„Diese Wurzel der chinesischen Kultur ist unseren aktuellen Kulturidealen so entgegengesetzt, daß wir uns freuen sollten, auf der anderen Hälfte der Erdhalbkugel einen so festen und respektablen Gegenpol zu besitzen. Es wäre töricht, zu wünschen, die ganze Welt möchte mit der Zeit europäisch oder chinesisch kultiviert werden; wir sollten aber vor diesem fremden Geist lernen und den fernsten Osten ebenso zu unseren Lehrern rechnen, wie wir es seit Jahrhunderten mit dem westasiatischen Orient getan haben.“
Dieses Zitat zeigt Hermann Hesses besonderes Verhältnis zu China und verdeutlicht die Wichtigkeit, die Hesse in der chinesischen Kultur als Bereicherung seiner eigenen europäischen sah. Aus diesem Grund soll im Folgenden gezeigt werden, inwiefern Hesses geistiger Weg nach China einen entscheidenden Faktor für sein Schaffen darstellte und in seinem literarischen Lebenswerk einen zunehmend bestimmenden Einfluss erhielt. Zunächst wird hierfür anhand der intellektuellen Stimmung zur Schaffenszeit Hesses sowie seiner persönlichen Auseinandersetzungen mit dem Land der Mitte die tragende Bedeutung chinesischer Denkweisen für die geistige Entwicklung Hesses dargelegt werden. Anschließend erfolgt eine Erläuterung der wesentlichen Merkmale der chinesischen Denkschulen Daoismus und Konfuzianismus sowie der Religion des Zen-Buddhismus. Diese werden als Grundlage für den fokussierten Hauptteil dieser Arbeit gelten: die Interpretation der Werke „Demian“, aber vor allem „Siddhartha“ und „Das Glasperlenspiel“, in welchen die Beschäftigung Hesses mit dem chinesischen Gedankengut nicht nur am markantesten hervortritt, sondern geradezu als beherrschendes Element dient und ihren Höhepunkt findet. Grundlage dieser Arbeit sind neben genannten Werken von Hesse unter anderem Adrian Hsias „Hermann Hesse und China – Darstellungen, Materialien und Interpretationen“ sowie „Hermann Hesse Blick nach dem Fernen Osten – Erzählungen, Legenden, Gedichte und Betrachtungen“ herausgegeben von Volker Michels .
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Hermann Hesses Verhältnis zu China
- 1. Politische und geistige Situation zur Lebenszeit Hesses
- 2. Persönliche Begegnungen
- III. Auseinandersetzung mit chinesischen Denkschulen
- 1. Daoismus
- a) Dao und Yin und Yang
- b) Daoistische Sprachkritik
- c) Wu Wei
- 2. Konfuzianismus
- 3. Zen-Buddhismus
- IV. Chinesische Elemente als Interpretationsgrundlage in den Werken Hesses
- 1. Demian
- a) Anima und Animus oder Yin und Yang?
- b) Der Wappenvogel als Vogel Pöng?
- c) Christliche Mystik oder Meditation?
- 2. Siddhartha
- a) Das Einheitsstreben von Yin und Yang in Siddharthas Leben
- b) Der Fluss das unpersönliche Dao
- c) Der Fährmann - das personifizierte Dao
- d) Daoistischer oder christlicher Begriff von „Liebe“?
- 3. Das Glasperlenspiel
- a) Josef Knechts Leben – die Suche nach dem Dao in einer „konfuzianistischen“ Welt
- b) Das I-Jing als Vorlage des Glasperlenspiels
- c) Josef Knechts Tod als Einswerden mit dem Dao
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Einfluss chinesischer Denkschulen auf das literarische Schaffen Hermann Hesses. Sie untersucht, inwiefern Hesses geistiger Weg nach China seine Werke beeinflusst hat und welche Rolle chinesische Denkweisen in seinen Erzählungen und Romanen spielen.
- Das Verhältnis Hesses zu China: Die politische und geistige Situation zur Lebenszeit Hesses und seine persönlichen Begegnungen mit chinesischer Kultur
- Chinesische Denkschulen: Eine Einführung in den Daoismus, den Konfuzianismus und den Zen-Buddhismus
- Chinesische Elemente in Hesses Werken: Interpretation der Romane „Demian“, „Siddhartha“ und „Das Glasperlenspiel“ mit Fokus auf die Rolle chinesischer Ideen
- Hesses Beschäftigung mit dem Dao: Die Suche nach Einheit und Harmonie als zentrales Motiv in Hesses Werken
- Die Rezeption chinesischer Denkweisen: Hesses Beitrag zur Vermittlung fernöstlicher Weisheitslehren im Westen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das besondere Verhältnis Hesses zu China vor und erläutert die Ziele und den Aufbau der Arbeit. Kapitel II befasst sich mit Hesses persönlicher Beziehung zu China und zeigt, inwiefern seine Auseinandersetzung mit chinesischen Denkschulen beeinflusst wurde durch die politische und geistige Situation seiner Zeit sowie durch seine persönlichen Begegnungen mit dem Land und seinen Menschen. In Kapitel III werden wichtige Elemente des Daoismus, des Konfuzianismus und des Zen-Buddhismus vorgestellt, die als Grundlage für die Interpretation von Hesses Werken dienen. Kapitel IV untersucht die Einbindung chinesischer Denkweisen in Hesses Romane „Demian“, „Siddhartha“ und „Das Glasperlenspiel“ und verdeutlicht die zentrale Rolle, die diese Denkweisen für sein Schaffen spielen.
Schlüsselwörter
Hermann Hesse, China, Daoismus, Konfuzianismus, Zen-Buddhismus, Demian, Siddhartha, Das Glasperlenspiel, Yin und Yang, Dao, Einheit, Harmonie, Weltbejahung, geistige Entwicklung.
- Quote paper
- Monika Müller-Karpe (Author), 2008, Von „Demian“ über „Siddhartha“ bis „Das Glasperlenspiel“ – Hermann Hesses geistiger Weg nach China, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192808