Zunächst möchte ich den Begriff Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum anhand einer Befragung („Sicherheitsgefühl und Kriminalitätsbewertung“) kurz darstellen und konkretisieren. Daraufhin soll eine Analyse der Zusammenhänge Sicherheitsgefühl, bzw. Unsicherheit und soziale Kontrolle erfolgen. Daraus resultiert die Diskussion, inwieweit Sicherheitsgefühl mit sozialer Kontrolle zusammenhängt und wodurch diese soziale Kontrolle gegebenenfalls beeinträchtigt sein kann. In die Diskussion sollen die empirisch gewonnenen Ergebnisse der Befragung sowie Beiträge der Teilnehmer des Seminars einfließen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Empirische Untersuchung: „Sicherheitsgefühl und Kriminalitätsbewertung“
2.1 Der Begriff Sicherheitsgefühl
2.2 Einschätzung der Sicherheit in der „eigenen Gegend“
2.3 Gründe für Unsicherheit
2.4 Sicherheitsgefühl bei Nacht in der „eigenen Gegend“
3 Soziale Kontrolle und abweichendes Verhalten
3.1 Unsicherheit im öffentlichen Raum wir u. a. durch abweichendes Verhalten verursacht
3.2 Soziale Kontrolle soll abweichendes Verhalten verhindern bzw. einschränken
3.3 Mangelnde soziale Kontrolle in modernen Großstädten?
3.4 Großstadtspezifische Probleme in Hinblick auf soziale Kontrolle und abweichendes Verhalten
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Zunächst möchte ich den Begriff Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum anhand einer Befragung („Sicherheitsgefühl und Kriminalitätsbewertung“) kurz darstellen und konkretisieren. Daraufhin soll eine Analyse der Zusammenhänge Sicherheitsgefühl, bzw. Unsicherheit und soziale Kontrolle erfolgen. Daraus resultiert die Diskussion, inwieweit Sicherheitsgefühl mit sozialer Kontrolle zusammenhängt und wodurch diese soziale Kontrolle gegebenenfalls beeinträchtigt sein kann. In die Diskussion sollen die empirisch gewonnenen Ergebnisse der Befragung sowie Beiträge der Teilnehmer des Seminars einfließen.
2. Empirische Untersuchung: „Sicherheitsgefühl und Kriminalitätsbewertung“
Bei dieser Erhebung handelt es sich um eine vom EMNID-Institut im Auftrag des Bundesinnenministeriums 1998 durchgeführte Befragung.
Die Grundgesamtheit bildete die in Privathaushalten lebende Gesamtbevölkerung Deutschlands im Alter ab 14 Jahren. Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland konnten bei der Befragung nur bei ausreichenden Deutschkenntnissen berücksichtigt werden. Die Stichprobe wurde in einem geschichteten, dreistufigen Zufallsauswahlverfahren ermittelt („Random-Route-Auswahl“).
Im Zeitraum 28. September bis 23. November 1998 wurden im Westen Deutschlands 2023 Personen und in den ostdeutschen Bundesländern 2064 Personen befragt.[1] Damit ist die Befragung repräsentativ für die in Deutschland lebende Bevölkerung.
2.1 Der Begriff Sicherheitsgefühl
Der Begriff „Sicherheitsgefühl“ bzw. negativ formuliert als „Bedrohtheitsgefühl“ setzt sich zusammen aus irrationalen Stimmungen und Ängsten. Diese werden erzeugt beispielsweise durch Medienberichte sowie durch rationale Erfahrungs- und Informationsverarbeitung, d.h. persönliche Erfahrungen mit Kriminalität oder auch solche Erfahrungen im persönlichen Umfeld (Familie, Freunde, Bekannte). Das gesellschaftliche Phänomen „Sicherheitsgefühl“ kann also nicht mit der tatsächlichen Sicherheitslage gleichgesetzt werden, ist aber dennoch ernst zu nehmen, da es das gesamte Sozialverhalten und die Lebensqualität beeinflusst (Dörmann, Remmers 2000: 1).
In der Befragung wurde versucht sich dem Begriff des „Sicherheitsgefühls anhand verschiedener Fragestellungen zu nähern.
2.2 Einschätzung der Sicherheit in der „eigenen Gegend“
Für wie sicher schätzen Sie Ihre Gegend ein?
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Dörmann, Remmers 2000: 29
Zunächst wurde als Grundfrage der Befragung die Einschätzung der Sicherheit in der „eigenen Gegend“ erhoben. Als Antwortalternativen standen zur Verfügung: „sehr sicher“, „ziemlich sicher“, „ziemlich unsicher“, „sehr unsicher“.
In Ostdeutschland antworteten 80% der Befragten mit „sehr sicher“ und „ziemlich sicher“, im Westen waren es 83%, die mit „sehr sicher“ und „ziemlich sicher“ antworteten.
Hinsichtlich der demographischen Antwortstrukturen bleibt festzuhalten, dass sich Frauen lediglich geringfügig stärker verunsichert fühlen als Männer. Ältere Menschen (ab 60 Jahren) fühlen sich ebenfalls nur geringfügig unsicherer als Jüngere (Dörmann, Remmers 2000: 28).
2.3 Gründe für Unsicherheit
Im Weiteren sind Personen, die vorher nicht mit „sehr sicher“ geantwortet haben nach konkreten Gründen für Unsicherheit befragt worden. Die Nennungen sind noch einmal nach Ost- und Westdeutschland aufgegliedert. Allerdings sind aus dieser Aufgliederung keine, für diese Arbeit wesentlichen Unterschiede festzustellen. Folgende Gründe wurden genannt: Schlechte Beleuchtung/dunkle Ecken, Schmutz/Müll, Betrunkene/“Penner“, andere „herumlungernde Personen“, aufdringliches Betteln, beschädigte oder beschmierte Häuser oder Fahrzeuge, Passanten werden beschimpft, angepöbelt oder „angemacht“, Rauschgiftkonsum oder –Handel in der Öffentlichkeit, Schlägereien auf der Straße, Einbrüche in Wohnungen oder Geschäfte, Überfälle (Dörmann, Remmers 2000: 31).
Alle genanten Gründe, außer Einbrüchen, spielen sich im öffentlichen Raum ab. Im weiteren werde ich diese Unsicherheitsfaktoren noch eingehender untersuchen.
Zu den Faktoren: aufdringliches Betteln, Vandalismus, Anpöbeln, Rauschgiftkonsum und –handel in der Öffentlichkeit sowie Überfällen wurde weiter gefragt, inwieweit diese wahrgenommen werden. Die Antworten sind differenziert nach politischer Ortsgröße (bis unter Zwanzigtausend, bis unter Hunderttausend, bis unter Fünfhunderttausend und über Fünfhunderttausend). Im Ergebnis zeigt sich auffällig, dass es einen starken Unterschied in der Wahrnehmung dieser Unsicherheitsfaktoren gibt, verglichen zwischen kleinsten und kleinen Gemeinden (politische Ortsgröße bis unter Zwanzigtausend) und den Großstädten (über fünfhunderttausend Einwohner). Bei den, von der Größe dazwischen liegenden Gemeinden und Städten kann man zumeist auch die Tendenz beobachten, dass dort Unsicherheitsfaktoren stärker wahrgenommen werden als in den Gemeinden mit weniger als zwanzigtausend Einwohnern, jedoch wird dort nicht durchgängig eine Tendenz in der Richtung deutlich, dass es mit zunehmender Größe eine verstärkte Wahrnehmung von Unsicherheitsfaktoren gibt, zumindest nicht in dem eindeutigen Maße, wie es der Vergleich der beiden Pole der Skala zeigt (Dörmann, Remmers 2000: 36ff). Man sollte allerdings berücksichtigen, dass eine Einteilung der Gemeinden und Städte der Größenordnung zwanzigtausend bis fünfhunderttausend in zwei Klassen zu recht heterogenen Klassen führen wird. Beispielsweise werden in Trier, aufgrund des räumlichen Umfelds und dort herrschender Strukturen ganz andere Bedingungen herrschen als in Erlangen (das in etwas gleich groß ist), ebenso der Vergleich Regensburg - Recklinghausen. Außer der relativen Anzahl der Nennungen liegen zu diesem Item auch keine weiteren statistischem Maße vor, so dass eine Interpretation der Ergebnisse in diesem Bereich sicherlich mit Bedacht vorzunehmen ist. Das Phänomen der divergierenden Wahrnehmung von Gründen, die zu Unsicherheit führen, abhängig von der politischen Ortsgröße, soll im weiteren noch näher untersucht werden.
2.4 Sicherheitsgefühl bei Nacht in der „eigenen Gegend“
Wie sicher fühlen Sie sich oder würden Sie sich fühlen, wenn Sie hier in dieser Gegend nachts draußen allein sind?
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Dörmann, Remmers 2000: 54
Eine weitere Frage bezog sich auf das Sicherheitsgefühl bei Nacht in der eigenen Gegend. Auf die Frage „Wie sicher fühlen sie sich oder würden sie sich fühlen, wenn sie hier in dieser Gegend nachts draußen allein sind?“ gab es die gleichen Antwortmöglichkeiten wie bei der Frage nach der Einschätzung der Sicherheit in der eigenen Gegend. Im Osten Deutschlands antworteten 61 % der Befragten mit „sehr sicher“ und „ziemlich sicher“ (ca. 20% weniger als tagsüber), im Westen waren es 70% (ca. 10% weniger als tagsüber). Der Anteil derjenigen, die sich „sehr unsicher“ fühlten hat sich im Vergleich zu tagsüber in Ostdeutschland sogar verdreifacht, in Westdeutschland versechsfacht.
Bei Differenzierung nach Geschlecht und Alter zeigt sich, dass Frauen sich generell unsicherer fühlen als Männer und ältere Menschen (ab 60 Jahren) sich unsicherer fühlen als Jüngere (Dörmann, Remmers 2000: 54ff).
Weitere Untersuchungen, beispielsweise in Regensburg oder Zürich bestätigen diesen Unterschied im Sicherheitsempfinden Tag – Nacht. Zum Teil sind dort erhebliche Unterschiede im Sicherheitsempfinden zu unterschiedlichen Tageszeiten zu beobachten.[2]
3 Soziale Kontrolle und abweichendes Verhalten
Der Begriff der sozialen Kontrolle möchte ich im weiteren im engeren Sinn in Anlehnung an Peters betrachten als: „Handlungen zur Verhinderung abweichenden Verhaltens“.[3] Es kann unterschieden werden in informelle (Nachbarschaftsbeziehungen, Sozialgefüge) und formelle soziale Kontrolle (politische Maßnahmen, Ordnungskräfte).[4]
Ist das Konzept der sozialen Kontrolle überhaupt zweckdienlich? Lässt sich soziales Verhalten durch Orientierung an sozialen Normen erklären? Das Konzept der sozialen Kontrolle wird durch den Ansatz der Rational-Choice-Theorie in Frage gestellt: Individuen orientieren sich an ihrem individuellen Nutzenkalkül, d.h. an einer subjektiv vorgenommenen Kosten-Nutzen-Abwägung und nicht an gesellschaftlichen Verhaltensanforderungen.[5] Doch kann sich dieses Nutzenkalkül nicht auch an sozialen Normen orientieren? (Franz 2000: 73) Außerdem: wenn sich Individuen ausschließlich an ihrem individuellen Nutzenkalkül orientieren, wieso spielen dann Überlegungen zu subjektiver Unsicherheit überhaupt eine Rolle? Offensichtlich spielen Sicherheitsgefühle im Nutzenkalkül eines Individuums doch eine ganz erhebliche Rolle.
Ich möchte im weiteren dennoch, auch wenn ich mir der Anfechtbarkeit bewusst bin, das Konzept der sozialen Kontrolle verwenden. Dieser Ansatz wird, bezogen auf öffentlichen Raum, meiner Meinung nach bestärkt dadurch, dass Menschen sich an Normen orientieren und durch fehlende Normen häufig verunsichert werden und sich gerade in öffentlichen Räumen wohlfühlen, in denen das Verhalten durch Normen determiniert ist und diese auch eingehalten werden. Beispielsweise in Wohngebieten wird in Nachbarschaftsbeziehungen durchaus häufig ein gewisses Maß sozialer Kontrolle ausgeübt, um bestimmte, erwünschte, Verhaltensweisen zu erzeugen und unerwünschte zu sanktionieren.
Daran schließt sich natürlich sofort die Frage an, wer diese Normen definiert oder umgekehrt formuliert: wer legt fest, welches Verhalten als „abweichend“ zu bezeichnen ist? Der Begriff „abweichendes Verhalten“ soll in Anlehnung an Lamnek verwendet werden. Abweichendes Verhalten liegt dann vor „wenn sich aus dem Vergleich einer bestimmten Verhaltensweise mit einer korrespondierenden Verhaltensanforderung keine Übereinstimmung ergibt“ und für diese fehlende Übereinstimmung „eine Bereitschaft zu negativen Sanktionen besteht“.[6]
Im Hinblick auf den Begriff der Norm bleibt noch festzuhalten, dass die Aufspaltung des allgemeinen Terminus Norm in: Muss-, Soll- und Kann-Normen, gerade bezüglich der Verhaltensanforderungen im öffentlichen Raum, von besonderer Relevanz ist. Bei gesetzlich kodifizierten Muss-Normen stellt sich weniger das Problem der Sanktionierung - wenngleich Verstöße gegen derartige Normen in einem nicht unbeträchtlichen Maße zur Unsicherheit im öffentlichen Raum beitragen dürften - jedoch gerade im Bereich der Soll- und Kann-Normen wird sich das Problem einer unterschiedlichen Definition im Kontext verschiedener sozialer Gruppen stellen. D.h. insbesondere diese, durch differente Normkategorisierungen verursachten, Konflikte führen zu Unsicherheitsgefühlen, da die Grenzen zwischen legitimen und illegitimen Verhaltensweisen verwischt. Es entsteht also ein Feld „unscharfer“ Verhaltensanforderungen und damit einhergehend nicht eindeutig definierter Sanktionspotentiale. Dadurch wird dann wiederum abweichendes Verhalten (abweichend im Normengefüge mindestens einer sozialer Gruppe) begünstigt, weil der sich abweichend Verhaltende seinen Aktionen ein unklares Sanktionspotential gegenüber sieht.
[...]
[1] Dörmann, Uwe, Remmers, Martin 2000: Sicherheitsgefühl und Kriminalitätsbewertung. Neuwied. S.3
[2] http://www.stadt-zuerich.ch/fste/pdf/EWB_bericht_kombi.pdf, S.9
http://www.statistik.regensburg.de/publikationen/izs/2001/informationen_
zur_stadtentwicklung_2001_2.pdf
[3] Peters, Helge (Hrsg.) 2000: Soziale Kontrolle. Opladen. S. 136ff
[4] Vgl. Franz, S. 75 in: Peters, Helge (Hrsg.) 2000: Soziale Kontrolle. Opladen.
[5] Vgl. Kunz, Volker 1997: Theorie rationalen Handelns. Opladen. S. 47f oder auch Texte von Hardin
[6] Lamnek, Siegfried 1996: Theorien abweichenden Verhaltens. München. S.53
- Arbeit zitieren
- Felix Scholzen (Autor:in), 2003, Sicherheit im öffentlichen Raum - hängt Unsicherheit im öffentlichen Raum mit fehlender sozialer Kontrolle zusammen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19134
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