„Ich bin nicht zum tragischen Dichter geboren, da meine Natur konziliant ist“ - so formuliert Goethe am 31. Oktober 1831 gegenüber Zelter seine Einstellung zum „Meisterstück der Dichtung“, dem Drama. Zuvor hatte er schon einmal geäußert, jeder Versuch, eine „wahre Tragödie“ abzufassen, komme gar einer Selbstzerstörung gleich. So ist sein Faust auch das
einzige Werk, das von ihm als Tragödie gekennzeichnet ist. Dennoch ist so manches Spielstück, vom übrigen Werk einmal ganz abgesehen, durchaus tragisch, auch wenn die Vorstellungen über die Klassifizierung oft auseinandergehen: man denke etwa an Clavigo, Egmont, Torquato Tasso. Und eine Instanz wie Schiller attestierte schon am 12. Dezember 1797 allen seinen Dichtungen „die ganze tragische Gewalt und Tiefe, wie sie zu einem vollkommenen Trauerspiel hinreichen würde“.
An weiteren Äußerungen des Meisters bezüglich seiner theoretischen Betrachtungsweise mangelt es nicht; seine produktionsästhetischen Reflexionen sind zwar seltener, aber keineswegs unerheblich. Insofern kann vielleicht als neuerlicher Versuch, Goethes dramatische Dichtungen zu beleuchten, die Perspektive des theoretisch-praktischen Vergleichs eingenommen werden. Wie lassen sich die eloquenten Forderungen nach Dichtkunst, Ästhetik und Wahrheit interpretieren, besonders im Hinblick auf ihre praktische Verwirklichung? Wie wirkt die Kritik und Aufnahme vergangener sowie aktueller Theorie und Praxis auf den Schaffensprozess ein?
Will man diese Fragen zufriedenstellend beantworten, ist keineswegs geraten, die Aussagen durchweg auf ihre praktische Applizierung herunter zu biegen. Vielmehr sollten bei der Betrachtung von Entwicklungslinien Geniestreiche und Irrwege gleichermaßen beachtet werden, auch wenn sie sich bei der Analyse manchmal als störrisch erweisen. Nur wenn man
aus diesem Spannungsfeld den Konsens erarbeitet, ergibt sich das geniale Substrat, welches ästhetischen und theoretischen Anspruch verbindet: Goethes „organisch gewachsene Einheit“, sein „harmonisches Ganzes in der Mannigfaltigkeit, die das Einzelne bruchlos bindet“.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Historische Einbettung
- Goethes Dramenkonzeption
- Torquato Tasso
- Nachwort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit Goethes Dramenkonzeption im historischen Spannungsfeld. Sie analysiert Goethes theoretische Reflexionen und deren praktische Umsetzung in seinen Dramen. Ziel ist es, die Verbindung zwischen Goethes ästhetischen Forderungen und der Wirklichkeit des Theaters seiner Zeit zu untersuchen.
- Goethes Dramenkonzeption
- Einfluss der aristotelischen Dramentheorie
- Entwicklung der Dramenform im 18. Jahrhundert
- Die Rolle des individuellen Subjekts in Goethes Dramen
- Goethes ästhetisches Ideal der „organischen Einheit“
Zusammenfassung der Kapitel
- Vorwort: Das Vorwort stellt Goethes Einstellung zur Tragödie und seine Ansichten zu Dramenklassifizierung vor. Es beleuchtet, wie seine Werke trotz seiner eigenen Einschätzung als tragisch gelten können und wie seine produktionsästhetischen Reflexionen seine Dramenkonzeption beeinflussen.
- Historische Einbettung: Dieses Kapitel untersucht die historische Einbettung von Goethes Dramenkonzeption, indem es die Entwicklung des Dramas vom Barock bis zur Klassik beleuchtet. Es betrachtet den Einfluss von bedeutenden Denkern wie Lessing und Schiller, sowie die Entwicklung des aufklärerisch-individualistischen Menschenbildes.
- Goethes Dramenkonzeption: In diesem Kapitel werden Goethes theoretische Ansätze zu Dramen erläutert, seine Rezeption der aristotelischen Dramentheorie sowie die Entwicklung der „Hamburgischen Dramaturgie“ betrachtet. Es analysiert Goethes Vorstellung von einem harmonischen Ganzheit und einer organischen Einheit, die durch eine ästhetische Durchdringung des Geistes erreicht werden soll.
- Torquato Tasso: Der vierte Abschnitt widmet sich Goethes Drama „Torquato Tasso“ als einem Beispiel für die Verwirklichung seiner Dramenkonzeption. Er beleuchtet die Verbindung zwischen den theoretischen Forderungen nach Form und Inhalt und der praktischen Umsetzung in dem Werk. Es wird auch die Komplexität des Dramas im Hinblick auf die Rezeption durch zeitgenössische und heutige Zuschauer analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie Goethes Dramenkonzeption, historischer Einbettung, aristotelischer Dramentheorie, „Hamburgischer Dramaturgie“, aufklärerischem Menschenbild, ästhetischem Ideal der „organischen Einheit“, „Torquato Tasso“, Form und Inhalt, Rezeption, Zeitgenössische und heutige Zuschauer, sowie die Verbindung zwischen Theorie und Praxis.
- Quote paper
- M.A. Bruno Desse (Author), 2008, Goethes Dramenkonzeption im historischen Spannungsfeld, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192553