Goethes Gedicht "Wiederfinden" wird in der Fachliteratur oft als eines der Bedeutendsten des West-östlichen Divans angesehen. "Das Gedicht ist eines der meistinterpretierten und emphatisch gepriesenen unter den Gedichten des West-östlichen Divan." (Böhler), "glänzendstes Beispiel der Liebesphysik und -metaphysik". (Staiger) Dafür spricht auch, daß "Wiederfinden" in der Musik gleich mehrfach vertont wurde. Goethe entwickelt in seinem Gedicht "Wiederfinden" in lyrisch-knapper Form einen eigenen Schöpfungsmythos, der einer konkreten umrahmenden Liebessituation als Sinn, Erklärung und letztlich auch als Trost gebend verstanden werden kann. Was zunächst nur das Wiedersehen zweier Liebender zu bedeuten scheint, wird später tiefer verständlich als Vereinigung alles im Kosmos in zwei Teile Getrenntem. Dem makrokosmischen Geschehen nach der Weltschöpfung steht der Mikrokosmos einer persönlichen und individuellen Liebe beispielhaft gleich. Die umfassende Verbindung von Liebe, religiösen Motiven starker Naturdynamik verleiht dem Gedicht besondere Tiefe und Weite.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Unerwartetes Wiedersehen - 1.Strophe
- Der erste Schöpfungsakt, das Wort - 2.Strophe
- Wilde, rasende Expansion 3.Strophe
- Der zweite Schöpfungsakt, die Morgenröte - 4.Strophe
- Eiliges Zueinanderstreben, das Lieben - 5.Strophe
- Erkennen und Musterhaftigkeit - 6.Strophe
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert Goethes Gedicht „Wiederfinden“ aus dem West-östlichen Divan. Ziel ist es, den in lyrisch-knapper Form dargestellten Schöpfungsmythos zu interpretieren und seine Beziehung zur umrahmenden Liebessituation zu beleuchten. Die Arbeit untersucht, wie Goethe die Wiedervereinigung der Liebenden mit einem makrokosmischen Geschehen verbindet.
- Goethes Schöpfungsmythos im Gedicht
- Die Verbindung von Liebe und Kosmos
- Die Symbolik der Natur und der Elemente
- Die Interpretation der einzelnen Strophen
- Das Motiv des Wiederfindens in Liebe und Schöpfung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung positioniert Goethes Gedicht „Wiederfinden“ als eines der bedeutendsten im West-östlichen Divan, unterstützt durch Zitate aus der Fachliteratur, die seine Bedeutung und die Häufigkeit seiner Interpretation hervorheben. Es wird darauf hingewiesen, dass das Gedicht einen eigenen Schöpfungsmythos entwickelt, der der Liebessituation als Sinn und Erklärung dient. Die Vereinigung der Liebenden wird als „Vereinigung alles im Kosmos polar Getrenntem“ interpretiert, wodurch ein Vergleich zwischen makrokosmischem und mikrokosmischem Geschehen hergestellt wird. Die Arbeit kündigt eine strophe-weise Analyse an.
Unerwartetes Wiedersehen - 1.Strophe: Die erste Strophe beginnt mit dem Ausruf „Ist es möglich!“ und der Anrede „Stern der Sterne“, welche die Überraschung und die intensive Freude über das Wiedersehen der Liebenden unterstreicht. Die darauffolgende Beschreibung der Nacht der Ferne als „Abgrund“ und „Schmerz“ kontrastiert mit der Freude des Wiedersehens und betont die Intensität des Erlebens. Die Strophe legt den Grundstein für die folgende Interpretation des Schöpfungsmythos im Kontext der Liebesbeziehung. Die überraschende Wiederbegegnung bildet den Ausgangspunkt für die Reflexion über die Schöpfung.
Der erste Schöpfungsakt, das Wort - 2.Strophe: Diese Strophe beschreibt den ersten Schöpfungsakt Gottes, der mit dem Wort „Es werde!“ eingeleitet wird. Das „schmerzlich Ach!“ zeigt den Schmerz und die Anstrengung der Schöpfung. Die Beschreibung des Auftuns des Lichts und der Trennung von Finsternis und Elementen bildhaft die schöpferische Kraft Gottes und den Beginn der Welt. Die Strophe stellt einen direkten Parallel zum Wiedersehen der Liebenden her: Die Schöpfung, wie die Liebe, ist ein Akt der Trennung und Wiedervereinigung.
Wilde, rasende Expansion 3.Strophe: Die dritte Strophe beschreibt die wilde und rasende Expansion der Elemente nach dem Schöpfungsakt. Jedes Element strebt nach der Weite, ohne Sehnsucht und Klang, was die Chaos und Leere der frühen Welt veranschaulicht. Die Strophe kontrastiert mit der folgenden Strophe, die die Einführung der Morgenröte und die Wiederherstellung der Ordnung beschreibt. Die rasende Expansion symbolisiert den Zustand der Trennung vor dem Wiederfinden sowohl im kosmischen als auch im menschlichen Kontext.
Der zweite Schöpfungsakt, die Morgenröte - 4.Strophe: Die vierte Strophe stellt die Morgenröte als zweiten Schöpfungsakt dar. Sie erbarmt sich der Qual der getrennten Elemente und bringt ein erklingendes Farbenspiel hervor. Durch die Morgenröte findet eine Wiederherstellung der Ordnung und Harmonie statt, was zu einem neuen Zustand des Liebens führt. Diese Strophe spiegelt die Wiedervereinigung der Liebenden wider und unterstreicht das Heilende und Verbindende der Liebe. Sie zeigt die heilsame Wirkung der Liebe und der Verbindung nach der Trennung und dem Chaos.
Eiliges Zueinanderstreben, das Lieben - 5.Strophe: Die fünfte Strophe beschreibt das eilige Zueinanderstreben dessen, was zusammengehört. Gefühl und Blick kehren zu einem ungemeßen Leben zurück. Die intensive Sehnsucht nach Vereinigung und das Erfassen und Halten werden beschrieben. Die Strophe zeigt die dynamische Kraft der Liebe und ihre fähigkeit, die getrennten Teile wieder zu vereinen. Das Streben nach Vereinigung ist zentral für diese Strophe und zeigt die Kraft und Intensität des Wiederfindens.
Erkennen und Musterhaftigkeit - 6.Strophe: Die sechste und letzte Strophe, die hier zusammengefasst wird, zeigt die Liebenden als „musterhaft in Freud' und Qual“. Der wiederholte Satz „Es werde!“ unterstreicht die kontinuierliche Kraft der Schöpfung und die beständige Möglichkeit der Wiedervereinigung. Das Gedicht findet seinen Abschluss in der Hoffnung auf eine dauerhafte Verbindung, welche die vorher beschriebenen Schwierigkeiten überwindet. Die Wiederholung „Es werde!“ verstärkt das Motiv der Schöpfung und verbindet es mit dem letzten, hoffnungsvollen Ausblick.
Schlüsselwörter
Goethe, West-östlicher Divan, Wiederfinden, Schöpfungsmythos, Liebe, Kosmos, Natur, Elemente, Wiedervereinigung, Trennung, Harmonie, Ordnung, Chaos.
Häufig gestellte Fragen zu Goethes "Wiederfinden"
Was ist der Gegenstand dieser Hausarbeit?
Diese Hausarbeit analysiert Goethes Gedicht "Wiederfinden" aus dem West-östlichen Divan. Der Fokus liegt auf der Interpretation des lyrisch dargestellten Schöpfungsmythos und seiner Beziehung zur Liebesgeschichte, die das Gedicht umrahmt. Es wird untersucht, wie Goethe die Wiedervereinigung der Liebenden mit einem makrokosmischen Geschehen verbindet.
Welche Themen werden in der Hausarbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themenschwerpunkte: Goethes Schöpfungsmythos im Gedicht, die Verbindung von Liebe und Kosmos, die Symbolik der Natur und der Elemente, die Interpretation der einzelnen Strophen und das Motiv des Wiederfindens in Liebe und Schöpfung.
Wie ist die Hausarbeit aufgebaut?
Die Hausarbeit gliedert sich in eine Einleitung, eine stropheweise Analyse des Gedichts und einen Schlussteil mit Schlüsselbegriffen. Die Einleitung beschreibt den Kontext des Gedichts im West-östlichen Divan und skizziert die Forschungsfrage. Die Kapitelzusammenfassung bietet detaillierte Einblicke in die Interpretation jeder einzelnen Strophe, die jeweils einen Aspekt des Schöpfungsmythos und der Liebesgeschichte beleuchtet.
Was ist die zentrale Aussage der Einleitung?
Die Einleitung positioniert "Wiederfinden" als bedeutendes Gedicht im West-östlichen Divan und betont die Verbindung zwischen dem individuellen Liebeserlebnis und einem umfassenden Schöpfungsmythos. Die Wiedervereinigung der Liebenden wird als Mikrokosmos eines makrokosmischen Geschehens interpretiert.
Wie wird die erste Strophe interpretiert?
Die erste Strophe ("Unerwartetes Wiedersehen") betont die Überraschung und Freude des Wiedersehens der Liebenden, indem sie den Kontrast zwischen der vorherigen Trennung ("Abgrund", "Schmerz") und der Intensität des Wiedersehens herausstellt. Dies bildet den Ausgangspunkt für die anschließende Interpretation des Schöpfungsmythos.
Wie wird der Schöpfungsmythos in den Strophen 2 und 4 dargestellt?
Strophe zwei ("Der erste Schöpfungsakt, das Wort") beschreibt den ersten Schöpfungsakt Gottes mit dem Wort "Es werde!", wobei das "schmerzlich Ach!" die Anstrengung der Schöpfung symbolisiert. Strophe vier ("Der zweite Schöpfungsakt, die Morgenröte") zeigt die Morgenröte als zweiten Schöpfungsakt, der Ordnung und Harmonie nach dem Chaos bringt – parallel zur Wiedervereinigung der Liebenden.
Was wird in den Strophen 3 und 5 beschrieben?
Strophe drei ("Wilde, rasende Expansion") beschreibt das Chaos der Elemente nach dem ersten Schöpfungsakt, während Strophe fünf ("Eiliges Zueinanderstreben, das Lieben") das dynamische Zueinanderstreben der Liebenden und die Kraft ihrer Vereinigung darstellt.
Welche Bedeutung hat die sechste Strophe?
Die sechste Strophe ("Erkennen und Musterhaftigkeit") fasst die Thematik zusammen. Die Liebenden werden als "musterhaft in Freud' und Qual" dargestellt, und die wiederholte Phrase "Es werde!" betont die kontinuierliche Kraft der Schöpfung und die Möglichkeit der Wiedervereinigung. Sie bietet einen hoffnungsvollen Ausblick.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Analyse?
Schlüsselwörter sind: Goethe, West-östlicher Divan, Wiederfinden, Schöpfungsmythos, Liebe, Kosmos, Natur, Elemente, Wiedervereinigung, Trennung, Harmonie, Ordnung, Chaos.
- Citation du texte
- Tobias Lingen (Auteur), 2001, Goethes Gedicht "Wiederfinden" - eine Interpretation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19332