Einleitung: Die Schweiz als Vorbild für die BRD?
Eines der größten Risiken innerhalb moderner Gesellschaften ist Arbeitslosigkeit. Während die Erwerbstätigkeit eine Grundlage für die aktive gesellschaftliche Teilnahme eines Menschen darstellt und dessen Identität fundamental prägt, so kann der Verlust des Arbeitsplatzes schwerwiegende Folgen haben. Aus Sicht der Betroffenen bedeutet dies oftmals nicht nur eine Zuspitzung der finanziellen Lage, sondern bringt häufig eine Verschlechterung der gesamten psychischen und sozialen Situation mit sich. Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive betrachtet verursacht Arbeitslosigkeit erhebliche Kosten, die über eine Schwächung des Staatshaushaltes wiederum auf jeden Einzelnen zurückfallen.
Auch wenn das deutsche Arbeitslosigkeitsproblem in den letzten Jahren etwas an Dramatik verloren hat, stellt die Realisierung eines hohen Beschäftigungsstandes nach wie vor eines der wichtigsten sozialen und wirtschaftspolitischen Ziele dar. In diesem Zusammenhang kann es nützlich sein, einen Blick über die eigenen Landesgrenzen hinweg zu wagen, denn – wie sich zeigt – sind andere Länder deutlich weniger von Arbeitsmarktproblemen betroffen. Besonders bemerkenswert ist die Situation in der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Während die (standardisierte) Arbeitslosenquote auf dem Höhepunkt der Arbeitsmarktkrise im Jahr 2005 in Deutschland die 11 Prozent-Marke überschritt, herrschte in der Schweiz eine Quote von 4,4 % - ein Wert, bei dem manche Ökonomen von Vollbeschäftigung sprechen (vgl. OECD 2011). Doch nicht nur zu jenem Zeitpunkt, sondern über die letzten zwei Jahrzehnte hinweg lag die Arbeitslosigkeit in Deutschland zwei bis dreimal so hoch wie in der Schweiz.
Für Ökonomen und Politiker, aber auch aus persönlichem Interesse stellt daher die äußerst schwierige Frage, welche Determinanten für eine derart erhebliche Diskrepanz verantwortlich gemacht werden können und ob die Schweiz aus deutscher Sicht ein Vorbild für mehr Beschäftigung sein kann.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Die Schweiz als Vorbild für die BRD?
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
2 Empirischer Hintergrund
2.1 Arbeitslosigkeit und Beschäftigung
2.1.1 Gruppenspezifische Betrachtung
2.1.2 Arbeitsmarktdynamik und strukturelle Arbeitslosigkeit
2.2 Besonderheiten der Schweiz
2.2.1 Internationalität
2.2.2 Qualifikationsstruktur und Bildungsanstrengungen
2.2.3 Arbeitszeit
2.2.4 Direkte Demokratie und ausgeprägter Föderalismus
2.3 Ökonomische Aspekte
2.3.1 Wirtschaftswachstum
2.3.2 Wohlstand und finanzielle Situation
2.3.3 Wirtschaftsstruktur
2.4 Zwischenfazit
3 Theoretischer Hintergrund - Das Konzept der „Varieties of Capitalism“
3.1 Zusammenfassung und zentrale Aussagen des Ansatzes
3.2 Kennzeichen liberaler und koordinierter Marktwirtschaften
3.3 Abschließende Bemerkungen
4 Institutionen und institutionelle Rahmenbedingungen
4.1 Kulturell-historischer und politischer Hintergrund
4.2 Industrial Relations
4.2.1 Bedeutung der Gewerkschaften
4.2.2 Zentralität vs. Dezentralität
4.2.3 Konflikthaftigkeit
4.2.4 Betriebliche Mitbestimmung
4.2.5 Mindestlöhne
4.2.6 Kündigungsschutz
4.2.7 Zusammenfassung der Ergebnisse
4.3 Berufliche Ausbildung
4.4 Corporate Governance und zwischenbetriebliche Beziehungen
4.5 Sozialsystem und passive Arbeitsmarktpolitik
4.6 Arbeitsmarktreformen
4.7 Bezug zum Konzept der Varieties of Capitalism
4.8 Das Schweizer Modell - mögliche Handlungsableitungen für die BRD
5 Schlussbetrachtung und Fazit
Literaturverzeichnis
Rechtsquellen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Arbeitslosenquoten in der Schweiz, Deutschland und der OECD
Abbildung 2: Durchschnittliche Beschäftigungsquoten 2005-2009 in Prozent
Abbildung 3: Wachstumsraten des BIP und der Erwerbstätigen
Abbildung 4: Ausgewählte Arbeitsmarktindikatoren auf einem Blick
Abbildung 5: Kennzeichen liberaler und koordinierter Marktwirtschaften
Abbildung 6: Der höckerförmige Zusammenhang von Zentralisation und Reallohn
Abbildung 7: Charakteristika überbetrieblicher und betrieblicher Regelungen
Abbildung 8: Wohlfahrtsstaatsmodelle nach Esping-Andersen
Abbildung 9: Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in Deutschland
Abbildung 10: Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung in der Schweiz
Abbildung 11: Durchschnittliche Netto-Lohnersatzquoten 2009 in Prozent
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Die Schweiz als Vorbild für die BRD?
Eines der größten Risiken innerhalb moderner Gesellschaften ist Arbeitslosigkeit. Wäh- rend die Erwerbstätigkeit eine Grundlage für die aktive gesellschaftliche Teilnahme eines Menschen darstellt und dessen Identität fundamental prägt, so kann der Verlust des Arbeitsplatzes schwerwiegende Folgen haben. Aus Sicht des Betroffenen1 bedeutet dies oftmals nicht nur eine Zuspitzung der finanziellen Lage, sondern bringt häufig eine Verschlechterung der gesamten psychischen und sozialen Situation mit sich. Aus ge- samtwirtschaftlicher Perspektive betrachtet verursacht Arbeitslosigkeit erhebliche Kos- ten, die über eine Schwächung des Staatshaushaltes wiederum auf jeden Einzelnen zurückfallen.
Auch wenn das deutsche Arbeitslosigkeitsproblem in den letzten Jahren etwas an Dra- matik verloren hat, stellt die Realisierung eines hohen Beschäftigungsstandes nach wie vor eines der wichtigsten sozialen und wirtschaftspolitischen Ziele dar. In diesem Zusammenhang kann es nützlich sein, einen Blick über die eigenen Landesgrenzen hinweg zu wagen, denn - wie sich zeigt - sind andere Länder deutlich weniger von Arbeitsmarktproblemen betroffen. Besonders bemerkenswert ist die Situation in der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Während die (standardisierte) Arbeitslosenquote auf dem Höhepunkt der Arbeitsmarktkrise im Jahr 2005 in Deutschland die 11 Prozent- Marke überschritt, herrschte in der Schweiz eine Quote von 4,4 % - ein Wert, bei dem manche Ökonomen von Vollbeschäftigung sprechen (vgl. OECD 2011). Doch nicht nur zu jenem Zeitpunkt, sondern über die letzten zwei Jahrzehnte hinweg lag die Arbeitslo- sigkeit in Deutschland zwei bis dreimal so hoch wie in der Schweiz.
Für Ökonomen und Politiker, aber auch aus persönlichem Interesse stellt daher die äußerst schwierige Frage, welche Determinanten für eine derart erhebliche Diskrepanz verantwortlich gemacht werden können und ob die Schweiz aus deutscher Sicht ein Vorbild für mehr Beschäftigung sein kann.
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
Zur Beantwortung dieser übergeordneten Frage werden in dieser Arbeit im Zuge eines breit angelegten, zwischenstaatlichen Vergleichs die institutionellen Merkmale sowie Auswirkungen der für den Arbeitsmarkt relevanten Strukturen in der Schweiz und Deutschland herausgearbeitet. Dabei werden insbesondere folgende Forschungsfragen geklärt:
- Verfügt der Schweizer Arbeitsmarkt tatsächlich über eine größere Leistungsfähig- keit als der deutsche?
- Wo liegen Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zwischen beiden Arbeitsmärkten?
- Welche Effekte gehen von den unterschiedlichen Strukturen aus?
- Welche Handlungsoptionen lassen sich für Deutschland ableiten?
- Macht es Sinn bzw. ist es möglich, bestimmte Elemente des Schweizer Modells auf die BRD zu übertragen?
Die Vorgehensweise entspricht einem direkten Vergleich beider Arbeitsmärkte bzw. der für die Leistungskraft des Arbeitsmarktes relevanten Strukturen. Da diese Diplomarbeit ihrem Titel entsprechend die „deutsche Sicht“ einnimmt, werden eine gewisse Kenntnis der in der BRD herrschenden Gegebenheiten und Strukturen vorausgesetzt und besonders die Punkte hervorgehoben, die für die Schweiz bezeichnend sind.
Das methodische Vorgehen folgt einer Literaturrecherche in Verbindung mit einer Datenauswertung auf der Grundlage aktuellen empirischen Materials. Um eine Verbindung zwischen Theorie und Empirie herzustellen, werden zu der Klärung bestimmter Sachverhalte vereinzelte ökonomische Theorieansätze herangezogen bzw. eine „theoretische Denkrichtung“ eingenommen.
Da die Arbeitsmarktforschung inzwischen auf eine beachtliche Historik zurückblicken kann, gibt es auf nationaler sowie internationaler Ebene eine Vielzahl an Literatur sowie Untersuchungen zu verschiedenen Arbeitsmarktthemen und -institutionen. Quellen, auf die in dieser Arbeit zurückgegriffen wird, sind unter anderem das Zentrum für Arbeits- markt- und Berufsforschung (IAB), das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA), schweizerische und deutsche Bundesbehörden sowie diverse Lehrbücher und Fachzeitschriften. Auch die internationale Datenbasis hat sich in den letzten Jahren stetig verbessert, wodurch zwischenstaatliche Vergleiche begünstigt werden. Eine Schlüsselrolle bei der Erhebung von Daten besitzt insbesondere die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Der strukturelle Aufbau der Arbeit orientiert sich an den oben genannten Fragestellun- gen. Um eine konkrete Aussage über die Leistungsfähigkeit des Schweizer Arbeits- marktes treffen zu können, werden zunächst empirische „Ergebnisse“ des Arbeitsmark- tes ausführlich verglichen und in einen internationalen Kontext gebracht. Dazu ist es unerlässlich, das Thema Arbeitslosigkeit und Beschäftigung in seinen unterschiedlichen Facetten zu beleuchten und beispielsweise zu untersuchen, ob zwischen der Schweiz und Deutschland Unterschiede hinsichtlich der Beschäftigungschancen bestimmter Personengruppen vorliegen. Um das genaue Ausmaß der Arbeitslosigkeit zu identifizie- ren werden ferner Aspekte wie strukturelle Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit mit einbezogen. Ein zentrales Anliegen dieser Arbeit liegt aber auch darin, diejenigen Gegebenheiten und Strukturen der Schweiz hervorzuheben, ohne deren Kenntnis die Einordnung in ein Gesamtbild nicht möglich wäre. Dies gilt beispielsweise für be- stimmte politische, soziale und ökonomische Aspekte wie die Bevölkerungs-, Bildungs- und Wirtschaftsstruktur oder die finanzielle Situation.
Um die Bedeutung institutioneller Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt hervorzu- heben und einen theoretischen Hintergrund zu entwerfen wird in einem nächsten Schritt das Konzept der „Varieties of Capitalism“ (VoC) vorgestellt. Hauptaussage des Ansat- zes ist, dass institutionelle Rahmenbedingungen aufgrund starker Interdependenzen nicht singulär betrachtet werden dürfen, sondern in ein komplexes Gefüge von Instituti- onen eingebettet sind.
Auf Basis des Analyseschemas der VoC, aber zugleich darüber hinausgehend, werden anschließend diejenigen in der Schweiz und in Deutschland vorliegenden Institutionen bzw. institutionellen Rahmenbedingungen analysiert, welchen entscheidende Auswir- kungen auf den Erfolg von Marktwirtschaften beigemessen werden. Im Vordergrund stehen dabei die Darstellung der wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Ländern sowie die Beschreibung der sich daraus - theoretisch und tatsächlich - ergebenden Zusammenhänge.
Um ein Gefühl für das schweizerische Selbstverständnis bzw. deren „Ideologie“ zu vermitteln, wird zunächst der kulturell-historische Hintergrund der Schweiz aufgezeigt. Im Schwerpunkt dieser Arbeit werden dann die sogenannten Arbeitsmarktinstitutionen untersucht, welche einen Einfluss auf die Lohnfindung und die Flexibilität des Arbeits- marktes besitzen. Weitere Untersuchungsfelder sind das berufliche Ausbildungssystem, das System der Corporate Governance sowie die zwischenbetrieblichen Beziehungen.
Da die Arbeitsmarktpolitik aus der Sicht von Regierungen ein zentrales Steuerungs- instrument darstellt und einen entscheidenden Einfluss auf die Arbeitslosenzahl besitzt, ist es folgerichtig, deren Ausgestaltung innerhalb der betreffenden Länder zu verglei- chen. Im Zuge einer Untersuchung der passiven Arbeitsmarktpolitik wird anhand der Arbeitslosenversicherung ein Kontext zur Wohlfahrtsstaatstypologie Esping-Andersens hergestellt. Im Anschluss daran werden die in den vergangenen Jahren durchgeführten Arbeitsmarktreformen verglichen.
Anhand der ermittelten Ergebnisse zu den institutionellen Rahmenbedingungen ist es schließlich möglich, einen Bezug zum Konzept der Varieties of Capitalism herzustellen und die Schweiz einer „Kapitalismusspielart“ zuzuordnen. Bevor in einer Schlussbetrachtung die zentralen Ergebnisse noch einmal resümiert und die Sinnhaftigkeit der Übertragung eines fremden Arbeitsmarktmodells diskutiert werden, findet eine abschließende Darstellung des „Schweizer Modells“ statt, im Zuge dessen sich aus deutscher Sicht ergebende Handlungsoptionen aufgezeigt werden.
2 Empirischer Hintergrund
Wie bereits im Eingangskapitel angesprochen wurde, scheint die Schweizerische Eidge- nossenschaft über eine bemerkenswerte Arbeitsmarkt-Performanz 2 zu verfügen, deren höchst komplexe Bestimmungsgründe zu verstehen ein schwieriges, aber dennoch sehr interessantes Unterfangen darstellt. Dieses Kapitel liefert die wichtigsten Kennzahlen, Daten und Fakten, die für ein umfassendes Verständnis des Wirtschafts- und Arbeits- marktgeschehens in der Schweiz und Deutschland von Bedeutung sind, und bildet zugleich die Grundlage nachfolgender Überlegungen. Dabei liegt der Fokus zu Beginn der Arbeit hauptsächlich auf der Beschreibung verschiedenster für den Arbeitsmarkt relevanter Indikatoren und Strukturen und nur in geringem Maß auf der Analyse der Zusammenhänge. Das Zahlenmaterial in diesem Kapitel wurde weitestgehend dem Statistikportal der OECD (http://stats.oecd.org) entnommen3. Sind keine Zeitangaben ausgewiesen, handelt es sich um das Jahr 2009.
2.1 Arbeitslosigkeit und Beschäftigung
Während Arbeitslosigkeit hierzulande schon seit den 1970er Jahren ein bekanntes Phä- nomen darstellt, blieb die Schweiz längere Zeit davon verschont. Gründe dafür sind unter anderem darin zu sehen, dass in Rezessionsphasen einerseits ein Export der Ar- beitslosigkeit stattgefunden hat, das heißt ausländische Arbeitskräfte in ihre Herkunfts- länder zurück geschickt wurden, und es andererseits zu einem (unfreiwilligen) Rückzug der Frauen aus dem Erwerbsleben kam (vgl. Hotz-Hart et al. 2006: 160). Weiter spielte auch das Fehlen arbeitsintensiver Branchen, die weltweit einen Restrukturierungspro- zess durchmachten, z.B. Bergbau und Stahlindustrie, eine Rolle (Schöneberger/ Zarin- Nejadan 2005: 41). Wie in Abbildung 1 zu erkennen ist, wurde in der Schweiz die Zwei-Prozent Marke der Arbeitslosenquote 4 erst in den 1990er Jahren überschritten und ist seitdem nie deutlich über vier Prozent hinausgewachsen. Zu jedem Zeitpunkt war die Arbeitslosenquote in Deutschland mindestens doppelt so hoch. Im Jahr 2009 erreichte die Schweiz einen Wert von 4,1 %. Auch wenn diese Zahl für dortige Verhältnisse hoch sein mag, erscheint sie im internationalen Vergleich zweifellos beneidenswert. Die Arbeitslosenquote der Bundesrepublik lag im selben Jahr bei 7,7 %. Die Mitgliedsstaa- ten der OECD erzielten im Durchschnitt 8,2 %. In einer OECD-weiten Rangordnung ausgedrückt nimmt die Schweiz den vierten Platz ein, während die Bundesrepublik sich dagegen an 17. Stelle und damit im oberen Mittelfeld platziert (vgl. OECD 2011).
Überdies sind im vorliegenden Schaubild zwei Dinge zu erkennen: Erstens sind sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz Symptome einer zunehmenden Sockelarbeitslo- sigkeit festzustellen. Diese kommt darin zum Ausdruck, dass die „mit jeder Rezession einhergehende Zunahme der Arbeitslosenquote […] in den Phasen wirtschaftlicher Erholung nie mehr in vollem Umfang abgebaut“ wird (Edling 2008: 275). Dieses Cha- rakteristikum legt den Verdacht nahe, dass in beiden Ländern Allokationsschwierigkei- ten auf dem Arbeitsmarkt entstanden sind. Zweitens fällt auf, dass sich beide Arbeitslo- senquoten in den vergangenen 20 Jahren überaus deutlich im Gleichklang bewegt ha- ben. Daraus lässt sich schließen, dass der deutsche und der schweizerische Arbeitsmarkt von ähnlichen exogenen Faktoren beeinflusst werden und beide Länder über eine hohe wirtschaftliche Verflochtenheit verfügen.
Abbildung 1: Arbeitslosenquoten in der Schweiz, Deutschland und der OECD
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
*) Daten bis 1990 stammen vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und beziehen sich auf registrierte Arbeitslose. Nach 1991 gemäß ILO-Definition.
**) Daten bis 1984 stammen von der Bundesanstalt für Arbeit und beziehen sich auf registrierte Arbeitslose. Nach 1984: Erfassung durch die Arbeitskräfteerhebung (Labour Force Survey) gemäß ILO-Definition. Vor 1991: Westdeutschland. Nach 1999: Gemäß EUROSTAT-Definition.
Quelle: OECD 2011 (http://stats.oecd.org). Eigene Darstellung.
Der zentrale Indikator für die Beteiligung der Bevölkerung am Arbeitsmarkt ist die Erwerbsquote 5. In der Schweiz lag diese zwischen 2005 und 2009 bei 81,7 %. In Deutschland machte der Anteil derer, die aktiv am Erwerbsleben teilnehmen, 75,4 % aus (vgl. OECD 2011).
Sowohl die Arbeitslosenquote als auch die Erwerbsquote besitzen für sich genommen eine begrenzte Aussagekraft. Während bei der Arbeitslosenquote eine eventuell vorlie- gende Stille Reserve6 unberücksichtigt bleibt, so trifft die Erwerbsquote keine Aussage über die Zahl der Erwerbslosen. Aus diesem Grund ist die Beschäftigungsquote7 der beste Indikator für die Leistungsfähigkeit des Arbeitsmarktes. Bei ihrer Betrachtung stellt sich der Schweizer Arbeitsmarkt genauso beeindruckend dar, denn im Durch- schnitt der Jahre 2005 bis 2009 lag die Schweiz mit 78,5 % OECD-weit auf Platz zwei.
In Deutschland gingen mit 68,5 % deutlich weniger Menschen einer Beschäftigung nach. Dennoch befand man sich über dem OECD-Mittel von 65,8 % (vgl. ebd.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Durchschnittliche Beschäftigungsquoten 2005-2009 in Prozent
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: OECD 2011 (http://stats.oecd.org). Eigene Berechnung und Darstellung.
2.1.1 Gruppenspezifische Betrachtung
Um ein detailliertes Bild des Arbeitsmarktes zu erhalten, lohnt es sich zu fragen, ob sich hinsichtlich der individuellen Beschäftigungsmöglichkeiten einzelner Gruppen Unterschiede zwischen den beiden zu untersuchenden Ländern ergeben. Nach einer Darstellung der allgemeinen Beschäftigungssituation werden deshalb in diesem Abschnitt die „Problemgruppen“ des Arbeitsmarktes genauer untersucht, welche gemeinhin durch eine größere Betroffenheit von Arbeitslosigkeit gekennzeichnet sind.
I. Frauen
Die Untersuchung der sogenannten „ gender-gap “ stellt heraus, dass sich die hohe Ar- beitsmarkt-Performanz der Schweiz auch auf die Erwerbstätigkeit von Frauen überträgt. Mit einer Frauen-Beschäftigungsquote8 von 73,8 % liegt die Schweiz im OECD- Vergleich auf Platz drei hinter Island und Norwegen. Der OECD-Schnitt beläuft sich auf 56,7 %. In Deutschland sind 65,2 % der Frauen erwerbstätig (vgl. OECD 2011). Allerdings verbirgt sich hinter diesen Zahlen eher das allgemein hohe Leistungsvermö- gen des Schweizer Arbeitsmarktes und nicht die Tatsache, dass Frauen dort verhältnis- mäßig häufiger einer Beschäftigung nachgehen als in Deutschland. Das zeigt sich daran, dass die Differenz zwischen der Beschäftigungsquote der Frauen und der Männer je- weils in der Schweiz bzw. in Deutschland eng beisammen liegt und 10,7 bzw. 10,3 Prozentpunkte beträgt (vgl. ebd.). Die Beschäftigungschancen von Frauen sind in diesen Ländern jedoch besser als in der OECD insgesamt. Dort beträgt der Rückstand der Frauen auf die Männer in Bezug auf die Erwerbstätigkeit im Schnitt 16,3 Prozentpunk- te. Allgemein ist festzustellen, dass die Frauenerwerbstätigkeit in den vergangenen 10 Jahren in den meisten OECD-Ländern (im Schnitt plus 2,1 Prozentpunkte), vor allem aber in der Schweiz (plus 4,2 Prozentpunkte) und noch stärker in Deutschland (plus 7,8 Prozentpunkte) zugenommen hat (vgl. ebd.). In der Literatur wird dieser Umstand mit der Veränderung der Präferenzen der Frauen zugunsten einer Erwerbsarbeit und deren gesellschaftlicher Akzeptanz begründet (Franz 2009: 25). Wie später gezeigt wird, ist die gestiegene berufliche Aktivität von Frauen auch im Kontext mit der zunehmenden Verbreitung von Teilzeit-Beschäftigungen zu sehen.
II. Ältere Personen
Besonders auffallend ist die hohe Beschäftigungsquote der Älteren (55 bis 64 Jahre) in der Schweiz. Mit 68,4 % ist diese Personengruppe dort deutlich stärker in den Arbeits- markt involviert als in Deutschland (56,1 %) und der gesamten OECD (53,6 %) (vgl. OECD 2011). Das zeigt sich auch am durchschnittlichen Renteneintrittsalter, welches 2007 in der Schweiz mit 63,5 Jahren ganze anderthalb Jahre höher war als in Deutsch- land (vgl. Eichhorst et al. 2009: 16). Es liegt die Vermutung nahe, dass bei den Schwei- zern bestimmte Anreizmechanismen oder Zwänge vorliegen, welche die Erwerbstätigkeit gegenüber dem vorzeitigen Ruhestand attraktiver erscheinen lassen (vgl. Werner 2002: 2). Dieses Ergebnis ist vor allem hinsichtlich der angesichts des demographischen Wandels immer schwieriger werdenden Finanzierung der Sozialversicherungen erfreulich (vgl. Hotz-Hart et al. 2006: 168). Indes ist anzumerken, dass sich die Deutschen in einem Aufholprozess befinden. 1999 hatte die Beschäftigungsquote der Älteren noch bei 37,8 % gelegen (vgl. OECD 2011).
III. Jugendliche
Weiteres Merkmal des Schweizer Arbeitsmarktes ist die vergleichsweise geringe Ju- gendarbeitslosigkeit. Während der OECD-Durchschnitt bei 16,7 % liegt, so sind dort gerade einmal 8,2 % der 15 bis 24-Jährigen arbeitslos. Auch Deutschland weist mit 11 % eine im internationalen Vergleich gute Quote auf (vgl. ebd.). Die Literatur führt dieses Phänomen unter anderem auf die Existenz des - in Deutschland sowie in der Schweiz weitgehend deckungsgleichen - dualen Ausbildungssystems zurück, welches stark auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes ausgerichtet ist (vgl. Schmid 2000: 19 sowie Steimen Grandl/ Hildebrand Alberti 2000: 145). Hinzuzufügen ist, dass Jugendli- che in der Regel kürzer arbeitslos sind und vergleichsweise schnell einen neuen Ar- beitsplatz finden (vgl. Franz 2009: 365). Dennoch sei angemerkt, dass die Jugendar- beitslosigkeit in beiden Ländern in der Vergangenheit angestiegen ist (vgl. OECD 2011) und damit ein zunehmendes Problem darstellt.
IV. Migranten
Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) (vgl. Möl- ler/ Schmillen 2008: 6) sind Ausländer in Deutschland mehr als doppelt so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen. Als Hauptgründe werden für gewöhnlich mangelnde Sprach- kenntnisse und ein niedriges Qualifikationsniveau angeführt, welches wiederum im Zusammenhang mit der eigenen Einwanderungspolitik der vergangenen Jahrzehnte zu sehen ist (Schmid 2000: 77f). Dasselbe gilt auch für die Schweiz, welche nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine ähnliche Migrationshistorik aufwies (vgl. Schöne- berger/ Zarin-Nejadan 2005: 31). Dass sich die dortige Arbeitsmarktsituation für Aus- länder nicht wesentlich von der in Deutschland unterscheidet, zeigt ein Bericht des Schweizerischen Bundesamtes für Statistik (BFS) (2008: 74). Demnach weisen Ausländer mit 7,1 % in der Schweiz ebenfalls eine mehr als doppelt so hohe Arbeitslosenquote als die eigenen Staatsbürger (2,7 %) auf.
V. Gering Qualifizierte
Die grundsätzlich schwierigere Situation gering Qualifizierter9 auf den Arbeitsmärkten lässt sich auch an den Untersuchungsobjekten Schweiz und Deutschland identifizieren. Im Jahr 2008 waren die Arbeitslosenquoten von Menschen dieser Bildungskategorie (CH: 6 %, D: 16,5 %) (vgl. OECD 2010: 129f) in beiden Fällen mehr als doppelt so hoch wie die Arbeitslosenquote der Gleichaltrigen insgesamt (CH: 2,8 %, D: 7,2 %). Bemerkenswert ist hierbei, dass die Diskrepanz zwischen der Beschäftigungsquote der gering Qualifizierten und der hoch Qualifizierten in der Schweiz geringer ist als in Deutschland (CH: 22,9 Prozentpunkte, D: 30,5 Prozentpunkte) (Zahlen für 2008; vgl. OECD 2010: 126f). Diese größere Homogenität hinsichtlich der Beschäftigungsfähig- keit unterschiedlich Qualifizierter wird an dieser Stelle als weiterer Ausdruck einer größeren Leistungskraft des schweizerischen Arbeitsmarktes gewertet, wenngleich die Integration gering Qualifizierter aus einer anderen Perspektive negative Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität mit sich bringen mag (vgl. Brunetti/ Zürcher 2004: 22).
2.1.2 Arbeitsmarktdynamik und strukturelle Arbeitslosigkeit
Die bisher betrachteten Indikatoren Arbeitslosen-, Erwerbs- und Beschäftigungsquote besitzen einen gemeinsamen Nachteil: Sie treffen keine Aussage über Bewegungen am Arbeitsmarkt. Zu Recht weisen Blanchard und Illing (2009: 181) darauf hin, dass ein und dieselbe Arbeitslosenquote sowohl einen hoch aktiven als auch einen „skleroti- schen“ Arbeitsmarkt beschreiben kann. Für eine möglichst realitätsgetreue Skizzierung der Arbeitsmarktlage muss daher der Aspekt der Verweildauer in Arbeitslosigkeit mit einbezogen werden. Leider werden entsprechende Durchschnittswerte für einzelne Länder weder von der OECD noch der ILO oder EUROSTAT angeboten, was mit der methodischen Problematik der Erfassung solcher Daten zusammenhängen mag10. Als Indikator für die Dynamik des Arbeitsmarktes wird daher das Ausmaß der Langzeitar- beitslosigkeit 11 herangezogen. Diesbezüglich ergibt sich für die BRD ein sehr ungünsti- ges Bild. Im Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2009 waren 52,8 % aller Arbeitslosen Langzeitarbeitslose. Das ist nach der Slowakischen Republik der zweithöchste Anteil in der gesamten OECD. Im Vergleich dazu sieht die Situation bei den Schweizern zwar deutlich besser aus, mit 36,6 % lagen sie dennoch über dem OECD-Durchschnitt von 28,6 %. Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz kam es, seitdem vergleichbare Daten vorliegen, zu einem Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit. Im Fünfjahresdurch- schnitt zwischen 1991 und 1995 befanden sich die jeweiligen Quoten bei 39,7 % bzw. 24 % (vgl. OECD 2011).
Ein immens hoher Anteil Langzeitarbeitsloser, wie er vor allem in Deutschland zu verzeichnen ist, ist Indikator einer strukturellen Arbeitslosigkeit Sie liegt dann vor, wenn „Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nicht zusammenpassen, da beide Aggregate bezüglich Qualifikation, Alter, Geschlecht, Region unter anderem unter- schiedlich zusammengesetzt sind“ (Zerche et al. 2000: 120). Häufig ist in diesem Zu- sammenhang auch von Mismatch-Arbeitslosigkeit die Rede. Um deren quantitatives Ausmaß und zeitliche Entwicklung einschätzen zu können, wird die sogenannte Beveri- dge-Kurve in Betracht genommen. Sie beschreibt ein empirisch beobachtbares negatives Verhältnis zwischen der Arbeitslosigkeit und den offenen Stellen (vgl. Sesselmeier et al. 2010: 51). Es kann gezeigt werden, dass sowohl in Deutschland (vgl. a.a.O.: 53f) als auch in der Schweiz (vgl. Hotz-Hart et al. 2006: 162f) seit den 1970er Jahren Verschie- bungen der Beveridge-Kurve nach außen stattgefunden haben. Dieser Umstand signali- siert eine abnehmende Allokationseffizienz der Arbeitsmärkte bzw. zunehmende Ver- mittlungsprobleme (vgl. ebd.) und zeigt damit den Anstieg der strukturellen Arbeitslo- sigkeit an. Ein weiteres Werkzeug zur Messung der strukturell bedingten Arbeitslosig- keit ist die inflationsstabile Arbeitslosenquote, NAIRU (Non-Accelerating Inflation Rate of Unemployment). Sie ist deshalb besonders brauchbar, weil sie Informationen gibt über „die Lage der Grenzlinie zwischen einer Arbeitslosigkeit, die auf Funktionsstörun- gen auf den Arbeits- und Gütermärkten beruht, und einer darüber hinausgehenden kon- junkturellen Arbeitslosigkeit“ (Rürup et al. 2002: 198). Auf genauere Hintergründe und Messkonzepte wird an dieser Stelle verzichtet12. Die OECD gibt in ihrem Economic Outlook (2009: 272) für die Schweiz im Jahr 2008 einen NAIRU-Wert von 3,5 % an. Die Schätzung für Deutschland beträgt 8,3 %. In beiden Fällen sind die Quoten seit den 1980er Jahren in ähnlichem Ausmaß wie die standardisierten Arbeitslosenquoten ange- stiegen.
Welche Bilanz kann an diesem Punkt gezogen werden? Zu Beginn des Kapitels wurde der Verdacht geäußert, dass die in den vergangenen Dekaden in Deutschland und der Schweiz feststellbare Sockelarbeitslosigkeit ein Anzeichen für Allokationsschwierigkei- ten auf dem Arbeitsmarkt ist. Die vorliegenden Ergebnisse zur Langzeitarbeitslosigkeit, Beveridge-Kurve und der NAIRU erhärten diesen Verdacht. Die gestiegenen Arbeitslo- senquoten beider zu untersuchender Länder sind damit auf zunehmende Funktionsstö- rungen auf den Arbeitsmärkten zurückzuführen. Diese sind gerade in Deutschland gravierend. Doch anders als deren äußerst positive Arbeitsmarktlage auf den ersten Blick vermuten lässt, sind auch die Schweizer, obgleich deutlich geringer, von „struktu- rellen Problemen“ betroffen.
2.2 Besonderheiten der Schweiz
2.2.1 Internationalität
Ein Thema, welches für die Schweiz eine besondere Bedeutung besitzt, ist Immigration. Sie hat es ermöglicht, die Bevölkerung von rund 6,2 Mio. zu Beginn der 1970er Jahre auf rund 7,6 Mio. Menschen im Jahr 2009 ansteigen zu lassen. Andernfalls wäre die Schweizer Bevölkerung, deren durchschnittliche Fertilitätsrate13 in diesem Zeitraum etwa bei 1,4 lag, deutlich geschrumpft (vgl. OECD 2011). Abgesehen von Luxemburg und Liechtenstein verfügt heute kein anderes europäisches Land über vergleichbar hohe Ausländeranteile wie die Schweiz. Über ein Fünftel der Wohnbevölkerung und mehr als ein Viertel der Erwerbstätigen sind Ausländer (vgl. BFS 2008: 8). Währenddessen beträgt der Anteil der ausländischen Erwerbspersonen in der Bundesrepublik Deutsch- land weniger als zehn Prozent (vgl. BFS 2011).
Als kleine und stark exportorientierte Volkswirtschaft spielte die internationale Migrati- on in der Schweiz eine wichtige Rolle für das Arbeitsmarktgeschehen. Ausgeprägte Arbeitskräftewanderungen hatten traditionell eine wirksame Pufferfunktion zur Lösung konjunktureller und struktureller Probleme (vgl. Hotz-Hart et al. 2006: 166). Durch die Zunahme von Niederlassungsbewilligungen14 änderte sich dieser Umstand, sodass ausländische Erwerbstätige die ausgleichende Pufferfunktion seit den 1990er Jahren nicht mehr erfüllen (vgl. ebd.). Zum gleichen Ergebnis kommen auch Werner (2002: 2) und Schöneberger/ Zarin-Nejadan (2005: 43). Die häufig vorgebrachte Hypothese, die besonders niedrige Arbeitslosenquote in der Schweiz sei heute noch fundamental darauf zurückzuführen, dass Arbeitsmarktprobleme über die Ausländerbeschäftigung gelöst würden, gilt somit als widerlegt.
Dass sich das Bild der Arbeitskräftewanderungen in jüngerer Zeit verändert hat, legt der Fachverein Arbeit und Umwelt (2010) dar. Demnach stammen, anders als nach dem Zweiten Weltkrieg, als Schweizer Unternehmen gezielt Arbeitskräfte aus dem europäischen Mittelmeerraum anwarben, die Migranten heute zu etwa 70 % aus der Europäischen Union. Seit 2002 sorgen die Deutschen für den stärksten Zustrom an Einwanderern. Sie bilden inzwischen die zweitgrößte ausländische Bevölkerungsgruppe. Mit den veränderten Herkunftsgebieten geht ein höherer Bildungsstand der Migranten einher. Von den neuen Zuwanderern besitzen knapp 60 % einen Hochschulabschluss, fast doppelt so viele wie unter den Schweizern selbst (vgl. ebd.).
Ein Grund warum so viele ausländische Fachkräfte bereit sind, in die Schweiz auszu- wandern, ist vermutlich im relativ hohen Einkommensniveau zu sehen (siehe dazu Abschnitt 2.3.2). Ein ebenso wichtiger Aspekt ist, dass aufgrund der Mehrsprachigkeit in der Schweiz Sprachbarrieren geringer ausfallen als in Deutschland. In vielen Kanto- nen entspricht die Amtssprache der an das Ausland angrenzenden Landessprache.
2.2.2 Qualifikationsstruktur und Bildungsanstrengungen
Wie aus der aktuellen OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“ hervorgeht, rangiert der Prozentsatz der Erwachsenenbevölkerung (25 bis 64 Jahre) mit geringem Qualifikati- onsniveau15 im Jahr 2008 sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz sehr weit unter dem OECD- Durchschnitt (vgl. OECD 2010: 37). Gleichzeitig liegt in beiden Fällen der Anteil derjenigen, die über ein mittleres Qualifikationsniveau verfügen, höher als in den meisten übrigen Ländern. Bei Betrachtung des Bildungsstandes fällt aber auch auf, dass in der Schweiz mit 34 % sichtlich mehr Erwachsene als in Deutschland über einen Hoch- oder Fachhochschulabschluss und damit ein hohes Qualifikationsni- veau verfügen. Die Bundesrepublik liegt mit 25 % unterhalb des OECD-Durchschnitts von 28 % (vgl. OECD 2010: 39). Weiter nutzen die Schweizer nicht nur häufiger Fort- und Weiterbildungsangebote als ihre deutschen Nachbarn (vgl. OECD 2010: 91), son- dern geben auch deutlich mehr Geld pro Schüler bzw. Studierendem aus16. Bei 13.031 US-$ zu Kaufkraftparitäten sind nur die Aufwendungen der USA höher. Deutschland liegt mit 8.270 US-$ knapp über dem OECD-Durchschnittswert von 8.216 US-$ (vgl. OECD 2010: 229).
Die Zahlen der OECD enthalten jedoch einen Schwachpunkt: Sie treffen keine Unter- scheidung zwischen Schweizern und Ausländern. Wichtig ist daher der Hinweis, dass der jüngste Vorsprung der Schweizer bei den Hochqualifizierten zu einem beachtlichen Teil auf die im letzten Abschnitt erwähnte Anwerbung von Fachkräften aus dem Aus- land zurückzuführen ist. Um das Humankapital und die Quote der hoch Qualifizierten nachhaltig zu steigern wurden zudem in der Schweiz vor einigen Jahren Reformen des Bildungssystems vorgenommen. Wichtigster Bestandteil dieser Reformen war die Einführung der sogenannten Berufsmaturität. Diese soll den Jugendlichen ermöglichen, nach dem Abschluss einer Berufsausbildung ein Studium aufzunehmen. Zu diesem Zweck wurden neue Fachhochschulen als zweiter Bestandteil des tertiären Bildungssys- tems neben den Universitäten geschaffen (vgl. Schöneberger/ Zarin-Nejadan 2005: 49).
Der Grund, warum in der Schweiz wie in Deutschland tendenziell immer noch vergleichsweise wenige Personen über einen Hochschulabschluss verfügen17, liegt im System der Berufsausbildung, welches in beiden Ländern einen sehr hohen Stellenwert besitzt und sehr ähnlich strukturiert ist (vgl. Schöneberger/ Zarin-Nejadan 2005: 58). Während in Deutschland und in der Schweiz die zur Ausübung eines Berufes benötigte Qualifizierung über eine Berufsausbildung gesammelt wird, lässt sich beispielsweise in den USA dieselbe Qualifikation oftmals durch ein Studium erzielen.
2.2.3 Arbeitszeit
Eine weitere Besonderheit des helvetischen Arbeitsmarktes ist die überdurchschnittlich hohe Teilzeitquote18. Mit 26,2 % wird die Schweiz innerhalb der OECD nur noch von der Niederlande (36,7 %) übertroffen. In Deutschland befinden sich 21,9 % der Be- schäftigten in einem solchen Arbeitsverhältnis. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 16,2 % (vgl. OECD 2011). Die hohe Teilzeitquote der Schweiz kann zu einem gewissen Grad als Erklärungsfaktor für das allgemein hohe Beschäftigungsniveau dienen, denn gäbe es mehr Vollzeitstellen, so wären rein rechnerisch bei gleichem Arbeitsvolumen weniger Personen erwerbstätig. Ein Zusammenhang ist auch mit der oben genannten, im internationalen Vergleich hohen Beschäftigungsquote von Frauen in der Schweiz und Deutschland zu sehen, denn Teilzeitstellen werden in beiden Ländern zu ca. 80 % von weiblichen Personen besetzt. Des Weiteren lässt sich feststellen, dass in der Schweiz gerade die älteren Arbeitnehmer (55 bis 64 Jahre) besonders häufig in Teilzeit arbeiten. Ihr Anteil an allen Teilzeitstellen beläuft sich auf 24 %. In der Bundesrepublik sowie der OECD gesamt sind es dagegen nur 15 % (vgl. ebd.). Diese Tatsache legt den Schluss nahe, dass die in Abschnitt 2.1.1 dargelegte hohe Beschäftigungsquote älterer Menschen in der Schweiz auch auf den intensiveren Gebrauch von Altersteilzeitbe- schäftigung zurückzuführen ist.
Interessant ist, dass in der Schweiz lediglich 6,1 % der betroffenen Personen unfreiwil- lig teilzeitbeschäftigt sind, d.h. eine Vollzeitbeschäftigung vorziehen würden. Im Ver- gleich dazu sind es in Deutschland 18,3 % und in der OECD 17,3 % (vgl. ebd.). Auch wenn aufgrund unterschiedlicher Definitionen und Erhebungsmethoden unfreiwilliger Teilzeitbeschäftigung ein internationaler Vergleich nur eingeschränkt möglich ist, scheint die Ursache der hohen schweizerischen Teilzeitquote im Vergleich zu anderen Ländern tendenziell weniger im fehlenden Angebot, sondern stärker in der verhältnismäßig geringeren Nachfrage nach Vollzeitstellen begründet zu sein.
Die Analyse der durchschnittlichen Arbeitszeit zeigt, dass - wie in fast allen OECD- Staaten - die durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden pro Person in der Schweiz und in Deutschland in den vergangenen Dekaden kontinuierlich abgenommen haben. Dieser Rückgang war in Deutschland jedoch größer, sodass dort heute im Schnitt weniger bzw. kürzer gearbeitet wird als in der Schweiz. Die im Jahr 2009 durchschnittlich erbrachten Arbeitsstunden pro Arbeitnehmer belaufen sich in der Schweiz auf 1.640 Stunden. In Deutschland sind es 1.390 Stunden und damit rund 15 % weniger19. Beide Länder lie- gen dabei unter dem OECD-Durchschnitt von 1.764 Stunden20 und platzieren sich im internationalen Vergleich im unteren Drittel (vgl. ebd.). Anzumerken ist, dass bei der Berechnung der Arbeitsstunden nicht zwischen Vollzeit- und Teilzeitstellen unterschie- den wird, was dazu führt, dass die Werte für Länder mit hoher Teilzeitquote „unter- schätzt“ werden. Würde dieser Effekt berücksichtigt, dann würde der Unterschied zwi- schen den Arbeitsstunden der Schweizer und der Deutschen sogar noch gravierender ausfallen.
2.2.4 Direkte Demokratie und ausgeprägter Föderalismus
Besonders kennzeichnend für die helvetische Republik sind die außerordentlichen politischen Mitbestimmungsrechte des Volkes sowie das besonders ausgeprägte Födera- lismusprinzip. Dies soll nachfolgend am Beispiel des Steuersystems und sich den daraus ergebenden Auswirkungen auf wirtschaftliche Belange verbildlicht werden. Auf den Aspekt der Mitbestimmung in der schweizerischen politischen Kultur wird in Kapitel
4.1 genauer eingegangen.
Regionale Unterscheide sind in der Schweiz zum Teil beträchtlich. Ein Beispiel: Im vierten Quartal 2007 lag die Arbeitslosenquote in der Zentralschweiz bei 1,8 %, in Tessin dagegen bei 4,7 % (vgl. BFS 2008a: 105). Einen Ausgleich solcher lokaler Dif- ferenzen ermöglicht das schweizerische Budget- und Finanzsystem, welches sehr de- zentral organisiert ist. Nicht nur der Bund sondern auch die 26 Kantone und rund 2.600 Gemeinden21 besitzen das Recht, eigene Steuern zu erheben. Die Stimmbürger wiede- rum haben die Möglichkeit, an der Urne über bestimmte Vorlagen zu entscheiden und können somit die Höhe der Steuern selbst beeinflussen. Ein Beispiel für die Variabilität der Steuerbelastungen: Bei einer Familie mit zwei Kindern und einem Einkommen von 51.500 Franken müssen in der Gemeinde Muttenz Steuern in Höhe von 560 Schweizer Franken entrichtet werden. In Basel-Stadt sind es dagegen über 6.300 Franken (vgl. BZ 2007: 9). Dieses Instrument macht es theoretisch möglich, die wirtschaftliche Aktivität (Konsumnachfrage, Investitionen etc.) in schwächeren Regionen zu fördern oder über die Lohnkosten direkten Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und damit die Zahl der Arbeitslosen zu nehmen.
Um ökonomische Disparitäten zwischen den Regionen zu beseitigen existiert zudem der sogenannte Finanzausgleich. Dieser ist notwendig, um den gravierenden Unterschieden hinsichtlich Topografie und Bevölkerungsdichte und den damit verbundenen unter- schiedlichen Standortbedingungen sowie finanziellen Belastungen z.B. in der sozialen Wohlfahrt oder der öffentlichen Sicherheit Rechnung zu tragen (vgl. EFV 2008: 1). Ohne die Instrumente der variablen Steuerbelastung und des Finanzausgleichs würden die „intra-nationalen“ Differenzen weitaus größer ausfallen als in Deutschland.
2.3 Ökonomische Aspekte
2.3.1 Wirtschaftswachstum
Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist der zentrale Einflussfaktor für die Höhe der Beschäftigung in einer Volkswirtschaft. Es wäre daher nachlässig, eine Beurteilung über die Arbeitsmarktlage eines Landes abzugeben, ohne einen Blick auf dessen wirtschaftliche Aktivität zu werfen.
Das reale BIP-Wachstum der Schweiz lag im Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2009 bei 2 % und war damit viermal so hoch wie das der Deutschen und fast doppelt so hoch wie im gesamten OECD-Raum (1,1 %). Man könnte also darauf schließen, dass der durch- weg hohe Beschäftigungsgrad in der Schweiz auf die überdurchschnittliche hohe ge- samtwirtschaftliche Nachfrage zurückzuführen ist. Wird der Beobachtungszeitraum allerdings ausgeweitet, so relativiert sich dieses Bild: Während die durchschnittliche Wachstumsrate der BRD in der Periode zwischen 1970 und 2009 zwei Prozent betrug, belief sie sich in der Schweiz dagegen lediglich auf 1,5 % pro Jahr. Damit liegt die Eidgenossenschaft im Vergleich der 27 OECD-Staaten, für die in dieser Zeitspanne Daten vorliegen, auf dem letzten Platz. Anmerkungsbedürftig ist allerdings, dass sich die Terms-of-trade, welche bei der Analyse des Inlandsprodukts unberücksichtigt blei- ben, in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zu Gunsten der Schweiz verbessert haben (vgl. Schöneberger/ Zarin-Nejadan 2005: 27). Der gerade vermittelte, sehr negative Eindruck muss somit etwas relativiert werden.
Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, dass der zeitliche Arbeitsaufwand in der Schweiz größer ist als in Deutschland. Abschnitt 2.2.1 machte deutlich, dass auch die Zahl der Erwerbstätigen in der Schweiz durch Zuwanderung stark gestiegen ist. Um den Einfluss des Arbeitsvolumens auf die Wertschöpfung „auszuschalten“ und damit zu noch „ge- naueren“ Zahlen zu gelangen, wird für die oben genannte Zeitperiode die Wachstumsra- te der Produktivität je geleisteter Arbeitsstunde betrachtet. Das Ergebnis ist dann noch deutlicher: Die Schweiz bildet mit 1 % das Schlusslicht aller (hier 19) Referenzstaaten (Mittelwert: 2,2 %). Der Wert für Deutschland beträgt 2,3 %. Auf die Ursachen des schwachen Wachstums der Schweizer Arbeitsproduktivität im Detail einzugehen, wird an dieser Stelle verzichtet. Die Verantwortung scheint jedoch nicht in einer „zu gerin- gen“ Realkapitalausstattung zu liegen (vgl. Schöneberger/ Zarin-Nejadan 2005: 54). Die Vorstellung eines defizitären Humankapitals ist nicht plausibel. Ebenso sprechen die traditionell hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung gegen mangelnden techni- schen Fortschritt. (vgl. a.a.O.: 61)
Die Kombination eines vergleichsweise schwachen Wirtschaftswachstums und einer dennoch derart geringen Arbeitslosenquote bzw. hohen Erwerbsbeteiligung spricht wieder einmal für den Erfolg des schweizerischen Arbeitsmarktmodells. Werden das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung gemeinsam in einen Bezug gebracht, so fällt ein weiteres Merkmal auf. In Abbildung 3 ist zu erkennen, dass die sogenannte Beschäftigungsschwelle22 in der Schweiz niedriger liegt als in Deutschland. Dass die Beschäftigungsschwelle in etwa durch den Nullpunkt verläuft, bedeutet, dass bereits ein sehr geringes Wirtschaftswachstum ausreicht, um die Beschäftigung ansteigen zu lassen und ist ein Zeichen für die größere Flexibilität des Schweizer Arbeitsmarktes.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Wachstumsraten des BIP und der Erwerbstätigen*.
*) Zeitraum: 1983-2001. In Preisen von 1995.
Quelle: Straubhaar/ Werner 2003: 65
2.3.2 Wohlstand und finanzielle Situation
Trotz ihrer Wachstumsschwäche ist die Schweiz noch immer eines der reichsten Länder der Welt. Gemessen am BIP pro Kopf nach Kaufkraftstandards liegt die Schweizerische Eidgenossenschaft auf Platz 4 aller OECD-Staaten; Deutschland belegt Platz 13. (vgl. OECD 2011). Auch die Staatsverschuldung der Schweiz, gemessen in Prozent des Inlandsprodukts, ist etwa 25 Prozentpunkte geringer als in Deutschland (vgl. ebd.).
Des Weiteren ist das Einkommensniveau höher als in der BRD; es zählt zu den höchs- ten weltweit (vgl. BA 2011). Dies mag auch ein Grund dafür sein, warum - wie bereits angedeutet - so viele Menschen bereit sind, in die Schweiz auszuwandern. Beispiels- weise lag das durchschnittliche jährliche Arbeitseinkommen23 in der Schweiz im Jahr 2008 bei umgerechnet etwa 76 Tsd. US-$ - und damit rund 29 Tsd. US-$ höher als in Deutschland (vgl. OECD 2010b: 296).
Dass auch die Steuer- und Abgabenbelastung in der Schweiz bedeutend niedriger ist als in der BRD beweisen folgende Zahlen: Die Höchststeuersätze für Privatpersonen bzw. Unternehmen betragen in der Schweiz 40 und 21,2 %. Demgegenüber sind es in Deutschland 45 sowie 29,4 % (vgl. Statistisches Bundesamt 2010). Die Mehrwertsteuer beträgt nach einer Erhöhung im Jahr 2011 in der Schweiz gerade 8 % - verglichen mit 19 % in der BRD. Während Sozialversicherungsbeiträge24 in der Eidgenossenschaft mit durchschnittlich rund 11 % zu Buche schlagen, sind diese in Deutschland mit ca. 21 % nicht nur fast doppelt so hoch wie in der Schweiz, sondern auch die höchsten der 31 betrachteten OECD-Staaten! Der Steuer- und Abgabenkeil beläuft sich somit insgesamt auf rund 29 % in der Schweiz und ca. 51% in Deutschland. Im internationalen Ver- gleich ist die Schweiz damit im unteren Bereich einzuordnen; höhere Abgabenbelastun- gen als Deutschland weisen lediglich Ungarn und Belgien auf (vgl. OECD 2011).
Die „Kehrseite der Medaille“ ist, dass auch das Preisniveau in der Schweiz etwa 20 % höher ist als in Deutschland (vgl. BA 2011). Das führt dazu, dass das mittlere jährliche Einkommensniveau der Schweizer kaufkraftparitätisch „nur“ noch rund 10 Tsd. US-$ über dem deutschen liegt (vgl. OECD 2010b: 296). Vor allem die Preise für Immobi- lien, aber auch die meisten anderen Bestandteile der Lebenshaltungskosten sind deutlich höher. Hier liegt auch eine Erklärung für die hohe Anzahl an Grenzgängern. Zur Veran- schaulichung: Alleine 30 Tsd. Badener pendeln täglich in die Schweiz und zurück (vgl. BZ 2007: 8).
Auch die soziale Ungleichheit ist, gemessen an der relativen Einkommensverteilung, in der Schweiz weniger stark ausgeprägt als in Deutschland. Während die Armutsquote25 zwischen 2000 und 2010 in der BRD bei 6,3 % lag, waren in der Schweiz nur 4,8 % der Menschen betroffen (vgl. OECD 2011). Doch nicht nur der finanzielle Wohlstand son- dern auch die allgemeine Zufriedenheit mit ihrer Lebens- und damit auch Arbeitssitua- tion kommen darin zum Ausdruck, dass die Schweizer nach Resultaten der Glücksforschung zu den glücklichsten Menschen weltweit zählen (vgl. Schöneberger/ ZarinNejadan 2005: 12).
2.3.3 Wirtschaftsstruktur
Die wirtschaftliche Struktur, gemessen an der verhältnismäßigen Zahl der Erwerbstäti- gen im primären, sekundären und tertiären Sektor, ist in der Schweiz und in Deutsch- land ähnlich (vgl. Statistisches Bundesamt 2009 sowie BFS 2011a). Dass der Schweizer Primärsektor indessen noch leicht stärker ausgebildet ist, mag nicht nur an der Herstel- lung von Käse und Schokolade liegen, für die die Eidgenossen in der ganzen so Welt bekannt sind. Auffällig ist, dass die Schweiz, in der protektionistische Maßnahmen sonst wenig verbreitet sind, im Agrarsektor ein hohes Maß an Subventionierungs- und Schutzmaßnahmen aufweist (vgl. Hotz-Hart et al. 2006: 400). Beide Länder verfügen über einen ausgeprägten industriellen Sektor mit starker Exportorientierung. In Deutschland sind in erster Linie die Automobil-, Maschinenbau-, chemische und me- tallverarbeitende Industrie zu nennen (vgl. Willke 2006: 44). Die Schweiz ist insbeson- dere für ihre chemisch-pharmazeutischen Produkte, ihre Lebensmittelindustrie sowie für die aufwendige Fabrikation von Maschinen, Geräten, vor allem Uhren und speziellen Nischenprodukten bekannt (vgl. Schöneberger/ Zarin-Nejadan 2005: 65f). Dass der Schwerpunkt sowohl der schweizerischen als auch der deutschen Industrie bei der Fertigung von qualitativ hochwertigen High-Tech Produkten und der Veredelung von Vorprodukten liegt, hängt mit der relativen Rohstoffarmut beider Länder zusammen. Etwa drei Viertel der Erwerbstätigen der Schweiz und Deutschlands arbeiten im Dienst- leistungsbereich. Dieser wird in der Schweiz sehr stark durch den Finanzsektor geprägt, welcher rund 11 % der gesamten Wertschöpfung generiert und ca. 6 % der Beschäftig- ten beherbergt. Zusammen mit den Beschäftigten im Ausland arbeiteten 2009 knapp 240 Tsd. Menschen im Finanzbereich (vgl. SwissBanking 2010: 1). Die Wichtigkeit dieser Branche für den Schweizer Arbeitsmarkt ist somit immens.
[...]
1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.
2 Unter Arbeitsmarktperformanz wird die Leistungsfähigkeit des Arbeitsmarktes verstanden, möglichst vielen Menschen eine Beschäftigung zu ermöglichen.
3 entfallen
4 Anstelle des Begriffs „Erwerbslosenquote“ wird der in der Öffentlichkeit geläufigere Ausdruck „Arbeitslosenquote“ verwendet. Aufgrund besserer Vergleichbarkeit handelt es sich jedoch in dieser Arbeit grundsätzlich um die standardisierte Arbeitslosenquote nach dem Konzept der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Ausnahmefälle sind angegeben.
5 Anteil der Erwerbspersonen zwischen 15 bis 64 Jahren an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung.
6 Gemeint ist der Umstand, dass Personen aufgrund bestimmter (negativer) Arbeitsmarktbedingungen aus dem Erwerbsleben und damit der Gruppe der Erwerbspersonen ausscheiden.
7 Auch Erwerbstätigenquote genannt. Sie gibt den Anteil der Beschäftigten im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre) an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung wieder.
8 Anteil der weiblichen Beschäftigten zwischen 15 und 64 Jahren an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung.
9 Gering Qualifizierte sind gemäß OECD-Definition alle Personen, deren höchster Bildungsabschluss unterhalb Sekundarbereich II liegt (hier: zwischen 25 und 64 Jahren)
10 Siehe hierzu Franz (2009): 362-365.
11 In diese Kategorie fallen Personen, die ein Jahr und länger arbeitslos sind.
12 Zur Methodik und Berechnung der NAIRU siehe Richardson et al. (2000).
13 Durchschnittliche Anzahl Kinder pro Frau im Alter von 15 bis 49.
14 Diese werden Ausländern nach einem ordentlichen und ununterbrochenen Aufenthalt von 5 oder 10 Jahren erteilt (Quelle: BFM 2011).
15 Geringes Qualifikationsniveau: höchster Bildungsabschluss unterhalb Sekundarbereich II. Mittleres Qualifikationsniveau: höchster Bildungsabschluss im Sekundarbereich II oder postsekundaren, nicht tertiären Bereich. Hohes Qualifikationsniveau: Abschluss im Tertiärbereich. Jeweils im Alter von 25 bis 64 Jahren.
16 Dabei muss jedoch angemerkt werden, dass die hohen Ausgaben der Schweiz zum Teil auf die im internationalen Vergleich hohen Gehälter für Lehrkräfte zurückzuführen sind (vgl. OECD 2010a).
17 Zum Vergleich: Der Anteil der Erwachsenen mit Hochschulabschluss beträgt in den USA 41 % (vgl. OECD 2010: )
18 Normale Arbeitszeit von weniger als 30 Stunden pro Woche.
19 Aufgrund unterschiedlicher Erhebungsquellen sind die Zahlen mit Vorbehalt zu betrachten.
20 Wert für 2008.
21 Stand: 01. Januar 2011; Quelle: BK - Schweizerische Bundeskanzlei 2011: 14.
22 Diejenige Höhe des Wirtschaftswachstums ab der die Beschäftigung steigt (vgl. Franz 2009: 393).
23 Durchschnittliches jährliches Bruttoeinkommen eines abhängig Beschäftigten in Vollzeitäquivalenz über die gesamte Wirtschaft betrachtet.
24 Die Werte für die Sozialversicherungsbeiträge sowie den Steuer- und Abgabenkeil beziehen sich auf eine alleinstehende Person ohne Kinder mit durchschnittlichem Einkommensniveau.
25 Definition: Armutsquote nach Steuern und Transfers. Personen, die weniger als 40 % des Medianeinkommens zur Verfügung haben.
- Quote paper
- Marius Mai (Author), 2011, Arbeitsmarkt Schweiz – Vorbild für mehr Beschäftigung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/194166
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