Insgesamt fünfmal wurde der Gesellschaftsroman Effi Briest von Regisseuren verschiedenster Generationen verfilmt. 1939 während des Nationalsozialismus drehte Gustaf Gründgens Der Schritt vom Wege. Zu Zeiten der Adenauer-Ära und der Heimatfilmwelle folgte 1955 die zweite Verfilmung von Rudolf Jugert mit dem Titel Rosen im Herbst. In der DDR entstand unter der Regie von Wolfgang Luderer 1969 Effi Briest. Nur wenige Jahre später widmete sich Rainer Werner Fassbinder in Westdeutschland Fontanes Klassiker. 1974 drehte der Autorenfilmer mit Fontane Effi Briest seine Version des Romans. Die aktuellste Verfilmung, Effi Briest von Hermine Huntgeburth, ist 2009 erschienen und betrachtet die Vorlage erstmals aus weiblicher Perspektive. Da die fünf Verfilmungen zugleich Filmgeschichte, Regiestile und Epochen der Geschichte Deutschlands widerspiegeln, erwies sich eine vergleichende Analyse als reizvolle Aufgabe für eine Magisterarbeit. Fontanes Werk als Thema zu wählen, ist auch aus Sicht der Literaturwissenschaft spannend. Schließlich bilden die fünf Adaptionen fünf zum Teil sehr unterschiedliche Interpretationen des Klassikers im Zuge des literarischen Rezeptionsprozesses. Als Untersuchungsschwerpunkt der Arbeit wurde die Darstellung der Eltern-Kind-Beziehung zwischen Protagonistin Effi und ihren Eltern gewählt. Gerade die Sicht auf das Familiensystem hat sich in der bemerkenswerten Entstehungsspanne von rund 70 Jahren stark verändert. So ist nicht nur die vergleichende Betrachtung der fünf Filme Ziel dieser Arbeit. Zusätzlich soll versucht werden, die unterschiedlichen Darstellungsweisen der Regisseure in den Kontext der Entstehungszeit zu bringen. Einleitend wird zunächst ein entsprechender Überblick über das Genre der Literaturverfilmung und dessen Entwicklung geschaffen, um die einzelnen Verfilmungen einordnen zu können. In Ansätzen soll zudem die intensive Beziehung zwischen Literatur und Film aufgezeigt und somit gleich zu Beginn auf die Problematik dieses Verhältnisses hingewiesen werden. Um Effi Briest sozialhistorisch einordnen zu können, folgt ein kurzer Abriss relevanter Themen zu Gesellschaftssystem und Familie im 19. Jahrhundert. Wie Fontane dies in seinem Roman verarbeitet hat, wird im nächsten Schritt aufgezeigt. Eine kurze, chronologisch aufgebaute Betrachtung der Familie Briest soll dabei den Filmanalysen vorangehen. Da die vorliegende Arbeit keine Werktreue-Diskussion darstellen soll, wird auf eine explizite Analyse des Romanstoffs verzichtet.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Zum Forschungsgegenstand Literaturverfilmung
- 1. Die Literaturverfilmung: Ein Rückblick
- 2. Die Wechselbeziehung von Literatur und Film
- 3. Zum Konfliktfeld Literaturverfilmung
- III. Historisch-sozialer Bezugsrahmen: Das 19. Jahrhundert
- 1. Die Gesellschaft im 19. Jahrhundert: Eine Skizze
- 2. Adliges Familienleben im 19. Jahrhundert
- 2.1 Standestypisches Verhalten als höchstes Erziehungsziel
- 2.2 Die adlige Ehe
- IV. Fontanes Romanvorlage
- 1. Elisabeth von Ardenne als historisches Vorbild
- 2. Effi und ihre Eltern im Roman: Ein Überblick
- 3. Familie Briest: Ein zeittypisches Eltern-Kind-Konzept?
- V. Effi Briest auf der Leinwand
- 1. Gustaf Gründgens: Der Schritt vom Wege (1939)
- 1.1 Politischer und nicht politischer Film im Nationalsozialismus
- 1.2 Familie in Ideologie und Film
- 1.3 Der Schritt vom Wege: Kurzcharakteristik
- 1.4 Rollentausch der Eltern
- 1.4.1 Szenenanalyse: Die verstoßene Tochter
- 1.4.1.1 Die Handlungsanalyse
- 1.4.1.2 Analyse der Bauformen
- 1.4.1.3 Darstellung von Luise und Briest
- 2. Rudolf Jugert: Rosen im Herbst (1955)
- 2.1 Familie in Heimatfilm und Adenauer-Ära
- 2.2 Rosen im Herbst: Kurzcharakteristik
- 2.3 Ablehnung der elterlichen Unterstützung
- 2.3.1 Szenenanalyse: Verzicht
- 2.3.1.1 Die Handlungsanalyse
- 2.3.1.2 Analyse der Bauformen
- 2.3.1.3 Darstellung der Vater-Tochter-Beziehung
- 3. Wolfgang Luderer: Effi Briest (1970)
- 3.1 Film zur Zeit der DDR
- 3.2 Familie in der DDR
- 3.3 Effi Briest: Kurzcharakteristik
- 3.4 Instetten als Vaterfigur
- 3.4.1 Szenenanalyse: Erziehung
- 3.4.1.1 Die Handlungsanalyse
- 3.4.1.2 Analyse der Bauformen
- 3.4.1.3 Darstellung von Effi und Instetten
- 4. Rainer Werner Fassbinder: Fontane Effi Briest (1974)
- 4.1 Rainer Werner Fassbinder als Vertreter des Neuen Deutschen Films
- 4.2 Die Westdeutsche Familie in den 70er Jahren
- 4.3 Fontane Effi Briest: Kurzcharakteristik
- 4.4 Gesellschaftliches Ansehen versus Kinderliebe
- 4.4.1 Szenenanalyse: Effis Tod
- 4.4.1.1 Die Handlungsanalyse
- 4.4.1.2 Analyse der Bauformen
- 4.4.1.3 Darstellung der Eltern Briest
- 5. Hermine Huntgeburth: Effi Briest (2009)
- 5.1 Familie heute
- 5.2 Effi Briest: Kurzcharakteristik
- 5.3 Mutter und Tochter als Konkurrentinnen
- 5.3.1 Szenenanalyse: Intime Briefe
- 5.3.1.1 Die Handlungsanalyse
- 5.3.1.2 Analyse der Bauformen
- 5.3.1.3 Darstellung der Mutter-Tochter-Beziehung
- VI. Schlussbetrachtung
- Entwicklung des Genres Literaturverfilmung
- Veränderung des Familienbildes im 20. Jahrhundert
- Darstellung der Eltern-Kind-Beziehung in den Filmadaptionen
- Einfluss des gesellschaftlichen und politischen Kontextes auf die filmische Umsetzung
- Vergleichende Analyse der Regiestile und Interpretationen
- Gustaf Gründgens: Der Schritt vom Wege (1939)
- Rudolf Jugert: Rosen im Herbst (1955)
- Wolfgang Luderer: Effi Briest (1970)
- Rainer Werner Fassbinder: Fontane Effi Briest (1974)
- Hermine Huntgeburth: Effi Briest (2009)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die Darstellung der Eltern-Kind-Beziehung in fünf verschiedenen Verfilmungen von Fontanes "Effi Briest". Ziel ist ein Vergleich der filmischen Adaptionen vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Entstehungszeit und der damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen. Die Arbeit analysiert, wie sich das Verständnis von Familie und den Beziehungen zwischen Eltern und Kindern im Laufe der Zeit in den Filmen widerspiegelt.
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung: Die Einleitung präsentiert die fünf Verfilmungen von Fontanes "Effi Briest" als Untersuchungsgegenstand und begründet die Wahl des Themas – die Darstellung der Eltern-Kind-Beziehung – mit dem Wandel gesellschaftlicher Normen und Familiensysteme über die Entstehungszeit der Filme hinweg. Sie skizziert den Aufbau der Arbeit und kündigt die methodischen Vorgehensweisen an, wobei der Fokus auf den vergleichenden Aspekt der Filmanalysen gelegt wird.
II. Zum Forschungsgegenstand Literaturverfilmung: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die Geschichte der Literaturverfilmung, beleuchtet die komplexe Wechselbeziehung zwischen Literatur und Film und thematisiert die Herausforderungen und Konflikte bei der Adaption literarischer Vorlagen. Es dient der Einordnung der untersuchten Filme in einen breiteren Kontext der Filmgeschichte und Filmtheorie.
III. Historisch-sozialer Bezugsrahmen: Das 19. Jahrhundert: Dieser Abschnitt liefert einen kurzen Abriss des sozialen und gesellschaftlichen Kontextes im 19. Jahrhundert, insbesondere in Bezug auf das adlige Familienleben und die Erziehungspraktiken. Dieser Kontext ist essenziell, um Fontanes Roman und die dargestellten Familienstrukturen zu verstehen und die späteren filmischen Adaptionen in ihrer jeweiligen Zeit besser einordnen zu können.
IV. Fontanes Romanvorlage: Dieses Kapitel analysiert die Darstellung der Familie Briest und der Beziehung zwischen Effi und ihren Eltern im Roman von Theodor Fontane. Es dient als Grundlage für den Vergleich mit den verschiedenen filmischen Adaptionen und beleuchtet den Bezug zur historischen Vorlage und den damaligen gesellschaftlichen Normen. Das Kapitel legt den Fokus auf die Darstellung der familiären Dynamik als Ausgangspunkt der weiteren Analysen.
Schlüsselwörter
Effi Briest, Literaturverfilmung, Eltern-Kind-Beziehung, Familienstrukturen, 19. Jahrhundert, Filmgeschichte, Nationalsozialismus, Adenauer-Ära, DDR, Neuer Deutscher Film, Gustaf Gründgens, Rudolf Jugert, Wolfgang Luderer, Rainer Werner Fassbinder, Hermine Huntgeburth, Gesellschaftsroman, Filmanalyse, Szenenanalyse.
Häufig gestellte Fragen zu: Analyse der Eltern-Kind-Beziehung in fünf Verfilmungen von Fontanes "Effi Briest"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Magisterarbeit analysiert die Darstellung der Eltern-Kind-Beziehung in fünf verschiedenen Verfilmungen von Theodor Fontanes Roman "Effi Briest". Der Fokus liegt auf dem Vergleich der filmischen Adaptionen vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Entstehungszeit und der damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen.
Welche Verfilmungen werden untersucht?
Die Arbeit untersucht folgende fünf Verfilmungen von "Effi Briest":
Welche Aspekte der Filme werden verglichen?
Die Arbeit vergleicht die filmischen Adaptionen hinsichtlich der Darstellung des Familienbildes, der Eltern-Kind-Beziehung und des Einflusses des gesellschaftlichen und politischen Kontextes auf die filmische Umsetzung. Der Vergleich umfasst auch die Regiestile und Interpretationen der jeweiligen Regisseure.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel: Einleitung, ein Kapitel zum Forschungsgegenstand Literaturverfilmung, ein Kapitel zum historisch-sozialen Kontext des 19. Jahrhunderts, eine Analyse von Fontanes Romanvorlage, ein Kapitel mit den Analysen der fünf Filmadaptionen und abschließend eine Schlussbetrachtung. Jedes Kapitel zu den Filmen enthält Szenenanalysen, die die Handlung, die Bauformen und die Darstellung der Figuren untersuchen.
Welche methodischen Ansätze werden verwendet?
Die Arbeit verwendet eine vergleichende Filmanalyse, die die fünf Verfilmungen im Kontext ihrer Entstehungszeit und der jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Situation analysiert. Es werden Szenenanalysen durchgeführt, um die Darstellung der Eltern-Kind-Beziehung detailliert zu untersuchen.
Welchen historischen Kontext beleuchtet die Arbeit?
Die Arbeit beleuchtet den historischen Kontext des 19. Jahrhunderts mit Fokus auf das adlige Familienleben und die Erziehungspraktiken. Sie betrachtet auch den Einfluss von Nationalsozialismus, Adenauer-Ära und DDR auf die jeweilige Darstellung der Familie in den Filmen.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant für die Arbeit?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Effi Briest, Literaturverfilmung, Eltern-Kind-Beziehung, Familienstrukturen, 19. Jahrhundert, Filmgeschichte, Nationalsozialismus, Adenauer-Ära, DDR, Neuer Deutscher Film, Gustaf Gründgens, Rudolf Jugert, Wolfgang Luderer, Rainer Werner Fassbinder, Hermine Huntgeburth, Gesellschaftsroman, Filmanalyse, Szenenanalyse.
Welches ist das zentrale Thema der Arbeit?
Das zentrale Thema ist die Entwicklung des Verständnisses von Familie und der Eltern-Kind-Beziehung im Laufe des 20. Jahrhunderts, wie es in fünf verschiedenen Verfilmungen von Fontanes "Effi Briest" zum Ausdruck kommt.
- Quote paper
- Daniela Fischer (Author), 2011, Fontanes „Effi Briest“ auf der Leinwand, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191851