Gewalt in lesbischen Beziehungen ist ein stark tabuisiertes Thema, das im öffentlichen Gewaltdiskurs nahezu keinerlei Beachtung findet. Selbst Gewaltschutzeinrichtungen für Frauen oder Beratungseinrichtungen für Lesben beschäftigen sich kaum mit dieser Problematik. Und auch in der Forschung zeigt sich das selbe Bild. Die Zahl an Studien und Literatur zu diesem Thema ist durchaus überschaubar.
Mein persönliches Interesse an dieser Thematik entstand während meiner Arbeit im Frauenhaus. Ich musste mich zwangsläufig mit dem Thema Gewalt in Partnerschaften sowie den damit verbundenen Erklärungsmodellen und Dynamiken auseinandersetzen. Angestoßen durch eine lesbische Klientin und Offenbarungen von Beziehungsgewalt unter Frauen in meinem privaten Umfeld, stellte sich mir die Frage nach der Prävalenz von Gewalt in lesbischen Beziehungen sowie adäquaten Hilfesystemen für von Gewalt bedrohten oder betroffenen lesbischen Frauen. Des Weiteren fiel mir auf, dass Erklärungsmodelle und Gewaltdynamiken, die angewendet auf heterosexuelle Beziehungen durchaus logisch und sinnvoll sind, auf lesbische Gewaltbeziehungen nicht oder nur in Teilen angewendet werden können. So entstanden die Leitfragen zu der vorliegenden Arbeit. Wie ist die Prävalenz von Gewalt in lesbischen Beziehungen? Welche Hilfesysteme gibt es in solchen Fällen und warum werden anerkannte Opferschutzeinrichtungen nicht höher frequentiert? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Gewalt von Männern und Gewalt von Frauen gegen ihre Partnerin? Und müssen Fachkräfte speziell geschult sein, um bei lesbischen Gewaltopfern wie auch –täterinnen qualitativ gute Arbeit leisten zu können?
Um sich dem Thema besser nähern zu können, beginne ich mit einem Gewaltdiskurs, in dem sich Definitionen bestimmter gängiger Begrifflichkeiten, wie Aggression, Aggressivität, aggressives Verhalten und Gewalt und ihre Abgrenzungen zu einander wiederfinden. Die in der vorliegenden Arbeit verwendeten und herausgearbeiteten Definitionen beziehen sich ausschließlich auf Paarbeziehungen. Der Aspekt der staatlich legitimierten oder auch institutionellen Gewalt wird nicht beleuchtet, da er in diesen Zusammenhängen eine sekundäre zu vernachlässigende Rolle spielt.[...]
Inhaltverzeichnis
1. Einleitung
2. Gewaltdiskussion
2.1 Aggression, aggressives Verhalten, Aggressivität, Gewalt
2.2 Gewalt - eine Begriffsklärung
2.3 Sexuelle Gewalt in lesbischen Beziehungen
3. Erklärungsansätze Gewalt
3.1 Gewalt als soziales Phänomen
3.1.1 Gewalt im Geschlechterverhältnis gegengeschlechtlicher Beziehungen
3.1.2 Gewalt im Geschlechterverhältnis lesbischer Beziehungen
3.1.3 Frauenhass (Misogynie)
3.1.4 Verinnerlichte Homophobie
3.2 Gewalt als psychologisches Phänomen
3.2.1 Autonomie versus Abhängigkeit
3.2.2.Traumata
3.2.3 Psychische Erkrankungen
4. Folgen von Gewalt
5. Gewaltdynamiken
6. Interpretation der Interviews
6.1 Vorabüberlegungen und Vorgehen
6.2 Isabell und Astrid aus der Sicht von Isabell
6.2.1 Biografie Isabell
6.2.2 Biografie Astrid
6.2.3 Das Kennenlernen / die Anfänge der Beziehung
6.2.4 Wünsche an eine Beziehung (damals)
6.2.5. Isabells Beschreibung von Astrid
6.2.6 Die Beziehung
6.2.7 Die Trennungsphase
6.2.8 Wünsche an eine Beziehung (heute)
6.2.9 Zusammenfassende Interpretation
6.3 Sylvia und Maria aus der Sicht von Sylvia
6.3.1 Biografie Sylvia
6.3.2 Biografie Maria
6.3.3. Das Kennenlernen / die Anfänge der Beziehung
6.3.4 Wünsche an eine Beziehung (damals)
6.3.5 Sylvias Beschreibung von Maria
6.3.6 Die Beziehung Teil 1
6.3.7 Die Trennungsphase
6.3.8 Die Beziehung Teil 2
6.3.9 Die Trennungsphase Teil 2
6.3.10 Wünsche an eine Beziehung (heute)
6.3.11 Zusammenfassende Interpretation
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Gewalt in lesbischen Beziehungen ist ein stark tabuisiertes Thema, das im öffentlichen Gewaltdiskurs nahezu keinerlei Beachtung findet. Selbst Gewaltschutzeinrichtungen für Frauen oder Beratungseinrichtungen für Lesben beschäftigen sich kaum mit dieser Problematik. Und auch in der Forschung zeigt sich das selbe Bild. Die Zahl an Studien und Literatur zu diesem Thema ist durchaus überschaubar.
Mein persönliches Interesse an dieser Thematik entstand während meiner Arbeit im Frauenhaus. Ich musste mich zwangsläufig mit dem Thema Gewalt in Partnerschaften sowie den damit verbundenen Erklärungsmodellen und Dynamiken auseinandersetzen. Angestoßen durch eine lesbische Klientin und Offenbarungen von Beziehungsgewalt unter Frauen in meinem privaten Umfeld, stellte sich mir die Frage nach der Prävalenz von Gewalt in lesbischen Beziehungen sowie adäquaten Hilfesystemen für von Gewalt bedrohten oder betroffenen lesbischen Frauen. Des Weiteren fiel mir auf, dass Erklärungsmodelle und Gewaltdynamiken, die angewendet auf heterosexuelle Beziehungen durchaus logisch und sinnvoll sind, auf lesbische Gewaltbeziehungen nicht oder nur in Teilen angewendet werden können. So entstanden die Leitfragen zu der vorliegenden Arbeit. Wie ist die Prävalenz von Gewalt in lesbischen Beziehungen? Welche Hilfesysteme gibt es in solchen Fällen und warum werden anerkannte Opferschutzeinrichtungen nicht höher frequentiert? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Gewalt von Männern und Gewalt von Frauen gegen ihre Partnerin? Und müssen Fachkräfte speziell geschult sein, um bei lesbischen Gewaltopfern wie auch –täterinnen qualitativ gute Arbeit leisten zu können?
Um sich dem Thema besser nähern zu können, beginne ich mit einem Gewaltdiskurs, in dem sich Definitionen bestimmter gängiger Begrifflichkeiten, wie Aggression, Aggressivität, aggressives Verhalten und Gewalt und ihre Abgrenzungen zu einander wiederfinden. Die in der vorliegenden Arbeit verwendeten und herausgearbeiteten Definitionen beziehen sich ausschließlich auf Paarbeziehungen. Der Aspekt der staatlich legitimierten oder auch institutionellen Gewalt wird nicht beleuchtet, da er in diesen Zusammenhängen eine sekundäre zu vernachlässigende Rolle spielt.
An den Gewaltdiskurs schließen sich verschiedene Erklärungsmodelle an, durch die erste Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Gewalt in gleich- und gegengeschlechtlichen Partnerschaften zum Vorschein kommen. Besonders interessant ist hierbei der Punkt Misogynie in Verbindung mit Lesben, da dieses im ersten Moment paradox klingen mag. Die Antworten auf die Nebenfragen, ob und in wie fern Liebesbeziehungen unter Frauen tatsächlich anders funktionieren als unter heterosexuellen Menschen und ob lesbische Frauen tatsächlich öfter von psychischen Krankheiten betroffen sind, findet man unter dem Punkt Gewalt als psychologisches Phänomen.
Natürlich dürfen auch die Folgen von Gewalt in lesbischen Beziehungen und die ihnen eigenen Beziehungs- bzw. Gewaltdynamiken nicht fehlen.
Der zweite Teil dieser Arbeit besteht aus der Auswertung und Interpretation zweier narrativer Interviews von Opfern lesbischer Partnerinnengewalt. Durch die Interviews wird diese für viele vielleicht abstrakte Thematik veranschaulicht und die im ersten Teil aufgestellten Thesen werden verifiziert. Zudem brachte die Auswertung einige erstaunliche Erkenntnisse zu Tage, die nicht nur mich überraschten, sondern zum Teil auch die Interviewte selbst.
Ich hoffe, dass ich mit der vorliegenden Arbeit etwas zum aktuellen Forschungsstand beitragen und dem Thema Gewalt in lesbischen Beziehungen mehr Aufmerksamkeit verschaffen kann. Denn eine Erkenntnis möchte ich vorweg nehmen: Handlungsbedarf auf diesem Gebiet besteht.
2. Gewaltdiskussion
Um das Thema Gewalt in Beziehungen adäquat behandeln zu können, kommt man nicht umhin, sich mit den Begrifflichkeiten Gewalt, Aggression, Aggressivität und aggressivem (Konflikt-) Verhalten auseinander zu setzen. In der Literatur gibt es dazu keine einheitlichen Definitionen. Zudem werden die Begriffe Gewalt und Aggression häufig synonym verwendet sowie kaum ein Unterschied zwischen Aggression und aggressivem Verhalten gemacht. Dennoch gelingt es einigen GewaltforscherInnen diese Begrifflichkeiten gegen einander abzugrenzen.
2.1 Aggression, aggressives Verhalten, Aggressivität, Gewalt
„Es gibt im Schrifttum keine einheitliche Definition von Aggressionen; Übereinstimmung besteht lediglich dahingehend, diese als gegen einen Organismus gerichtetes, schädigendes Verhalten zu betrachten.“[1]
Ohms unterstützt damit die Gleichsetzung von Aggression und aggressivem Verhalten, da sie Aggression mit einem schädigenden (aggressivem) Verhalten erklärt. Wahl definiert Aggressionen als „[...] ein Ensemble von aus der Naturgeschichte stammenden bio-psycho-sozialen Mechanismen, die der Selbstbehauptung oder Durchsetzung gegen andere mit schädigenden Mitteln dienen. Form und Stärke der Aggression werden durch die genetische Ausstattung des Individuums, seine Sozialisation und gesellschaftliche Umstände gestaltet, aktiviert oder gehemmt.“[2]
Aggression ist demnach eine Ansammlung evolutionär bedingter bio-psycho-sozialer Mechanismen, die durch Sozialisation, Gesellschaft und Gene beeinflusst werden.
Aggression stellt sich bei Menschen ein, wenn sie sich auf irgendeiner Ebene bedroht, verletzt oder gekränkt fühlen, wobei die Auslöser individuell unterschiedlich sein können. Reagiert ein Mensch aggressiv stellt sich der Körper auf Kampf oder Flucht ein, die Pupillen weiten sich, Blutdruck und Puls erhöhen sich, Adrenalin wird ausgeschüttet, die Muskeln spannen sich an, die Atmung wird flacher etc. Je nach Situation und zur Verfügung stehenden Strategien entscheidet sich der Mensch dann für die eine oder andere Möglichkeit der Reaktion.
An dieser Stelle ist der Brückenschlag von Aggression zu Aggressivität und aggressivem Verhalten.
„Unter Aggressivität wird (...) die habituell gewordene aggressive Haltung verstanden (Häcker/Stapf 2004). Aggressivität ist demnach ein Persönlichkeits- bzw. Charaktermerkmal (Micus 2000:19).“[3]
Wahl benennt hier Aggressivität als „das individuelle Potential für aggressives Verhalten“[4]. Aggressivität ist also ein Charakteristikum, dass entscheidend für das aggressive Verhalten eines Menschen ist. Man könnte sagen, aggressives Verhalten ist eine Strategie, die von der individuellen Aggressivität eines Menschen beeinflusst wird, welche sich auf Aggression gründet.
„Grundsätzlich wird angenommen, dass dieselben Kausalfaktoren, die ein aggressives Verhalten aktivieren auch zu Gewalthandlungen führen. Es gibt verschiedene Ansätze zwischen Aggression und Gewalt zu differenzieren: so unterscheiden beispielsweise einige Vertreter der sozialen Interaktionstheorie dahingehend, dass Aggression den emotionalen, und Gewalt den funktionalen/instrumentellen Aspekt umschreibt (Bornewasser 1998:48f). In der Literatur werden beide Begriffe aber inzwischen oftmals synonym verwendet.“[5]
Folgt man der interaktionstheoretischen Deutung und bezieht die Annahme mit ein, dass aggressives Verhalten und Gewalthandlungen durch die selben Kausalfaktoren ausgelöst werden, so ist Aggression ein Gefühl und Gewalt eine Handlung, der das Gefühl der Aggression vorausgehen kann.
Wahl definiert Gewalt folgendermaßen:
„Gewalt nennen wir die Teilmenge von Aggression, die durch Gesellschaft und Staat jeweils sozial- und kulturhistorisch unterschiedlich normierte Formen hat. Oft ist Gewalt in eine Hierarchie eingebettet. Je nach Situation gibt es gebotene, gewünschte, geduldete oder geächtete Formen von Gewalt.“[6]
Die in unserer Gesellschaft wahrscheinlich am weitesten verbreitete und akzeptierte Form von Gewalt und/oder Aggression ist Sport. Die Aggressionen werden mit samt den biologischen Prozessen umgelenkt und Spannungen werden über körperliche Anstrengung abgebaut oder es kommt zu reglementierten Gewalthandlungen, wie beispielsweise beim Kampfsport oder Boxen. Diese Strategie kann man durchaus als positives Nutzen von Aggression ansehen.
Gewalt als Strategie außerhalb des Bereiches Sport ist nur dann legitim, wenn es um den Selbstschutz oder um den Schutz anderer geht und die Möglichkeit zur Flucht nicht gegeben ist. Es kann beispielsweise eine legitime Strategie sein, wenn eine Mutter ihr Kind schützen will, weil sie und das Kind die Situation nicht unversehrt verlassen könnten.
Grundsätzlich kann Gewalt in drei Arten unterschieden werden:
- Gewalt als Reaktion auf Aggression (eigene oder Fremdaggression)
- Gewalt als reines Mittel zur Durchsetzung von Interessen, also funktionalisiert
- Gewalt aus Lust, also Gewalt um der Gewalt willen
Letzteres ist eher die Ausnahme und wird bei dieser Arbeit vernachlässigt.
Gewalt als Reaktion und funktionalisierte Gewalt können miteinander einhergehen und sind mitunter schwer von einander zu unterscheiden, im Ergebnis bleiben sie jedoch gleich. Bei der Anwendung von Gewalt kommt immer ein Mensch psychisch und/oder physisch zu Schaden.
An dieser Stelle möchte ich den Blick auf die Wirkung bzw. Auswirkungen von Aggression, aggressivem Verhalten und Gewalt auf das Gegenüber richten. Aggression entsteht durch einen äußeren Reiz, beispielweise eine Kränkung, und ist, wie die meisten Gefühle, in der Regel auch ohne konkrete Handlung anhand körperlicher Veränderungen sichtbar. Die erste Reaktion der meisten Menschen auf ein aggressiv wirkendes Gegenüber ist Unsicherheit gepaart mit Angst, da ein aggressiver Mensch immer etwas Bedrohliches hat. Wird diese Bedrohlichkeit als sehr stark empfunden, können auch eigene Aggressionen die Folge sein. An diese Gefühle schließt sich die primäre Entscheidung an, sich zurück zu ziehen und die Situation zu verlassen (Flucht) oder in die Konfrontation zu gehen (Kampf), um die Situation zu lösen. Wie diese Entscheidung getroffen wird und wie die weiteren Handlungsweisen aussehen, ist abhängig von der Situation, dem Gegenüber bzw. in welcher Beziehung die Parteien zu einander stehen und den zur Verfügung stehenden Strategien. Auch an dieser Stelle kann Gewalt eine mögliche Strategie sein, um auf (Fremd-) Aggression zu reagieren.
Wie eingangs erwähnt, ist es schwierig, die Begrifflichkeiten Aggression, aggressives Verhalten, Aggressivität und Gewalt gegen einander abzugrenzen; selbst die WissenschaftlerInnen verheddern sich mitunter in ihren eigenen Definitionen. Ich vertrete die Ansicht, dass die Unterscheidung einfacher und sinnvoller wird, wenn man, wie in der Interaktionstheorie, Aggression als Gefühl deklariert. Jedes Gefühl wird durch einen Reiz induziert und löst bio-chemische Prozesse aus. Aggression ist sehr nah an dem Gefühl Wut oder Zorn, hat aber noch ein anderes emotionales Element: das der Angst. Im Grunde ist Aggression eine Steigerung des Gefühls Wut in Verbindung mit Angst, da sowohl das emotionale Element des gesteigerten Ärgers und einem gewissen Grad an Unbeherrschtheit und andererseits häufig eine Form der Verlustangst auftreten. Einem aggressiven Menschen Angst zu unterstellen mag im ersten Moment etwas seltsam anmuten, bekommt aber dann einen Sinn, wenn man den Begriff Verlustangst beispielhaft mit Inhalt füllt: die Angst, die Partnerin an einen anderen Menschen zu verlieren; die Angst, seinen Status zu verlieren; die Angst, nicht gehört zu werden usw. Zudem hat Aggression ganz individuelle Auslöser, denen vorrangig Verletzungen und Traumate aus der eigenen Biografie zugrunde liegen.
Es kann also festgehalten werden, dass Aggression ein Gefühl gekoppelt an bio-psycho-soziale Mechanismen ist, Aggressivität das Potential für Aggression und aggressives Verhalten dazu ein Charakter- bzw. Persönlichkeitsmerkmal darstellt sowie aggressives Verhalten aus Aggression und Aggressivität entsteht und vielfältige Handlungsmöglichkeiten beinhaltet, die der Selbstbehauptung oder Durchsetzung gegen andere mit schädigenden Mitteln dienen. Gewalt stellt hingegen eine mögliche Strategie im Handlungsspektrum aggressiven Verhaltens dar.
2.2 Gewalt - eine Begriffsklärung
In den vergangenen 40 Jahren hat sich das Verständnis des Wortes Gewalt, insbesondere im Kontext häuslicher Gewalt, und die Ächtung selbiger speziell in Paarbeziehungen stark verändert bzw. erweitert. War beispielsweise in den 1970er Jahren Vergewaltigung in der Ehe unter dem Deckmantel der „ehelichen Pflichten“ noch legitim, ist es heute ein Straftatbestand, der von der Rechtsprechung geahndet wird. Diese, wie auch viele gesellschaftliche Veränderungen, traten durch die Forderung der Frauenbewegung nach Gleichberechtigung und Gleichbehandlung ein. Frauen wollten das patriarchale System, welches die Herrschaft des Mannes über die Frau beinhaltet, nicht mehr länger hinnehmen und kämpften politisch wie auch privat für gleiche Rechte und eine soziale Egalität der Geschlechter. In diesem Zusammenhang entstanden auch die ersten Frauenhäuser, die sich den (weiblichen) Opfern häuslicher (männlicher) Gewalt und dem Problem der Gewalt in Ehe oder Beziehung annahmen.[7]
Unter dem Einfluss der Frauenhausbewegung veränderte sich auch das Gewaltverständnis. Während früher vorrangig körperliche Übergriffe als Gewalt angesehen wurden, gibt es heute nicht nur die Unterteilung in physische und psychische Gewalt, sondern auch den Aspekt der sexuellen, ökonomischen und sozialen Gewalt.[8]
Die für die vorliegende Arbeit geltenden Definitionen sind zum überwiegenden Teil sowohl auf gleich- als auch auf gegengeschlechtliche Partnerschaften anwendbar. Lediglich die Androhung und/oder tatsächliche Offenbarung der gleichgeschlechtlichen Lebensweise stellt ein besonderes Mittel der psychischen Gewalt ausschließlich in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften dar.
Unter physischer Gewalt werden jegliche Handlungen verstanden, die die körperliche Unversehrtheit beeinträchtigen. Hierzu zählen Schläge, Tritte, Würgen, an den Haaren ziehen, schlagen mit einem Gegenstand, die Treppe hinunter stoßen, versuchte oder vollendete Tötung, das Vorenthalten von Medikamenten und/oder ärztlicher Versorgung, Entzug von Essen und Trinken oder auch den Zwang dazu, Schlafentzug etc.[9]
Psychische und/oder verbale Gewalt beinhaltet Drohungen, Bedrohung mit einer Waffe, die Androhung physischer Gewalt, Bedrängen, Verfolgen, Telefonterror, Zwang, Einschüchterung, Erniedrigung, Demütigung, Spott, Bezichtigung der Untreue, die Androhung, die gleichgeschlechtliche Lebensweise zu offenbaren, Aufrechterhaltung von Suchtstrukturen, Ausnutzung beeinträchtigender Lebenserfahrungen, einer Behinderung oder chronischen Krankheit oder das Ausnutzen einer Angststörung.[10]
Unter sexualisierter Gewalt werden Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, der Zwang zu ungeschütztem Sex, der Zwang zur Prostitution, aber unter bestimmten Bedingungen auch das Vorenthalten von Sex und das unangemessene Kritisieren sexueller Praktiken gefasst.[11]
Ökonomische Gewalt beinhaltet die Kontrolle der Partnerin auf wirtschaftlicher Ebene, beispielsweise die Zuteilung von „Haushaltsgeld“, den Zwang selbst erarbeitetes Geld abgeben zu müssen, die Kontrolle aller Ausgaben und/oder über Eigentum und Vermögen, der Partnerin verbieten zu arbeiten etc. Die Angst vor Verarmung und sozialem Abstieg erschwert den Frauen hier besonders die Beziehung zu verlassen. Des Weiteren zählt das Einreden beruflicher Unfähigkeit oder das unter moralischen Druck Setzen mittels Verweis auf Mutter- oder sonstigen „fraulichen Pflichten“, wie z.B. Haushaltsführung, zu den Formen ökonomischer Gewalt.[12]
Unter sozialer Gewalt werden Einschränkungen im zwischenmenschlichen Bereich verstanden, hierzu gehört die Partnerin einzusperren, den Kontakt zu Freunden und/oder Familie zu verbieten, die ständige Begleitung/Überwachung der Partnerin, die Partnerin als sexuell verfügbar betrachten und behandeln, sich „Affären“ leisten, umgekehrt jedoch die Partnerin mit übertriebener Eifersucht zu quälen.[13]
„Gewalt hat meist einen funktionalen Charakter und dient der Durchsetzung von Interessen. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass Gewalt in einigen Fällen sich selbst genügt, d.h. keine weitere Intention als die bloße Ausübung, also die Lust an Gewalt, vorhanden ist. Ausgehend vom Regelfall und unter Einbeziehung der Intention oder Motivation des Akteurs bzw. der Akteurin kann Gewalt als zielgerichtete physische oder psychische Schädigung eines Menschen verstanden werden.“[14]
2.3 Sexuelle Gewalt in lesbischen Beziehungen
Sexuelle Gewalt in lesbischen Beziehungen ist ein besonderer Bereich, da es ein „Tabuthema in einem Tabuthema“ darstellt. Frauen als Täterinnen bei sexuellen Übergriffen gegen Frauen sind kaum denkbar, da sexuelle Gewalt zum Einen als männliche Domäne gesehen wird und zum Anderen Frauen in dem Bereich allenfalls als Mittäterinnen in Erscheinung treten.
Ohms stellt durch die Auswertung verschiedener Studien jedoch fest, dass eine Prävalenz sexualisierter Gewalt in lesbischen Beziehung von zwischen 7% bis ca. 48% existiert.[15] Das Spektrum der untersuchten sexuellen Gewalttaten reicht vom Zwang zu Sex, unerwünschtem Küssen oder Anfassen der Brust oder Genitalien, bis hin zu oraler, analer oder vaginaler Penetration. Der Beginn sexueller Gewalt zeigt sich nach Fabach[16] jedoch schon, wenn Körperkontakt hergestellt wird, der ungewollt oder unangenehm ist, d.h. beim Überschreiten persönlicher Grenzen des Gegenübers.
Besonders heikel sind sexuelle Übergriffe durch lesbische Frauen dadurch, dass das Opfer zu überrascht ist, um sofort reagieren zu können oder es zulässt, um nicht als prüde oder zickig zu gelten. Dieses Verhalten findet sich auch in gegengeschlechtlichen Konstellationen wieder, bekommt aber in lesbischen Zusammenhängen eine höhere Brisanz, da auf Grund fehlender Sensibilität für bzw. dem nicht öffentlich Machen dieser Thematik, die Möglichkeit, dass eine Frau einer anderen Frau gegenüber sexuell übergriffig werden könnte, nicht in Betracht gezogen wird.
Das nicht öffentlich Machen erlebter sexueller Gewalt durch die Partnerin kann viele Gründe haben. Wie bei heterosexuellen Frauen ist das Erleben eines sexuellen Übergriffs, Missbrauchs oder einer Vergewaltigung mit sehr viel Scham verbunden. Bei lesbischen Frauen potenziert sich diese Scham, da (sexuelle) Gewalt in lesbischen Beziehungen im allgemeinen Gewaltdiskurs und somit in der Öffentlichkeit keinen wirklichen Raum einnimmt. Dadurch entsteht das Gefühl als einzige von diesem Problem betroffen zu sein und die Angst, das Erlebte bis ins kleinste Detail schildern zu müssen. Zudem spielt aus o.g. Gründen die Angst der Betroffenen, dass ihr nicht geglaubt wird eine große Rolle und so neigt diese noch stärker dazu, die Schuld bei sich selbst zu suchen bzw. die Übergriffe weiter zuzulassen.
3. Erklärungsansätze Gewalt
3.1 Gewalt als soziales Phänomen
3.1.1 Gewalt im Geschlechterverhältnis gegengeschlechtlicher Beziehungen
Bei häuslicher Gewalt hat sich seit den 1980er Jahren auch in Deutschland der Erklärungsansatz der Gewalt im Geschlechterverhältnis durchgesetzt. Dreh- und Angelpunkt dieses Erklärungsmodell ist das „Doing Gender“, bei dem Verhalten nicht auf das biologische Geschlecht (Sex) an sich zurückgeführt wird, sondern auf die soziale Rolle (Gender), die mit dem biologischen Geschlecht verknüpft ist.[17] Frauen und Männern werden qua Geschlecht Charakteristika und Verhaltensmerkmale zugeschrieben; das heißt Männer gelten als durchsetzungsstark, haben ein höheres Aggressionspotential, sind körperlich belastbarer, denken eher logisch, sind weniger emotional etc.; Frauen gelten dagegen als emotional, körperlich schwächer, devot, pazifistisch etc. Diese erlernten Verhaltensweisen und Rollenerwartungen schließen aggressives Verhalten und Gewalt als legitimes Mittel zur Erfüllung der männlichen Rolle mit ein. So wird bei Jungen ein gewisses Aggressionspotential als gegeben angesehen und Gewaltakte, wie beispielsweise Raufereien, gehören zur Sozialisation eines Jungen dazu. Mädchen hingegen haben sich auf allen Ebenen friedlich zu verhalten, ihnen werden Aggressionen größtenteils abgesprochen und Gewaltakte ihrerseits werden eher und schwerer geahndet als bei Jungen.[18]
Setzt man dieses Rollenverhalten in Kontext zu gegengeschlechtlichen Partnerschaften und bettet es in unseren gesellschaftlichen Rahmen des Patriarchats ein, wird Gewalt in Intimpartnerschaften als Mittel begriffen, die gesellschaftliche Ordnung im häuslichen Bereich durchzusetzen oder aufrecht zu halten. Die Hierarchie sieht vor, dass der Mann herrscht und die Frau sich ihm unterzuordnen hat. Diese Hierarchie wurde lange Zeit sogar gesetzlich gestützt, indem beispielsweise Frauen bis in die 1970er Jahre hinein das Einverständnis ihres Mannes brauchten, um arbeiten gehen zu dürfen. Weiterhin war auch das Mittel der Gewalt zur Durchsetzung der patriarchalen Ordnung geschützt, indem Vergewaltigung in der Ehe gar nicht und Körperverletzung nur ungenügend strafrechtlich verfolgt wurden. Männliche Gewalt in Partnerschaften galt nicht als Normverletzung, sondern als legitime Normverlängerung der sozial-politischen Verhältnisse. Mit dem Beginn der Frauenbewegung Anfang der 1970er Jahre und der Einrichtung von Frauenhäusern geriet diese Ordnung besonders im privaten Bereich ins Wanken. Frauen wollten nicht mehr länger Eigentum des Mannes sein, sondern forderten die Gleichstellung von Mann und Frau mit gleichen Rechten. Gesetzlich bekamen sie dieses auch, gesellschaftlich dauert der Prozess an. Im privaten Bereich ist die veränderte Ordnung besonders schwierig herzustellen, da es einerseits keine Kontrollinstanz gibt, anderseits viele Mittel und Wege Hierarchien herzustellen. Die einfachste und auch heute noch am meisten verbreitete Art ist über Geld bzw. Einkommen. Solange ein Mann ein höheres Einkommen hat als seine Frau, ist seine private und gesellschaftliche Stellung gesichert. Es bringt ihn in eine ökonomische Machtposition, wodurch er sich das Recht nehmen kann, über seine Frau bzw. Familie zu bestimmen/herrschen. Dieses entspräche dem Bild des Vaters/Mannes als Oberhaupt der Familie.
Für gegengeschlechtliche Partnerschaften wird der Einsatz von Gewalt im Erklärungsansatzes der Gewalt im Geschlechterverhältnis damit erklärt, dass eine Partei – in der Regel der Mann - Macht über die Partnerin erlangen will, um dadurch die gesellschaftliche Hierarchie herzustellen und/oder zu festigen.
Kritisiert wird dieser Erklärungsansatz durch seine eingegrenzte Gültigkeit und die Geschlechtsmarkierung von Täter und Opfer. Er behält nur im Kontext gegengeschlechtlicher Partnerschaften und Gewalt ausgehend vom Mann seine Gültigkeit und ist dadurch weder auf Gewalt ausgehend von der Frau, noch auf Gewalt in gleichgeschlechtliche Partnerschaften anwendbar. Zudem wird in diesem Erklärungsansatz die Frau rein als Objekt und damit als passives Moment betrachtet und ihr Einfluss als handlungsfähiges Subjekt vernachlässigt.
3.1.2 Gewalt im Geschlechterverhältnis lesbischer Beziehungen
Bei lesbischen Beziehungen greift dieser Erklärungsansatz der Gewalt im Geschlechterverhältnis jedoch zu kurz. Da es sich um eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft handelt, sind gesellschaftlich normierte Hierarchien auf Basis des biologischen Geschlechts und somit auch gesellschaftlich erwartetes Rollenverhalten innerhalb einer Partnerschaft nicht vorgegeben.
Ausgehend vom Modelllernen[19] werden (lesbische) Frauen heterosexuell sozialisiert. Sie lernen durch ihre Eltern und ihre überwiegend heterosexuelle Umwelt ein Rollenverhalten ausschließlich für gegengeschlechtliche Beziehungen, welches auf gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht übertragbar ist. Auf der einen Seite haben es lesbische Frauen dadurch leichter ihre eigene Identität zu entwickeln, da auf dieser Ebene kein normiertes Rollenverhalten existiert, auf der anderen Seite ist dieses für sie schwieriger, weil sie wenige bis gar keine Vorbilder haben, an denen sie sich orientieren können. Unabhängig davon, ob eine hierarchische oder eine (weitgehend) gleichberechtigte Partnerinnenschaft angestrebt wird, müssen die jeweiligen Rollen bzw. vermeintlich männliche oder weibliche Charakteristika und ihre Bedeutung für die Beziehung ausgehandelt werden, da keine „natürliche“ Ordnung der Beziehung von der Gesellschaft vorgegeben bzw. propagiert wird.
Weiterhin müsste auf Grund der Geschlechtsmarkierung von Täter und Opfer eine lesbische Frau davon ausgehen, dass in ihrer Partnerschaft mit einem geringerem Aggressionspotential und damit auch mit weniger oder keinen gewalttätigen Strukturen zu rechnen ist. „Dem ist entgegen zu halten, dass vorhandene psychologische und sozialwissenschaftliche Untersuchungen derzeit noch von einer annähernd gleichen Prävalenz der Gewalt in schwulen resp. lesbischen Partnerschaften ausgehen. Eine weitere mögliche Schlussfolgerung aus der Geschlechtsmarkierung des Gewaltgeschehens ist, dass die Folgen der Gewalt in gleichgeschlechtlichen Beziehungen nicht so schwerwiegend sind wie bei der Misshandlung einer Frau durch einen Mann. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Schwere der Gewalt auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen mit der Dauer der Partnerschaft zunimmt – ebenso wie in gegengeschlechtlichen Partnerschaften.“[20]
Dass der Erklärungsansatz der Gewalt im Geschlechterverhältnis jedoch auch bei lesbischen Partnerschaften eine Rolle spielt, zeigt sich im Erklärungsmodell Frauenhass.
3.1.3 Frauenhass (Misogynie)
In der Literatur wie auch gesellschaftlich findet das Motiv Frauenhass kaum Beachtung. Daher ist der folgende Abschnitt als Theorie anzusehen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Frauenhass lässt sich aber besonders bei Gewaltverbrechen bei genauerem Hinsehen häufig feststellen. Feministische Vertreterinnen fordern schon lange die Aufnahme dieses Erklärungsansatzes in die Motivbildung. Aktuellstes und populärstes deutsches Beispiel für ein massives Gewaltverbrechen aus Frauenhass ist der Amoklauf von Winnenden. Tim K. erschoss am 11. März 2009 in seiner Schule zwölf Menschen, elf davon waren weiblich, bevor er am Ende seiner Flucht die Waffe gegen sich selbst richtete. Betrachtet man diese Tatsache, stellt sich unweigerlich die Frage, warum elf seiner Opfer weiblich waren. Zufall ist in diesem Fall auszuschließen, da Tim K. nicht wahllos um sich geschossen hat, sondern alle seine Opfer durch gezielte Kopfschüsse tötete. Des Weiteren waren nicht wesentlich mehr Mädchen als Jungen in der Klasse vertreten.[21]
Der Hass auf Frauen ist nicht nur ein historisch geprägtes gesellschaftliches Phänomen, sondern kann sich bei Männer auch durch unterschiedliche Bedingungen entwickeln bzw. verstärken. Im Zuge der Sozialisation durch ein Negativbild der Mutter, welches beispielsweise durch einen aggressiven und/oder gewalttätigen Vater ausgelöst wurde. Der Junge lernt hier nicht nur Gewalt als legitimes Mittel kennen, sondern auch, dass es legitim ist, Gewalt gegen Frauen anzuwenden und dass Frauen weniger wert sind als Männer. Da er sich selbst auf Grund seines biologischen Geschlechts mehr mit seinem Vater als seiner Mutter identifizieren wird, ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass er dieses negative/abwertende Frauenbild im späteren Leben auf Frauen im Allgemeinen übertragen wird. Gestützt wird dieses zusätzlich durch die Geschichtsschreibung bzw. Interpretation historischer Funde, sowie die sexistische gesellschaftliche Realität; beispielsweise, dass Frauen 20% weniger verdienen als Männer, zum größten Teil Männer in der Politik und Wirtschaft die Führungspositionen besetzen, Medien und Werbung, in denen Frauen noch immer stark objektiviert werden, Pornografie und die Legalität von Prostitution in Deutschland, in der Frauen ganz klar als Ware deklariert sind. Stößt der heranwachsende Junge dann zusätzlich auf Ablehnung des anderen Geschlechts und fehlen ihm Strategien im Umgang mit Ablehnung und Kränkung, kann dieses negative Frauenbild in Frauenhass umschlagen, also in ausschließlich gegen Frauen gerichtete Aggression und/oder Gewalt.
Einer lesbischen Frau Frauenhass zu unterstellen, mag im ersten Moment absurd klingen. Aber: Zum einen wünschen sich auch Frauen hassende Männer eigentlich eine Beziehung mit einer Frau und zum anderen minimiert eine Frau durch die Wahl einer Frau als Partnerin die Gefahr, auf Grund von biologischem und sozialen Geschlecht selbst in die Opferrolle zu geraten.
Die Entwicklung von Frauenhass verläuft bei Frauen identisch mit dem von Männern. Sie entwickeln bedingt durch ihre familiäre Sozialisation ein negatives/abwertendes Frauenbild, welches sie, zusätzlich gestützt durch äußere Einflüsse, im späteren Leben auf alle Frauen übertragen. Natürlich entsteht an dieser Stelle die Frage, warum diese Frauen, trotz ihres negativen Frauenbildes, eine Frau als Partnerin wählen. Hier gibt es zwei mögliche Thesen: gegebene sexuelle Orientierung und/oder gänzliche Übernahme der männlichen Rolle.
Die erste These geht von der Annahme aus, dass die sexuelle Orientierung gegeben ist. Auf Gefühle, insbesondere Liebe, kann nur sehr begrenzt Einfluss genommen werden. Daher ist es eine logische Konsequenz, dass eine (von Geburt an) lesbische Frau sich in Frauen verliebt bzw. ein sexuelles Verlangen nur gegenüber Frauen entwickelt und somit eine Frau als Partnerin will.
Bei der zweiten These findet anstatt einer Identifizierung mit der „schwachen“ Mutter die Ausrichtung nach dem gewalttätigen Vater mit der (kompletten) Übernahme des männlichen Rollenverhaltens statt. Zu diesem männlichen Rollenverhalten gehört neben vielen anderen Dingen auch, dass ein Mann eine Frau hat, die unter ihm steht. Ausgehend von dem starken Wunsch als „Mann“ anerkannt zu werden, wird das gesamte männliche Rollenverhalten übernommen und es entsteht eine „Pseudo-Homosexualität“, die sich in der eigenen Wahrnehmung aber als Heterosexualität darstellen kann, da in der Partnerschaft zwar nicht das biologische, aber das soziale Geschlecht zu finden ist. Die gegebene sexuelle Orientierung spielt hierbei eine untergeordnete Rolle, da der Mensch die Fähigkeit besitzt, sie nicht aus- bzw. eine andere zu leben. (Ob sich das allerdings positiv auf die psychische Gesundheit auswirkt, ist fraglich.) Der Aspekt der Transsexualität wird an dieser Stelle außer Acht gelassen, da dort zusätzliche Faktoren zum tragen kommen. Man könnte daraus folgern, dass diese Frauen mit der Veränderung ihres negativen Frauenbildes unter Umständen heterosexuelle Partnerschaften führen würden, also in Wahrheit heterosexuell wären.
Beide Thesen haben zur Konsequenz, dass bei lesbischen Frauen mit dem Frauenhass auch ein Selbsthass einhergeht, da die soziale Rolle zwar verändert werden kann, das biologische Geschlecht jedoch bleibt. Die Misshandlung der Partnerin, stellvertretend für alle Frauen, ist also auch immer als zerstörerische Kraft gegen sich selbst zu betrachten.
3.1.4 Verinnerlichte Homophobie
Homophobie ist nach wie vor ein weit verbreitetes Phänomen in unserer Gesellschaft und hängt eng mit Sexismus zusammen. In einer mehrheitlich heterosexuell geprägten Gesellschaft ist die gegengeschlechtliche Partnerschaft logischerweise das dominierende Familien- bzw. Beziehungsmodell. Andere Lebensarten wie homosexuelle Partnerschaften, aber auch Ein-Eltern-Familien, erfahren ihm gegenüber eine zum Teil große Abwertung. (Offen) Homosexuell lebende Menschen sehen sich häufig mit Stigmatisierungen und Diskriminierungen konfrontiert. Lesbische Frauen erleben in diesem Zusammenhang eine doppelte Abwertung, einmal durch ihr biologisches Geschlecht und zusätzlich durch ihre homosexuelle Lebensweise.
„Verinnerlichte Homophobie ist nach Byrne (2001) ein negatives Selbstkonzept bezüglich der eigenen Homosexualität und negative Gefühle gegenüber dem, was man als Person ist. Sie sei das Resultat einer heterosexistischen Kultur und eines Wertesystems, das Lesben und Schwule vom Tag ihrer Geburt an angreife und herabsetze.“[22]
Durch das negative Selbstkonzept entstehen innere Spannungen, die bei lesbischen Frauen durch die zusätzliche gesellschaftliche Abwertung qua biologischen Geschlechts potenziert werden. Gewalt ist in diesem Fall nicht nur ein Mittel, um diese Spannungen zu lösen, sondern auch der Versuch wenigstens im Bereich der Partnerschaft Macht und Kontrolle zu erlangen, um so aus der Opferrolle heraus zu treten.
Tiger (2001)[23] kommt zu dem Schluss, dass es für Lesben, Schwule, Bisexuelle und transgender Menschen schwer ist, sich in dieser Gesellschaft nicht als defizitär wahrzunehmen und stellt eine enge Verbindung von internalisierter Homophobie und Scham her. Demnach gibt es vier Möglichkeiten auf Scham zu reagieren: Rückzug, Vermeidung, Selbstverletzung und die Verletzung einer anderen Person. Die Misshandlung der Partnerin kann in diesem Zusammenhang als Selbstbestrafung für den eigenen Lebensentwurf angesehen werden.
3.2 Gewalt als psychologisches Phänomen
3.2.1 Autonomie versus Abhängigkeit
In lesbischen Partnerschaften besteht ein gesteigerter Wunsch nach Nähe zur Partnerin, welcher zum Teil symbiotische Formen annimmt und ein (subjektiv empfundenes) Machtungleichgewicht herstellen kann. Zurückzuführen ist dieses auf den sozialen Druck, dem gleichgeschlechtliche Partnerschaften ausgesetzt sind, Eifersucht und subkulturelle Werte, wie beispielsweise „political correctness“. Der Druck von außen verstärkt die Wichtigkeit der Beziehung und damit auch den Stellenwert der Partnerin. Hier kommt es zu einem Konflikt zwischen Autonomie und Abhängigkeit, der sich in Gewalt Bahn brechen kann.
Renzetti (1992) stellt in ihrer Untersuchung fest, dass diejenige die sich abhängig fühlt mit einer größeren Wahrscheinlichkeit gewalttätig wird und die Schwere und Häufigkeit der Gewalt zunimmt je größer das Spannungsverhältnis ist.[24] Abhängigkeit führt zu dem Bedürfnis nach Kontrolle und kann in der Isolation der Partnerin münden. Eifersucht spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle, da das subjektiv empfundene Gefühl der Abhängigkeit mit einem starken Minderwertigkeitsgefühl einher geht, und ist in der Regel sexuell konotiert.
[...]
[1] Ohms 2008, S. 19
[2] Wahl 2009, S. 10
[3] Ohms 2008, S. 19
[4] Wahl 2009, S. 10
[5] Ohms 2008, S. 19 f.
[6] Wahl 2009, S. 13
[7] Vgl. Frauen helfen Frauen e.V. Lübeck 2000, S. 43 ff.
[8] Vgl. Frauen helfen Frauen e.V. Lübeck 2000, S. 48 ff.
[9] Vgl. Ohms 2008, S. 27 f.
[10] Vgl. Ohms 2008, S. 27
[11] Vgl. Ohms 2008, S. 28
[12] Vgl. Schweikert 2000, S. 53
[13] Vgl. ebd.
[14] Ohms 2008, S. 27
[15] Vgl. Ohms 2008, S. 69
[16] Vgl. Fabach 2001, S. 70
[17] Vgl. Butler 2003, S. 49
[18] Vgl. Scheu 1993, S. 49 ff.
[19] Bandura 1976
[20] Ohms 2008, S. 57 f.
[21] Vgl. Schwarzer, S.25
[22] Byrne 2001, zitiert in Ohms 2008, S. 62, 63
[23] zitiert in Ohms 2008, S. 63 f.
[24] Vgl. Renzetti 1992, zitiert in Ohms 2008, S. 59
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