassistischer Denkstrukturen vom deutschen Kolonialismus bis zum Nationalsozialismus.
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung beleuchtet die Komplexität und Heterogenität des deutschen Kolonialismus in Afrika, wobei sie die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung verschiedener Erscheinungsformen und Wirkungsebenen hervorhebt.
- Kapitel 2 untersucht die Entstehung einer spezifischen Form des Sozialdarwinismus bzw. Rassismus gegenüber Afrikanern im späten 18. und 19. Jahrhundert, indem es kulturelle, soziale, politische und wissenschaftliche Faktoren analysiert.
- Kapitel 3 analysiert das Verhalten deutscher Kolonisten gegenüber Afrikanern in Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika vor und während der Kolonialkriege.
- Kapitel 4 befasst sich mit der Frage, ob die Kolonialkriege als Genozid betrachtet werden können und inwiefern sie als Vorläufer des Holocaust dienen können.
- Kapitel 5 untersucht die Verfestigung des Rassismus durch Gesetze zur Rassentrennung und die Auswirkungen dieser Politik auf afrikanische und deutsche Frauen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Schlüsselthemen Kolonialismus, Rassismus, Sozialdarwinismus, Genozid, Holocaust, Geschlechterpolitik und Rassentrennung im Kontext des deutschen Kolonialismus in Afrika im 19. und frühen 20. Jahrhundert.
- Arbeit zitieren
- Andreas Hanke (Autor:in), 2008, Kolonialismus und Rassismus im Deutschen Reich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/194677