Weltweit sind ca. 150 Millionen Frauen und Mädchen von der Beschneidung ihrer Genitalien betroffen, jährlich kommen weitere 2 Millionen, das heißt täglich ca. 6000, dazu. Ich möchte niemanden anklagen, sondern die Fakten aufzeigen und über die Schrecken und Gefahren einer Praktik berichten, die schon Tausende von Jahren alt ist. Weiterhin soll die Arbeit dazu anregen und ermutigen, alte Traditionen zu überdenken und im Licht des heutigen Zeitalters, des Zeitalters der Menschenrechte, zu betrachten.
Die Frage, ob es sich bei der genitalen Verstümmelung von Frauen in Afrika um eine Menschenrechtsverletzung handelt, und wenn ja, wie die heutige Entwicklungspolitik diesem entgegenwirken kann, möchte ich im folgenden bearbeiten.
Anfangs möchte ich dem Leser ein Basiswissen und ein Verständnis für andere Kulturen und die damit verbundene Problematik vermitteln.
Auch im Kontext der Diskussion um die allgemeine Gültigkeit der Menschenrechte nimmt das Thema Genitalverstümmelung einen zunehmend wichtigen Platz ein. Die Konflikte, die hiermit verbunden sind, werde ich, soweit es mir möglich ist, probieren aufzuzeigen.
Abschließend beschäftige ich mich mit der Entwicklungspolitik und deren Grundgedanken hinsichtlich der Genitalverstümmelung, Gegenmaßnahmen und Erfolgen, sowie mit den Problemen, die sich ergeben.
Das Buch „Das Recht auf Weiblichkeit. Hoffnung im Kampf gegen die Genitalverstümmelung.“ von Conny Hermann war mir bei meiner Arbeit von besonderer Hilfe, aber auch eine Reihe von Unterlagen aus dem Internet boten mir qualitativ hochwertige Informationen zu diesem Thema. In den von mir verwendeten Quellen habe ich zum größten Teil übereinstimmende Angaben gefunden. Der vorgegebene Umfang der Arbeit war leider zu gering, um ausführlicher auf Einzelschicksale und verschiedene Hilfsorganisationen einzugehen.
Ich empfand es als relevant über dieses Thema zu schreiben, da eine Vielzahl der Menschen in den Industrienationen noch nie etwas von dieser folgenschweren Praktik gehört haben.
Da die weibliche Genitalverstümmelung vor allem in 28 afrikanischen Ländern praktiziert wird, stützt sich mein Bericht auf diesen Kontinent.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Einführung in die Geschichte der weiblichen Beschneidung
3. Genitale Verstümmelung der Frauen in Afrika heute
3.1 Geografische Verteilung
3.2 Formen der Beschneidung
3.3 Durchführung der Beschneidung
3.4 Folgen und Komplikationen der Beschneidung
3.5 Tradition und kulturelle Verwurzelung
3.6 Die Beschneidung und das Gesetz
3.7 Fazit
4. Beschneidung - eine Verletzung der Menschenrechte?
4.1 Menschenrechtsdefinition
4.2 Missachtungen der Menschenrechte durch die Beschneidung
4.3 Konsequenzen der europäischen Länder
4.4 Exkurs: Eine afrikanische Frau nimmt Stellung
4.5 Fazit
5. Die Entwicklungspolitik
5.1 Gegenmaßnahmen und deren Problematik
5.1.1 Aufklärungsarbeit
5.1.2 Medizinische Versorgung und Aufklärung
5.1.3 Mädchenschutzhäuser
5.1.4 Schaffung von alternativen Arbeitsplätzen für die ‚Beschneiderinnen’
5.1.5 Förderung von alternativen Festen und Riten
5.2. Erfolge der Entwicklungspolitik und deren Aussichten
6. Von Frau zu Frau – Ein Fazit
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
1. Einleitung
Weltweit sind ca. 150 Millionen Frauen und Mädchen von der Beschneidung ihrer Genitalien betroffen[1], jährlich kommen weitere 2 Millionen, das heißt täglich ca. 6000[2], dazu.
Ich möchte niemanden anklagen, sondern die Fakten aufzeigen und über die Schrecken und Gefahren einer Praktik berichten, die schon Tausende von Jahren alt ist. Weiterhin soll die Arbeit dazu anregen und ermutigen, alte Traditionen zu überdenken und im Licht des heutigen Zeitalters, des Zeitalters der Menschenrechte, zu betrachten.
Die Frage, ob es sich bei der genitalen Verstümmelung von Frauen in Afrika um eine Menschenrechtsverletzung handelt, und wenn ja, wie die heutige Entwicklungspolitik diesem entgegenwirken kann, möchte ich im folgenden bearbeiten.
Anfangs möchte ich dem Leser ein Basiswissen und ein Verständnis für andere Kulturen und die damit verbundene Problematik vermitteln.
Auch im Kontext der Diskussion um die allgemeine Gültigkeit der Menschenrechte nimmt das Thema Genitalverstümmelung einen zunehmend wichtigen Platz ein. Die Konflikte, die hiermit verbunden sind, werde ich, soweit es mir möglich ist, probieren aufzuzeigen.
Abschließend beschäftige ich mich mit der Entwicklungspolitik und deren Grundgedanken hinsichtlich der Genitalverstümmelung, Gegenmaßnahmen und Erfolgen, sowie mit den Problemen, die sich ergeben.
Das Buch „Das Recht auf Weiblichkeit. Hoffnung im Kampf gegen die Genitalverstümmelung.“ von Conny Hermann war mir bei meiner Arbeit von besonderer Hilfe, aber auch eine Reihe von Unterlagen aus dem Internet boten mir qualitativ hochwertige Informationen zu diesem Thema. In den von mir verwendeten Quellen habe ich zum größten Teil übereinstimmende Angaben gefunden. Der vorgegebene Umfang der Arbeit war leider zu gering, um ausführlicher auf Einzelschicksale und verschiedene Hilfsorganisationen einzugehen.
Ich empfand es als relevant über dieses Thema zu schreiben, da eine Vielzahl der Menschen in den Industrienationen noch nie etwas von dieser folgenschweren Praktik gehört haben.
Da die weibliche Genitalverstümmelung vor allem in 28 afrikanischen Ländern praktiziert wird, stützt sich mein Bericht auf diesen Kontinent.[3]
Sie kommt aber auch in Asien und auf der arabischen Halbinsel vor; auch Deutschland und andere europäische Länder, sowie Amerika, sind durch Einwanderer von dieser Praktik betroffen und müssen sich damit auseinandersetzen und Gegenmaßnahmen ergreifen.
Bewusst habe ich meiner Arbeit den Titel „Genitalverstümmelung“ gegeben, da der Begriff ‚Beschneidung’ nur allzu schnell mit der harmloseren männlichen Beschneidung assoziiert wird. Bei der ‚weiblichen Beschneidung’ handelt es sich jedoch um einen Eingriff, der die weiblichen Genitalien unwiderruflich auf die brutalste Weise verstümmelt. Bis zu 30%[4] der Mädchen und jungen Frauen überleben diesen Eingriff nicht, sie sterben unter furchtbaren Schmerzen. Doch auch die Überlebenden haben ein Leben voller Qualen und Entbehrungen vor sich, ein Leiden, dem es Zeit wird, ein Ende zu setzen!
2. Einführung in die Geschichte der weiblichen Beschneidung
Historisch gesehen ist es schwer nachzuvollziehen, seit wann das Ritual der weiblichen Genitalverstümmelung existiert. Vermutlich liegen die Ursprünge schon Tausende von Jahren zurück, bis hin in die Antike und den frühen Beginn der Menschheitsgeschichte.
In manchen Kulturen scheint sie ein Zeichen für höhergestellte Frauen gewesen zu sein, in anderen ein Merkmal für Versklavung und Unterwerfung.
Von ihrem wahrscheinlichen Ursprung in Ägypten und dem Niltal breitete sich die weibliche Beschneidung vermutlich bis zu den Küsten des Roten Meeres und von dort in den östlichen Sudan aus. Man kann jedoch nur Vermutungen anstellen, wie sich die zum Teil stark unterschiedlichen Praktiken entwickelt haben, und ob sie eine gemeinsame Herkunft besitzen oder aus verschiedenen Religionen stammen. Ein möglicher Grund für das Entstehen und Verbreiten dieser Praktik könnte das Bedürfnis für eine Geburtenkontrolle gewesen sein. Denn zahlreiche wasserarme Gebiete hätten eine Erhöhung der Bevölkerungsdichte nicht verkraften können; die Frauen wurden einfach ‚zugenäht’. So verbreitete sich die Praktik gemeinsam mit der Dürre und der immer größer werdenden Wüstenbildung. Später wurde sie im Zusammenhang mit Jungfräulichkeit und Keuschheit betrieben.[5]
Abschließend sei angemerkt, dass die Genitalverstümmelung keine auf die außer-abendländische Welt begrenzende Erscheinung ist[6]. Operative Manipulationen an weiblichen Genitalien wurden zum Beispiel vermehrt in der englisch sprechenden Welt, aber auch in Amerika und Europa zur Behandlung von Hysterie, Epilepsie, Melancholie, Masturbation, Depression, Homosexualität und sogar Kleptomanie bis in die 40er und 50er Jahre hinein durchgeführt.[7]
3. Genitale Verstümmelung der Frauen in Afrika heute
3.1 Geografische Verteilung
Die genitale Verstümmelung wird in 28 afrikanischen Ländern[8] praktiziert, die sich in einem breiten Streifen parallel zum Äquator ziehen, von Ägypten, Äthiopien, Somalia, Kenia und Tansania im Osten über Kamerun und Nigeria bis nach Senegal und Mauretanien im Westen. In einigen Ländern sind bis zu 80 % aller Frauen und Mädchen beschnitten, in anderen sogar annähernd alle[9].
Im Wesentlichen sind es vom Islam geprägte Länder, die in Afrika die Tradition der genitalen Verstümmelung ausüben. Sie wird in den modernen Großstädten Afrikas wie auch auf dem Land durchgeführt, ob arm oder reich, gebildet oder ungebildet, die Tradition wird weiterhin verteidigt.[10]
Es erfolgen innerhalb der Länder von Stamm zu Stamm unterschiedliche Praktiken und Handhabungen, jedoch werden meist alle Mädchen eines Stammes diesem Brauch in der gleichen Art unterzogen, weshalb auch niemand diesen in Frage stellt; ein Vergleich zu unversehrten Frauen ist schlicht nicht möglich[11].
Eine genaue prozentuale Übersicht findet man im Anhang *1.
3.2 Formen der Beschneidung
Im Allgemeinen wird von vier verschiedenen Arten der Beschneidung ausgegangen, die die weiblichen Genitalien unterschiedlich stark verstümmeln.
- Bei der so genannten milden sunna wird die Vorhaut der Klitoris eingestochen, geritzt oder vollständig entfernt, es wird wenig oder sogar gar kein Schaden angerichtet. Sunna ist ein arabisches Wort und bedeutet „Tradition“.[12]
- Bei der so genannten Klitoridektomie oder modifizierten sunna wird die Klitoris teilweise oder auch ganz herausgeschnitten.[13]
- Bei der so genannten Exzision werden neben der Klitoris auch die inneren Schamlippen entfernt. Dieser Eingriff ergibt häufig ein Narbengewebe, das so groß ist, das es die vaginale Öffnung verdeckt.[14]
- Die so genannte Infibulation oder pharaonische Beschneidung ist ein besonders zerstörerischer Eingriff in die Gesundheit und den Körper der Frau. Neben einer kompletten Entfernung der Klitoris werden auch die inneren und äußeren Schamlippen abgetrennt und ausgeschabt. Die verbleibende Haut der äußeren Schamlippen wird bis auf ein kleines Loch zusammengenäht beziehungsweise mit Akaziendornen (sie sollen eine betäubende Wirkung haben) zusammengeheftet. Ein Stück Holz oder Stroh steckt während des sehr langen und schmerzhaften Heilungsprozesses in der Vagina, damit ein vollständiges Zusammenwachsen verhindert wird. Gewünscht ist nach der Heilung eine stecknadel- bis maiskorngroße Öffnung, aus der Urin und Menstruationsblut abfließen können.[15]
Um empfindlichen Lesern den Anblick zu ersparen, befinden sich erst im Anhang *2 eine Abbildung der modifizierten sunna und eine der Infibulation.
Bei der genitalen Verstümmelung werden jedoch nicht alle Genitalien auf einmal abgetrennt, sondern je nach Brauch und Geschick der Beschneiderinnen, oder auch von der Heftigkeit, mit der sich ein Mädchen wehrt, werden in einer bestimmten Reihenfolge erst die Klitoris, dann die inneren Schamlippen und zum Schluss die äußeren Schamlippen (oder anders herum) einzeln abgetrennt.
Wahrscheinlich gibt es sogar so viele Verstümmelungsarten, wie es Beschneiderinnen gibt; denn neben den oben erwähnten gängigen Arten gibt es noch die so genannte Inzision, bei der zusätzlich mit einem scharfen Gegenstand Haut und Gewebe aus der Vagina und dem Geburtskanal herausgeschabt werden. Der Geburtskanal vernarbt und wird unelastisch. Einige ethnische Gruppen brennen die Klitoris aus oder zerstören ihre feinen Nervenenden mit ätzenden Nesselsäften oder mit auf einem Stock eingeführten Ameisen.[16]
Bei der Defibulation wird einer infubilierten Frau in der Hochzeitsnacht von ihrem Mann die verschlossene und vernarbte Vagina wieder ‚geöffnet’. Da eine erfolgreiche Penetration durch den Mann nur in den seltensten Fällen und oft erst nach unendlich qualvollen Monaten für die Frau gelingt, benutzen die Männer aus Angst vor der Bloßstellung häufig ein Messer oder ein ähnlich scharfes Werkzeug, um ihre Frau zu ‚öffnen’. Auch bei der Geburt eines Kindes müssen die Frauen defibuliert werden, um eine Geburt überhaupt erst zu ermöglichen.
Bei der Reinfibulation wird eine Frau nach der Geburt wieder bis auf wenige Millimeter zusammengenäht, indem die Narbenränder abgeschält und von neuem zusammengenäht werden. Auch Witwen, geschiedene Frauen und Mädchen mit vorehelichem Geschlechtsverkehr lassen sich reinfibulieren, da sie dann wieder als ‚Jungfrau’ gelten und dies ihre Heiratchancen erhöht.[17]
Die Verbreitung der verschiedenen Arten findet man im Anhang *3.
3.3 Durchführung der Beschneidung
„Die Einzelheiten der rituellen Beschneidung sind ein Geheimnis – sie werden Mädchen nicht erklärt. Du weißt nur, dass mit dir etwas Besonderes geschieht, wenn du an der Reihe bist.“[18]
Heutzutage werden die Mädchen in den meisten afrikanischen Gesellschaften recht früh beschnitten, denn ein kleines Mädchen lässt sich leichter unter Kontrolle bringen und versteht noch nicht, was mit ihm geschieht. Man hofft auch, dass die Mädchen so den Eingriff schneller vergessen, und er ihnen nicht so sehr im Bewusstsein bleibt. Je älter die Mädchen werden, desto mehr können sie Widerstand leisten.[19] In manchen Kulturen werden bereits Neugeborene ‚beschnitten’, andere führen die Genitalverstümmelung erst an Mädchen im Alter zwischen 6 und 10 Jahren oder in der Pubertät durch, auch erwachsene Frauen sind keine Ausnahme.[20]
Traditionell wird der Eingriff von so genannten Beschneiderinnen durchgeführt, die dieses ‚Handwerk’ von Generation zu Generation weitergeben, es kann sich aber auch um Medizinmänner, Barbiere, Geburtshelferinnen oder in sehr armen Familien auch um die eigenen unerfahrenen Familienmitglieder handeln, da eine ‚Beschneidung’ sehr teuer ist.[21]
Die Operationen werden nur in Ausnahmefällen in medizinischen Einrichtungen von geschultem Personal durchgeführt. Meist erfolgen die Eingriffe in einfachen Hütten unter katastrophalen Bedingungen und dauern zwischen 10 – 30 Minuten, sie finden ohne Narkose statt. Mehrere Frauen halten dabei das Mädchen an Armen und Beinen fest und pressen ihr den Mund zu. Die Instrumente reichen von Rasierklingen über Messer, stumpfe Scheren, Glasscherben bis hin zu Deckeln von Konservendosen. Gereinigt werden sie meist nach jedem zweiten Mädchen durch ‚draufspucken’ und murmeln mehrerer spiritueller Formeln.[22]
Um die Wunden zu verschließen, werden unter anderem Schafdarm, Pferdehaar, Bast, Bindfäden, Akaziendornen und Eisenringe benutzt. Zur Blutstillung verwendet man unter anderem Asche, Kräuter, kaltes Wasser, Spucke, Pflanzensäfte und Blätter. Häufig – aber nicht immer – ist die genitale Verstümmelung in ein zeremonielles Initiationsfest eingebettet. Die Mädchen bekommen Geschenke z.B. ein hübsches Kleid oder Süßigkeiten und stehen meist zum ersten Mal in ihrem Leben im Mittelpunkt.[23]
In der Regel werden gleich mehrere Mädchen beschnitten. Die Frauen des Dorfes, selbst die eigene Mutter, tanzen während der Prozedur laut singend um das Mädchen, um dessen Schmerzensschreie zu übertönen[24]. Sie haben es alle selbst erlebt und kennen es nicht anders.
Die Mädchen beißen die Zähne zusammen, wenn sie nach der Prozedur von den Frauen aufgefordert werden, aufzustehen und zu tanzen, da sie nun gefeiert werden[25].
Nach dem Fest werden ihre Beine mit einem Tuch zusammengewickelt, um den Heilungsprozess zu fördern. Sie werden so verschnürt für mehrere Wochen in eine Hütte oder in die Wüste gebracht, wo ein kleiner Unterstand für sie errichtet wird, um dort ungestört zu genesen; manchmal bringt die Mutter Wasser oder wechselt die Tücher.[26]
„Suchend blickte ich mich nach meiner Mutter um […] So lag ich da und fragte mich, was als nächstes geschehen würde. Als ich den Kopf wandte, sah ich eine Blutlache auf dem Felsen, als ob dort ein Tier geschlachtet worden wäre. Und außerdem lagen dort auf dem Felsen Stücke meines Fleisches, meine Geschlechtsteile, und trockneten in der Sonne.“[27]
3.4 Folgen und Komplikationen der Beschneidung
Die genitale Verstümmelung verursacht körperliche, seelische und sexuelle Schäden, die unmittelbar oder später auftreten können, meist bleiben sie ein Leben lang bestehen und können sogar im Nachhinein noch zum Tod führen.
Unmittelbare Folgen wären unter anderem der sofortige Schock aufgrund des hohen Blutverlustes, Blutvergiftungen, Tetanus, Infizierung mit Kinderlähmung, Hepatitis und HIV.[28]
Langfristige Folgen begleiten die Frauen meist ihr Leben lang tagtäglich, die Probleme beginnen bei der Harnentleerung, die bis zu einer halben Stunde dauern kann, gehen über Eileiter- und Gebärmutterentzündungen, Sterilität bis hin zu unsagbar schmerzhaften, komplikationsreichen und sogar lebensgefährlichen Geburten. Bei der monatlichen Regelblutung kann das Blut durch die meist winzige Öffnung nicht richtig abfließen, ein Rückstau entsteht, Entzündungen und starke Schmerzen im Unterleib sind die Folgen; die Regelblutung dauert bis zu 14 Tagen. Inkontinenz, eine weitere häufige Folge der Genitalverstümmelung, führt zur Ausstoßung der betroffenen Frauen aus der Gesellschaft. Viele dieser Krankheiten binden die Frauen an das Haus und machen es ihr unmöglich, einer regelmäßigen Arbeit oder dem Schulbesuch nachzugehen.[29]
Die psychischen Folgen sind Reaktionen, die den Folgen anderer Traumata ähneln: Verdrängung und Abspaltung, Angstreaktionen, Depressionen und Verhaltensstörungen. Oft existiert ein Gebot, nicht über die empfundenen Schmerzen zu sprechen (Interview mit einer Beschneiderin im Anhang *4).[30]
Als sexuelle Folgen zählen die Deinfibulation (siehe 3.2) und die Angstzustände, die die Frauen jedes Mal erneut vor dem Geschlechtsakt verspüren. Selten kommt es zu Lustgefühlen, da die äußeren Geschlechtsorgane samt der Klitoris entfernt wurden; Sex dient allein dem Mann als Befriedigung.
Allgemein sind die Frauen nicht in der Lage, ihre häufigen Gesundheitsprobleme mit der ‚Beschneidung’ in Verbindung zu bringen, da sie nichts über die Ursachen und die Beziehung zwischen den beiden wissen.
3.5 Tradition und kulturelle Verwurzelung
Die genitale Verstümmelung von Frauen war bis vor wenigen Jahren in Afrika ein Tabuthema und ist es zum Teil heute noch. Daher wird auch nicht über die Motive dafür geredet. Manche Afrikanerinnen denken heutzutage immer noch, dass alle Frauen auf der Welt beschnitten sind[31] und lachen bei der absurden Vorstellung, dass es auch unbeschnittene Frauen geben soll[32].
Die Begründungen, die für die weibliche Genitalverstümmelung angegeben werden, sind sehr vielfältig, und es existieren weitaus mehr, als ich im Folgenden aufführen kann.
Zum größten Teil wird versucht, die Genitalverstümmelung durch religiöse Gründe zu rechtfertigen. Der zuweilen geäußerte Irrglaube, der Islam schreibe die Genitalverstümmelung vor, wird von mehreren anerkannten Islamgelehrten widerlegt. Denn weder der Islam, das Christentum noch der jüdische Glaube verlangen die Verstümmelung der weiblichen Geschlechtsorgane.[33] In 80% der heutigen islamischen Welt ist die Praxis der ‚Beschneidung’ relativ unbekannt.[34] Die Genitalverstümmelung wird unabhängig von der religiösen Zugehörigkeit praktiziert.
Weiterhin werden diverse hygienische Rechtfertigungen gebracht, wie zum Beispiel, dass die Genitalien (der Frau!) unrein sind, insbesondere die Klitoris, die als hässlich und entstellt gilt, sie habe unangenehme Ausscheidungen und Gerüche.[35] Doch genau das Gegenteil ist der Fall, denn manche ‚beschnittene’ Frauen trauen sich bei ihrer Menstruation nicht aus dem Haus, da sie stark, durch den Rückstau des Blutes, das nicht richtig abfließen kann, riechen. Außerdem soll verhindert werden, dass Insekten in die Vagina eindringen.[36]
Gesundheitliche Begründungen sind unter anderem die, das die ‚Beschneidung’ die Fruchtbarkeit fördert, sie die Vagina vergrößert und die Schwangerschaft und Geburt erleichtert.[37] Rufen wir uns jetzt noch einmal die in 3.4 aufgeführten Nebenwirkungen in den Kopf, wissen wir, dass keiner dieser Gründe zutrifft.
Die Überlieferung von psycho-sexuellen Begründungen geht Jahrhunderte - wahrscheinlich sogar Jahrtausende - zurück. Es heißt, dass die Klitoris das maskuline Element und Organ bei Frauen repräsentiere und die Vorhaut das feminine bei Jungen, und sie deshalb erst durch die Entfernung dieser Teile zur ‚echten’ Frau bzw. zum ‚echten’ Mann werden. Ferner gilt die Klitoris als aggressives Organ, das bei der Berührung das Neugeborene bedroht und schädigt (Wasserköpfe seien die Folge) und den Mann bei der Berührung während des Geschlechtsverkehrs impotent mache.[38] Selbst Freuds[39] Lehre spiegelt den uralten Glauben, dass der Klitoris, wenn sie nicht entfernt wird, rasiermesserscharfe Zähne wachsen, die den Penis verschlingen, wieder.[40]
[...]
[1] TERRE DES FEMMES e.V. (Hrsg.): Wir schützen unsere Töchter. [8-seitige Informationsbroschüre]. Tübingen: o.Verlag, o.J., S. 2.
[2] Geburtskanal: Genitalverstümmelung von Frauen. URL:
www.geburtskanal.de/Wissen/F/FemaleGenitalMutilation..html [Stand: 16.05.2003]. S. 1.
[3] TERRE DES FEMMES: Aktiv gegen weibliche Genitalverstümmelung. URL: http://www.frauenrechte.de/ [Stand: 28.07.2003]. S. 2.
[4] Walker / Parmer: Narben oder Die Beschneidung der weiblichen Sexualität. S.314.
[5] Lightfoot-Klein, Hanny: Das grausame Ritual. Sexuelle Verstümmelung afrikanischer Frauen. 7.Auflage. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, August 2001. S.43-44
[6] Schnüll, Petra / TERRE DES FEMMES (Hrsg.): Weiblich Genitalverstümmelung. Eine fundamentale Menschenrechtsverletzung. Göttingen: Panicke-Druck, 1999. S.24
[7] Lightfoot-Klein: Das grausame Ritual. Sexuelle Verstümmelung afrikanischer Frauen. S.215-216.
[8] TERRE DES FEMMES: Aktiv gegen weibliche Genitalverstümmelung. S.2.
[9] Schmidt-Zadel, Regina: Beschneidung von Mädchen und Frauen – Menschenrechtsverletzungen in Entwicklungsländern und Industrieländern. URL:
http://home.t-online.de/home/schmidt-zadel/reden/rede1397.htm [Stand: 28.07.2003]. S.1.
[10] Hermann, Conny (Hg.): Das Recht auf Weiblichkeit. Hoffnung im Kampf gegen die Genitalverstümmelung. Bonn: Dietz, 2000. S.23 f.
[11] Schnüll / TERRE DES FEMMES (Hrsg.): Weiblich Genitalverstümmelung. Eine fundamentale Menschenrechtsverletzung. S.27.
[12] Lightfoot-Klein: Das grausame Ritual. Sexuelle Verstümmelung afrikanischer Frauen. S.49.
[13] Ebenda.
[14] Hermann: Das Recht auf Weiblichkeit. Hoffnung im Kampf gegen die Genitalverstümmelung. S.21.
[15] Ebenda.
[16] Ebenda.
[17] Schnüll, Petra/ TERRE DES FEMMES (Hrsg.): Weiblich Genitalverstümmelung. Eine fundamentale Menschenrechtsverletzung. S.27.
[18] Dirie, Waris: Wüstenblume. München: Schneekluth, 1998. S. 51.
[19] Lightfoot-Klein: Das grausame Ritual. Sexuelle Verstümmelung afrikanischer Frauen. S.52.
[20] Diaby-Pentzlin, F./ Göttke, E. (Hrsg.): Einschnitte. Materialband zu Female Genital Cuttings (FGC). Eschborn: Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH, Dezember 1999. S.23.
[21] Schnüll / TERRE DES FEMMES (Hrsg.): Weiblich Genitalverstümmelung. Eine fundamentale Menschenrechtsverletzung. S.28.
[22] Humanistische Aktion: Gegen Beschneidung! URL:
www.humanistische-aktion.de/leidkult.htm [Stand: 16.05.2003]. S. 1.
[23] Schnüll / TERRE DES FEMMES (Hrsg.): Weiblich Genitalverstümmelung. Eine fundamentale Menschenrechtsverletzung. S.29.
[24] Schmidt-Zadel: Beschneidung von Mädchen und Frauen – Menschenrechtsverletzungen in Entwicklungsländern und Industrieländern. S.2.
[25] Walker, Alice/ Parmer, Pratibha: Narben oder Die Beschneidung der weiblichen Sexualität. Hamburg: Rowohlt Verlag, März 1996. S.123.
[26] Dirie: Wüstenblume. S.71.
[27] Ebenda, S.58.
[28] Agora, Stuttgarter Gesellschaft für Wissensvermittlung: Menschenrechte. Frauenrechte.
Weibliche Beschneidung (Genitalverstümmelung, FGM). URL: http://www.Beschneidung.htm
[Stand: 16.05.2003]. S. 1-3.
[29] Ebenda.
[30] Ebenda.
[31] Linksrhein: Frauenrechte, Menschenrechte. URL: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/linksrhein/archiv/c/c000201a.htm [Stand: 01.08.2003]. S.1 f.
[32] Lightfoot-Klein: Das grausame Ritual. Sexuelle Verstümmelung afrikanischer Frauen. S.38.
[33] Institut für Afrika-Kunde/ FGM-Pressedokumentation: Weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation–FGM) in Afrika. URL: http://www.rrz.uni-hamburg.de/IAK/FGMDok.html [Stand: 28.07.2003]. S.2.
[34] Lightfoot-Klein: Das grausame Ritual. Sexuelle Verstümmelung afrikanischer Frauen. S.59.
[35] Linksrhein: Frauenrechte, Menschenrechte. S.1 f.
[36] Schnüll / TERRE DES FEMMES (Hrsg.): Weiblich Genitalverstümmelung. Eine fundamentale Menschenrechtsverletzung. S.39.
[37] Linksrhein: Frauenrechte, Menschenrechte. S.1 f.
[38] Linksrhein: Frauenrechte, Menschenrechte. S. 1 f.
[39] Anmerkung d. Verf.: Freud, Sigmund, österr. Arzt und Psychologe. (1856-1939).
[40] Walker / Parmer: Narben oder Die Beschneidung der weiblichen Sexualität. S.127.
- Arbeit zitieren
- Dagny Speeck (Autor:in), 2003, Genitale Verstümmelung von Frauen in Afrika - eine Herausforderung für die Entwicklungspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19202
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