Ob man von Gott reden sollte, beantwortet Rudolf Bultmann in einem Aufsatz
zunächst einmal recht klar und einleuchtend: „Wovon denn sonst in aller Welt?“.1 Sein
Reden über Gott fand einen beachtenswerten Ausdruck in einem Aufsatz von 1925,
nach dem diese Arbeit benannt ist. In dem Schlusssatz dieses Redens über Gott
resümiert Bultmann: „ob dieses aber sinnvoll und ob es gerechtfertigt ist, steht bei
keinem von uns.“2
Die Frage des Sinnes von Gott zu reden, umfasst die Klärung des Gottesbegriffes
ebenso, wie die Beantwortung der Frage nach dem Grund des eigenen Seins. Die Frage
nach dem Gottesbild und die Frage nach dem Menschenbild haben in dem
theologischen Denken immer eine Beantwortung gesucht. Der Begriff Theologie,
griechisch theo‐logia, bedeutet nichts anderes als Rede von Gott. Es ist also
offensichtlich sinnlos, eine Rede, die nicht Rede von Gott ist, Theologie zu nennen.
Gott ist also der Gegenstand jeder Theologie und insofern auch der christlichen.
Bultmann hält es nicht für unwichtig, immer wieder zu betonen, dass das Reden von
Gott ein wichtiges sei. Demgegenüber kritisiert er die liberale Theologie, die an diesem,
ihrem Gegenstand, nicht immer festgehalten hat. Bultmann wirft ihr vor „dass sie nicht
von Gott, sondern vom Menschen gehandelt hat.“3
Meister Eckeharts Wirken fand 700 Jahre vorher statt. In seinen Predigten und
Aufsätzen hat er immer wieder über Gott gesprochen und geschrieben. Seine
hinterlassenen umfangreichen Schriften gelten übereinstimmend als das die deutsche
Mystik weit überragende Schaffen eines genialen schöpferischen Kopfes und
Predigers. Meister Eckehart gilt als ihr tiefster Denker und wortgewaltigster
Verkündiger. Die Gottesfrage spielt in seiner Theologie eine zentrale Rolle. Für
Eckehart war dieser Gott die Einheit und das Eine. Dieses Eine als Erkenntnisweg zu
vermitteln und verständlich zu machen, war Meister Eckeharts großes Anliegen. Das
hat dazu geführt, dass seine Theologie auch häufig als Einheitsmystik bezeichnet wurde.
Dass ihn viele nicht verstehen konnten, war ihm bewusst und niemand brauchte ihm
zu sagen, dass er in vielen Köpfen Verwirrung stiftete: „Könntet ihr mit meinem
Herzen erkennen, so verstündet ihr wohl, was ich sage; denn es ist wahr, und die
Wahrheit spricht es selbst,“4 so sagt er in seiner „Bürgleinpredigt“.
1Bultmann, Die Frage der dialektischen Theologie, S.52
2Bultmann, Glauben und Verstehen, Band 1, S.37
3Ebd., S,2
4Quint (Hrg.), Meister Eckehart, Deutsche Predigten und Traktate, S. 21
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Theologie als Rede von Gott
- Welchen Sinn hat es von Gott zu reden?
- Aufsatz von Rudolf Bultmann 1925
- Nur,,von\" Gott kann ich reden, nicht „über“ IHN.
- Über die Liebe kann man nicht reden – Liebe „ist“, indem man liebt
- Auch ehrliches Suchen nach Gott ist Sünde
- Steht der Mensch mit der Rede von Gott zwischen zwei Verboten ?
- Ja, Gott ist das ganz Andere
- Der Mensch bleibt in seiner Rede von Gott ein Sünder
- Das Weltbild, in dem der Mensch eine Weltanschauung hat
- Nur als von Gott Angesprochenem hat es Sinn von ihm zu reden
- Reden von Gott ist reden „,müssen“ von Gott
- Durch den Glauben wird aus der sündigen Welt die Welt Gottes
- Glaube ist stets neue Tat
- Zusammenfassung
- Unus deus et pater ominum etc. (Eph. 4,6)
- Predigt 22 von Meister Eckehart
- Der Predigttext
- Gott ist eins - unwandelbar
- Mit der Reinheit des Herzens sollen wir dem Vater gegenüber treten
- Die Aufforderung: „Freund, steig höher hinauf“
- Gott ist ein Verneinen des Verneinens
- Die Fähigkeiten der Vernunft, des Willens und des Erkennens
- Die Bedeutung der Gnade und der Seligkeit als Wirkkräfte der Seele
- In dem Einssein Gottes ist Vollendung
- Zusammenfassung
- Rudolf Bultmann und Meister Eckehart
- Ist ein Vergleich überhaupt möglich?
- Bultmanns Theologie im Spiegel seiner Zeit und seiner Prägung
- Einordnung des Gottesbildes von Bultmann
- Meister Eckehart als mystischer Theologe
- Meister Eckeharts Gottesbild und seine Bedeutung heute
- Vergleichende Überlegungen
- Die Bedeutung des Denkens beider Theologen auf mein Gottesbild
- Der Sinn des Redens von Gott in der Theologie
- Das Gottesbild bei Rudolf Bultmann und Meister Eckehart
- Die Bedeutung der Subjekt-Objekt-Spaltung in der Theologie
- Die Rolle des Glaubens im Reden von Gott
- Die Beziehung zwischen Theologie und Mystik
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, das Reden von Gott bei Rudolf Bultmann und Meister Eckehart zu untersuchen und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer Theorien aufzuzeigen. Dabei wird besonders auf den Sinn und die Möglichkeiten des Redens von Gott eingegangen.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einführung
Die Einführung stellt die Frage nach dem Sinn des Redens von Gott und führt in die Theorien von Rudolf Bultmann und Meister Eckehart ein.
2. Welchen Sinn hat es von Gott zu reden?
Dieses Kapitel analysiert Bultmanns Aufsatz von 1925 und beleuchtet seine Argumentation, dass man nur "von" Gott reden kann, nicht "über" Ihn. Bultmann verdeutlicht, dass Gotteserkenntnis nicht durch objektive Betrachtung, sondern durch die Begegnung mit der Offenbarung Gottes geschieht.
3. Unus deus et pater ominum etc. (Eph. 4,6)
Dieser Abschnitt befasst sich mit der Predigt 22 von Meister Eckehart. Er beschreibt Gottes Einheit und die Notwendigkeit, mit Reinheit des Herzens zu Gott zu gelangen.
4. Rudolf Bultmann und Meister Eckehart
Dieses Kapitel vergleicht die Theologie von Bultmann und Eckehart und untersucht Gemeinsamkeiten und Unterschiede in ihren Ansichten über Gott und die Möglichkeiten der Gotteserkenntnis.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Themen Gott, Theologie, Gotteserkenntnis, Mystik, Subjekt-Objekt-Spaltung, Offenbarung, Glaube, Bultmann, Eckehart, Einheit, Reinheit des Herzens.
- Quote paper
- Stephan Hachtmann (Author), 2003, Welchen Sinn hat es von Gott zu reden? Das Reden von Gott bei Rudolf Bultmann und Meister Eckehart im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19048