Das Buch „Hitlers willige Vollstrecker – Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust“ von Daniel Jonah Goldhagen hat besonders in der deutschen Öffentlichkeit zu heftigen Debatten sowohl unter historisch interessierten Lesern als auch unter Wissenschaftlern geführt. Es wurde ihm mehrfach vorgeworfen alle Deutschen über einen Kamm zu scheren, sie als Nazis und Antisemiten zu titulieren und darüber hinaus unwissenschaftlich gearbeitet zu haben. Auch wenn man ihn an einigen Stellen seiner Studie aus den unterschiedlichsten Gründen kritisieren kann, so muss man ihm doch zu gute halten, das er es geschafft hat, dieses Thema aus den Fachkreisen herauszuholen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, diese dafür zu interessieren.
Mit der vorliegenden Arbeit möchte ich sowohl Goldhagens Denkansätze vorstellen, als auch die Argumente seiner Gegner darlegen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Teil I: Aufbau des Buches
1. Ursprünge und Verbreitung des Antisemitismus
2. Antisemitismus in Deutschland vor und während des Nationalsozialismus
3. Die Täter
3.1. Die Polizeibatallione
3.2. Die Arbeitslager
3.3. Die Todesmärsche
4. Die Motivation für den Völkermord
Teil II. Goldhagens Erklärungsansatz
Fazit
Literaturverzeichnis
Bibliographie
Einleitung
Das Buch „Hitlers willige Vollstrecker – Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust“ von Daniel Jonah Goldhagen hat besonders in der deutschen Öffentlichkeit zu heftigen Debatten sowohl unter historisch interessierten Lesern als auch unter Wissenschaftlern geführt. Es wurde ihm mehrfach vorgeworfen alle Deutschen über einen Kamm zu scheren, sie als Nazis und Antisemiten zu titulieren und darüber hinaus unwissenschaftlich gearbeitet zu haben. Auch wenn man ihn an einigen Stellen seiner Studie aus den unterschiedlichsten Gründen kritisieren kann, so muss man ihm doch zu gute halten, das er es geschafft hat, dieses Thema aus den Fachkreisen herauszuholen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, diese dafür zu interessieren.
Ich möchte im folgenden seine Arbeit vorstellen und seine Erklärungsansätze darlegen. Zudem möchte ich erklären, warum Goldhagens Buch so provokant ist und woran sich die Öffentlichkeit, bzw. viele Historiker stören. Ich möchte darlegen, ob die Kritik an Goldhagen berechtigt ist oder nicht?
Teil I: Aufbau des Buches
Goldhagens Buch lässt sich in vier größere Abschnitte unterteilen, die ich im folgenden vorstellen werde:
1. Ursprünge und Verbreitung des Antisemitismus
Schon gleich zu Beginn seines Buches erklärt Goldhagen, dass Antisemitismus kein „deutsches Problem“ gewesen sei. Ihm zufolge hat sich der Antisemitismus durch die Jahrhunderte über ganz Europa verbreitet. Zudem sei der Antisemitismus zunächst kein „rassisch“ motivierter Hass gegen Juden gewesen. Die Gründe für den Antisemitismus seien vielmehr religiöser Natur[1], obwohl beide Religionen, Judentum und Christentum, auf der gleichen Grundlage beruhten. Aber die Tatsache, das die Juden Jesus als Messias ablehnten, reichte den Christen aus, um sie als Gegner zu betrachten. Außerdem sahen die Christen in den Juden die Mörder Jesus. Diese schon zu Beginn des Christentums entstandene Abneigung gegenüber den Juden habe sich dann bis in unsere Tage halten und verfestigen können, so das der Antisemitismus in Europa auf einer uralten „Tradition“ beruhe.[2] Ausgrenzung und Verfolgung sei den Juden also nicht erst während des Nationalsozialismus wiederfahren. Trotzdem unterscheide sich der „europäische Antisemitismus“ vom „deutschen Antisemitismus“.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein unterschied sich der „deutsche Antisemitismus“ nicht von seinem „europäischen Vorbild“. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts habe sich der von je her starke Antisemitismus in Deutschland vom religiösen Antisemitismus zum „rassischen Antisemitismus“ gewandelt.[3] Man sah in den Juden keine Religionsgemeinschaft mehr. Statt dessen ging man dazu über, die Juden als eigene „Rasse“ zu betrachten[4], die sich darüber hinaus auch noch äußerst aggressiv gegenüber ihren „Gastgeberländern“ verhielt. Das ohnehin negative Image der Juden wurde noch schlechter. Goldhagen bezeichnet diese „deutsche Variante“ als „eliminatorischen Antisemitismus“.[5] Allerdings begründet Goldhagen diesen Wandel nicht. Dafür zeigt er Tendenzen auf, die, also schon sehr lange vor dem Nationalsozialismus, so etwas wie eine „Judenfrage“ in den Raum stellten. Es gab, nach Goldhagen, bereits Ende des 19 Jahrhunderts in Deutschland Strömungen, welche die „Judenfrage“ durch die Ausrottung[6] der Juden beantworten wollten.[7]
Folgt man dieser Argumentation, wäre der Holocaust nur die logische Konsequenz einer Entwicklung gewesen, die in Deutschland schon sehr früh begonnen hat. Man könnte also sagen, der Antisemitismus sei, auch in seiner Radikalität, in Deutschland so weit verbreitet gewesen, das es unnormal gewesen wäre, kein Antisemit zu sein und es, um es überspitzt auszudrücken, überhaupt keine Alternative zum Holocaust gegeben hätte.
2. Antisemitismus in Deutschland vor und während des Nationalsozialismus
Im zweiten Teil seines Buches beschreibt Goldhagen die Situation der Juden vor und während des Nationalsozialismus in Deutschland.
Zu Zeiten des Kaiserreiches und der Weimarer Republik existierte der „eliminatorische Antisemitismus“ bereits in der deutschen Gesellschaft. Allerdings sei es nie, so Goldhagen, zu Ausschreitungen und Pogromen gegenüber dem jüdischen Teil der Bevölkerung gekommen. Dafür ausschlaggebend sei aber die staatliche Ordnung gewesen, nicht aber ein weniger stark ausgeprägter Antisemitismus. Das die deutschen Juden bis 1933 also weitestgehend unbehelligt in Deutschland leben konnten, sei alleine dem Staat zu verdanken gewesen, welcher Ausschreitungen gegenüber einem bestimmten Bevölkerungsteil nicht geduldet hätte[8]. Zumindest die physische Unversehrtheit konnte der Staat den Juden garantieren, so Goldhagen. Beschimpfungen und andere Formen der Diskriminierung hätte aber auch der Staat nicht verhindern können.
Im Nationalsozialismus habe die Situation aber ganz anders ausgesehen. Schon kurz nach der Machtübernahme durch Hitler kam es zu ersten offiziellen, vom Staat geförderten Aktionen gegen die jüdische Bevölkerung. Goldhagen erwähnt hier den Boykott jüdischer Geschäfte im April 1933.[9]
Noch im selben Jahr wurden verschiedene Gesetze erlassen, welche die Juden diskriminierten. Goldhagen bezieht sich hier auf das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“[10] und die Nürnberger Gesetze[11]. Diese, von der überwiegenden Mehrheit der deutschen Gesellschaft begrüßten Gesetze, schlossen die Juden schon sehr früh aus dem öffentlichen Leben aus und reglementierten auch weitestgehend das Privatleben der in Deutschland lebenden Juden. Aber bei der durch Gesetze geregelten Diskriminierung sei es nicht geblieben und sehr schnell kam auch die physische Gewalt hinzu.[12] Einen ersten Höhepunkt, so Goldhagen, stelle hier die „Reichskristallnacht“ dar.[13] Und gerade die Reaktionen der Bevölkerung auf dieses Ereignis mache deutlich, wie tief der eliminatorische Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft verankert gewesen sei.
3. Die Täter
Im dritten und wichtigsten Teil seines Buches geht Goldhagen auf diejenigen ein, ohne die der Holocaust nicht möglich gewesen wäre, nämlich die Männer und Frauen, die bereitwillig bei der „Endlösung“ mitgearbeitet haben. Dies tut er exemplarisch an drei „Mordinstitutionen“: den Polizeibatallionen, den Arbeitslagern und den Todesmärschen. Er versucht jeweils die Täter und deren Umfeld, vor allem aber auch ihre Taten, zu beschreiben und die Beweggründe der Täter für ihr handeln darzulegen.
3.1. Die Polizeibatallione
Die erste Institution, deren Täter Goldhagen beschreibt, sind die Polizeibatallione. Er tut dies sehr ausführlich am Beispiel des Polizeibatallions 101. Dieses sei in Polen an zahlreichen Massenerschießungen von Juden beteiligt gewesen, bzw. hat diese alleine durchgeführt.[14] Goldhagen richtet seinen Blick auf das Handeln der Täter und ihre Motivation. Dabei stellt er fest, das die Angehörigen der Polizeibatallione ausnahmslos freiwillig an den Erschießungen teilgenommen haben.[15] Es habe nämlich einen Befehl Himmlers gegeben, der es jedem Angehörigen der Polizeibatallione ermöglichte, sich von diesen Erschießungen freistellen zu lassen. Und auch die Kommandeure vor Ort waren so „menschlich“, niemanden dazu zu zwingen. Denn sowohl Himmler als auch die Kommandeure seien um das Wohl ihrer Männer besorgt gewesen. Es hätten aber nur sehr wenige von dieser Möglichkeit gebrauch gemacht[16]. Und diejenigen, die sich freistellen ließen, so Goldhagen, taten dies nicht aus der Überzeugung, das die Ermordung von Juden moralisch nicht vertretbar sei. Das Motiv für die Freistellung sei immer nur persönlicher Ekel vor dieser Arbeit gewesen, da es schmutzige Arbeit war, bei der man sich durchaus auch mit dem Blut der Opfer besudeln konnte.[17] Mitleid gegenüber den Opfern sei niemals der Grund gewesen, weswegen ein Polizist sich hätte freistellen lassen. Die Ermordung der Juden sei also auch in den Augen derer, die sich freistellen ließen, durchaus gerechtfertigt gewesen. Als weiteres Argument für diese These führt Goldhagen die Erschießungen von Polen an. Diese, so Goldhagen, habe die Polizisten seelisch stark mitgenommen.[18] Und niemand habe mit Spaß Polen erschossen, wie sie es, laut Goldhagen, bei den Juden taten. Über das Mitgefühl der Täter für ihre Opfer habe also nur die Tatsache entschieden, ob jemand Jude war oder nicht.
[...]
[1] Goldhagen, Daniel Jonah: Hitlers willige Vollstrecker – Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, Berlin 1996. S. 48. (im folgenden zitiert als „Goldhagen“)
[2] Es sei unmöglich gewesen Christ zu sein, ohne antisemitische Überzeugungen zu Pflegen. Vgl. Goldhagen, S. 62f.
[3] Antisemitismus sei von je her Anpassungs- und Modernisierungsfähig gewesen und habe sein religiöses Gewand im 19. Jahrhundert abgelegt. Goldhagen, S. 63.
[4] Goldhagen, S. 77.
[5] Goldhagen, S. 69, 71ff 107ff.
[6] Goldhagen, S. 96.
[7] Goldhagen, S 94 – 97.
[8] Goldhagen, S. 98f.
[9] Goldhagen, S. 118.
[10] Goldhagen, S.119.
[11] Goldhagen, S. 126f.
[12] Goldhagen, S. 118 – 120.
[13] Goldhagen, S. 129 – 135.
[14] Goldhagen, S. 277f. Hier findet sich eine Aufstellung der größeren Mordeinsätze des Polizeibatallions 101.
[15] Goldhagen, S. 255f, 263f, 298 – 302.
[16] Goldhagen, S. 265.
[17] Goldhagen, S. 38, 261.
[18] Goldhagen, S. 286f.
- Quote paper
- Michael Rolka (Author), 2001, Die Goldhagen-Debatte - Über das Buch "Hitlers willige Vollstrecker - Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19274
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.