Für die letzten Jahre sind grundlegende Veränderungen der Organisationspraxis zu beobachten, steigende Komplexität der Umweltbedingungen und stetiger Wandel der strategischen Anforderungen fordern ein größeres Maß an organisatorischer Flexibilität. Es kommt daher zunehmend zu interorganisatorischer Kooperationen, sog. interorganisatorischen Netzwerken, neben den traditionellen Organisationsformen Markt und Hierarchie. Die dominante Form interorganisatorischer Netzwerke in der Praxis sind von einem fokalen Akteur geführte, strategische Unternehmensnetzwerke.
Die Steuerung eines solchen Netzwerks stellt das fokale Unternehmen vor besondere Herausforderungen, da die klassischen Koordinationsmechanismen von Markt und Hierarchie, Preise und Weisungen, in Unternehmensnetzwerken nur bedingt funktionieren. Dieses Problem stellt sich besonders in internationalen strategischen Netzwerken, wo im Rahmen der Netzwerksteuerung auch kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen sind. Fokussiert tritt die Problematik bei der Systemintegration hervor, da die Entwicklung kollektiver Strategien und die Herstellung einer gemeinsamen Identität im internationalen Kontext eine besondere Komplexität und Dynamik entwickeln. Neben dem gegenseitigen Vertrauen der Netzwerkpartner spielt besonders Macht als Koordinationsmedium aufgrund der zentralen Stellung des fokalen Akteurs eine wichtige Rolle.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Systemintegration in internationalen strategischen Netzwerken durch das Koordinationsmedium Macht zu untersuchen. Dabei sollen insbesondere die Grenzen der Macht des fokalen Akteurs aufgezeigt werden und daraus praktische Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Als erkenntnisleitende Theorie dient die Strukturationstheorie von GIDDENS, da diese explizit auf den Faktor Macht eingeht und einen kohärenten Analyserahmen für diese Arbeit bietet.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Gang der Untersuchung
2 Strategische Unternehmensnetzwerke in der Organisationstheorie
2.1 Netzwerke als moderne Organisationsform
2.2 Abgrenzung strategischer Unternehmensnetzwerke
2.3 Aufgaben des fokalen Akteurs in strategischen Netzwerken
3 Grundlagen der Strukturationstheorie
3.1 Erkenntnisinteresse und Relevanz der Strukturationstheorie
3.2 Rekursivität und das Stratifikationsmodell des Handelns
3.3 Die Dualität von Struktur
3.4 Herrschaft und Macht in der Strukturation strategischer Netzwerke
4 Systemintegration in strategischen Netzwerken
4.1 Relevanz und Rolle von Macht als Koordinationsinstrument
4.2 Grenzen von Macht als Integrationsmedium und Implikationen für die Netzwerksteuerung
5 Resümee
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Das Stratifikationsmodell des Handelns
Abb. 2: Die Dimensionen der Dualität von Struktur
Abb. 3: Dualität von Struktur im Kontext strategischer Unternehmensnetzwerke
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Für die letzten Jahre sind grundlegende Veränderungen der Organisationspraxis zu beobachten, steigende Komplexität der Umweltbedingungen und stetiger Wandel der strategischen Anforderungen fordern ein größeres Maß an organisatorischer Flexibilität. Es kommt daher zunehmend zu interorganisatorischer Kooperationen, sog. interorganisatorischen Netzwerken, neben den traditionellen Organisationsformen Markt und Hierarchie.[1] Die dominante Form interorganisatorischer Netzwerke in der Praxis sind von einem fokalen Akteur geführte, strategische Unternehmensnetzwerke.[2]
Die Steuerung eines solchen Netzwerks[3] stellt das fokale Unternehmen vor besondere Herausforderungen, da die klassischen Koordinationsmechanismen von Markt und Hierarchie, Preise und Weisungen, in Unternehmensnetzwerken nur bedingt funktionieren. Dieses Problem stellt sich besonders in internationalen strategischen Netzwerken, wo im Rahmen der Netzwerksteuerung auch kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen sind. Fokussiert tritt die Problematik bei der Systemintegration hervor, da die Entwicklung kollektiver Strategien und die Herstellung einer gemeinsamen Identität im internationalen Kontext eine besondere Komplexität und Dynamik entwickeln. Neben dem gegenseitigen Vertrauen der Netzwerkpartner spielt besonders Macht als Koordinationsmedium aufgrund der zentralen Stellung des fokalen Akteurs eine wichtige Rolle.[4]
Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Systemintegration in internationalen strategischen Netzwerken durch das Koordinationsmedium Macht zu untersuchen. Dabei sollen insbesondere die Grenzen der Macht des fokalen Akteurs aufgezeigt werden und daraus praktische Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Als erkenntnisleitende Theorie dient die Strukturationstheorie von Giddens, da diese explizit auf den Faktor Macht eingeht und einen kohärenten Analyserahmen für diese Arbeit bietet.
1.2 Gang der Untersuchung
In Kapitel 2 wird das Erfahrungsobjekt dieser Arbeit, strategische Unternehmensnetzwerke, in seiner organisationstheoretischen Definition eingeführt. Um die Grundlagen für die späteren Betrachtungen zu legen, werden die Ursachen für die Entstehung von Netzwerken als Organisationsform dargelegt, bevor dann eine Abgrenzung von strategischen Unternehmensnetzwerken vorgenommen wird. Des Weiteren werden die Aufgaben des fokalen Akteurs untersucht, um dann später auf die Systemintegration als eine Teilaufgabe der Netzwerkregulation näher eingehen zu können.
Darauf folgend stellt Kapitel 3 die Strukturationstheorie von Giddens als erkenntnisleitende Theorie dieser Arbeit vor. Nach einer Einführung in das Erkenntnisinteresse und die Relevanz der Strukturationstheorie für die betriebswirtschaftliche Analyse werden die zentralen Ideen von Giddens, die Rekursivität, das Stratifikationsmodell des Akteurs und die Dualität der Struktur eingeführt. Zusammen mit einer näheren Ausarbeitung der für diese Arbeit zentralen Herrschafts- und Machtdimension sind dies essenzielle Grundbausteine der Theorie für die folgende Untersuchung.
Besagte Analyse erfolgt dann in Kapitel 4 für den Fall von Macht als Integrationsmedium in internationalen strategischen Netzwerken. Es werden die beiden vorhergehenden Kapitel in integrierender Weise zusammengeführt, um Macht als Koordinationsinstrument zur Systemintegration zu untersuchen und die Grenzen der Macht des fokalen Akteurs in strategischen Netzwerken aufzuzeigen. Dabei werden die Implikationen für die Netzwerksteuerung abgeleitet und Handlungsempfehlungen für die betriebswirtschaftliche Praxis herausgearbeitet, um dem Ziel der Arbeit gerecht zu werden.
Zum Abschluss erfolgt in Kapitel 5 eine kurze Zusammenfassung und ein Resümee der herausgearbeiteten Erkenntnisse.
2 Strategische Unternehmensnetzwerke in der Organisationstheorie
2.1 Netzwerke als moderne Organisationsform
Der Netzwerkbegriff findet sich in der modernen Organisationstheorie in zwei Formen: als intraorganisatorische, d.h. unternehmensinterne, und interorganisatorische, d.h. unternehmensübergreifende, Netzwerke. Intraorganisatorische Netzwerke bezeichnen die Kooperationsaktivitäten innerhalb eines Unternehmens, z. B. zwischen der Konzernzentrale und den einzelnen Tochtergesellschaften. Diese Arbeit beschäftigt sich allerdings ausschließlich mit der zweiten Form, den unternehmensübergreifenden Netzwerken. Solche interorganisatorischen Netzwerke zeichnen sich durch eine Zusammenarbeit mit externen Marktpartnern zur gemeinsamen Realisierung von Wettbewerbsvorteilen in einem oder mehreren Bereichen der Wertschöpfung aus.[5]
Interorganisatorische Netzwerke sind gleichzeitig Ursache und Resultat sich verändernder Märkte und Branchenstrukturen. Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und adäquat auf sich verändernde Umweltbedingungen zu reagieren, benötigen Unternehmen neue Organisationsstrukturen. Das Netzwerkkonzept stellt die nötige organisatorische Flexibilität her, um dem stetigen Wandel der strategischen Anforderungen und der gestiegenen Umweltkomplexität begegnen zu können.[6]
Die Netzwerkbeziehungen ähneln intraorganisatorischen Beziehungen, überschreiten allerdings die Unternehmensgrenzen und halten durch die Möglichkeit des Ein- und Austritts von Akteuren den Markttest zwischen den verschiedenen Netzwerkpartnern aufrecht.[7] Mit dieser neuen Organisationsform hat sich der Gegenstand des Organisationsmanagements vom einzelnen Unternehmen wegbewegt, und das gesamte Netzwerkgeflecht, in welches das Unternehmen eingebunden ist, zu seinem Gegenstand erhoben.[8]
2.2 Abgrenzung strategischer Unternehmensnetzwerke
Die dominante Form von Unternehmensnetzwerken ist die der strategischen Netzwerke. Diese zeichnen sich im Gegensatz zu anderen Netzwerken, wie regionalen Netzwerken, Projektnetzwerken oder virtuellen Unternehmensnetzwerken, durch die strategische Führerschaft eines fokalen Akteurs in einer auf Dauer angelegten Partnerschaft aus.[9] Dieser Arbeit soll die im deutschen Sprachraum akzeptierte Definition strategischer Netzwerke von Sydow zugrunde liegen, da diese eine umfassende Begriffsabgrenzung bietet und trotz ihres Alters nur einer kleinen Erweiterung bedarf.[10]
„Ein strategisches Netzwerk stellt eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen zielende, polyzentrische, gleichwohl von einer oder mehreren Unternehmungen strategisch geführte Organisationsform ökonomischer Aktivität zwischen Markt und Hierarchie dar, die sich durch komplex-reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbständigen, wirtschaftlich jedoch zumeist abhängigen Unternehmungen auszeichnet. Typischerweise tritt in dieser Organisationsform dezentraler Unternehmensführung die Frage des Eigentums hinter die Frage der strategischen Steuerbarkeit der Netzwerkunternehmungen zurück.“[11]
Diese Definition soll Kreikebaum, Gilbert & Reinhardt folgend dahingehend erweitert werden, das es sich bei strategischen Netzwerken neben vertikalen und horizontalen auch um diagonale Kooperationen handeln kann. In der Realität existiert in der Regel eine Kombination dieser drei Kooperationsmuster.[12]
Strategische Netzwerke grenzen sich dabei besonders durch das Merkmal der strategischen Führung durch das fokale Unternehmen von anderen Netzwerkformen ab. Der fokale Akteur[13] übernimmt die Koordination und Kontrolle des Netzwerkes sowie die Erfüllung strategischer Aufgaben unter Berücksichtung der langfristig ausgelegten Interessen des gesamten Netzwerkgeflechts.[14] Generell kann aber trotzdem von inhärenten Steuerungsproblemen ausgegangen werden, weil die rechtliche Selbständigkeit der Unternehmen nicht angetastet wird.[15] Für diese Arbeit soll im Weiteren nur auf internationale strategische Netzwerke eingegangen werden, d. h. strategische Netzwerke die international tätige Unternehmen in einer langfristigen Partnerschaft zusammenführen.[16]
2.3 Aufgaben des fokalen Akteurs in strategischen Netzwerken
Die strategische Führung und Steuerung eines strategischen Unternehmensnetzwerkes erfolgt durch den fokalen Akteur, der bestimmte Entscheidungsbefugnisse von den anderen Netzwerkakteuren übertragen bekommt. Dabei lassen sich sechs verschiedene Führungsbereiche unterscheiden, die auch als Gegenstände der Netzwerkregulation bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um die Selektion, Allokation, Systemintegration, Positionskonfiguration, Grenzkonstitution und Evaluation der Netzwerkbeziehungen.[17]
Dieser Arbeit konzentriert sich auf die Systemintegration, welche nach Kreikebaum, Gilbert & Reinhardt die Initiierung und Ausgestaltung kollektiver Strategiefindungsprozesse, die Gestaltung von Entscheidungsprozessen und der reziproken Beziehungen zwischen den Netzwerkpartnern, sowie die Ausgestaltung der netzwerkweiten Produktions-, Distributions- und Kommunikationsprozesse und die Koordination der weltweit erbrachten Leistungen umfasst.[18]
Diese einzelnen Integrationsaufgaben werden in der Regel durch definierte Handlungsanweisungen mit hierarchischem Charakter in Verbindung mit marktlichen Steuerungsmedien, sowie gestützt auf Vertrauen und gemeinsame kulturelle Werte, wahrgenommen. Für diese Arbeit ist das asymmetrische Machtverhältnis zwischen dem fokalen Akteur und den Netzwerkpartnern von besonderem Interesse, welches dazu führt das Macht als Integrationsmedium eine zentrale Stellung erhält. Der Einsatz, dessen Folgen und die Grenzen von Macht zur Handlungskoordination sind dabei wesentliche Elemente die unter Zuhilfenahme der Strukturationstheorie zu untersuchen sind. Diese Fragestellung ist v. a. in internationalen strategischen Netzwerken von großer Bedeutung. Interkulturelle Aspekte, z. B. unterschiedliche Vorstellungen von Macht[19], können in diesem Zusammenhang zu einem Kulturwiderstand führen, falls bestehende Kulturmuster nicht miteinander verträglich sind und die Zusammenarbeit behindern.[20]
3 Grundlagen der Strukturationstheorie
3.1 Erkenntnisinteresse und Relevanz der Strukturationstheorie
Die Strukturationstheorie wurde vom britischen Soziologen Anthony Giddens als Sozialtheorie entworfen[21], um die traditionelle Auseinandersetzung zwischen Handlungs- und Systemtheoretikern durch ein integratives Konzept, eine Art allgemeine Metatheorie der Sozialwissenschaften, zu überwinden.[22] In ihren zentralen Elementen zielt die Strukturationstheorie daher auf ein Vermittlung zwischen scheinbar gegensätzlichen Extremen und rekonzeptualisiert viele Dualismen traditioneller Theorieprogramme als Dualitäten (z. B. Freiheit vs. Zwang und Handlung vs. Struktur).[23]
Das Erkenntnisinteresse der Strukturationstheorie liegt dabei in den praktischen Anwendungsfeldern der Sozialwissenschaften, v. a. bei der Betrachtung von Problemen im Rahmen der sozialen Handlungen sozialer Akteure. Aufgrund des fächerübergreifenden Anspruchs bleibt Giddens bei der Beschreibung seiner Theorie auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau. Er überlässt es damit dem Anwender, das strukturationstheoretische Programm für das individuelle Forschungsprojekt konzeptionell auszuarbeiten und dem jeweiligen Anwendungsfeld anzupassen.[24]
Die Bedeutung der Strukturationstheorie für diese Arbeit ergibt sich aus ihrer zunehmenden Anwendung in der betriebswirtschaftlichen Management- und Organisationsforschung. Dabei ist insbesondere die Anwendung auf die theoretische Erforschung interorganisationaler Netzwerke in den Vordergrund zu stellen, die stark geprägt durch die Veröffentlichungen von Sydow eine immer größere Bedeutung gewinnt.[25]
3.2 Rekursivität und das Stratifikationsmodell des Handelns
Zentrale Grundlage der Strukturationstheorie ist die Vermittlung zwischen den beiden Ebenen Handlung und Struktur, die in einem rekursiven, also sich gegenseitig beeinflussenden und wechselseitig voraussetzenden Verhältnis gesehen werden. Das Konzept der Strukturation ist dabei als die Verbindung zwischen diesen beiden Eben zu verstehen und bezeichnet die Art und Weise wie die Bedingungen (die Struktur) eines Systems in den Handlungen der Akteure reproduziert und neu produziert werden. Struktur wird sowohl als Medium als auch als Ergebnis sozialen Handelns betrachtet.[26] Giddens drückt die Rekursivität des Handelns so aus: „In und durch ihre Handlungen reproduzieren die Handelnden die Bedingungen, die ihr Handeln ermöglichen.“[27]
Zur näheren Erläuterung der rekursiven Zusammenhänge auf der Handlungsebene entwickelte Giddens das Stratifikationsmodell des Handelns, mit dem er die Rekursivität von Handlungen grafisch darstellt und verschiedene Handlungsbegriffe einführt. Die reflexive Steuerung des Handelns bezeichnet in diesem Modell die Art und Weise, wie die handelnden Akteure die Prozesse in sozialen Systemen steuern und überwachen. Diese reflexive Überwachung ist dabei als ein ständiger, oft routinisierter Prozess anzusehen, der einen integrativen Bestandteil des Verhaltens der Akteure darstellt. Unter der Handlungsrationalisierung als zweite Ebene des Modells versteht Giddens die Fähigkeit kompetenter Akteure, ein Verständnis für die Gründe und Motive ihrer Handlungen zu entwickeln. Diese Handlungsrationalisierung ist nicht direkt in den gesamten Prozess eingebunden, sondern erfolgt nur auf Anfrage. Die dritte Ebene der Handlungsmotivation basiert auf der psychoanalytischen Erkenntnis, dass auch unbewusste Handlungsgründe einen entscheiden Einfluss auf das Handeln von Akteuren haben können. Die Motive des Handelns resultieren aus den grundlegenden Bedürfnissen der Akteure und beeinflussen die Ebene der reflexiven Steuerung unterbewusst (vgl. Abb. 1).[28]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 : Das Stratifikationsmodell des Handelns
In Anlehnung an: Giddens (1997), S. 56.
Neben diesen drei Handlungsebenen stellt Abb. 1 die Handlungsbedingungen und Handlungsfolgen dar, wobei grafisch durch die Rückkopplungsschleife die Rekursivität des Handelns hervorgehoben wird. Die erkannten und unerkannten Handlungsbedingungen beeinflussen alle Handlungen der Akteure, und das Ergebnis sind beabsichtigte und unbeabsichtigte Handlungsfolgen. Besonders hervorzuheben sind in diesem Konzept die unbeabsichtigten Handlungsfolgen, die das Resultat des Handelns der Akteure sind, nicht aber ihrer konkreten Absichten. Über Rekursivität sozialer Praxis können diese Folgen wie in der Abbildung angedeutet wieder zu unerkannten Handlungsbedingungen werden. Diese unerkannten Bedingungen und unbeabsichtigten Folgen stellen wichtige Komponenten der Strukturationstheorie dar und tragen der Begrenztheit des menschlichen Bewusstseins Rechnung.[29]
3.3 Die Dualität von Struktur
Das zentrale Element der Strukturationstheorie ist die Rekonzeptualisierung des Dualismus von Struktur und Handlung in einer Dualität. Beide werden dabei nicht als entgegengesetzt betrachtet, sondern als sich gegenseitig beeinflussend und aufeinander beziehend gesehen. Diese Idee verwirklicht Giddens im Konzept der Dualität von Struktur. Die Dualität von Struktur stellt die beiden Ebenen Struktur und Handlung einander in drei verschiedenen Dimensionen gegenüber, und verbindet diese dann über die Vermittlungsebene der Modalitäten der Strukturation (vgl. Abb. 2).[30]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 : Die Dimensionen der Dualität von Struktur
In Anlehnung an: Giddens (1997), S. 81
Basis von Giddens’ Strukturverständnis ist die analytische Trennung der drei Dimensionen Signifikation, Herrschaft und Legitimation. Er beschreibt Struktur als Regeln und Ressourcen, die in die Produktion des Handelns einbezogen sind und gleichzeitig Mittel der Systemreproduktion repräsentieren. Die Regeln der Signifikation stellen dabei die kognitive Ordnung in einem System dar, d. h. sie offenbaren etwas über den Sinn des Regelgegenstandes (z. B. eines Netzwerkes). Die Regeln der Legitimation bezeichnen die normative Ordnung eines Systems, d.h. sie legen fest wie mit Regelabweichungen umgegangen wird (z. B. Vertragsbrüche in einem Netzwerk). Die Strukturebene umfasst neben den Dimensionen der Signifikation und Legitimation noch die für diese Arbeit zentrale Dimension der Herrschaft. Diese begründet sich auf den Möglichkeiten der Akteure, auf Ressourcen zurückzugreifen und diese in sozialen Beziehungen einzusetzen.[31]
Diese drei Strukturierungsdimensionen haben ihre jeweilige Entsprechung auf der Handlungsebene in der Kommunikation, Machtausübung und Sanktionierung. Akteure greifen in jeder sozialen Handlung immer gleichzeitig und in integrierter Art und Weise auf alle drei Handlungsdimensionen zurück, und beziehen sich dabei über die korrespondierenden Modalitäten der Strukturation auf die strukturellen Praktiken der Signifikation, Herrschaft und Legitimation. Somit ergibt sich auch, dass die einzelnen Dimensionen nur analytisch trennbar sind, da sie, wie in Abb. 2 angedeutet, integral aufeinander bezogen sind.[32]
Die Strukturierungsdimension der Herrschaft und Macht ist für diese Arbeit zentral, weswegen der strukturationstheoretische Machtbegriff im Folgenden noch einmal gesondert untersucht wird. Nach Giddens „charakterisiert der Gebrauch von Macht nicht spezifische Verhaltensweisen, sondern ist vielmehr für jegliches Handeln typisch“.[33] Giddens versteht Macht im Sinne eines umgestaltenden Vermögens, d. h. der Fähigkeit eines Individuums einen Unterschied herzustellen. Damit ist Macht im weitesten Sinne „logisch der Subjektivität, der Konstitution der reflexiven Steuerung des Verhaltens vorausgesetzt“.[34] Giddens betont dabei, dass Macht innerhalb sozialer Systeme geregelte Beziehungen von Autonomie und Abhängigkeit zwischen den Akteuren voraussetzt. Diese Abhängigkeitsbeziehungen stellen allerdings immer gewisse Ressourcen zur Verfügung, mit denen die Unterlegenen die Aktivitäten der Überlegenen beeinflussen können. Dieses wichtige Konzept nennt Giddens Dialektik der Herrschaft.[35]
[...]
[1] Manche Autoren sehen Netzwerke als Hybridform zwischen Markt und Hierarchie, andere als eine neue Organisationsform abseits von Markt und Hierarchie, vgl. dazu Kappelhoff (2000), S. 28-30.
[2] Vgl. Gilbert (2003), S. 1-2; Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt (2002), S. 122-123 und 153-160; Sydow (2001a), S. 1; Siebert (2001), S. 14-22.
[3] Die Begriffe Unternehmensnetzwerk und Netzwerk werden im Folgenden synonym verwendet.
[4] Vgl. Gilbert (2003), S. 3-16; Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt (2002), S. 153-160; Sydow/
Windeler (2000), S. 1-6; Sydow (2001a), S. 3-4.
[5] Vgl. Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt (2002), S. 147.
[6] Vgl. Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt (2002), S. 153; siehe Winkler (1999), S. 114-121, für eine detailliertere Analyse der Ziele und Potenziale strategischer Unternehmensnetzwerke.
[7] Vgl. Gilbert (2003), S. 29; Sydow (2001), S. 280.
[8] Vgl. Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt (2002), S. 153; Bachmann (2000), S. 109.
[9] Für eine genaue Abgrenzung nach einer Klassifizierung von Sydow siehe Gilbert (2003), S. 41-48; Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt (2002), S. 154-168; Sydow (2001c), S. 298-305.
[10] Der Begriff „strategic network“ wurde von Jarillo eingeführt als „long-term purposeful arrangements among distinct but related for-profit organizations that allow those firms in them to gain or sustain competitive advantage vis-à-vis their competitors outside the network”; Jarillo (1988), S. 32.
[11] Sydow (1992), S. 82.
[12] Vgl. Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt (2002), S. 160.
[13] Neben „fokaler Akteur“ existieren in der Literatur vielfältige Bezeichnungen (z. B. broker, hub firm, etc.) für das fokale Unternehmen, vgl. dazu Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt (2002), S. 159.
[14] Vgl. Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt (2002), S. 165-168.
[15] Vgl. Staber (2000), S. 59.
[16] Ein gutes Beispiel ist die Star Alliance der Lufthansa mit ihren internationalen, weltweit operierenden Mitgliedern wie United Airlines, US Airways, Thai Airways, Air Canada, Varig und SAS.
[17] Diese Klassifizierung wurde von Sydow & Windeler vorgeschlagen und später von Windeler erweitert. Vgl. Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt (2002), S. 169; Windeler (2001), S. 249-265;
Sydow/Windeler (1994), S. 4-5.
[18] Vgl. Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt (2002), S. 170.
[19] Vgl. Bachmann (2001), S. 352-362; Bachmann/Lane (2001), S. 90-102.
[20] Vgl. Kreikebaum/Gilbert/Reinhardt (2002), S. 173-174.
[21] Giddens fasst seine wesentlichen strukturationstheoretischen Überlegungen in „Die Konstitution der Gesellschaft“ zusammen, ein weiteres wichtiges Werk ist „Konsequenzen der Moderne“. Siehe
Giddens (1999, 1997, 1990, 1984).
[22] Der Begriff Metatheorie bezieht sich darauf, dass die Strukturationstheorie als eine allgemeine Sozialtheorie zur Untersuchung aller sozialen Handlungen gedacht ist, die vorher unvereinbare Modelle und Theorien vereint. Vgl. Walgenbach (2001), S. 355-356; Weaver/Gioia (1994), S. 565-568.
[23] Vgl. Gilbert (2003), S. 98-99; Ortmann/Sydow/Türk (2000), S. 20-24 und 33-34.
[24] Vgl. Gilbert (2003), S. 99-100.
[25] Siehe Ortmann/Sydow/Windeler (2000), S. 341-344, für eine Übersicht über die Anwendungen der Strukturationstheorie und Whittington (1992) für eine Zitationsanalyse von Giddens’ Ideen.
[26] Vgl. Gilbert (2003), S. 101-103; Walgenbach (2001), S. 358.
[27] Giddens (1997), S. 52.
[28] Vgl. Gilbert (2003), S. 103-107; Walgenbach (2001), S. 358-360; Ortmann/Sydow/Windeler (2000), S: 317-318; Giddens (1999), S. 52; Giddens (1997), S. 53-65.
[29] Vgl. Gilbert (2003), S. 107-108; Walgenbach (2001), S. 358-360; Giddens (1997), S. 55-58.
[30] Vgl. Gilbert (2003), S. 136-137; Walgenbach (2001), S: 362; Giddens (1997), S. 81-82.
[31] Vgl. Gilbert (2003), S. 122-129; Walgenbach (2001), S. 361-363; Ortmann/Sydow/Windeler, S. 319-321; Giddens (1997), S. 67-77.
[32] Vgl. Gilbert (2003), S. 130; Walgenbach (2001), S. 363; Giddens (1997), S. 81.
[33] Giddens (1997), S. 67.
[34] Giddens (1997), S. 66.
[35] Vgl. Giddens (1997), S. 65-67; Becker (1996), S. 144-147. Die Idee der Unmöglichkeit absoluter Herrschaft/Macht geht aus der Herr-Knecht-Dialektik von Hegel hervor, vgl. dazu Neuberger (1995), S. 64-74 und 311-312.
- Arbeit zitieren
- Dipl.-Kfm. Christian Funke (Autor:in), 2003, Macht als Integrationsmedium in internationalen strategischen Netzwerken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19342
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