I. Einleitung
Im Jahr 1648 entfachte der Kosakenführer Bohdan Chmel’nyc’kyj einen der größten Aufstände der frühneuzeitlichen osteuropäischen Geschichte. Fast zehn Jahre sollte sich dieser Aufstand hinziehen und den weiteren Verlauf der Geschichte Osteuropas maßgeblich prägen. Der Aufstand markiert den Zeitpunkt des beginnenden Machtverfalls des polnischen-litauischen Reiches, den Eintritt des Zarenreichs in das Spiel um die westlich von ihm gelegenen Gebiete und das Erscheinen eines geographisch definierten kosakisch-ukrainischen Raums. Seiner historischen Bedeutsamkeit entsprechend hat dieses Jahrzehnt besondere Aufmerksamkeit der osteuropäischen wie der westlichen Historiographie erfahren. Die Forschungsarbeiten zeichnen sich durch eine Vielzahl von Kontroversen aus und stehen nicht selten in Zusammenhang mit politischer Instrumentalisierung. Für ukrainische Historiker schien die Maxime zu gelten, die ukrainische Eigenstaatlichkeit für diese Zeit nachzuweisen und so spätere Unabhängigkeitsbestrebungen zu legitimieren. Russische und dann sowjetische Forscher fanden in dieser Periode Argumente für die Einordnung der Ukraine in den russischen bzw. sowjetischen Staatsverband. Auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verlor diese Diskussion nicht an Brisanz.
Mit der Politisierung, so kritisiert Kumke, ging eine stark dualistische Sichtweise einher, die in der ukrainischen und westlichen Forschung dazu führte, dass die Kosaken als abgeschlossenes Phänomen betrachtet wurden. Dieses wurde mit den Attributen „Freiheitsstreben“ und „demokratisch organsiert“ versehen und so als Antagonismus zur polnischen Feudalherrschaft und russischen Despotie konzipiert. Der Aufstand Chmel’nyc’kyjs wurde sodann mit der Gründung eines Kosakenstaates gleichgesetzt, dem dieselben Merkmale zugeschrieben wurden. Problematisch erscheinen diese aufgrund der verwendeten modernen Terminologien. Das Diktum der demokratisch organisierten Kosaken eignet sich nur bedingt, um eine Gemeinschaft zu beschreiben, die weder mit dem Mehrheitsprinzip vertraut war und noch einen abstrakten Begriff von individueller Freiheit entwickelt hatte. Staatliche Züge können in dem von den Kosaken beherrschten Gebiet durchaus ausgemacht werden, doch um einen Staat im Sinne Webers handelte es sich nicht...
Inhalt
I. Einleitung
II. Die Ausgangsbedingungen des Chmel’nyc’kyj-Aufstands
1. Kosakische Gruppen im 16. und 17. Jahrhundert
2. Kosaken, ukrainische Grenzgesellschaft und das polnisch-litauische Reich
3. Zusammenfassung: Gründe für den Chmel’nyc’kyj-Aufstand
III. Der Verlauf des Chmel’nyc’kyj-Aufstands
IV. Die drei wichtigsten Verträge des Aufstands im Vergleich
1. Der Vertrag von Zboriv
2. Das Abkommen von Perejaslav
3. Der Vertrag von Hadjač
V. Fazit
VI. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Quellen
2. Sekundärliteratur
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