Diese Diplomarbeit untersucht den Zusammenhang zwischen Entwicklungen an den Finanz- und Aktienmärkten im Kontrast zu jenen der Realwirtschaft. Es zeigt sich, dass in den 60er/70er Jahren sowie seit dem Beginn des neuen Jahrtausends ein recht enger Zusammenhang im Wachstum dieser beiden Bereiche besteht. Im Gegensatz dazu jedoch steht die Entkoppelung der Jahre 1984-98, wo sich zeigt, dass die Performance des Aktienmarktes die Wachstumsraten der Realwirtschaft mehrfach übersteigt. Dafür gibt es im Großen und Ganzen drei Gründe:
(1) Eine nachhaltige Blasenbildung seit Mitte der 80er Jahre
(2) Eine gesunkene Risikoprämie
(3) Eine Reduzierung der effektiven Steuerrate auf Dividenden und Kapitalgewinne
Unabhängig von diesen Ergebnissen wird den Finanzmärkten generell eine positive Wirkung auf die Ökonomien bescheinigt. In Zeiten wo Finanzkrisen die Weltmärkte erschüttern wird allerdings immer wieder ihr Instabilitäts- und Instabilisierungscharakter unterstrichen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Ökonomie und Finanzmärkte
2.1 Wachstumstheorien
2.2 Das Harrod-Domar-Modell
2.3 Das neoklassische Wachstumsmodell
2.3.1 Das Solow Modell
2.3.2 Das Güterangebot
2.3.3 Die Güternachfrage
2.3.4 Das Wachstumsgleichgewicht
2.3.5 „Golden Rule“ des Kapitalstock
2.3.6 Bevölkerungswachstum und technischer Fortschritt
2.3.7 Schlussfolgerung
2.4 Endogene Wachstumstheorie
2.4.1 Das AK-Modell
2.5 Zur Interdependenz von Finanz- und Realwirtschaft
2.5.1 Zum Einfluss der Finanzmärkte auf das Wirtschaftswachstum
2.5.2 Einbindung des Finanzsystems in das Theoriegebäude der endogenen Wachstumstheorie nach King & Levine
2.6 Kritik am Finanzsystem
2.6.1 Die Hypothese der Instabilität von Finanzmärkten
2.6.2 Fazit
2.6.3 Weitere Nachteile effizienter Finanzsysteme
2.6.4 Empirische Ergebnisse des Finance-Growth-Nexus
2.7 Der “Stock-Market-Growth-nexus”
2.8 Fazit
3 Empirischer Teil zur Entwicklung von Aktienmärkten und Realwirtschaft
3.1 Mein Vorgehen
3.2 Analyse auf Basis von GDP und “Share Price Index“
3.3 Analyse auf Basis von GDP und S&P 500 Total Return Index
3.4 Fazit
4 Bubbles im Gegensatz zur „Efficient Market Hypothesis“
4.1 Behavioral Finance
4.2 Noise Trader Modell
4.2.1 Fazit
5 Warum wachsen die Aktienmärkte stärker als die Realwirtschaft?
5.1 Sustainable Bubble
5.1.1 Kreditausweitung/Geldmengenausweitung und Financial Hoarding
5.1.2 Fazit
5.2 Gesunkene Risikoprämie
5.2.1 Kritische Würdigung
5.3 Veränderungen in der Besteuerung von Dividenden und Kapitalgewinnen
5.3.1 Kritische Würdigung
6 Schlussbemerkungen
7 Anhang
7.1 A1. Regressionen mit Share Price Index
7.2 A2. Regressionen mit S&P500 Total Return
7.3 A3. Flow of Funds
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Investitionen Abschreibungen und „steady-state“
Abbildung 2: Sparquote und „golden-rule“
Abbildung 3:"Steady-state“ mit technologischem Fortschritt
Abbildung 4: Hauptrichtungen der endogenen Wachstumstheorie
Abbildung 5: Vom Finanzmarkt zum Wachstum
Abbildung 6: Wachstumsgleichgewicht
Abbildung 7: Geldmenge und der Nachfragepreis nach Kapitalvermögen
Abbildung 8: Die Bestimmung des gesamtwirtschaftlichen Investitionsaufkommens
Abbildung 9: Investitionsaufkommen bei veränderter Erwartungshaltung
Abbildung 10: Der wirtschaftliche Aufschwung im Totalmodell
Abbildung 11: Der wirtschaftliche Abschwung im Totalmodell
Abbildung 12: Schulden-Einkommens-Deflation
Abbildung 13: Einteilung Finanzmarkt
Abbildung 14: Relative Veränderungen der Realwirtschaft (GDP) und dem Aktienmarkt im Zeitraum von 1984-1998
Abbildung 15: Relative Veränderung der Realwirtschaft (GDP) und des Aktienmarktes im Zeitraum von 1960-1983
Abbildung 17: Relative Veränderung der Relawirtschaft( GDP) und des Aktienmarktes im Zeitraum von 1998-2008
Abbildung 17: Absolute Entwicklung von realem GDP und realer S&P 500 TR Performance
Abbildung 18: Verhältnis Marktwert von "corporate equity" zu GDP
Abbildung 19: Die traditionelle Nutzenfunktion im Vergleich zur Wertefunktion nach Kahnemann/Tversky
Abbildung 20: Assetpreissimulation
Abbildung 21: Bubble-Anteil an der Assetpreissimulation von Abb.20
Abbildung 22: Gesamtkreditaufnahme im Verhältnis zum GDP (vgl. ebd.S.83)
Abbildung 23: Verhältnis Kreditaufnahme Finanzsektor / Kreditaufnahme Nicht-Finanzsektor
Abbildung 24: Kreditaufnahme und Nettoinvestment von NNCB
Abbildung 25: Relation von "Financial Assets" zu Realwerten von NNCB und
“private nonfinancial sectors “
Abbildung 26: Aktienkurs in Abhängigkeit der Risikoprämie
Abbildung 27: Kursverlauf in Abhängigkeit der Risikoprämie
Abbildung 28: Relative Veränderung in Abhängigkeit der Risikoprämie
Abbildung 29: Veränderung der Aktionärsstruktur
Abbildung 30: Aktienbesitz von Haushalten
Abbildung 31: Absolute Entwicklung von Aktien mit festem (1972) und aktuellem Zinssatz
Abbildung 32: Relative Entwicklung von Aktien mit festem (1972) und aktuellem Steuersatz
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Regressionen von vierteljährlichen und jährlichen GDP-Wachstumsraten auf
gleichzeitige und vergangene Performance des Aktienmarktes von 1960-1995..43
Tabelle 2: Regressionen von vierteljährlichen und jährlichen GDP-Wachstumsraten auf
gleichzeitige und vergangene Performance des Aktienindizes von 1984-1998…
Tabelle 3: Regressionen von vierteljährlichen und jährlichen Wachstumsraten des GDP auf gleichzeitige und vergangene Performance des Aktienmarktes von 1960-1983
Tabelle 4: Regressionen von vierteljährlichen und jährlichen Wachstumsraten des GDP auf gleichzeitige und vergangene Performance des Aktienindizes von 1999-2008.
Tabelle 5: Regressionen von vierteljährlichen und jährlichen GDP-Wachstumsraten auf gleichzeitigeund vergangene Performance des S&P 500 TR
Tabelle 6: Durchschnittliches reales Wachstum (Jahr) von GDP und S&P 500 TR
Tabelle 7: Kursentwicklung bei abnehmender Risikoprämie
Tabelle 8: Durchschnittliche Steuerraten der USA
Tabelle 9: Prognostizierte und tatsächliche Unternehmenswerte der USA
Tabelle 10: Kursentwicklung einer Aktie mit und ohne Änderung der Dividendenbesteuerung (Aktienbewertung nach Gordon)
1 Einleitung
In dieser Diplomarbeit sollen zwei Forschungsfragen beantwortet werden:
1. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Finanz- bzw. Aktienmärkten und der Realwirtschaft?
2. (Wenn ja,) Warum wächst der Aktienmarkt stärker als die Realwirtschaft?
Zur Analyse der ersten Frage werden in Kapitel zwei zunächst die Grundlagen der Wachstumstheorien dargestellt. Es zeigt sich, dass nur die endogenen Modelle in der Lage sind, die Wirkungen von Finanz- Aktienmärkten auf die Realwirtschaft zu beschreiben. Daraufhin wird der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand des “Finance-Growth-Nexus“ beschrieben. Dabei werden dem Wirken der Finanz- Aktienmärkte auf die Volkwirtschaften grundsätzlich positive Funktionen zugesprochen. Gerade in Zeiten von Finanzkrisen erfahren aber auch immer wieder die Skeptiker wie z. B. Minsky (1986) mit seinem Werk: „The Financial Instability Hypothesis“ enormen Zulauf.
In Kapitel drei analysiere ich anhand einer empirischen Studie den Zusammenhang zwischen Aktienmarktperformance und dem Wachstum der Realwirtschaft der USA. Unter der Hypothese, dass Informationen über realwirtschaftliche Sachverhalte bereits vorher bekannt werden und dadurch bereits in vergangene Aktienkurse einfließen, wird die Entwicklung des GDP auf Aktienerträge mehrerer Vorperioden regressiert. Diese Analysen ergeben je nach Zeitraum unterschiedliche Ergebnisse. Interessanterweise liefert der von jeweils zwei großen Boom und Crashphasen charakterisierte Zeitraum - 1999-2008 - überraschende Resultate. Im Hinblick auf Kapitel fünf werden zusätzlich die realen Wachstumsraten der Realwirtschaft in Form des GDP mit den realen Wachstumsraten des Aktienmarktes (S&P500 total return) verglichen um eine Aussage über deren Zu- bzw. Abnahmen und die durchschnittlichen Wachstumsraten machen zu können.
Kapitel vier beschreibt warum Anomalien nach der “Efficient Market Hypothesis“ nicht existieren und wie die “Behavioral-Finance-Forschung“ den Annahmen der klassischen Finanzmarkttheorie wiederspricht. Ein von DeLong (1990) entwickeltes und durch Binswanger (1999) erweitertes “Noise-Trader-Modell“ zeigt, wie sich Kursanomalien an Märkten mit informierten und uninformierten Akteuren bilden können.
Kapitel fünf analysiert die zweite Forschungsfrage und stellt dabei die drei Hypothesen:
(1) “Sustainable Bubble“
(2) Gesunkene Risikoprämie
(3) Gesunkener effektiver Steuersatz
auf. Es wird gezeigt inwiefern diese Punkte mitverantwortlich sind für die hohe Aktienperformance in den 80er und 90er Jahren. Kapitel sechs schließt diese Arbeit mit einer kurzen Zusammenfassung und einem Fazit über diese spannende Thematik ab
2 Ökonomie und Finanzmärkte
2.1 Wachstumstheorien
Die ersten Theorien des wirtschaftlichen Wachstums stammen aus dem Ende des 17. Jahrhunderts. Zahlreiche wirtschafstheoretische Schulen u.a. die Merkantilisten, die Physiokraten, die Klassiker und die Sozialisten entwickelten Modelle, um die wachstumsspezifischen Faktoren von Volkswirtschaften aufzuzeigen. Nach dem 2. Weltkrieg etablierte sich das Harrod-Domar-Modell, welches auf der Beschäftigungs- und Einkommenstheorie von Keynes aufbaut. Dieses postkeynesianische Modell dominierte die wachstumstheoretische Literatur der 50er und 60er Jahre und gilt bis heute als erste Wachstumstheorie im engeren Sinne (vgl. Frenkel&Hemmer 1999, S.9). Aufgrund offener Fragen hinsichtlich der Determinanten des langfristigen Wirtschaftswachstums setzte sich in der Folgezeit immer mehr die Einsicht durch, dass sich wirtschaftliches Wachstum aus dem Produktionspotential und nicht, wie von den Postkeynesianern proklamiert, aus der Nachfrageentwicklung erklären lässt. Dieses neoklassische Modell beherrschte bis in die Mitte der 80er Jahre das ökonomische Denken. Wiederum aufgrund von Erklärungsdefiziten wurden im Folgenden zahlreiche endogene Wachstumsmodelle entwickelt welche die komplexe Materie zu erklären versuchen.
Diese Kapitel wird die Theorie der drei vorherrschenden Wachstumstheorien des 20. und 21. Jhdt. aufzeigen und kritisch analysieren. Desweiteren wird untersucht, inwieweit ein effizienter Finanzmarkt die Entwicklung bzw. das Wachstum der Realwirtschaft beeinflussen kann.
2.2 Das Harrod-Domar-Modell
Das Harrod-Domar Modell (Harrod 1939, Domar 1946) baut auf der keynesianischen Einkommens- und Beschäftigungstheorie auf. Keynes unterstellte in seinen Untersuchungen einen konstanten Kapitalstock, woraus auch eine konstante Produktionskapazität resultiert. Das postkeynesianische Modell erweiterte die Überlegungen von Keynes um den sgn. Kapazitätseffekt. Um die Produktionskapazitäten auszulasten, müssen zwangsläufig Nettoinvestitionen getätigt werden. Hieraus resultiert ein Einkommenseffekt, welcher die notwendige gesamtwirtschaftliche Nachfrage schafft. Da diese Nettoinvestitionen einen erhöhten Kapitalstock bedingen, wächst auch die Produktionskapazität. Das statische, periodische Beschäftigungsgleichgewicht I=S, genügt nun nicht mehr um ein - im Zeitverlauf zwingend notwendiges - dynamisches Gleichgewicht zu lukrieren. Neben dem Gleichgewicht von absoluten Größen in der Ausgangsperiode müssen in einer dynamischen Betrachtung auch die relativen Veränderungen (Wachstumsraten) identisch sein. Desweiteren resultiert aus diesen Überlegungen ein nicht mehr zu erreichendes Wachstumsgleichgewicht durch konstante Nettoinvestitionen. Eine Zusatzinvestition welche zum Periodengleichgewicht führt, erhöht, ceteris paribus, die Produktionskapazität. In Zukunft müssen also immer größere Nettoinvestitionen als in der Periode zuvor getätigt werden, um ein dynamisches, gleichgewichtiges Wachstum zu ermöglichen (Multiplikator). Die Zunahme richtet sich dabei nach dem Anstieg von Kapitalstock und Produktionskapazität. Die natürliche Wachstumsrate stellt dabei einen Versuch dar, das langfristige Wachstum zu erklären. Da dieses in diesem Modell aber exogen gegeben ist, kann man den Erklärungsgehalt vernachlässigen (vgl. Frenkel&Hemmer, 1999; S.9-24).
Da in diesem Modell die Wirkungen eines Finanzsystems in keinster Weise beschrieben werden können, werden im Folgenden die „moderneren“ Wachstumstheorien etwas ausführlicher dargestellt. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird in Kapitel 2.6.1 mit der „Instabilitätshypothese“ von Minsky ein Modell vorgestellt, welches den keynesianistischen “Denkmustern“ zugerechnet werden kann.
2.3 Das neoklassische Wachstumsmodell
Die Neoklassiker kritisieren die postkeynesianische Wachstumstheorie als unzureichend. Die Determinanten des Wachstums würden mit dem Harrod-Domar Modell nicht erklärt. Hierauf versucht das neoklassische Modell eine Antwort zu finden. Die wichtigsten Vertreter dieser Denkrichtung waren Solow (1956), Swan (1956), Meade (1961) und Phelbs (1961). Robert Solow wurde 1984 für seine Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Wachstumstheorie der Nobelpreis verliehen. Die Entwicklung des Produktionspotentials steht im Mittelpunkt dieser Theorie; dies stellt auch den Hauptunterschied zu den Postkeynesianern dar, welche die Nachfrageentwicklung als treibende Kraft für gesamtwirtschaftliches Wachstum ansehen. Das Modell von Solow gilt bis heute als der Inbegriff der Wachstumsmodelle der Neoklassik und wird im Folgenden dargestellt.
2.3.1 Das Solow Modell
Das Modell von Solow erklärt die langfristigen Zusammenhänge von Ersparnis, Bevölkerungswachstum und technologischem Fortschritt in Bezug auf das Wachstum der Produktion. Den Zentralen Baustein dieses Modells bilden hierbei das Güterangebot und die Güternachfrage. Um das Verständnis für den Fortgang dieses Kapitels zu erhöhen werde ich dieses neoklassische Leitbild ausführlich beschreiben.1
2.3.2 Das Güterangebot
Das Güterangebot wird durch eine Produktionsfunktion mit konstanten Skalenerträgen ausgedrückt.
Y = F(K,L) (2.1)
Dabei beschreibt Y die Produktion, K das Kapital und L die Arbeit. Die Höhe der Produktion ergibt sich durch den Einsatz von Kapital und Arbeit. Konstante Skalenerträge führen zu:
zY = F(zK, zL) (2.2)
Setzt man z = 1/L, so erhält man:
Y/L = F(K/L, 1) (2.3)
Die Produktion pro Kopf ist eine Funktion des Kapitals pro Kopf. Aufgrund konstanter Skalenerträge bleibt das Verhältnis von Output je Erwerbsperson und Kapital je Erwerbsperson auch bei unterschiedlichen Beschäftigungsniveaus gleich groß. Aufgrund der Gleichung (2.3) gilt für die Produktion pro Kopf:
y=Y/L (2.4)
und für das Kapital pro Kopf:
k=K/L (2.5)
Da sich die Steigung der Produktionsfunktion (s. Abb. 1) mit steigender Kapitalintensität verringert, liegt ein abnehmendes Grenzprodukt des Kapitals vor. Das Grenzprodukt des Kapitals ergibt sich durch
MPK = f(k + 1)- f(k) (2.6)
Bei einem niedrigen Kapitalstock führt eine zusätzliche Einheit Kapital also zu einem größeren zusätzlichen Nutzen, als wenn der Kapitalstock bereits groß ist.
2.3.3 Die Güternachfrage
Die Güternachfrage ergibt sich durch Konsum und Investition. Die Gleichung:
y = c + i (2.7)
beschreibt den Pro-Kopf-Output (y) als Ergebnis von Pro-Kopf-Konsum (c) und Pro-Kopf- Investition (i). Die Annahme, dass ein Teil des Einkommens gespart (s) und der andere Teil konsumiert wiird (1-s), führt zur folgender Konsumfunktion:
c = (1 – s)y (2.8)
Das Einsetzen der Konsumfunktion für c in Gleichung 2.1 ergibt:
y = (1-s)y + i (2.9)
Nach Umformen:
i = sy (2.10)
Im Solow-Modell sind Ersparnis und Investition gleich groß. Der eingesparte Anteil am Output fließt in die Investitionen.
2.3.4 Das Wachstumsgleichgewicht
Der Kapitalstock wird einerseits durch Investitionen der Unternehmen erhöht und andererseits durch Abschreibungen gemindert.2 Investitionen sind z.B. Maschinen oder Gebäude. Abschreibungen ergeben sich durch den Verschleiß der Kapitalgüter. Durch Einsetzen der Produktionsfunktion für y in Gleichung (2.8) erhalten wir die Pro-Kopf-Investition als Funktion der Kapitalintensität:
i = sf(k) (2.11)
Die folgende Abbildung zeigt die Aufteilung der Produktion auf Konsum und Investitionen:
Das Solow-Modell nimmt an, dass jedes Jahr ein konstanter Teil des Kapitalstocks verschleißt. Für ein Kapitalgut, welches im Durchschnitt 10 Jahre hält, beträgt die Abschreibungsrate also 10% im Jahr (δ=0,10). Daher wirkt die Abschreibungsrate proportional auf den existierenden Kapitalstock. Die Änderung des Kapitalstocks kann durch folgende Gleichungen ausgedrückt werden:
Δk = i – δk (2.12)
Δk = sf(k) – δk (2.13)
Δk bezeichnet dabei die Änderung des Kapitalstocks. Aus Gleichung 2.11 resultiert Gleichung 2.13.
Abbildung 1 zeigt Investitionen und Abschreibungen in Abhängigkeit vom Kapitalstocks k. Ein steigender Kapitalstock impliziert eine Erhöhung von Investitionen und Abschreibungen. Im Wachstumsgleichgewicht sind Investitionen und Abschreibungen gleich groß (Δk = 0). Liegt die Kapitalintensität unter ihrem “steady-state“-Niveau, sind die Investitionen größer als die Abschreibungen; der Kapitalstock wird zunehmen et vice versa.
Abbildung 1: Investitionen Abschreibungen und „ steady-state“(vgl. Mankiw 2003, S.217)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3.5 „Golden Rule“ des Kapitalstock
Die „Golden Rule“ erklärt die gesamtwirtschaftlich optimale Sparquote. Es gilt hierbei, das optimale Verhältnis aus Konsum und Sparen abzuleiten. Eine hohe Sparquote erhöht das Einkommensniveau (Kapitalstock) der Haushalte. Gleichzeitig reduziert dies aber den Konsum. In diesem Modell wird die Wohlfahrtsmaximierung durch jenes steady-state-Niveau erreicht, indem der Konsum maximiert wird. Umformen von Gleichung (2.7) zu: c = y – i und Einsetzen der stationären Werte für Produktion und Investitionen beschreibt den stationären Pro-Kopf-Konsum:
c*= f(k*) –δk* (2.14)
mit dem stationären Output pro Beschäftigtem f(k*) und der stationären Kapitalintensität δk*.
Es muss dabei beachtet werden, dass dieses Niveau durch die Ökonomie nicht automatisch erreicht wird. Abbildung 2 stellt das steady-state-Niveau der golden-rule dar3.
Abbildung 2: Sparquote und „ golden-rule“(vgl. ebd. S.227)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im „Golden –Rule“ Niveau (k**) sind die Steigungen der Produktionsfunktion f(k*) und der δk- Gerade gleich groß. Da die Steigung der Produktionsfunktion f(k) dem Grenzprodukt des Kapitals (MPK) entspricht, lautet die formale Bezeichnung:
MPK – δ = 0 (2.15)
Eine Veränderung der Sparquote würde die sf (k*) - Kurve verschieben und das Konsumniveau reduzieren. Es existiert also nur eine Sparquote, um k** zu erreichen. In diesem Zustand wird die Wohlfahrt maximiert.
2.3.6 Bevölkerungswachstum und technischer Fortschritt
Werden Bevölkerungswachstum und technischer Fortschritt außer Acht gelassen, oder gleichen sich diese beiden Determinanten aus, wird sich der Gleichgewichtszustand nicht ändern. Um eine langfristige Wachstumsentwicklung erklären zu können, müssen also Änderungen in der Bevölkerungsanzahl oder technische Innovationen, welche die Effizienz der Produktion erhöhen, in das Modell mit einbezogen werden. Die ursprünglich verwendete Produktionsfunktion (2.1) wird nach Solow folgendermaßen erweitert:
Y = F(K,L x E) (2.16)
Die Variable E bezeichnet die Arbeitseffizienz. Durch technischen Fortschritt wird diese erhöht. Das Produkt aus L x E beschreibt das Ergebnis, welches sich aus der geleisteten Arbeit und deren Effizienz ergibt. Wird Gleichung (2.11) um die Determinanten n (Erhöhung des Arbeitsvolumens) und g (Erhöhung der Arbeitseffizienz) erweitert, erhält man die Änderung des Kapitalstocks durch:
Δk = sf(k) – (δ+n+g)k (2.17)
Abbildung 3: "Steady-state mit technologischem Fortschritt (vgl. ebd. 246)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
K* definiert bei der Einbeziehung von Bevölkerungswachstum (n) und technologischem Fortschritt (g) den Kapitalstock pro Effizienzeinheit. Im “steady-state “ verändert sich dieser nicht. Allerdings erhöht sich die Arbeitseffizienz pro Erwerbstätigem mit der Rate g. Dadurch steigen auch der Pro-Kopf-Output (Y/L = y*E) um g und der Gesamtoutput (Y = y*(L*E) mit n+g.
Die Erweiterung des neoklassischen Modells mit diesen beiden exogene bestimmten Faktoren verändert die Bedingung der “Golden-Rule“. Gleichung 2.14 wird um n+g erweitert.
c*= f(k*) –(δ + n + g)k* (2.18)
Daraus folgt für die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals: MPK – δ = n + g. Das Netto- Grenzprodukt des Kapitals (MPK-δ) entspricht nun dem Wachstum der Produktion (n+g).
2.4 Schlussfolgerung
Ein dauerhaftes Wachstum wird im Modell von Solow durch den technischen Fortschritt erreicht. Der Faktor der Kapitalakkumulation kann durch die Annahme abnehmender Grenzerträge ab einem bestimmten Niveau (“steady-state“) den langfristigen Wachstumspfad nicht mehr beeinflussen. Es gilt also, optimale Bedienungen zu schaffen, um den technischen Fortschritt zu forcieren. Probleme bereitet allerdings, dass diese essentielle Variabel exogen gegeben ist und nicht erklärt werden kann. Dies, und die Tatsache der Annahme vollständiger und perfekter Märkte machen es unmöglich, die (Aus-) Wirkungen des Finanzsystems in dieses Theoriekonstrukt zu involvieren (vgl. Lucas 1988). Ein Auflockern der sehr restriktiven Annahmen und eine Endogenisierung des Innovationsparameters g könnten die Funktionen des Finanzsystems in den langfristigen Wachstumspfad integrieren . Da das Finanzsystem, wie ich später beschreiben werde, den Prozess der Kapitalakkumulation und des technische Fortschritts beeinflusst, resultieren auch gesamtwirtschaftliche Wachstumseffekte . Wie dies funktionieren kann, werde ich nun bei der Vorstellung der endogenen Wachstumstheorie, analysieren .
2.5 Endogene Wachstumstheorie
Um die Erklärungsdefizite der neoklassischen Wachstumstheorie zu beheben, entwickelte sich in den 80er Jahren eine „erweiterte Denkrichtung“, welche es sich zur Aufgabe machte, die externen Faktoren, die das langfristigen Wachstums bestimmen, aus einem Modell heraus zu erklären. Den Anstoß gaben hierbei die Arbeiten von Romer (1986), Lucas (1988) und Rebelo (1991). Ältere Ansätze aus keynesianistischen, vor allem aber aus den neoklassischen Theorien werden aufgegriffen, ausgebaut und umgestaltet. Im Gegensatz zur Neoklassik wird die Annahme einer vollständigen Konkurrenz abgeschwächt, und technologische Externalitäten4 finden Beachtung. Das Grenzprodukt des Kapitals wird nicht mehr als abnehmend angenommen. Dadurch können langfristige Wachstumsraten auch ohne exogene Determinanten erklärbar gemacht werden. Mittlerweile sind zahlreiche, auch recht unterschiedliche Publikationen zu dieser Thematik veröffentlicht worden. Frenkel (1999) unterscheidet hierbei folgende Gruppierungen:
Abbildung 4: Hauptrichtungen der endogenen Wachstumstheorie (vgl. Frenkel/Hemmer, 1999. S.177)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Modelle mit konstantem Technologieparameter beschreiben ein langfristiges Wachstum ohne technischen Fortschritt. Die Forschungsarbeiten mit variablem Technologieparameter beziehen den technischen Fortschritt mit ein und erklären ihn aus dem Modell heraus. Eine Beschreibung aller Modelle der endogenen Gruppe würde den Umfang diese Arbeit sprengen. Deshalb konzentriere ich mich im Folgenden auf das AK-Modell unter späterer Einbindung des Finanzmarktes. Zuletzt wird ein endogenes Modell von King und Levine (1993) dargestellt.
2.5.1 Das AK-Modell
Rebelo (1991) entwickelte die Basis für eines der ersten Modelle der endogenen „Denkrichtung“. Das AK-Modell beschreibt Wachstum, ohne den technischen Fortschritt zu berücksichtigen, involviert dafür den Faktor Humankapital. Ein steigender Kapitalstock führt hierbei nicht wie in der neoklassischen Theorie zu abnehmenden Grenzerträgen. Der Faktor Arbeit wird nicht mehr als expliziter Produktionsfaktor verwendet, sondern fließt in das Kapital (K) in Form von Humankapital mit ein. Ungelernter Arbeit wird hingegen keine Beachtung mehr geschenkt (vgl. Barro/Sala-i-Martin, 1998, S. 45). Die Variable A beschreibt den Technologieparameter. Die verwendete Produktionsfunktion 5 6 lautet:
Y = AxK (2.4.1)
Der Output (Y) wird ausschließlich über den Kapitaleinsatz (K) erklärt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Durchschnittsprodukt (DPK) des Kapitals stimmt mit dem Grenzertrag des Kapitals (GPK) überein. Sowohl DPK als auch GPK sind konstant. Daraus resultiert auch eine konstante Entlohnung des Faktors Arbeit (r):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aufgrund der Gleichung (2.4.1) lautet das Pro-Kopf-Einkommen (y):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Pro-Kopf-Kapitalausstattung (k) bestimmt bei gegebenem Technologieparameter (A) die Höhe des Pro-Kopf-Einkommens.7 Analog zur Neoklassik gilt für das Wachstum der Pro- Kopf Kapitalausstattung (gk):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Allerdings gilt der Kapitalkoeffizient (v) nun als konstant: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten], kann Gleichung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(2.4.5) auch zu:
umgeschrieben werden.
Da die Produktionsfunktion (2.4.1) linear verläuft, ist das Durchschnittsprodukt des Kapitals durch A gegeben:
gk = s x A – (n + δ) (2.4.7)
Wegen dieser Linearität sind auch die Wachstumsraten der Pro-Kopf-Kapitalausstattung (gk) und des Pro-Kopf Outputs (gy) gleich groß. Dies führt für die Wachstumsrate des Outputs zu:
gy = s x A – (n + δ) (2.4.8)
In diesem Modell entsteht Wachstum, wenn das Produkt aus der Sparquote (s) und des Technologieparameters (A) größer ist, als die Summe aus Bevölkerungswachstum (n) und Abschreibungen (δ):
s x A > (n +δ) (2.4.9)
Durch Multiplikation beider Seiten mit[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] erhält man:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Gegensatz zum neoklassischen Modell, wird im AK-Modell kein exogener technischer Fortschritt benötigt um langfristiges Wachstum zu erklären. Dies resultiert aus der Annahme einer konstanten Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals. Änderungen in der Sparquote (s), der Bevölkerungsentwicklung (n), der Abschreibungen (δ) oder des Technologieparameters (A)9 führen zu langfristigen Veränderungen des Wachstums. Positives Wachstum wird dabei durch einen Anstieg von s und A, negatives Wachstum durch einen Anstieg von n und δ bewirkt (vgl. Gleichung 2.4.9). Hahn (2002) erweiterte dieses Modell geringfügig, indem er den Faktor des Sparens (s) in Abhängigkeit der Effizienz der Finanzmärkte setzt. Unter der Annahme, dass ein Teil der Sparquote durch Kosten der Finanzintermediation oder Finanzmarktineffizienzen (ψ) verloren geht, kann Gleichung 2.4.9 nun folgendermaßen erweitert werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Für die formelle Herleitung (vgl. Mankiw 2003. S.211-247)
2 Das Wachstumsgleichgewicht wird in der gängigen Literatur auch als “steady-state“ oder stationäres Niveau bezeichnet
3 Zum Erreichen des golden-rule-Niveaus (Mankiw 2003, S228-232)
4 Investitionen können Synergieeffekte hervorrufen, von denen das ganze wirtschaftliche System profitiert; ein dauerhaftes Wachstum wird möglich.
5 Die formale Darstellung der des AK-Modells beruht auf Frenkel/Hemmer (1999) S.173-305
6 Die formale Darstellung der des AK-Modells beruht auf Frenkel/Hemmer (1999) S.173-305
7 Es muss dabei beachtet werden, dass die in der neoklassischen Wachstumstheorie verwendeten Begriffe Arbeitsproduktivität und Kapitalintensität nicht mehr in gleicher Weise interpretiert werden können, da nur noch ein einziger Produktionsfaktor (K) verwendet wird, welcher aber auch das Humankapital erfasst.
9 Der Technologieparameter (A) kann durch die Verbreitung neuer Produktionsverfahren (z.B. Fließband) oder Institutionelle Verbesserungen (z.B. sinnvolle Infrastrukturmaßnahmen, effiziente Kapitalmärkte, Abbau von Handelsbarrieren) erhöht werden.
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