[...] Arrigo Boito, Verdis Librettist für dessen Oper „Otello“, orientierte sich beim Verfassen der Textvorlage zwar stark an Shakespeares Original, nahm jedoch kleine und dennoch bedeutende Veränderungen vor. Dies betraf beispielsweise religiöse Aspekte; Boito konnte sich auf diesem Gebiet größere Freiheiten erlauben, als es Shakespeare zu seiner Zeit möglich war. Eine dieser Veränderungen ist das „Credo“ des Bösewichts Jago in der zweiten Szene des zweiten Aktes, das in Shakespeares Werk gänzlich fehlt. Mit dem Hinzufügen dieses Monologs folgen Verdi und sein Librettist einer Operntradition: Szenen, die sich formal an das liturgische Credo anlehnen, findet man unter anderem auch bei Donizetti oder Gounod.
Jago, der Protagonist dieser Szene, ist eine der inhaltlich gewichtigsten Figuren der Oper. Der Verlauf des Geschehens hängt entscheidend mit seinem Handeln zusammen; es gibt kaum eine Szene, in der Jago nicht auf der Bühne ist oder die ihm zugeordneten musikalischen Motive erklingen. Verdi unterstreicht somit auch kompositorisch die Bedeutung dieser Figur. Es erstaunt nicht, dass das „Credo“ in musikwissenschaftlichen Betrachtungen des „Otello“ meist großen Raum einnimmt: Die Szene ist der einzige Moment der Oper, in dem Jago dem Zuhörer einen Einblick in sein Seelenleben und seine Motivation, Böses zu tun, gewährt.
In dieser Arbeit soll anhand einer analytischen Vorgehensweise im Notentext untersucht werden, wie die markante Figur des Jago in seinem „Credo“ dargestellt wird. Dabei ist insbesondere die vielschichtige musikalische Gestaltung in Zusammenhang mit Boitos Libretto von Interesse.
Nach einigen allgemeinen Aspekten über den Protagonisten und die Handlung der Szene wird zunächst die Textvorlage näher betrachtet und ein kurzer Bezug zu ihrem formalen Vorbild, dem kirchlichen Glaubensbekenntnis, hergestellt. Anschließend werden die bedeutendsten musikalischen und rhetorischen Momente herausgegriffen und unter dem Gesichtspunkt der charakterlichen Darstellung Jagos interpretiert.
Inhaltsverzeichnis
- 1.) Einleitung
- 1.1) Allgemeines
- 1.2) Die Figur Jago
- 2.) Jagos „Credo“
- 2.1) Rahmenhandlung der Szene:
- 2.2) Textgrundlage:
- 2.3) Musikalische Analyse
- 2.3.1) Höreindruck
- 2.3.2) Allgemeine Struktur
- 2.3.3) Erster Abschnitt
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der musikalischen Darstellung der Figur des Jago in seinem „Credo“ aus Verdis Oper „Otello“. Der Fokus liegt auf der Analyse der komplexen musikalischen Gestaltung in Verbindung mit Boitos Libretto. Durch die Untersuchung der Textvorlage und die Einordnung des „Credo“ in die Opernhandlung sollen die charakterlichen Aspekte Jagos beleuchtet werden.
- Die Bedeutung der Figur des Jago für den Handlungsverlauf von „Otello“
- Die musikalische Charakterisierung Jagos durch Verdi
- Die Textanalyse des „Credo“ im Hinblick auf seine formale Gestaltung und seinen Bezug zum liturgischen Credo
- Die Bedeutung der musikalischen und rhetorischen Momente für die Darstellung Jagos
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung gibt einen allgemeinen Überblick über die Oper „Otello“ und die Figur des Jago. Sie erläutert die Bedeutung des „Credo“ in der Handlung und die Besonderheiten der Textvorlage. Kapitel 2 fokussiert auf das „Credo“ selbst. Zunächst wird die Rahmenhandlung der Szene beleuchtet, bevor die Textgrundlage des „Credo“ und der Bezug zum liturgischen Credo analysiert werden. Im Anschluss erfolgt eine musikalische Analyse des Stückes, die sich mit dem Höreindruck, der allgemeinen Struktur und dem ersten Abschnitt des „Credo“ befasst.
Schlüsselwörter
Giuseppe Verdi, Otello, Jago, Credo, Libretto, Arrigo Boito, Musikwissenschaft, Musikalische Analyse, Rhetorik, Charakterdarstellung, Liturgisches Credo, Textgrundlage.
- Quote paper
- Henriette Schwarz (Author), 2011, Jagos "Credo" aus Verdis "Otello" - Analyse und Interpretation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193375