Während meines Praktikums hatte ich zu Beginn eines Schultages ein interessantes Gespräch mit einem Mädchen aus der 6. Jahrgangsstufe. Sie stand direkt vor mir, wühlte unzufrieden in ihrer Tasche, murrte dabei vor sich hin und meinte dann zu ihrer Freundin: „Jetzt haben wir statt Englisch Geschichte, so ein Mist. Ich hatte mich schon echt auf diese Stunde gefreut, wir wollten doch heute an den Plakaten weiterarbeiten!“ Das machte mich stutzig. „Warum findet denn niemand Geschichte gut. Nach einer kurzen Pause, in der sie wohl abwog, ob ihre Antwort ihr einmal zum Nachteil gereichen würde, antwortete sie schließlich: „Geschichte ist langweilig, es ist immer das Gleiche. Es geht doch nur ums Auswendiglernen. Was kümmern mich denn die Urzeitmenschen oder irgendwelche Leute, die seit sonst wann tot sind?"
Das Gespräch mit der Schülerin war der Auslöser für viele Fragen und führte zu dieser Forschungsarbeit.
Ich hatte in den nächsten Wochen die Möglichkeit, einige Unterrichtsstunden im Fach Geschichte in den unterschiedlichen Jahrgangsstufen zu geben. Trotz meiner Bemühungen einen interessanten Unterricht zu gestalten und den Unterricht mit Gruppenarbeiten und verschiedenen Medien aufzulockern, konnten die Kinder kaum historisches Wissen behalten. Es schien, als würden die Schülerinnen und Schüler die Informationen zwar sehr interessant finden, jedoch nur wenig aufnehmen und davon noch jede Menge vergessen. Warum? Um dies herauszufinden, beschloss ich, einen anderen Weg im Unterricht zu gehen.
Die Arbeit wird von folgenden Fragestellungen geleitet: Wie sollte das Fach Geschichte für die Kinder gestaltet werden, um Geschichtsbewusstsein effektiv zu fördern? Welche Rolle spielt die Methode des erzählenden Geschichtsunterrichts bei der Förderung des Geschichtsbewusstseins? Welche Möglichkeiten bietet Multiperspektivität im Geschichtsunterricht und welche Probleme können auftreten? Ist ein handlungsorientierter Unterricht für die Schülerinnen und Schüler möglicherweise abwechslungsreicher und interessanter? Ist es möglich, dass mittels des handlungsorientierten Unterrichts, Geschichtsbewusstsein und historisches Wissen bei den Schülerinnen und Schülern langfristig zu verankern? Bietet das Rollenspiel eine effektive Gelegenheit zur Förderung der Multiperspektivität? Ist die Kritik am handlungsorientierten Unterricht gerechtfertigt?
...
Inhaltsverzeichnis
- Forschungsidee und Ziel der Arbeit
- Theoretische Grundlagen
- Historisches Lernen und Geschichtsbewusstsein
- Historisches Lernen in der Grundschule
- Was ist historisches Lernen?
- Die vier Typen historischen Lernens
- Was heißt Geschichtsbewusstsein?
- Entwicklung des Geschichtsbewusstseins durch historisches Erzählen
- Geschichtsbewusstsein mit Hilfe des Konstruktivismus
- Erzählen im Geschichtsunterricht
- Historisches Erzählen und narrative Kompetenz
- Der Geschichtsunterricht in seiner Entwicklung — erzählender Geschichtsunterricht als Lehrerdarbietung
- Die Einführung der Schulpflicht
- Die Entstehung des Geschichtsunterrichts
- Erzählender Geschichtsunterricht — Gesinnungsunterricht im Kaiserreich
- Kurzer Abriss des Erzählenden Geschichtsunterricht nach dem 1. Weltkrieg
- Kritik am erzählenden Geschichtsunterricht
- Wiederentdeckung des historischen Erzählens
- Entwicklung des Geschichtsbewusstseins durch historisches Erzählen
- Multiperspektivität
- Der Begriff der Multiperspektivität
- Kognitive Entwicklung und Perspektivübernahme
- Vom mono- zum multiperspektivischen Geschichtsunterricht
- Geschichtstheoretische Begründungen des perspektivischen und multiperspektivischen historischen Lernens
- Eine Möglichkeit der Durchffhrung von multiperspektivischen Unterricht
- Perspektivübernahme als Erziehungsaufgabe in einer globalisierten Welt
- Probleme des multiperspektivischen Unterrichts
- Das Rollenspiel zur Förderung und Entwicklung von Multiperspektivität und Fremdverstehen
- Handlungsorientierter Unterricht
- Was ist handlungsorientierter Unterricht?
- Argumente für einen handlungsorientierten Geschichtsunterricht
- Argumente gegen einen handlungsorientierten Geschichtsunterricht
- Das Rollenspiel als Möglichkeit zur Umsetzung von handlungsorientierten Geschichtsunterricht
- Das Rollenspiel als Möglichkeit zur Förderung der Multiperspektivität
- Durchfiihrung und Ablauf eines Rollenspiels
- Mögliche auftretende Probleme
- Historisches Lernen und Geschichtsbewusstsein
- Empirischer Teil
- Der Untersuchungsgegenstand
- Vorgehen und Leitfragen
- Didaktisch — Methodische Überlegungen
- Zur Bedeutung des Themas
- Der Prozess der didaktischen Reduktion
- Das Potenzial zur Entwicklung historischen Denkens und zur Förderung des Geschichtsbewusstseins
- Durchfiihrung des Rollenspiels
- F inden des Arbeitsthemas
- Die Vorbereitungsphase
- Die Erarbeitungsph ase
- Die Arbeit in den Gruppen
- Die Arbeit an den Requisiten
- Die Arbeit am Rollenspiel
- Die Vorbereitungen zum Mittelalterfest
- Die Durchfiihrungsphase
- Das Mittelalterfest
- Die Aufführung des Rollenspiels
- Die Auswertungsphase
- Die Analyse der Geschichten
- Die Kriterien
- Wie kann historisches Denken und Geschichtsbewusstsein erkannt werden?
- Wie kann Narrativität erkannt werden?
- Wie kann Multiperspektivität erkannt werden?
- Die selbstgeschrieben Geschichten der Kinder und deren Analysen
- Die erste Geschichte von Marie — „Stumpfe Lanzen und scharfe Ritter"
- Die zweite Geschichte von Marie
- Die Analyse beider Geschichten von Marie
- Die erste Geschichte von Robert — „Der fünfzigjährige Krieg"
- Die zweite Geschichte von Robert
- Die Analyse beider Geschichten von Robert
- Die erste Geschichte von Johanna — „Tristan — ein Ritter mit Herz und Verstand ! "
- Die zweite Geschichte von Johanna — „Verbotene Liebe"
- Die Analyse beider Geschichten von Johanna
- Die Kriterien
- Fazit und kritische Selbsteinschätzung
- Literaturverzeichnis
- Monographien
- Aufsätze
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Entwicklung des historischen Denkens und Geschichtsbewusstseins in einer sechsten Jahrgangsstufe. Die Autorin untersucht, inwieweit ein handlungsorientierter Geschichtsunterricht, speziell die Methode des Rollenspiels, die Fähigkeit zur Multiperspektivität und Narrativität fördert und somit zu einem tieferen Verständnis von Geschichte beiträgt.
- Die Entwicklung des historischen Denkens und Geschichtsbewusstseins bei Grundschulkindern
- Die Bedeutung des erzählenden Geschichtsunterrichts und seine Rolle in der Entwicklung des Geschichtsbewusstseins
- Die Förderung von Multiperspektivität und Fremdverstehen durch handlungsorientierte Methoden
- Der Einsatz des Rollenspiels als Instrument zur Vertiefung von historischem Wissen und Förderung von Geschichtsbewusstsein
- Die Herausforderungen und Chancen des handlungsorientierten Geschichtsunterrichts in der Grundschule
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Schilderung der persönlichen Motivation der Autorin, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sie beschreibt die Schwierigkeiten, die Schülerinnen und Schüler im Geschichtsunterricht mit dem Verständnis und der Einprägung von historischem Wissen haben. Die Autorin stellt die Leitfragen ihrer Arbeit vor und skizziert den Forschungsstand zum historischen Lernen und Geschichtsbewusstsein.
Im zweiten Kapitel werden die theoretischen Grundlagen des historischen Lernens und Geschichtsbewusstseins erörtert. Die Autorin beleuchtet die Entwicklung des Geschichtsunterrichts vom erzählenden Unterricht bis hin zum heutigen, eher auf Quellen basierenden Ansatz. Sie beschreibt die verschiedenen Typen des historischen Lernens und die Dimensionen des Geschichtsbewusstseins. Des Weiteren werden die konstruktivistischen Lerntheorien und die Bedeutung von Handlungsorientierung im Unterricht beleuchtet. Die Autorin beschäftigt sich mit der Fähigkeit zur Perspektivübernahme und dem Konzept der Multiperspektivität.
Im dritten Kapitel beschreibt die Autorin die Durchführung des handlungsorientierten Geschichtsunterrichts in einer sechsten Jahrgangsstufe. Sie schildert die Planung und Umsetzung des Rollenspiels zum Thema „Das Leben im Mittelalter zur Zeit Karl des Großen". Die Autorin beschreibt die verschiedenen Phasen der Arbeit, die Herausforderungen und die Ergebnisse des Projekts.
Das vierte Kapitel befasst sich mit der Analyse der Geschichten, die die Schülerinnen und Schüler vor und nach dem handlungsorientierten Unterricht verfasst haben. Die Autorin stellt die Kriterien für die Analyse vor und untersucht die Entwicklung des historischen Denkens, Geschichtsbewusstseins, Narrativität und Multiperspektivität bei den Kindern.
Im fünften Kapitel fasst die Autorin ihre Ergebnisse zusammen und zieht eine kritische Selbsteinschätzung. Sie bewertet die Ergebnisse ihrer Arbeit im Hinblick auf ihre Hypothesen und diskutiert die Bedeutung ihrer Forschung für die Praxis des Geschichtsunterrichts.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das historische Lernen, Geschichtsbewusstsein, Multiperspektivität, Narrativität, Rollenspiel, handlungsorientierter Unterricht, Geschichtsunterricht, Grundschule, sechste Jahrgangsstufe, Mittelalter, Karl der Große. Die Arbeit analysiert die Möglichkeiten und Grenzen der Entwicklung des historischen Denkens und Geschichtsbewusstseins in einer sechsten Jahrgangsstufe, dargestellt am Beispiel des Themas „Leben im Mittelalter".
- Quote paper
- Susanne Schüler (Author), 2009, Möglichkeiten und Grenzen der Entwicklung des historischen Denkens in einer sechsten Jahrgangsstufe, dargestellt am Beispiel „Leben im Mittelalter“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190237
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