Mit Werbung kommt man jeden Tag in Kontakt. In die komplexen Prozesse, die sich dahinter verbergen, erhält dem Durchschnittsbürger allerdings keinen Einblick. Und hierbei geht es nicht nur um die konkrete Erstellung eines Werbespots oder um die grafische Gestaltung eines Plakats, sondern um viele weitere, tiefgründige Faktoren. Die Globalisierung der Märkte und die multikulturelle Gesellschaft ermöglichen es, schnellere und effizientere Vernetzungen zwischen den Menschen zu gestalten – egal wo diese auf dem Erdball sich befinden. Es stellt sich aber immerhin die Frage, ob dadurch eine Standardisierung der Werte und der Kultur der Menschheit erfolgt. Diese Frage betrifft auch die Werbung. Durch die für diese Arbeit durchgeführten Recherchen hat sich herausgestellt, dass Werbung allenfalls von der Globalisierung betroffen ist. Das bedeutet aber nicht, dass gegenwärtige Werbung komplett standardisiert ist. Lokale Kulturen und staatliche Strukturen und Gesetzgebungen dürfen nicht ignoriert werden und es ist deshalb für Werbefachleute grundlegend, über interkulturelles Wissen zu verfügen. Werbemaßnahmen müssen nicht nur fachgerecht, sondern auch kulturbewusst kreiert werden, ohne dabei die lokalen Strukturen und Gesetzgebungen zu vergessen. Wird das nicht gemacht, können große Imageeinbußen und finanzielle Verluste für die werbenden Unternehmen entstehen. Aus dieser Mischung zwischen Globalisierung und Anpassung ergibt sich ein neuer Ansatz zur Werbung: die Glokalisierung. „Think global act local“ lautet ihr Motto. Auch die Automobilindustrie, die in dieser Arbeit ebenfalls unter die Lupe genommen wird, ist von diesem Phänomen betroffen. Der andere Trend, der aufgekommen ist, ist eine zunehmende Emotionalisierung der Werbung, der u.a. die Rückkehr von sogennanten Retro-Produkten verursacht. Zu dieser Art von Produkten zählt der Fiat 500, der viele Jahre lang aus der Produktion war und jetzt erfolgreich zurück ist, wie Phoenix aus der Asche. Die Arbeit enthält den folgenden Hinweis: Die Anhänge A, B und C, die Interview-Fragebögen, die Interview-Transkripte, die als .pdf gespeicherten Internetquellen und das ganze Bild- und Videomaterial befinden sich auf der beigelegten CD.
Diese CD ist NICHT im Lieferumfang enthalten!
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG
2. FRAGESTELLUNG UND AUFBAU DER ARBEIT
3. BEGRIFFSKLÄRUNG
3.1 TENDENZ
3.2 GLOBALISIERUNG
3.3 WERBUNG
4. ROLLE DER KULTUR
4.1 WAS IST KULTUR?
4.1.1 Definitionen
4.1.2 Die Kulturzwiebel
4.1.3 Der Kultureisberg
4.2 KULTURKATEGORIEN
4.2.1 Hofstede
4.2.2 Hall
4.2.3 Kritik
4.3 LIFESTYLE-GRUPPEN
4.4 SPRACHE UND KULTUR
4.4.1 Die globale Sprache
4.4.2 Emotionen verbalisieren
4.5 KULTURELL MISSLUNGENE KAMPAGNEN
5. DIE EWIGE DEBATTE
5.1 WERBUNG UND KULTUR
5.1.1 Kulturallgemeine Elemente
5.1.2 Kulturspezifische Elemente
5.2 DIE HAUPTTHEORIEN
5.2.1 Standardisierung
5.2.2 Anpassung
5.3 DIE ANZUPASSENDEN/ZU STANDARDISIERENDEN ELEMENTE
5.3.1 Die Prozess-Elemente
5.3.1.1 Budget
5.3.1.2 Positionierung
5.3.1.3 Zielgruppe
5.3.1.4 Medien
5.3.1.5 Koordination
5.3.2 Die Programm-Elemente
5.3.2.1 Produkt
5.3.2.1.1 Produktart
5.3.2.1.2 Die Bedürfnispyramide nach Maslow
5.3.2.2 Slogan und Optik
5.4 HISTORISCHE ENTWICKLUNGEN
5.4.1 Historische Phasen in Marketing und Kommunikation
5.4.2 Tendenzen
5.5 GLOKALISIERUNG
6. WERBUNG IN DER AUTOMOBILINDUSTRIE
6.1 DIACHRONISCHE BETRACHTUNG DER AUTOMOBILWERBUNG
6.1.1 Emotional oder informativ?
6.1.2 Das Retro-Marketing
6.2 DER FIAT 500
6.2.1 Damals
6.2.2 Heute
6.3 FIAT 500 KAMPAGNEN
6.3.1 Die Kampagne von 1957
6.3.1.1 Italien
6.3.1.2 Deutschland
6.3.2.1 Italien
6.3.2.2 Deutschland
7. INTERVIEWS
7.1 METHODISCHES VORGEHEN
7.1.1 Auswahl der Interview-Kandidaten
7.1.2 Fragestellung
7.2 AUSWERTUNG UND ANALYSE
7.2.1 Allgemeine Tendenzen in der Werbung
7.2.2 Die einzelnen Elemente der Werbung
7.2.2.1 Die Prozess-Elemente
7.2.2.1.1 Budget
7.2.2.1.2 Positionierung
7.2.2.1.3 Zielgruppe
7.2.2.1.4 Medien
7.2.2.1.5 Koordination
7.2.2.2 Die Programm-Elemente
7.2.2.2.1 Produkt
7.2.2.2.2 Slogan und Optik
7.2.3 Allgemeine Tendenzen in der Automobilwerbung
7.2.4 Die einzelnen Elemente in der Automobilwerbung
7.2.4.1 Die Prozess-Elemente
7.2.4.1.1 Budget
7.2.4.1.2 Positionierung
7.2.4.1.3 Zielgruppe
7.2.4.1.4 Medien
7.2.4.1.5 Koordination
7.2.4.2 Die Programm-Elemente
7.2.4.2.1 Produkt
7.2.4.2.2 Slogan und Optik
7.2.5 Der Fall Fiat 500
7.2.5.1 Das Auto
7.2.5.2 Die Kampagne „Manifesto“
7.2.5.3 Die Kampagne „Everyday Masterpieces“
8. SCHLUSSWORT
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 - Die Kulturzwiebel
Abbildung 2 - Farben und Kultur
Abbildung 3 - Der Kultureisberg
Abbildung 4 - “Soft Sell”-Werbung
Abbildung 5 - “Hard Sell”-Werbung
Abbildung 6 - Häagen-Dazs Werbung
Abbildung 7 - Die Maslow’sche Pyramide
Abbildung 8 - Der Nuova 500
Abbildung 9 - NSU-Fiat Weinsberg 500 Limousette
Abbildung 10 - Der neue Fiat 500
Abbildung 11 - Positionierung des Fiat 500
Abbildung 12 - Autoparade Turin 1957
Abbildung 13 - Informative Werbung
Abbildung 14 - Alltagsszenen in der Werbung
Abbildung 15 - Kinowerbung Fiat 500 von 1957
Abbildung 16 - Werbung von NSU Fiat 500 Coupé
Abbildung 17 - 500 wants you-Plattform
Abbildung 18 - “Everyday Masterpieces” Italien
Abbildung 19 - “Manifesto” Italien
Abbildung 20 - “Below the line”-Werbung in Berlin
Abbildung 21 - “Everyday Masterpieces” Deutschland
Abbildung 22 - Fragmentierung der Medienwelt
1. Einführung
Unsere Gesellschaft wird tagtäglich mit der Globalisierung und mit dem Entstehen eines sogennanten „global marketplace“ konfrontiert. Was wir essen, die Musik, die wir hören, unsere Gewohnheiten ähneln oft denen völlig fremder Menschen, die Tausende von Kilometern von uns entfernt leben. Das könnte den Eindruck vermitteln, dass die Gangart der Welt auf dem Pfad der Globalisierung und Standardisierung immer schneller würde. Dieser Eindruck könnte auch bei der Betrachtung der immensen Ausdehnung des World Wide Webs oder der zunehmenden Reisemöglichkeiten, die die Erforschung jedes noch so abgelegenen Fleckens des Erdballs und den Kontakt mit lokalen Kulturen ermöglichen, entstehen. Die Öffnung der Märkte, die Schaffung größerer Wirtschaftsräume und der Abschluss internationaler Handelsabkommen haben den wirtschaftlichen Horizont erweitert und zu steigenden Ausfuhrzahlen geführt (der globale Warenexport ist seit 1950 um mehr als 2.800 Prozent gestiegen)1. „Globale Konsumenten“, „globale Produkte“, „globale Werbung“ sind Schlüsselwörter der globalisierten Gesellschaft.
Folgt man diesem Gedankengang, könnte man zu dem Schluss gelangen, dass die Endstation dieses Prozesses eine absolute Standardisierung aller Dinge sei. Doch versucht man, diese These durch eine „Reductio ad absurdum“2 zu prüfen, merkt man schnell, dass das Gegenteil genauso nachweisbar scheint: Der Verlust an sicheren Anhaltspunkten, die Abschaffung realer und fiktiver Grenzen bringt Menschen dazu, eine Identität innerhalb einer Gruppe zu suchen, sei diese Gruppe über die ganze Erde zerstreut oder in einem einzigen Land oder einer einzigen Region konzentriert. Diese Identität kann man als Kultur bezeichnen, also als „die kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Organisation von einer anderen unterscheidet“ (Hofstede 1993: 203).
Menschen, die nur ein paar Kilometer von unserem Zuhause wohnen, können ganz andere Weltanschauungen haben, andere Gerichte kochen und überhaupt keine Ähnlichkeiten mit uns haben, während andere, die ein paar Tausend Kilometer von unserem Zuhause leben, uns vielleicht überraschend ähnlich sind. Dies ist die Folge kultureller Unterschiede, die sich gemeinsam mit den Kulturen grenzüberschreitend ausbreiten. „No man is an island“, schrieb John Donne 1623. Fast vier Jahrhunderte später antwortete Schoefthaler: „No culture is an island“ (Schoefthaler 2007: 84) . Aber haben alle Angehörige einer selben Kultur dieselben Werte? Und reagieren wir alle gleich, wenn wir mit der gleichen Werbung konfrontiert werden? Oder ist das kulturabhängig?
Kultur ist erlernt, nicht ererbt (Hofstede 2001). Und sie ist kein starrer Gegenstand: Kultur entwickelt sich und beeinflusst unser Leben genauso wie wir zu ihrer Entwicklung und Veränderung beitragen (Schoefthaler 2007: 84). Unsere Eltern, die Schule, der Freundeskreis, die Massenmedien beeinflussen ständig unsere Wahrnehmung und die Entscheidungen, die wir treffen (Samovar & Porter & Stafani 1998: 39; Assaf 2007: 44ff.). Werbung versucht uns ebenfalls zu beeinflussen und dazu zu bringen, ein Produkt zu kaufen oder will uns ein bestimmtes Bild einer Firma (Corporate Identity) oder Dienstleistung vermitteln. Dabei muss sie erfolgreich eine Botschaft übermitteln. Kultur spielt in diesem Zusammenhang auf Empfängerseite die Rolle einer bunten Brille, die unsere Wahrnehmung der Botschaft beeinflusst. (Bruhn 2007; Mueller 2004)
Es gibt kein Patentrezept für Werbung: Man muss zuerst erkennen, was für eine Art von Brille die Rezipienten tragen, damit man die Botschaft dem Empfänger oder der Zielgruppe anpassen kann. Man darf aber nicht vergessen, dass nicht immer die Zeit, das Kapital oder überhaupt der Vorsatz vorhanden sind, solche Recherchen durchzuführen. Vielleicht handelt es sich auch um Marktbereiche oder Produktarten, die keine großen Forschungen benötigen, da sie auf weltweit gleichgesinnte Ansprechpartner zielen, die auf gleiche Art angesprochen werden können. Dies gilt zum Beispiel für spezielle Bereiche, wie für das High-Tech-Segment oder internationale Hotelketten, die weltweit über eine ähnliche Kundschaft verfügen (De Mooij 2010, Mueller 2004). Ob eine Standardisierung der Werbung in diesen Sektoren möglich oder überhaupt erforderlich ist, ist allerdings fragwürdig.
Weil Werbung ein komplexes, facettenreiches Phänomen ist, das nicht als Unikum betrachtet werden kann, existieren zu dieser Fragestellung verschiedene Meinungen und Ansätze, die sich auf dem Kontinuum Standardisierung - Anpassung bewegen (Papavassilious & Stathakopoulos 1997: 504ff.; Robertson 1995). Werbung ist nicht allein das Fertigprodukt, das der Konsument präsentiert bekommt, sondern beinhaltet überdies einen komplexen Entwicklungsprozess. Dazu gehören die Komponenten Planung, Recherche und Erfolgskontrolle der Werbekampagne. Man könnte auch unterscheiden zwischen „wie“ und „was“ man kommuniziert (Dmoch 2004: 648ff.; Pepels 2008: 61ff.). Gibt es eine einzige weltweit gültige Methode, um die Kampagne zu gestalten und zu veröffentlichen? Und stimmt der Inhalt auch in allen Ländern überein? Oder gibt es weitere Elemente einer Werbekampagne, die je nach Kultur angepasst oder standardisiert werden können bzw. müssen? Diese Arbeit versucht, eine aussagekräftige und theoretisch begründete Antwort zu liefern. Im nächsten Kapitel werden die zentralen Fragestellungen aufgelistet und der Aufbau der Arbeit erläutert.
2. Fragestellung und Aufbau der Arbeit
In dieser Arbeit werden die Globalisierungstendenzen der Werbung analysiert und die Rolle der Kultur in dieser Beziehung erläutert. Zu den zentralen Fragestellungen gehören:
- Betrifft die Globalisierung der Weltmärkte auch die Werbung?
- Ist Werbung immer noch kulturspezifisch oder entwickelt sich Werbung zu einem kulturallgemeinen Bereich, der über allen Kulturen steht?
- Welche Elemente der Werbung sind kulturspezifisch und welche nicht?
- Welche Elemente einer Werbekampagne sollten wann standardisiert bzw. angepasst werden?
- Wo zeichnen sich Zukunftstendenzen bezüglich Standardisierung bzw. Anpassung in der Werbung ab?
- Sind diese Tendenzen auf allen Märkten und in allen Sektoren gleich?
- Wo positioniert sich die Automobilbranche in diesem komplexen Zusammenhang?
- Wo positioniert sich der Fiat 500 mit seiner Markteinführungskampagne 1957 und seiner Wiedereinführungskampagne 2007?
Diese Arbeit ist deduktiv aufgebaut und in 8 Kapitel gegliedert. Nach einer anfänglichen Begriffsklärung in Kapitel 3 ist der theoretische Apparat in drei große Teile gegliedert, die in den Kapiteln 4, 5 und 6 entwickelt werden. In Kapitel 4 werden das Thema Kultur und ihre Eigenschaften mithilfe von Modellen und Kulturdimensionen dargelegt. Im nächsten Schritt wird in Kapitel 5 die Beziehung zwischen Kultur und Werbung unter die Lupe genommen und die Debatte zwischen Befürwortern und Gegnern der Standardisierung der Werbung in diesen Zusammenhang erörtert. Kapitel 6 beschäftigt sich mit dem Thema Werbung in der Automobilbranche und ihren Charakteristika. Als konkretes Beispiel werden die Kampagnen für den FIAT 500 aus den Jahren 1957 und 2007 herangezogen, um die Theorie mit der Praxis abzugleichen. Diese werden erstmals deskriptiv offengelegt, um sie dann in Kapitel 7.2.5 mit den Erkenntnissen aus den vier durchgeführten Interviews empirisch analysieren und in die Theorie einbetten zu können. In den Kapiteln 7.2.1 bis 7.2.4 werden die empirischen Ergebnisse über Werbung im Allgemeinen und in der Automobilbranche im Besonderen dargelegt. Ein Schlusswort fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
3. Begriffsklärung
Bevor die Auseinandersetzung mit der These der Arbeit erfolgt, ist eine Klärung der grundlegenden Begriffe notwendig, um das Thema klar abzugrenzen und die darauf folgende Diskussion deutlich und präzise zu gestalten. Der Titel dieser Arbeit lautet: „Globalisierungstendenzen in der Werbung - dargestellt am Beispiel der FIAT 500- Kampagne“, deswegen werden die Termini „Tendenz“, „Globalisierung“ und „Werbung“ zuerst definiert. Weitere Fachwörter werden im Laufe der Arbeit - falls von der Autorin für nötig gehalten - bei ihrer jeweils ersten Verwendung erklärt.
3.1 Tendenz
Der erste Fachbegriff ist „Tendenz“. Das Wort stammt aus dem Französischen. „Tendance“ bedeutet eine Neigung, ein Streben in eine bestimmte Richtung. (Wahrig 1997: 1219) In dieser Arbeit wird die Entwicklungsrichtung der Werbung auf dem Anpassungs-Standardisierungskontinuum analysiert, um eventuelle Neigungen zur Globalisierung zu erkennen und dann zu bejahen oder zu verneinen. Die Anpassung oder Standardisierung der Werbung bezieht sich auf die Kulturen der Zielmärkte bzw. Zielgruppen. Das heißt, es wird versucht herauszustellen, ob es in der Werbung notwendig ist, die Kampagne den jeweils unterschiedlichen Kulturen anzupassen oder, ob es womöglich aus später angeführten Gründen genügt, eine einzige standardisierte Kampagne zu gestalten. Die Ergebnisse dieser Beobachtungen werden dann in einen historischen Rahmen eingebettet, um vergangene und voraussehbare zukünftige Tendenzen zu erkennen und beschreiben.
3.2 Globalisierung
Das nächste Schlüsselwort ist „Globalisierung“. Eine globale Kampagne ist „supraterritorial“, sie geht also über die Grenzen hinaus:
„Globalization as deterritorialization - or, as I would prefer, the growth of ‘supraterritorial’ relations between people. In this usage ‘globalization’ refers to a far-reaching change in the nature of social space. The proliferation and spread of supraterritorial (...) connections brings an end to what could be called ‘territorialism’, that is, a situation where social geography is entirely territorial.“ (Scholte 2000: 46)
Wenn von einer globalisierten Werbekampagne die Rede ist, gilt der erste Gedanke oft einer Werbekampagne, die überall gleich ist: einer „standardisierten“ Kampagne. Um Globalisierung besser zu verstehen, muss sie jedoch vom Terminus „Standardisierung“ unterschieden werden. „Standardisiert“ hat drei Bedeutungen: „für alle gleich“, „überall auf der Welt gleich“ und „in der Zeit gleich bleibend“ (Usunier & Lee 2009: 104). Wenn man diese Definitionen liest, fällt ein Kontrast zwischen Globalisierung - von Ritzer auch als McDonaldisierung der Gesellschaft bezeichnet (Ritzer 1993) - und Standardisierung auf, da sogenannte „globale Produkte“ wie Coca-Cola oder McDonald’s in der Wirklichkeit eine viel größere Anpassung an die lokalen Kulturen und Geschmäcker beweisen als weithin angenommen. Teriyaki Burger in Japan oder Salmon Burger in Norwegen deuten sicher nicht auf eine Standardisierung des Produktes und wenn für diese Produkte geworben wird, dann kann dies allein mit einer lokalen Kampagne geschehen. (Ritzer 1993; Usunier & Lee 2009: 104ff.) „Global“ und „standardisiert“ werden also in der Umgangssprache häufig als Synonyme verwendet, sind es aber nicht, außer wenn das englische Wort „global“ als Gegenstück von „local“ benutzt wird und damit „lokal nicht angepasst“ gemeint ist. Globalisierung ist eine Art „Schein-Standardisierung“, die auf der Makroebene erfolgt (Robertson 1995; Banerjee 2000: 22).
Die zentrale These dieser Arbeit ist also, dass es Makrotendenzen zur Globalisierung der Werbung gibt, die aber auf der Mikroebene nicht mit der gleichen Intensität und Konsequenz zu beobachten sind.
Globalisierung ist desweiteren ein wirtschaftliches Phänomen, das Borghini als Zunahme der gegenseitigen Abhängigkeit und Integration der weltweiten Wirtschaftsmärkte bezeichnet. Heutige Märkte sind von ständig wachsenden und grenzüberschreitenden Waren-, Dienstleistungs-, Personen-, Investitions-, Güter-, Finanz-, Technologie-, Wissens- und Informationsflüssen geprägt (Borghini 2006: 296ff).
3.3 Werbung
Jedermann weiß angeblich, was Werbung ist. Es ist trotzdem wichtig, diesen Begriff genau zu definieren, da sich seine Bedeutung in der Umgangssprache von der Bedeutung des Begriffs im Marketingbereich unterscheidet. Um sich erfolgreich zu behaupten, muss ein Unternehmen den so genannten Marketing-Mix erfolgreich steuern. Dieser besteht aus vier „P“s: Product, Price, Place und Promotion. Werbung ist Bestandteil der Kategorie „Promotion“ zusammen mit Public Relations, Personal Selling, Direct Marketing, Sponsoring und Product Integration (Bruhn 2007; McCarthy 1960; Mueller 2004). Auch die Begriffe Werbung und Marketing sind also keine Synonyme. Der erste der beiden Begriffe beinhaltet auf keinen Fall all die weiteren Komponenten, die in die Kategorie „Promotion“ fallen. Werbung ist auch von Kommunikation zu unterscheiden, da sie nur einen Teil der Kommunikation eines Konzerns darstellt:
„Kommunikation bedeutet die Übermittlung von Informationen und Bedeutungsinhalten zum Zweck der Steuerung von Meinungen, Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen bestimmter Adressaten gemäß spezifischer Zielsetzungen.“(Meffert 2000: 791)
Wie man aus der Definition schließen kann, ist Kommunikation eine sehr breit gefächerte Tätigkeit, die - neben Werbung - auch unternehmensinterne Kommunikationsformen z.B. mit den Mitarbeitern, und externe Kommunikation, z.B. mit der Presse oder mit Lobbies enthält. (Bruhn 2007: 8ff.; Meffert 2000:791ff.; Pepels 2008: 62ff.)
Um entscheiden zu können, ob es sich bei einer Kommunikationsmaßnahme tatsächlich um Werbung handelt, muss man drei Punkte beachten:
„At this point we can say that for a communication to be classified as advertising, three essential criteria must be met:
1. The communication must be paid for.
2. The communication must be delivered to an audience via mass media.
3. The communication must be attempting persuasion.“
(O’ Guinn et al. 2009: 10)
In dieser Arbeit wird allein das Thema Werbung in Betracht gezogen und die Kampagnen des Fiat 500 werden analytisch und empirisch untersucht. Man muss an dieser Stelle allerdings darauf aufmerksam machen, dass in der heutigen Welt immer mehr und andere Medien zur Verfügung stehen, was zu unkonventionellen Werbemaßnahmen führt (Schmitt et al. 2004: xvi; Van der Pool & Rountree 03/02/2003). Dies führt dazu, dass die Grenzen zwischen Werbung und den sogenannten „below the line“-Marketinginstrumenten, wie Sponsoring, Direct Marketing, Verkaufsförderung oder Guerilla Marketing, immer undeutlicher werden. (Van der Pool & Rountree 03/02/2003) Dieses Phänomen erschwert eine deutliche Definition von Werbung und ist ein entscheidender Grund, warum viele Autoren auf eine Definition gänzlich verzichten.
4. Rolle der Kultur
Wenn es um Globalisierungstendenzen in der Werbung geht, ist „Kultur“ das Schlüsselwort. Schon seit Jahrzehnten herrscht eine hitzige Debatte zwischen Befürwortern der Standardisierung bzw. Anpassung der Werbung. Die Frage lautet: Ist Werbung „kulturspezifisch“ oder „kulturallgemein“? Daraus entwickelt sich eine weitere Frage: „Soll Werbung an die lokale Kultur anpasst werden oder ist ein globalisierter, standardisierter Ansatz eher von Vorteil?“ Es gibt darauf zwei mögliche Antworten für die Werbestrategen: Wenn Werbung frei von jeglichen kulturellen Einflüssen wäre, könnte man für eine standardisierte Herangehensweise der Werbung plädieren. Sollte das Gegenteil stimmen, wäre ein lokaler, angepasster Ansatz geeigneter. Aber bevor die Inhalte dieser Debatte in Kapitel 5 erläutert werden, wird das Konzept von Kultur tiefgründiger beleuchtet, um ihre Rolle in der Werbung deutlich zu machen.
4.1 Was ist Kultur?
Kultur ist ein Wort, das zum alltäglichen Wortschatz gehört. Was Kultur genau ist und was zu ihr gehört, muss jedoch zunächst näher betrachtet werden. In diesem Kapitel wird zuerst das Phänomen Kultur definiert und analysiert. Unterstützend werden zwei Kulturmodelle herangezogen: die „Kulturzwiebel“ von Hofstede und der „Kultureisberg“ von Hall. In zweiter Linie wird die Intrakomplexität der Kultur anhand der „Kulturkategorien“ von Hofstede und Hall und der sogennanten „Lifestyle- Gruppen“ erforscht. Nachdem das Phänomen Kultur erklärt wurde, wird die Beziehung zwischen Sprache und Kultur und die Frage nach der globalen Sprache analysiert. Am Ende des Kapitels werden Beispiele kulturell misslungener Werbekampagnen aufgelistet und die Ursachen ihres Misserfolgs analysiert.
4.1.1 Definitionen
Kultur ist ein komplexes und facettenreiches Phänomen, mit dem sich Hunderte von Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen beschäftigt und es dabei vielerlei definiert und beschrieben haben. Dass Kreober und Kluckhohn schon Anfang der 1950er Jahre mehr als 160 Definitionen von Kultur ausfindig gemacht hatten - und das allein in der Anthropologie - bestätigt diese Behauptung (Kreober & Kluckhohn zitiert nach: Mueller 2004: 106).
Unter den vielen Definitionen von Kultur ist die von Heringer, Sprachwissenschaftler und Professor an der Universität Augsburg, besonders erleuchtend:
„Eine Kultur ist eine Lebensform. Kultur ist ein Objekt besonderer Art. Wie Sprache ist sie eine menschliche Institution, die auf gemeinsamem Wissen basiert. Kultur ist entstanden, sie ist geworden im gemeinsamen menschlichen Handeln. Nicht, dass sie gewollt wurde“. (Heringer 2004: 107)
In der von Heringer geprägten Definition des Terminus Kultur wird die Lebendigkeit der Kultur hervorgehoben. Kultur besteht nicht allein aus staubigen Büchern oder Errungenschaften von Helden, die längst ihren Wohnsitz im Jenseits haben. Kultur wird jeden Tag durch menschliches Handeln entwickelt, und dieses Handeln muss nicht zwingend geistig oder künstlerisch sein. Es kann auch aus kleinen Ritualen bestehen, die Menschen regelmäßig wiederholen, bis sie sich eines Tages zu Sitten und Überzeugungen entwickeln und somit zum wichtigen Bestandteil einer gemeinsam gelebten Kultur werden. (Lewis 2000; Schoefthaler 2007).
Die Unesco, die sich schon seit über 60 Jahre für Kultur und ihre Vielfalt einsetzt, schlägt eine sehr umfangreiche und komplette Definition von Kultur vor:
„Culture... is ... the whole complex of distinctive spiritual, material, intellectual and emotional features that characterize a society or social group. It includes not only arts and letters, but also modes of life, the fundamental rights of the human being, value systems, traditions and beliefs.“3
Kultur ist also ein sehr komplexer Gegenstand, der Menschen unterschiedliche Identitäten verleiht und deswegen zu Missverständnissen, Unverständnis und sogar Konflikten führen kann. (Huntington 1997; Said 1994; Schoefthaler 2007) Kultur ist dann “kein stiller Bereich apollinischer Vornehmheit, sondern bisweilen geradezu ein Schlachtfeld“ (Said 1994: 16). Da aus Klein Groß wird, sollte man Kultur nicht unterschätzen. Diese Erfahrung machte ein dänischer Verlag, der Karikaturen von Allah publiziert hatte. Fünf Jahre nach der Veröffentlichung war der Vorfall noch nicht in Vergessenheit geraten und islamische Fundamentalisten planten einen Anschlag auf das Gebäude des Verlags. Der Anschlag wurde durch die Polizei vereitelt. (Zeit Online 15/01/2010)4. Das Konfliktpotential der Medien sollte berücksichtigt werden wie auch ihr allgemeiner Einfluss auf das Konsum- und auf das kommunikative Verhalten, weil es sich dabei um für die Werbung grundlegende Faktoren handelt (Bruhn 2007: 153). Welche Folgen die Unterschätzung kultureller Merkmale in der Werbung haben kann, wird in Kapitel 5 erläutert.
4.1.2 Die Kulturzwiebel
Wie bereits im vorigen Kapitel erklärt wurde, ist das menschliche Handeln Bestandteil und ständige Entwicklungsquelle jeder Kultur. Kultur darf man aber nicht als eine Art formbares, geschmeidiges Unikum betrachten, weil es sich bei ihr um einen sehr intrakomplexen Gegenstand handelt, der aus mehreren Schichten besteht. Ein klassisches Modell, um den Kulturaufbau zu visualisieren, ist die „Kulturzwiebel“ von Hofstede. In diesem Modell werden die Bestandteile einer Kultur als übereinander liegende Schalen einer Zwiebel dargestellt. Die äußersten Schalen sind die sichtbarsten, also die, die auch von einem externen, kulturfremden Betrachter wahrgenommen, beobachtet und verstanden werden können. Der Kern besteht aus den prägenden Werten einer Kultur, die unsichtbar sind und weitgehend unverständlich für Außenstehende bleiben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 - Die Kulturzwiebel5
Geht man dem Aufbau sukzessive nach, besteht die äußerste Schicht der Zwiebel aus den Symbolen. Diese sind die offensichtlichsten, auch für einen Außenstehenden wahrzunehmenden Komponenten einer Kultur wie z.B. Sprache, Mode, Nahrungsmittel und Kunst (Blom/Meier 2004: 41). Die direkt darunter liegende Schicht ist mit dem Titel „Helden“ versehen. Der Terminus „Held“ bezeichnet die Leitfiguren einer bestimmten Kultur, dabei spielt es keine Rolle, ob diese real oder fiktiv sind. Politiker oder Schauspieler können als Helden bezeichnet werden, genauso wie Comicfiguren oder Sportler (Hofstede 1991: 8; Blom/Meier 2004: 42). Rituale, die dritte Schicht, sind kollektive Angewohnheiten, Begrüßungsformeln oder Etiketten wie z.B. die Teezeremonie in Japan oder nationale Feiertage. Nur Mitglieder derselben Kultur können die kulturelle Bedeutung dieser Elemente verstehen und interpretieren. Den inneren Kern der Zwiebel bilden die Werte einer Kultur: Das sind also grundlegende kollektive Überzeugungen. Die inneren Schichten einer Kultur können bei einem Kulturfremden unverstanden oder sogar unerkannt bleiben. Was jede Schicht impliziert, spiegelt sich im Verhalten und in den Handlungen der Menschen wieder, deshalb ist die Bezeichnung „Praktiken“ schichtüberschreitend. (Hofstede 1991: 8, Mueller 2004:131).
Auf den ersten Blick harmlos erscheinende Elemente, die beispielsweise zu der äußersten Schicht gehören, können durch Praktiken oder tiefgründigere Konnotationen in tiefere Schichten hineinragen und neue, ungeahnte Bedeutungen annehmen. Denkt man in der westlichen Kultur an die Farbe Weiß, sind die ersten Assoziationen sehr wahrscheinlich Reinheit und Unschuld. Ganz anders sieht es in China aus, wo Weiß die Farbe der Trauer ist. Dabei mag es sich nur um ein Symbol handeln, die Unterschiede sind jedoch viel tiefgründiger als die rein farblichen. Eine weitere Farbe, die eine vielschichtige Bedeutung hat, ist Rot. Sie ist die Farbe des Blutes - natürlich könnte man die Farbe auch mit anderen Substanzen oder Objekten in Verbindung setzen, wie z.B. mit Rosen - und besitzt deswegen eine extrem zweideutige Symbolik: Blut kann Leben versinnbildlichen, da es in unseren Adern fließt und damit Leben ermöglicht. Es kann aber auch mit dem Tod in Verbindung gebracht werden, denn rot ist das Blut, das aus Wunden fließt und Schmerz und Leid verursacht (Mueller 2004: 39. Usunier & Lee 2009: 235). Die Nutzung einer roten Verpackung oder eines roten Hintergrundes für ein Plakat sollte deshalb gut überlegt sein, weil sie ein kulturelles Desaster bedeuten könnte. Die Liste gefährlicher kulturspezifischer Elemente ist nahezu unendlich: Humor, Rolle der Geschlechter, Moral, Religion usw. (Mueller 2004: 120ff.). Die kulturspezifischen und kulturallgemeinen Konzeptionen werden in Kapitel 5.1 gründlicher erforscht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 - Farben und Kultur6
4.1.3 Der Kultureisberg
Eine Alternative zum Zwiebelmodell von Hofstede stellt das Eisbergmodell von Edward Hall dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 - Der Kultureisberg7
Dieses Modell ähnelt der Kulturzwiebel von Hofstede und zeigt wie diese ebenso die sichtbaren oder expliziten sowie die unsichtbaren oder impliziten Komponenten einer beliebigen Kultur auf. Der Unterschied liegt darin, dass die Hofstede’schen „Schalen“ Überbegriffe sind, während im Modell von Hall die einzelnen Elemente oder Unterbegriffe namentlich erwähnt werden, weshalb es vorteilhaft wäre, beide Modelle gemeinsam anzuwenden, um das Phänomen Kultur in seiner Gesamtheit wahrzunehmen.
Elemente wie Kunst, Theater und Kleidung befinden sich über der Wasseroberfläche, weil sie auch ohne kulturelles Wissen leicht wahrzunehmen und zu deuten sind. Diese bilden die sogenannte „overt culture“. Andere Bestandteile - die den größten Teil der Eisbergs ausmachen - sind für den Außenstehenden nicht auf ersten Anhieb zu erkennen. Diese werden unterhalb der Wasseroberfläche dargestellt, da sie für Menschen ohne Vorkenntnisse nur teilweise oder überhaupt nicht zu verstehen sind - z.B. Arbeitsethik oder die Mechanismen der Freundschaft. Diese stellen die sogenannte „covert culture” dar. Die Arbeitsethik kann sich beispielsweise zwischen verschiedenen Kulturen deutlich unterscheiden und die verschiedenen Ansätze könnten aus ethnozentrischer Sicht betrachtet unlogisch erscheinen. (Hall 1981: 61f.) In asiatischen Ländern mit kollektivistisch geprägten Kulturen ist es beispielsweise wichtig, dass der Einzelne nicht aus der Masse hervorgehoben wird, egal ob positiv oder negativ. Ganz anders sieht es in westlichen Ländern und insbesondere in der USamerikanischen Kultur aus, wo in der Arbeitswelt individuell gekämpft, gelobt und zurechtgewiesen wird. (Hofstede 2001) Diese Betrachtungen machen die Wichtigkeit einer Analyse der kulturellen Einbettung der Zielmärkte deutlich.
Kultur ist kein oberflächliches Phänomen, das für jeden auf den ersten Blick zu verstehen ist. Erkenntnisse aus der Psychologie belegen, dass Kultur das menschliche Verhalten und insbesondere das Kaufverhalten beeinflusst, was werbende Unternehmen nicht vergessen dürfen (Bruhn 2007: 44ff.). Aus diesem Grund ist interkulturelle Sensibilität eine der wichtigsten Voraussetzungen für Werbeagenturen, um keine unpassenden oder unverständlichen Kampagnen zu veröffentlichen. Kann mit dieser Erkenntnis Werbung dann überhaupt als kulturallgemein betrachtet werden? Die Diskussion zwischen kulturallgemein und kulturspezifisch wird in Kapitel 5.1 dargelegt.
4.2 Kulturkategorien
Mit Kultur und Interkulturalität haben sich eine Vielzahl an Wissenschaftlern beschäftigt. Hofstede und Hall haben dabei Kulturdimensionen geschaffen, um Kultur messbar zu machen. Diese Dimensionen, auch „Kategorien“ genannt, stellen den Versuch dar, universelle Werte zu finden - die sogenannten Kulturstandards - mit Hilfe derer man verschiedene Nationen und Kulturen vergleichen kann. Es handelt sich hierbei um qualitative Kategorisierungen. Die Umfragen, die zur Schaffung der Kulturstandards geführt haben, können aber, angesichts der enormen Zahl an Befragten, als gleichzeitig qualitativ und quantitativ bezeichnet werden.8
4.2.1 Hofstede
Mit seiner Befragung der Mitarbeiter von IBM, in der er verschiedene National- und Unternehmenskulturen verglich, leistete Hofstede Pionierarbeit. Die Studie erstreckte sich über mehrere Jahre - von 1967 bis 1973 - und 116.000 IBM Mitarbeiter aus 53 verschiedenen Ländern nahmen daran teil. Aus den Ergebnissen entstanden vier Kategorien oder Dimensionen, zu denen 1987 eine fünfte Kategorie hinzukam, die auf der chinesischen Doktrin des Konfuzianismus basierte und „Langzeitorientierung“ hieß. Die Kulturkategorien nach Hofstede lauten:
- Machtdistanz
- Individualismus
- Maskulinität
- Unsicherheitsvermeidung
- Langzeitorientierung
Jede Kategorie stellt ein Kontinuum dar, auf dem sich jede beschriebene Nationalkultur befindet. Machtdistanz- und Unsicherheitsvermeidungskontinuen reichen von geringer bis zu hoher Machtdistanz bzw. Unsicherheitsvermeidung; Individualismus wird Kollektivismus gegenübergestellt, sowie Maskulinität Femininität und Langzeitorientierung Kurzzeitorientierung. Je nach Ausprägung der jeweiligen Charakteristika erhalten die Nationalkulturen eine Punktzahl.9
Die erste Kategorie heißt „Machtdistanz“ und wird von Hofstede folgendermaßen beschrieben:
„Das Ausmaß, bis zu welchem die weniger mächtigen Mitglieder von Institutionen bzw. Organisationen eines Landes erwarten und akzeptieren, dass Macht ungleich verteilt ist“. (Hofstede 2006: 59)
Länder, die eine niedrige Punktzahl in dieser Kategorie erhalten, z.B. Österreich mit 11 Punkten oder die USA mit 40 - gegenüber einem weltweiten Durchschnitt von 55 Punkten - zeichnen sich eher durch horizontale Machtstrukturen aus. Dagegen sind in Ländern mit hohen Punktzahlen wie Panama mit 95 Punkten - die höchste Punktzahl in ganz Lateinamerika - die Machtunterschiede enorm. Dies wird aber von Mächtigen sowie von Machtlosen akzeptiert und als Teil einer Art Tradition gesehen. Eine hohe Machtdistanz führt oft zu großen Vermögensschwankungen in der Bevölkerung.
Die zweite Kulturdimension von Hofstede heißt „Individualismus“:
„Individualismus beschreibt Gesellschaften, in denen die Bindungen zwischen den Individuen locker sind; man erwartet von jedem, dass er für sich selbst und für seine unmittelbare Familie sorgt. Sein Gegenstück, der Kollektivismus, beschreibt Gesellschaften in denen der Mensch von Geburt an in starke, geschlossene Wir-Gruppen integriert ist, die ihn ein Leben lang schützen und dafür bedingungslose Loyalität verlangen.“ (Hofstede 2006: 102)
Neben asiatischen Ländern heben sich auch mittel- und südamerikanische Länder als besonders kollektivistisch ab. Die USA (Spitzenreiter mit 91 Punkten) und alle überwiegend christlichen Länder sind eher einer individualistisch orientierten Kultur zuzurechnen.
Eine Gesellschaft kann man aber nach Hofstede auch als „feminin“ oder „maskulin“ bezeichnen:
„Eine Gesellschaft bezeichnet man als maskulin, wenn die Rollen der Geschlechter emotional klar gegeneinander abgegrenzt sind: Männer haben bestimmt, hart und materiell orientiert zu sein, Frauen dagegen müssen bescheidener, sensibler sein und Wert auf Lebensqualität legen. Als feminin bezeichnet man eine Gesellschaft, wenn sich die Rollen der Geschlechter emotional überschneiden: sowohl Frauen als auch Männer sollen bescheiden und feinfühlig sein und Wert auf Lebensqualität legen“. (Hofstede 2006: 165)
Diese Kategorie ist mit der traditionellen Rollenverteilung verbunden. Werte, die als typisch für die weiblichen Mitglieder einer Gesellschaft gelten wie Harmonie und Zuneigung, oder die, die eher typisch männlich sind wie Durchsetzungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit, werden in der analysierten Gesellschaft empirisch gemessen. Besonders maskulin erweist sich mit 110 Punkten die Slowakei, gefolgt von Japan mit 95. Am femininsten sind nordeuropäische Gesellschaften wie die schwedische und die norwegische und überraschenderweise auch lateinamerikanische Länder wie Chile, Costa Rica und Guatemala.
Die vierte Hofstede’sche Kategorie trägt den Namen „Unsicherheitsvermeidung“: „Unsicherheitsvermeidung lässt sich (...) definieren als der Grad, bis zu dem die Mitglieder einer Kultur sich durch uneindeutige oder unbekannte Situationen bedroht fühlen“ (Hofstede 2006: 233).
Unsicherheitsvermeidende Nationalkulturen zeigen weniger Toleranz und benötigen strenge Regelungen, um Uneindeutigkeiten zu bekämpfen. Es handelt sich hierbei um sehr emotionale Kulturen, deren Mitglieder an eine einzig akzeptierbare Wahrheit glauben. Länder, die sehr niedrige Zahlen in dieser Kategorie aufweisen, sind phlegmatischer und überlegter in ihrem Verhalten. An der Spitze der Punkteskala befindet sich Griechenland mit 112 Punkten, am anderen Ende findet man Jamaika mit 13 und Singapur mit 8 Punkten.
Die letzte, 1987 hinzugefügte Kulturdimension, heißt „Langzeitorientierung“ und wurde in allein 29 der untersuchten 53 Länder gemessen:
„Langzeitorientierung steht für das Hegen von Tugenden, die auf künftigen Erfolg hin ausgerichtet sind, insbesondere Beharrlichkeit und Sparsamkeit. Das Gegenteil, die Kurzzeitorientierung, steht für das Hegen von Tugenden, die mit der Vergangenheit und der Gegenwart in Verbindung stehen, insbesondere Respekt für Traditionen, Wahrung des „Gesichts“ und die Erfüllung sozialer Pflichten.“ (Hofstede 2006: 292ff.)
Diese Kulturdimension basiert auf konfuzianistischem, langfristig orientiertem Gedankengut. Es ist daher nicht verwunderlich, dass asiatische Länder in diesem Zusammenhang die höchsten Punktzahlen erzielten. Pakistan dagegen erhielt 0 Punkte. Die Mitglieder dieser Gesellschaft zeichnen sich dadurch aus, dass sie extrem im Hier und Jetzt leben.
Die Untersuchung von Hofstede war aber nicht die einzige, die sich mit der Kategorisierung von Kulturen beschäftigte. Einen weiteren Versuch, Kulturdimensionen zu erfassen, unternahm Edward T. Hall, dessen Ansatz im nächsten Kapitel erläutert wird.
4.2.2 Hall
Hall unternahm - wie auch Hofstede - den Versuch, Kultur zu kategorisieren. Dabei beschäftigte er sich mit wichtigen Elementen der Kultur wie dem Verständnis von Raum, Zeit und Kontext einer Kultur. Insgesamt erfasste er vier Kategorien:
- Kontextorientierung
- Raumorientierung
- Zeitorientierung
- Informationsgeschwindigkeit
Angesichts der Fragestellung dieser Arbeit ist die „Kontextorientierung“ von besonderer Bedeutung. Daher wird auf eine Erklärung der weiteren Kategorien verzichtet. Zur „Kontextorientierung“ von Hall gehören die sogenannten „high context“- und „low context“-Kulturen. Die jeweilige Zuordnung wird bestimmt durch die Menge an Ungesagtem, die in einer Kultur herrscht. In manchen Kulturen werden Botschaften nicht explizit ausgedrückt, da alle Mitglieder über gemeinsames Wissen verfügen und durch den jeweiligen Kontext die implizite Botschaft deuten und verstehen können. Die Bedeutung bestimmter Handlungen ist aus dem kulturellen Kontext herzuleiten. Es handelt sich hierbei um „high context“-Kulturen. Asiatische Kulturen sind häufig von einem „high context“ geprägt. Andererseits existieren auch Kulturen, die sich mit klar kodierten, die gemeinte Nachricht schon in sich tragenden Botschaften ausdrücken. Um die Mitteilung zu verstehen, benötigt man keine kontextbedingten Überlegungen und kulturelles Vorwissen ist keine grundlegende Voraussetzung, um die Botschaft zu entschlüsseln. Hierbei handelt es sich um die so genannten „low context“-Kulturen. (Hall & Hall 1990)
Welche katastrophalen Auswirkungen die Unterschätzung dieser Kategorien bei einer internationalen Werbekampagne haben können, ist unschwer zu verstehen. Es besteht das Risiko, dass die Kampagne gänzlich versagt, wenn der Empfänger - also die Zielgruppe - aus kontextbedingten Gründen die Botschaft falsch oder überhaupt nicht entschlüsseln kann. Amerikanische Werbung betreibt z.B. oft eine sogenannte „hard sell“-Strategie, in der die Eigenschaften des beworbenen Produkts deutlich hervorgehoben und eventuell mit denen eines weiteren Produktes verglichen werden, es handelt sich somit um eine typische „low context“-Strategie. Japanische Werbung ist strategisch eher auf „soft sell“-Taktiken gerichtet. Sie soll eine harmonische, glückliche Atmosphäre kommunizieren, also handelt es sich hiermit um eine „high context“ Strategie. Manchmal ist in asiatischen Ländern der „soft sell“-Ansatz so extrem, dass es sogar schwierig sein kann, das beworbene Produkt überhaupt zu erkennen (Lin 1993: 40ff.; Mueller 2004: 118; Usunier &Lee 2009: 381). Solche Werbeansätze sind kulturspezifisch und deshalb schwer zu exportieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 - “Soft Sell”-Werbung10
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 - “Hard Sell”-Werbung (Gunelius 31/10/2008)11
“Every man is in certain respects: a. like all other men, b. like some other men, c. like no other man.” (Kluckhohn & Murray 1948)
Dieser Slogan ist der Ausgangspunkt jeder Werbekampagne und führt klar vor Augen, dass Unterschiede existieren, die wahrgenommen und erkannt werden müssen. Wenn Werbeexperten eine bestimmte Zielgruppe vor Augen haben, arbeiten sie von Gemeinsamkeiten ausgehend (White 2000: 33) und die oben beschrieben Kategorien können sich in diesem Zusammenhang als besonders nützlich für die Auswahl der Werbeinhalte und -ansätze erweisen.
4.2.3 Kritik
Manche Autoren behaupten, dass die sogenannte „Container-Theorie“, die Gesellschaften und Kulturen mit Staatsgesellschaften identifiziert (wie im Falle der Kategorien von Hofstede und Hall), durch die von der Globalisierung verursachten Vernetzungsprozesse unzulänglich geworden sei (Fäßler 2007: 32). Das bedeutet aber nicht, Kulturkategorisierungen seien unbrauchbar geworden. Genauso wie Werbung lässt sich auch Kultur schwer in einen präzisen Rahmen pressen und deshalb sind Studien, die auf enormen Zahlen basieren und fast alle Länder des Erdballs abdecken - wie die von Hofstede bei IBM - eine generell anwendbare Basis, um landesspezifische Werbung zu entwerfen oder um Werbung auf kulturelle Kompatibilität zu prüfen. Außerdem wurde die Relevanz von Hofstedes Studie, die mittlerweile fast 40 Jahre alt ist, durch neue, ähnlich gestaltete Untersuchungen bestätigt. (De Mooij 2010: 149ff.)
Will man den Slogan verstehen, muss man den Kontext kennen. Das Produkt, wofür geworben wird, ist nicht deutlich zu erkennen.
Werbespezialisten müssen allerdings dabei analytisch vorgehen, weil Kulturkategorien nicht immer und nicht für jeden Bereich des Alltags anwendbar sind. Sie stellen aber für die Makroebene einen nützlichen Maßstab dar (De Mooij 2004: 30; De Mooij 2010: 150ff.). Möchte man allerdings statt auf dem allgemeinen, nationalen kulturellen Niveau auf dem individuellen, intrakulturellen Niveau arbeiten, also auf der Mikroebene, sollte man die Ergebnisse anderer Studien verwenden, beispielsweise die sogenannten „Lifestyle-Gruppen“ (De Mooij 2004: 28ff.), die im nächsten Kapitel beschrieben werden.
4.3 Lifestyle-Gruppen
Möchte ein Unternehmen individueller werben oder sucht nach der idealen Positionierung für seine Produkte, kann es nützlich sein, sogenannten „Lifestyle- Gruppen“ als Maßstab zu verwenden (Bruhn 2007: 203; De Mooij 2004: 124; Keller 2005: 77). Den Vorteil der Nutzung solcher Gruppierungen sieht Bruhn darin, dass somit eine gruppenspezifische Wirksamkeit jeglicher kommunikativer Maßnahme untersucht werden kann (Bruhn 2007: 192). „Lifestyles“ werden von Antonides und van Raaij folgendermaßen definiert:
„The entire set of values, interests, opinions and behaviour of consumers, insofar as they influence the behaviour of consumers.”
(Antonides & van Raaij 1998: 376)
Interessant für diese Arbeit ist die Tatsache, dass es in diesem Zusammenhang nicht um Gesellschaften oder Nationalkulturen geht, sondern um Konsumenten - die eigentliche Zielgruppe einer Werbekampagne.
Lifestyles, als Teil einer Gesamtkultur, kann man außerdem als Subkulturen betrachten:
„Als Subkultur bezeichnet man Lebensformen, die Teil eines größeren kulturellen Ganzen sind, jedoch Normordnungen aufweisen, die von der Gesamtkultur abweichen.“ (Lipp 1989: 711ff.)
Ein Beispiel von Lifestyle-Kategorien sind die sogenannten „Milieus“ von Sinus Sociovision, die bis Dato für 18 Länder entworfen wurden. Die deutschen Milieus, die auch für Österreich und die Schweiz gelten, wurden folgendermaßen benannt: Konservative, Etablierte, Postmaterielle, Moderne Performer, Traditionsverwurzelte, DDR-Nostalgische, Bürgerliche Mitte, Experimentalisten, Konsum-Materialisten und Hedonisten12. Neben den Milieus, wurden die sogennanten „Meta-Milieus“ in einer höheren Hierarchieebene definiert, die spezifisch für das internationale Marketing geschaffen wurden. „Sinus-Milieus“ und „Meta-Milieus“ unterscheiden sich von Land zu Land und können deshalb bei der Recherche für internationale Werbung oder für die Positionierung eines Produktes als Vergleichsbasis dienen, weil sie das Sammeln von interkulturellem Wissen ermöglichen. Dass dieser Ansatz durchaus aus Werbe- bzw. Handelsgründen eingesetzt werden kann, ist am Beispiel von Bank Austria Creditanstalt zu erkennen, die die „Milieu-Methode“ anwendete, um gezielt bestimmte Bevölkerungsgruppen bzw. Marktnischen zu erreichen (Krason et al. 29/01/2009).
Ein Defizit solcher „Lifestyle-Gruppen“ ist jedoch die Tatsache, dass es sich um intrakulturelle Gruppen handelt, die nicht grenzüberschreitend gültig sind (De Mooij 2010: 104). Aus diesem Grund wurde versucht, paneuropäische oder sogar globale „Lifestyle-Gruppen“ zu schaffen, um „global communities“ für globale Werbung zu finden. Die Frage, ob solche Gruppierungen tatsächlich existieren, ist jedoch umstritten.
Die am häufigsten zu globalen Konsumenten oder „cross-cultural groups“ gekürten Kategorien sind Jugendliche, reisende Geschäftsleute (De Mooij 2010; Dmoch 2004; Keller 2005; Mueller 2004; Usunier & Lee 2009) und reiche Menschen (De Mooij 2010: 13). De Mooij und Mueller behaupten jedoch, dass Jugendliche aus verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich seien und demzufolge auch ein unterschiedliches Konsumverhalten aufweisen würden (De Mooij 2004; De Mooij 2010; Mueller 2004). Beispielhaft ist der Unterschied zwischen Mädchen im Alter zwischen 15 und 24 in Italien und Spanien einerseits und Gleichaltrigen in Deutschland auf der anderen Seite. Italienische und spanische Mädchen leben meistens noch bei den Eltern, während deutsche sehr früh aus dem Elternhaus ausziehen. Dieser Unterschied führt dazu, dass die Kaufkraft der Jugendlichen aus Italien und Spanien höher ist und dass sie deshalb mehr Personal- und Luxusgüter kaufen, während deutsche Mädchen eher Genussgüter kaufen, wie CD’s, Schminke oder Snacks. (De Mooij 2004: 125)
Die zweite angeblich globale Kategorie sind Geschäftsleute. Dass auch diese Kategorie nicht homogen oder weltweit vergleichbar ist, wird in einem Artikel auf der Webseite des Britischen Target Group Index (TGI) erklärt. Erstens handelt es sich bei den „Businessmen“ nicht allein um „men“, sondern auch um Frauen. Zweitens variiert die Proportion zwischen Geschäftsfrauen und -männern enorm von Land zu Land: Sind in Japan Frauen nur 12 unter 100 Geschäftsleuten vorzufinden, stellen sie in Südafrika fast die Hälfte der Geschäftsleute dar. Allein diese Tatsache macht eine Standardisierung der Werbung unmöglich, da der Männer-Frauen-Quotient in jedem Land anders ist. Zudem sind Männer und Frauen an sich unterschiedlich; sie legen nicht auf das Gleiche wert und kaufen verschiedene, zum Teil geschlechtsspezifische Produkte. Dazu gibt es große Altersunterschiede in der Kategorie der Geschäftsleute: In arabischen Länder macht eher die jüngere Generation Geschäfte, während fernöstliche Länder durchschnittlich ältere Geschäftsleute zu verzeichnen haben. Aus diesen Gründen wird eine Vorangehensweise vorgeschlagen, die nicht auf den vielen Unterschieden, sondern auf den Gemeinsamkeiten basiert: eine globale Strategie mit lokalen Anpassungen. Und das Ganze nach dem Motto: „think global, act local“.13 (White 2000: 33)
4.4 Sprache und Kultur
Bei der Gestaltung internationaler Werbung ist die Sprache eines der offensichtlichsten Probleme. Andere Länder bedeuten andere Sitten, aber auch andere Sprachen. Da die Sprache auch als Teil einer Kultur zu sehen ist, stellt sie für Werbeagenturen eine nicht rein linguistische Herausforderung dar.
„The fact of the matter is that the real world is to a large extent unconsciously built up on the language habits of the group. No two languages are ever sufficiently similar as to be considered as representing the same social reality. The worlds in which different societies live are distinct worlds, not merely the same world with different labels attatched.“
(Sapir 1929: 207ff. zitiert nach Usunier & Lee 2009: 354)
Die Worte von Sapir erfassen die Problematik in ihrer Gesamtheit.
Sprache und Kultur können nach Whorf nicht voneinander getrennt werden (Whorf 1956: 212) und das heißt, dass selbst wenn eine hundertprozentig übereinstimmende Übersetzung eines Slogans geliefert wird, die Botschaft nicht verstanden werden könnte, wenn sich die Zielkultur von der Ausgangskultur unterscheidet. Wortwörtlich übersetzen funktioniert in der Werbung in den meisten Fällen nicht oder zumindest nicht immer. Man muss funktionsorientiert vorgehen, das Gemeinte verstehen, und die Funktion - nicht die einzelnen Termini - des Ausgangtextes ideal mit der des Zieltextes übereinstimmen lassen (Reiss & Vermeer 1984; Nord 1997: 27ff.). Um eine solche Arbeit in der Werbung zu leisten, ist interkulturelles Wissen eine unverzichtbare Voraussetzung, um entscheiden zu können, ob die sprachlichen Inhalte einer Kampagne für alle Märkte tauglich sind, ob sie übersetzt oder angepasst werden müssen oder, ob sie gänzlich untauglich sind und neu geschaffen werden müssen.
4.4.1 Die globale Sprache
Die Suche nach einer „globalen Sprache“ ist ein langjähriges Phänomen. Es wurden sogar Versuche unternommen, eine globale Sprache zu erschaffen. Es handelt sich hierbei um die Plansprache Esperanto, die 1887 von Zamenhof in Warschau eingeführt wurde und Elemente aus Sprachen aller Welt in sich vereint. Heutzutage benutzen aber nur etwas mehr als 2000 Familien Esperanto als Hauptsprache (Phillipson 2002) - für die Kinder ist sie die Muttersprache (Fettes 2004: 200ff.), was sie aus numerischen Gründen, trotz der Gründe ihres Entstehens, nicht zur globalen Sprache qualifizieren kann.
Die Sprache, die oft als „die“ globale Sprache bezeichnet wird, ist Englisch. Tatsächlich sind 375.000.000 Menschen dieser Erde englische Muttersprachler. Trotzt dieser enormen Zahl gelingt es nicht, die Sprache von kulturellen Konnotationen zu befreien. In verschiedenen Ländern werden verschiedene Varianten des „Hochenglischen“ gesprochen und das trotz der Einführung des „Basic English“ im Jahre 1930. Es besteht aus 850 Wörtern und wurde von Ogden zur Vereinfachung der englischen Sprache und Verbesserung der Verständigung zwischen den Völkern ersonnen14. In Malaysia könnte man beispielsweise folgende Konversation zu hören bekommen: "You wanted to beli some barang-barang", was soviel wie „You wanted to buy some things“ bedeutet (Crystal 06/12/1999). Dies stellt schon die rein linguistische Nutzung des Englischen in Frage und in noch höherem Maße die kulturelle. Desweiteren darf nicht vergessen werden, dass viele, aber lange nicht alle Menschen Englisch verstehen. Die Kölner Namenagentur Endmark befragte 1014 Menschen in Hamburg, Köln, Leipzig und München und fand heraus, dass nur jeder vierte Deutsche englischsprachige Werbeslogans verstand. Dabei wurden seitens der Befragten fantasievolle Übersetzungen berühmter Slogans geliefert. Aus dem englischen Opel- Slogan "Explore the City Limits" wurden die deutschen Varianten "Explosionen an der Stadtgrenze" oder "Das Stadtlimit explodiert". Ist Englisch wirklich die globale Sprache? Bernd Samland, Chef von Endmark, rät seinen Kunden, in den Alltag übertragbare Slogans für ihre Werbung zu verwenden, was in der Landessprache deutlich einfacher zu realisieren ist. Er weist aber darauf hin, dass Englisch markenabhängig doch die bessere Wahl sein könnte, weil es ein internationales Flair ausstrahlt. Aber nicht nur markenabhängig, sondern auch mediumabhängig könnte Englisch die erste Wahl sein, wie Niklas Frings-Rupp, Leiter der Miami Ad Werbeschule, behauptet. Im World Wide Web ist es ungewiss, wer mit der Werbung in Kontakt kommt. Daher ist die englische Sprache oft die bessere Wahl, um eine möglichst hohe Anzahl an Menschen anzusprechen. (Pape 16/10/2009) Durch diese erhellenden Beispiele wird klar, dass die Frage um die Globalisierung der Werbung nur beantwortet werden kann, wenn die einzelnen Elemente einer Kampagne analysiert und auf dem Standardisierungs-Anpassungskontinuum positioniert werden. Diese Elemente werden in Kapitel 5.3 im Detail erläutert.
4.4.2 Emotionen verbalisieren
Eine weitere, oft unterschätzte sprachlich-kulturelle Problematik ist der Ausdruck von Emotionen. Oft werden in der Werbung Emotionen ausgedrückt und angesprochen, doch diese unterscheiden sich linguistisch zwischen unterschiedlichen Kulturen. Nicht in jedem Land werden Emotionen gleich bezeichnet und es gibt Kulturen, in denen manche Emotionen gar keine Bezeichnung haben, da sie kulturfremd sind oder einfach in einem anderen Terminus zusammengefasst werden. Im Raum Asien und Pazifik fehlt beispielsweise in vielen Kulturen eine Bezeichnung für Schuldgefühle. In Japan existiert ein Wort, das gleichzeitig die Gefühle von Ärger, Glück, Traurigkeit und Scham ausdrückt. Ein ähnliches Wort gibt es im Deutschen, Englischen oder Italienischen nicht. Aber es gibt eine weitere Dimension, neben der rein linguistischen, die Sprache und Emotionen verbindet: die kulturelle Wahrnehmung und das kulturspezifische Erleben von Emotionen. Emotionen, wie z.B. Ärger, werden in verschiedenen Kulturen anders erlebt. Ein Amerikaner fühlt sich verärgert, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt, wenn er sich in seinen Rechten und Bedürfnissen verletzt oder nicht geachtet fühlt. Was „unrecht“ genau bedeutet, ist kulturabhängig.
Erschwerend kommt dazu, dass Mitglieder individualistischer Kulturen Ärger anders als Mitglieder kollektivistischer Kulturen empfinden. Die Letzteren empfinden es nämlich nicht als persönliche Verletzung, sondern als Kraft, die gegen die Harmonie und das Dazugehören wirkt, also gegen grundlegende Werte kollektivistischer Kulturen. Also: Zwei Kulturen und zwei sehr unterschiedliche Wahrnehmungen desselben Gefühls. (De Mooij 2004: 148ff.)
4.5 Kulturell misslungene Kampagnen
Nachdem das Phänomen Kultur und seine potentiellen Stolperfallen analysiert wurden, werden jetzt konkrete Beispiele von kulturell misslungenen Kampagnen aufgelistet und kurz erläutert.
Das erste Beispiel ist eine Kampagne, die an der hofstedischen Kategorie des Individualismus scheiterte. Auf den Plakaten war ein Junge zu sehen, der stolz - und einsam - mit seinen neuen Levi’s Jeans die Strasse entlang lief. Die von Levi-Strauss für seine 501 Jeans geschaffene Kampagne war sehr individualistisch gestaltet und war daher in den USA sehr erfolgreich. Bei den hispanischen Jugendlichen erntete die Kampagne allerdings nicht den erwarteten Erfolg, weil die hispanische Subkultur kollektivistisch geprägt ist. Die Jugendlichen fragten sich: „Warum läuft der Junge allein durch die Strassen?“ „Hat er keine Freunde?“ Aus diesem Grund musste Levi’s schleunigst die Kampagne kollektivistischer gestalten, um es dieser Subkultur anzupassen. (Mitchell & Oneal 1994: 46ff. zitiert nach Mueller 2004:197f.)
Eine weitere misslungene Kampagne war ein von Leo Burnett Worldwide für das Schwedische Fernsehen ausgedachter Werbespot für McDonald’s. In dem umstrittenen Spot händigt eine Frau ihrem Ehemann eine Tasse Kaffee aus und bindet ihm die Krawatte, bevor dieser zur Arbeit geht. Im Nebenraum sind die Kinder des Paares bei der spielerischen Imitation dieser Szene zu sehen. Der schwedische Marketing-Rat verbot die Ausstrahlung des Spots mit der Begründung, dass dieser gegen die Gleichstellungsgesetze Schwedens verstoße. (Mueller 2004: 200) Leo Burnett hatte in diesem Zusammenhang wichtige Kulturelemente unterschätzt: Die Gesetze des Landes - wie sie sich bei Hall über der Wasseroberfläche finden lassen - und die Unterwasserkategorien „marriage“, „customs“ und „attitudes“ (Hall 1981: 61f.). Das führte zum Ausstrahlverbot.
[...]
1 http://www.bpb.de/wissen/Y6I2DP,0,0,Globalisierung.html [Stand: 01/02/2010]
2 http://www.phillex.de/absurdum.htm [Stand: 12/12/2009]
3 http://portal.unesco.org/culture/en/ev.php-
URL_ID=12762&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201.html [Stand: 27/01/2010]
4 http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-01/mohammed-karikaturen-jyllands-posten-anschlag?page=all [Stand: 27/01/2010]
5 http://www.afs60.de/web/index.php?NID=66 [Stand: 10/12/2009] 10
6 http://www.kommdesign.de/fakten/seite2.htm [Stand: 02/12/2009] 11
7 http://bohemica.com/czechcultureguide/aboutculture/definitionsculture [Stand: 03/12/2009] 12
8 http://imihome.imi.uni-karlsruhe.de/nquantitative_vs_qualitative_methoden_b.html [Stand: 15/12/2009] 13
9 Alle in den folgenden Absätze genannten Zahlen stammen aus: http://www.geert-hofstede.com/hofstede_dimensions.php [Stand: 02/02/2010]
10 http://www.japanmarketingnews.com/print_advertising/page/2/ [Stand: 02/02/2010] Typisch japanische „low context“ Werbung mit „soft sell“ Ansatz von Bessatsu Takarajima, Lernmaterialienvertrieb. Der übersetzte Slogan lautet: “Die Vögel wussten es nicht. Heute mehr denn je, wird Wissen dich retten.”. Dieses Plakat stammt aus dem Jahre 2004, in dem die Vogelgrippe wütete.
11 US-Amerikanische „high context“ Werbung mit „hard sell“ Ansatz. Das Produkt ist deutlich zu erkennen und wird mit einem ähnlichen Produkt einer anderen Marke explizit verglichen.
12 http://www.sociovision.de/de/loesungen/sinus-milieus.html [Stand 02/02/2010] 20
13 http://www.tgisurveys.com/knowledgehub/article-global-villagers.aspx?id=4 [Stand: 21/12/2009]
14 http://ogden.basic-english.org/ [Stand: 28/12/2009]
- Arbeit zitieren
- Carlotta Amerio (Autor:in), 2010, Globalisierungstendenzen in der Werbung. Die Fiat 500-Kampagne, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193482
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