Nach Norbert Elias´ plötzlichem Tod 1990 - wenngleich in hohem Alter - schnellten die Publikationszahlen empor. Geisteswissenschaftler, nicht nur Soziologen, sondern auch Historiker und Psychologen legten eine wahre Publikationswut an den Tag, die heute kein Wissenschaftler mehr - auch bei immenser Anstrengung nicht - zu überblicken im Stande ist. Schon zum Ende seines Lebens wurde er sowohl populärwissenschaftlich, als auch in renommierten Fachzeitschriften breit rezeptiert und endlich wurde ihm auch jene Anerkennung zuteil, die Elias sich zeit seines Lebens gewünscht hatte. Noch immer ist aber der Großteil seiner privaten Schriften nicht durchgesehen und veröffentlicht, so daß in den kommenden Jahren eine weitere Publikationswelle zu erwarten ist.
Seine Zivilisationstheorie zählt nicht nur wegen der ihr erst Jahrzehnte später zugesprochenen Bedeutung zu den großen Theorien unseres Jahrhunderts, sondern vor allem wegen ihres umfassenden, großangelegten Anspruchs, unsere Gesellschaft, so wie sie sich heute in den westlichen Industrieländern darbietet, aus ihrer Geschichte heraus plausibel-stringent zu erklären als ein organisch gewachsenes Gebilde interdependenter Individuen.
N. Elias Lebensmotto „einander die Lampen übergeben“ ist sowohl bezeichnend für den Menschwissenschaftler Elias, als auch für seine kulturhistorische Theorie des sozialen Wandels in der anthropologische, psychologische, historische und soziologische Ansätze zu einem großen Theoriegebäude verknüpft werden.
Inhaltsverzeichnis
B) Hauptteil
I. Einleitung
II. Biographie
1. Breslauer Jugend- und Studienjahre
2. Heidelberger Lernzeit: Karl Mannheim
3. Frankfurter Assistenzjahre
4. Exil in England
5. Honorarprofessor in den Niederlanden
6. Zeit nach dem Durchbruch
III. Wissenschaftliches Œuvre: Zivilisations- und Figurations-theorie
1. Über den Prozeß der Zivilisation
2. Die höfische Gesellschaft
IV. Kritik und Verteidigung - Ein kurzer Forschungsüberblick Hans Peter Duerr und Michael Schröter
C) Bedeutung der Zivilisationstheorie
D) Literaturverzeichnis
I. Primärliteratur
II. Lexika
III. Sekundärliteratur
B) Hauptteil
I. Einleitung
Nach Norbert Elias´ plötzlichem Tod 1990 - wenngleich in hohem Alter - schnellten die Publikationszahlen empor.[1] Geisteswissenschaftler, nicht nur Soziologen, sondern auch Historiker und Psychologen legten eine wahre Publikationswut an den Tag, die heute kein Wissenschaftler mehr - auch bei immenser Anstrengung nicht - zu überblicken im Stande ist. Schon zum Ende seines Lebens wurde er sowohl populärwissenschaftlich, als auch in renommierten Fachzeitschriften breit rezeptiert und endlich wurde ihm auch jene Anerkennung zuteil, die Elias sich zeit seines Lebens gewünscht hatte. Noch immer ist aber der Großteil seiner privaten Schriften nicht durchgesehen und veröffentlicht, so daß in den kommenden Jahren eine weitere Publikationswelle zu erwarten ist.[2]
Seine Zivilisationstheorie zählt nicht nur wegen der ihr erst Jahrzehnte später zugesprochenen Bedeutung zu den großen Theorien unseres Jahrhunderts, sondern vor allem wegen ihres umfassenden, großangelegten Anspruchs, unsere Gesellschaft, so wie sie sich heute in den westlichen Industrieländern darbietet, aus ihrer Geschichte heraus plausibel-stringent zu erklären als ein organisch gewachsenes Gebilde interdependenter Individuen.
N. Elias Lebensmotto „einander die Lampen übergeben“ ist sowohl bezeichnend für den Menschwissenschaftler Elias, als auch für seine kulturhistorische Theorie des sozialen Wandels in der anthropologische, psychologische, historische und soziologische Ansätze zu einem großen Theoriegebäude verknüpft werden.
II. Biographie
1. Breslauer Jugend- und Studienjahre
Norbert Elias, der 1897 in Breslau geboren wurde, wuchs in seiner schlesischen Geburtsstadt als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie auf.[3] Mit 9 Jahren besuchte er, nachdem er vorher von Gouvernanten und Hauslehrern erzogen worden war, das angesehene preußische Johannes-Gymnasium seiner Heimatstadt, wo er erstmals in einem privaten Lesekreis, den Schüler organisiert hatten, sich intensiv mit den philosophischen Klassikern auseinandersetzte. Seine religiöse Herkunft spielte zu dieser Zeit keine maßgebende Rolle für ihn, zumal sein Elternhaus treu zum Kaiser hielt, wie er selbst betonte. Im Frühjahr 1915 meldeten er sich freiwillig zum Kriegsdienst wie alle seine Mitschüler und kehrte 1917 verwundet nach Breslau zurück, wo er das Studium der Medizin in Angriff nahm. Bei dieser Studienrichtung hielt es ihn jedoch nicht lange und er wechselt zur Philosophie und Psychologie. Unter Richard Hönigswald promovierte er 1922 mit der Dissertation „Idee und Individuum. Ein Beitrag zur Philosophie der Geschichte.“ zum Doktor der Philosophie.
Nach dem gläsernen Turm des Studiums und aufgrund der sich verschlechternden Finanzlage wechselte Elias in die freie Wirtschaft und wurde Juniorchef einer Kleineisenwaren-Fabrik.
2. Heidelberger Lernjahre
Doch bereits 1924 zog ihn der Wunsch zu habilitieren nach Heidelberg, wo er auf den Kultursoziologen Alfred Weber als Ordinarius für Soziologie und auf den jüngeren Karl Mannheim, den späteren Wissenssoziologen, als Privatdozenten traf. Bei beiden Gelehrten besuchte er Oberseminare, stand aber bei Weber ziemlich weit hinten auf der Liste der Habilitationskandidaten.
1928 trat N. Elias auf dem VI. Deutschen Soziologentag in Zürich das erste Mal öffentlich als Soziologe in Erscheinung und vertrat in seinem Vortrag einen anderen Standpunkt als sein Ordinarius Alfred Weber, der vor ihm zu Wort gekommen war. Aufgrund dieser Unstimmigkeit sah Elias wohl sein Habilitationsprojekt bedroht und wechselte als Assistent zu Karl Mannheim nach Frankfurt, der dort eine Professur für Soziologie übernommen hatte und Elias anbot ihn in weit kürzerer Zeit zur Habilitation zu führen.
3. Frankfurter Assistenzjahre
Norbert Elias ergriff seine Chance und wurde am Soziologischen Institut in Frankfurt Assistent, wo er auch Max Horkheimer kennenlernte, der einem benachbarten Lehrstuhl vorstand. Aufgrund der unterschiedlichen politischen Ansichten Mannheims und Horkheimers kam es allerdings zwischen den beiden Instituten nur partiell zu einer Zusammenarbeit. Elias´ Arbeit als Assistent erschöpfte sich weitgehend darin Studenten von Mannheim fernzuhalten, indem er ihm die Seminare abnahm, und an seiner Habilitationsschrift zu arbeiten. 1969 veröffentlichte er diese erweiterte Schrift als „Die höfische Gesellschaft“[4], in der er das höfische Leben am Hof Ludwigs XIV. untersuchte.
Die Kanzlerschaft Hitlers 1933 und die damit einsetzende Absetzung jüdischer Dozenten an deutschen Universitäten verhinderten den Abschluß des Habilitationsverfahrens, so daß Elias sich entschloß im März 1933 nach Frankreich ins Exil zu fliehen.
4. Exil
Im Herbst 1935 zog er nach England um, wo Karl Mannheim eine Dozentenstelle erhalten hatte. England war in dieser Zeit noch soziologisches Brachland und profitierte nur im geringen Maße vom Aufschwung der amerikanischen Soziologie, der Elias wegen der statischen Verhaftetheit ihrer Gesellschaftsmodelle ohnehin abgeneigt war. Bis Anfang der 60er Jahre sollte England nun seine Exil-„Heimat“ sein. Da er weder Sprache noch Sitten und Gebräuche kannte, vergrub sich N. Elias in wissenschaftlicher Arbeit und stieß dabei eher zufällig auf den Ansatz für seine Theorie über den Prozeß der Zivilisation. Wie die meisten Soziologen so lag auch ihm die Frage nahe, wie und warum sich Gesellschaften verändern. Beim Stöbern in Bibliotheken stieß Elias auf Benimmbücher, die über Tischsitten und Benimmregeln vergangener Epochen Auskunft gaben. Er stellte fest, daß sie sich in ihren Empfehlungen und Weisungen deutlich voneinander unterschieden und glaubte eine Tendenz zu immer verfeinerten Sitten im Laufe der Neuzeit erkennen zu können. Dieses empirische Material nutzte er um die sich vage abzeichnende Theorie zu stützen und stellte bereits 1936 den ersten Band seiner „soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen“[5] fertig, nachdem ihm ein kleines Stipendium zugesprochen worden war. 1937 erschien dieser Band erstmals in einem kleinen deutschen Verlag, fand aber trotz Versendung von Rezensionsexemplaren an ausgewählte Stellen öffentlich kaum Resonanz. 1938 sollte das Gesamtwerk „Über den Prozeß der Zivilisation“[6] in Prag erscheinen, doch die sich überstürzenden weltpolitischen Ereignisse verhinderten auch dies, so daß erst 1939 die beiden Bände im Baseler Verlag „Haus des Falken“ in der neutralen Schweiz erscheinen konnten. Der Krieg verhinderte aber eine breite Zurkenntnisnahme des Werks, so daß Elias auch lange Zeit auf seine ersehnte Professur warten mußte.
Bis zu seiner Festanstellung 1954 an der Universität Leicester arbeitete er in der Erwachsenenbildung und als Gruppentherapeut. Sein Traum eine Professur für Soziologie zu bekommen schien zu schwinden. In Leicester organisierte er als Assistent den Aufbau des soziologischen Instituts, trat aber als forschender Wissenschaftler weitgehend nur im Privaten auf.
[...]
[1] Vgl. Korte, Hermann: Von Elias lernen - Ein Vorwort. In: Korte, Hermann (Hrsg.): Gesellschaftliche Prozesse und individuelle Praxis - Bochumer Vorlesungen zu Norbert Elias´ Zivilisationstheorie, Frankfurt a. M. 1. Aufl. 1990, (= stw 894), S. 11f.
[2] Albert, Claudia: Elias, Norbert. In: Lutz, Bernd (Hrsg.): Metzler Philosophen Lexikon, Stuttgart und Weimar 2.Aufl. 1995, S. 245.
[3] Die Informationen zu Norbert Elias´ Biographie stammen aus folgenden Werken: Albert (1995), S. 245 - 248. - Korte, Hermann (Hrsg.): Norbert Elias über sich selbst - Biographisches Interview mit Norbert Elias, Frankfurt a. Main 1994. - Korte, Hermann: Einführung in die Geschichte der Soziologie, Opladen 3. Aufl. 1995, S. 155 - 171. - Mennell, Stephen: Norbert Elias - Civilization and the Human Self-Image, Oxford und New York 1. Aufl. 1989.
[4] Elias, Norbert: Die höfische Gesellschaft - Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, Frankfurt a. M. 8. Aufl. 1997, 1. Aufl. 1969, (= stw 423).
[5] Untertitel zu Norbert Elias´ „Über den Prozeß der Zivilisation“.
[6] Elias, Norbert: Über den Prozeß der Zivilisation - Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, 2 Bde, Frankfurt a. M. 21. Aufl. 1997, (= stw 158 u. 159).
- Arbeit zitieren
- Markus Wawrzynek (Autor:in), 1999, 'Einander die Lampe übergeben', Norbert Elias - Leben und Werk, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19088
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