POLCA ist die Abkürzung für ,,Paired Cell Overlapping Loops of Cards with Authorization" und bezeichnet ein neues Verfahren der Materialflusssteuerung in Produktionsprozessen. Es ist ein wichtiger Bestandteil einer ebenfalls relativ neuen Strategie der Unternehmensorganisation bzw. -kontrolle, die sich ,,Quick Response Manufacturing" oder kurz ,,QRM" nennt. Der ,,QRM"-Ansatz wurde als Alternative oder Ergänzung zu dem weit verbreiteten Konzept des ,,Lean Manufacturing" entwickelt, welches vor über 30 Jahren von Toyota erdacht und perfektioniert wurde. Der nächste Abschnitt soll einen groben Überblick über die wesentlichen Merkmale des ,,Lean Manufacturing" und des ,,Quick Response Manufacturing" verschaffen. Danach folgt eine kurze Darstellung zweier grundlegender Konzepte der Materialsteuerung, nämlich der "Push-" und der "Pull-Systeme".
In Abschnitt 4 werden schließlich detailliert die Funktionsweise, Implementierung sowie Vor- und Nachteile von POLCA dargestellt und erläutert.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung - Kontext von POLCA
2 Überblick: “Lean Manufacturing” und “QRM”
3 Grundkonzepte der Materialflusssteuerung
3.1 Push-Systeme (MRP - Manufacturing Resources Planning)
3.2 Pull-Systeme
3.2.1 Kanban-System
3.2.2 CONWIP-System
4 POLCA – Ein neues Materialflusssteuerungssystem für QRM
4.1 Funktionsweise und Implementierung von POLCA
4.1.1 Beispielunternehmen - Die MIT GmbH
4.1.2 Schlüsselkonzepte des POLCA-Systems
4.1.2.1 Kartenbasierte Materialflusssteuerung
4.1.2.2 Push-Elemente
4.1.2.3 Warteschlangen Management
4.1.2.4 Anzahl und Behältergröße der POLCA-Karten
4.1.3 POLCA am Beispiel der MIT GmbH
4.1.4 Erweiterungen von POLCA
4.2 Beurteilung von POLCA
4.2.1 Bewertungsproblematik
4.2.2 Vergleich mit Push-Systemen
4.2.3 Vergleich mit Pull-Systemen
4.2.3.1 Vergleich mit dem Kanban-System
4.2.3.2 Vergleich mit CONWIP
5 Resümee und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 3-1: Kanban-System
Abbildung 3-2: CONWIP-System
Abbildung 4-1: Produktionszellen der MIT GmbH
Abbildung 4-2: Beispiel einer POLCA-Karte für die MIT GmbH
Abbildung 4-3: POLCA-Kartenkreisläufe des Auftrages A*
Abbildung 4-4: Verarbeitung von B* in Zelle S2
Abbildung 4-5: Weiterverarbeitung von A* in Zelle S2
Abbildung 4-6: Aktionen nach der Bearbeitung von A* in S2
1 Einleitung - Kontext von POLCA
POLCA ist die Abkürzung für „Paired Cell Overlapping Loops of Cards with Authorization” und bezeichnet ein neues Verfahren der Materialflusssteuerung in Produktionsprozessen. Es ist ein wichtiger Bestandteil einer ebenfalls relativ neuen Strategie der Unternehmensorganisation bzw. -kontrolle, die sich „Quick Response Manufacturing“ oder kurz „QRM“ nennt. Der „QRM“-Ansatz wurde als Alternative oder Ergänzung zu dem weit verbreiteten Konzept des „Lean Manufacturing“ entwickelt, welches vor über 30 Jahren von Toyota erdacht und perfektioniert wurde. Der nächste Abschnitt soll einen groben Überblick über die wesentlichen Merkmale des „Lean Manufacturing“ und des „Quick Response Manufacturing“ verschaffen. Danach folgt eine kurze Darstellung zweier grundlegender Konzepte der Materialsteuerung, nämlich der "Push-" und der "Pull-Systeme".
In Abschnitt 4 werden schließlich detailliert die Funktionsweise, Implementierung sowie Vor- und Nachteile von POLCA dargestellt und erläutert.
2 Überblick: “Lean Manufacturing” und “QRM”
Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei „Lean Manufacturing“ um eine ältere, bereits etablierte Strategie. Diese, auch als „just-in-time“ (kurz „JIT“) bekannte Strategie, betrifft die Fertigung, genauer das Materialmanagement. „QRM“ dagegen ist ein unternehmensweit gültiges und damit sehr viel umfassenderes Konzept.[1]
Ein wichtiger Aspekt des Lean Manufacturing ist die Implementierung des (Material-) Flusses.[2] Dies wird erreicht, indem zunächst die notwendigen Ressourcen und Produktionskapazitäten für jedes einzelne Produkt ermittelt werden. Mit Hilfe dieser Daten, wird dann der Produktionsablauf so organisiert, dass jeder Auftrag die Produktion ohne Rückflüsse oder Stopps von Anfang bis Ende durchläuft.[3] Dieser Vorgang ist allerdings in der Regel sehr aufwendig, da unter anderem Maschinen umgerüstet und Arbeitssysteme neu angeordnet werden müssen. Deshalb und aufgrund einiger Besonderheiten von „Pull-Systemen“, die im Folgenden noch näher erläutert werden, eignet sich der „JIT“-Ansatz besonders für die (Massen-) Produktion gleichartiger Produkte.
Im Gegensatz dazu ist „QRM“ für Firmen gedacht, die eine hohe Anzahl verschiedener Produkte herstellen, die zudem auch in unterschiedlicher Menge nachgefragt werden können. Auch die Herstellung sehr spezieller, nach individuellen Kundenwünschen angefertigter Artikel wird unterstützt. Das oberste Prinzip des „QRM“-Ansatzes ist dabei die Reduzierung von Durchlaufzeiten. Im Bereich der Produktion, wird dieses Ziel durch eine geeignete Produktionsinfrastruktur[4] sowie durch den Einsatz des „POLCA-Systems“ verfolgt.
3 Grundkonzepte der Materialflusssteuerung
Im Allgemeinen besteht der „Wertschöpfungsprozess“ der Produktion aus mehreren Verarbeitungsschritten, die an räumlich getrennten Arbeitsorten ausgeführt werden. Auf dem Weg zum Endprodukt passieren Rohstoffe und Zwischenprodukte daher verschiedene Arbeitsstätten. Um diesen Materialfluss möglichst effizient zu gestalten und damit hohe Durchsatzraten zu erzielen, bedarf es der Koordinierung bzw. der Materialflusssteuerung.[5]
3.1 Push-Systeme (MRP - Manufacturing Resources Planning)
Das Push-Prinzip basiert auf geplanten Nachfragedaten und geplanten, produktspezifischen Durchlaufzeiten. Mit Hilfe der Fälligkeitstermine von Aufträgen und unter Berücksichtigung der geplanten Durchlaufzeiten der auftragsrelevanten Produkte, bestimmen MRP-Systeme[6], zu welchem Zeitpunkt welches Material in die jeweiligen Verarbeitungsstufen des Produktionsprozesses wandern muss. Sobald der Bearbeitungsvorgang einer Stufe abgeschlossen ist, wird das so gewonnene Zwischenprodukt zur nächsten Arbeitsstation weitergeleitet. Das Material für ein bestimmtes Produkt, wird also durch die verschiedenen Arbeitsstationen „geschoben“ bzw. „gedrückt“, daher der englische Ausdruck „push system“.[7]
3.2 Pull-Systeme
Anders als bei den Push-Systemen werden Produktionsvorgänge in einem Pull-System dadurch ausgelöst, dass Kundenaufträge zu Lagerabgängen von Fertigprodukten führen. Die letzte Produktionsstufe eines Produktes bemerkt den Abgang und prüft, ob ein vorher definierter Mindestbestand unterschritten wurde. Trifft das zu, so wird durch entsprechende Neuproduktion versucht, den Lagerbestand so schnell wie möglich wieder herzustellen. Dazu werden eventuell Vorprodukte aus vorgelagerten Produktionsstellen benötigt, die aus deren Ausgangslagern entnommen werden. Diese vorgelagerten Produktionsstellen entdecken ebenfalls den Materialabgang und sorgen ihrerseits für die Nachschubproduktion, wobei auch hier wieder auf Vorprodukte zurückgegriffen werden kann. Diese Kette kann sich bis zum Rohmateriallager fortsetzen.[8] Hier wird das Material also durch den Produktionsprozess „gezogen“, deswegen sind diese Systeme auch unter der englischen Bezeichnung „pull-system“ bekannt.
3.2.1 Kanban-System
Die Umsetzung eines Pull-Prinzips erfordert unter anderem die Implementierung eines Systems zur Materialflusssteuerung. Ein sehr altes und weit verbreitetes Konzept, das diesen Zweck erfüllt, ist das sogenannte Kanban-System. Der Name „Kanban“ stammt aus dem japanischen und heißt „Karte“. Für jedes Erzeugnis einer Produktionsstufe existiert eine gewisse Anzahl solcher Kanbans. Abbildung 3-1 zeigt den Aufbau eines Kanban-Systems.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3-1: Kanban-System
Die Grafik zeigt einige Lager, Produktionsstufen und Plantafeln. Kanban-Karten, die an den Plantafeln befestigt werden, haben praktisch die Bedeutung von Produktionsaufträgen. Die dargestellten Lager enthalten jeweils Behälter mit Rohstoffen, Zwischen- oder Fertigprodukten. Außer im Rohmateriallager, haften an allen Behältern Kanbans, die dem enthaltenen Erzeugnis und der vorgelagerten Produktionsstufe zugeordnet sind. Wird nun ein Behälter aus dem Endproduktlager entfernt, so wird die entsprechende Karte an die Plantafel der zugehörigen Produktionsstufe, in diesem Beispiel Produktionsstufe drei, geheftet. Dies ist in Abbildung 3-1 durch einen gestrichelten Pfeil dargestellt. Bei freien Produktionskapazitäten wird geprüft, ob das Ausgangslager der vorherigen Produktionsstufe Behälter mit Erzeugnissen enthält, die zu den Karten an der Plantafel passen. In diesem Fall wird also im Pufferlager B nach notwendigen Zwischenprodukten für Produktionsaufträge an der Plantafel von Produktionsstufe drei gesucht. Wird ein solcher Behälter gefunden, so wird die ihm anhaftende Karte durch die entsprechende Karte der dritten Stufe ersetzt. Zusammen mit der „neuen“ Karte durchläuft er danach den Produktionsprozess in Stufe drei. Die von dem Behälter entfernte Karte wandert zurück an die Plantafel der zweiten Station. Erzeugnisse der zweiten Stufe gelangen zusammen mit der Kanban-Karte in das Pufferlager B. Immer wenn dieser Fall eintritt, wird im Pufferlager A nach Behältern gesucht, die zu Karten der Plantafel in der zweiten Stufe passen. Dieser Vorgang setzt sich entsprechend bis zum Rohmateriallager fort.
Da also jeder Behälter nur zusammen mit einer Karte der Produktionsstufe in dieselbe hineingelangen kann, entspricht die maximale Anzahl der Behälter in einer Stufe der Anzahl der zugeordneten Karten. Zusammen mit definierten Behältergrößen ist somit auch die maximal mögliche Materialmenge, die gleichzeitig eine Station durchlaufen kann, beschränkt.
Pull-Systeme, die mit Kanbans realisiert werden, sind wesentlicher Bestandteil des eingangs erwähnten „Lean Manufacturing“.[9]
[...]
[1] vgl. Suri, R., Quick Response Manufacturing: A Competitive Strategy for the 21st Century, S. 3
[2] abgeleitet aus dem englischen Fachbegriff: "flow"
[3] vgl. Suri, R. (1998), S. 228
[4] vgl. Günther, H.O. und Tempelmeier, H. (2000), S 5
[5] vgl. Günther, H.O. und Tempelmeier, H. (2000), S.2 - 6
[6] Systeme, die nach dem Push-Prinzip arbeiten, und Planungs- und Steuerungsaufgaben der Produktion übernehmen
[7] detaillierte Darstellung bei Günther, H.O. und Tempelmeier, H. (2000), S. 316 ff
[8] vgl. Suri, R. (1998), S.225
[9] vgl. Suri, R., Quick Response Manufacturing: A Competitive Strategy for the 21st Century, S. 3