Zum Verständnis der Konzepte von George Herbert Mead, ist die
Erörterung von mehreren soziologischen Lehren erforderlich.
Die Chicagoer Schule vertrat eine Empirie, die sich im
Besonderen quantitativ orientierte. Ihre strukturelle-funktionale
Theorie ist die Zusammenfassung des Wertvollsten der
europäischen Klassiker der Soziologie und bildet somit das
Fundament einer „professionell abgesicherten und kumulativen
Erkenntnisgewinnung“.1 Die neu gewonnene Identität des Faches
verdrängte jedoch die Tradition des deutschen Idealismus und
Marxismus, die nicht in das Bild eingefügt werden konnten.
Darüber hinaus wurden auch die Leistungen der pragmatischen
Sozialphilosophie nur unzureichend gewürdigt. Konzeptionen der
Ich-Identität und der Rollenübernahme, das „Thomas-Theorem“
und die Grundidee der biographischen Methode gehören jedoch
zum Standartwissen in der Soziologie. Von allgemeinem
Interesse in den sechziger Jahren war Blumers Fassung des
„interpretativen Ansatzes“. Auch heute noch spielt das Erbe der
Chicagoer Schule eine wichtige Rolle in aktuellen
Theoriediskussionen. Der symbolische Interaktionismus war
jedoch nicht ausgereift genug, um gleichwertig neben der
kritischen Theorie, oder dem Marxismus zu stehen. Daher setzte
sich diese Tradition jahrzehntelang eher durch exemplarische
Forschung und mündliche Übermittlung, als durch theoretische
Systematik und Selbstbegründung durch. Der symbolische Interaktionismus, der seinen Namen von
Herbert Blumer bekam, kennzeichnet sich durch Prozesse der
Interaktion. Der Begriff Interaktion meint hier den
Symbolvermittelnden Charakter sozialen Handelns. Somit
bedeuten soziale Beziehungen nicht die Umsetzung fester
Vorschriften in die Tat, sondern gemeinsame und wechselseitige
Beziehungsdefinitionen. Damit sind soziale Beziehungen nicht
stabil und zum Teil vorhersehbar, sondern offen und an
gemeinsame Anerkennung gebunden.
Der symbolische Interaktionismus gründet auf den
Pragmatismus, eine Philosophie der Handlung. Die
Leitvorstellungen im Denken von Descartes des einsam
zweifelnden Ich werden von der Idee einer kooperativen
Wahrheitssuche zur Bewältigung realer Handlungsprobleme
abgelöst. John Dewey und George Herbert Mead waren
diejenigen, über die die entscheidende Wirkung des
Pragmatismus in die Soziologie übertrat. [...]
1 Hans Joas 1988: symbolischer Interaktionismus. Von der Philosophie des Pragmatismus
zu einer soziologischen Forschungstratition, S.40
Inhaltsverzeichnis:
I Einleitung
II Biographisches zu Georg Herbert Mead
III Theoretische Grundlagen
IV Mead und der Behaviorismus
IV.1 Grundannahmen
IV.2 Interaktion
V Grundbegriffe
V.1 Interaktionsformen
V.2 Role taking / Role making
V.3 Identität
VI Meads Theorie des Interaktionismus
VI.1 „Selbst/Identität“
VI.2 Das „Ich“
VI.3 Das „Mich“
VII Qualitäten der Interaktionistische Theorie nach Habermas
VII.1 Das Meadsche Sozialisationsmodell
VII.2 Die Gesellschaft
VII.3 „Die Soziale Kontrolle“
VII.3.1 Beispiel: Meads Idealgesellschaft
VII.4 Die gesellschaftlichen Konflikte
VIII Fazit
IX Literaturverzeichnis
X Abbildungsverzeichnis
I Einleitung
Zum Verständnis der Konzepte von George Herbert Mead, ist die Erörterung von mehreren soziologischen Lehren erforderlich. Die Chicagoer Schule vertrat eine Empirie, die sich im Besonderen quantitativ orientierte. Ihre strukturelle-funktionale Theorie ist die Zusammenfassung des Wertvollsten der europäischen Klassiker der Soziologie und bildet somit das Fundament einer „professionell abgesicherten und kumulativen Erkenntnisgewinnung“.1 Die neu gewonnene Identität des Faches verdrängte jedoch die Tradition des deutschen Idealismus und Marxismus, die nicht in das Bild eingefügt werden konnten. Darüber hinaus wurden auch die Leistungen der pragmatischen Sozialphilosophie nur unzureichend gewürdigt. Konzeptionen der Ich-Identität und der Rollenübernahme, das „Thomas-Theorem“ und die Grundidee der biographischen Methode gehören jedoch zum Standartwissen in der Soziologie. Von allgemeinem Interesse in den sechziger Jahren war Blumers Fassung des „interpretativen Ansatzes“. Auch heute noch spielt das Erbe der Chicagoer Schule eine wichtige Rolle in aktuellen Theoriediskussionen. Der symbolische Interaktionismus war jedoch nicht ausgereift genug, um gleichwertig neben der kritischen Theorie, oder dem Marxismus zu stehen. Daher setzte sich diese Tradition jahrzehntelang eher durch exemplarische Forschung und mündliche Übermittlung, als durch theoretische Systematik und Selbstbegründung durch.
Der symbolische Interaktionismus, der seinen Namen von Herbert Blumer bekam, kennzeichnet sich durch Prozesse der Interaktion. Der Begriff Interaktion meint hier den Symbolvermittelnden Charakter sozialen Handelns. Somit bedeuten soziale Beziehungen nicht die Umsetzung fester Vorschriften in die Tat, sondern gemeinsame und wechselseitige Beziehungsdefinitionen. Damit sind soziale Beziehungen nicht stabil und zum Teil vorhersehbar, sondern offen und an gemeinsame Anerkennung gebunden.
Der symbolische Interaktionismus gründet auf den Pragmatismus, eine Philosophie der Handlung. Die Leitvorstellungen im Denken von Descartes des einsam zweifelnden Ich werden von der Idee einer kooperativen Wahrheitssuche zur Bewältigung realer Handlungsprobleme abgelöst. John Dewey und George Herbert Mead waren diejenigen, über die die entscheidende Wirkung des Pragmatismus in die Soziologie übertrat. Diesen Übergang erkannte man zunächst an einer funktionalistischen Psychologie. John Deweys Aufsatz ,,The Reflex Arc Concept in Psychology“ zeigt diese neue Gestalt der Soziologie am deutlichsten. Er kritisierte dort die Psychologie, die behauptete, dass unsere Handlungen summativ aus äußeren Reizen und innerer Reizverarbeitung zusammengesetzt sind. Er entwickelt ein Reflexbogenmodell. Demnach konstituieren Handlungen erst, welche Reize in ihrem Zusammenhang relevant sind.
Handeln wurde aber als Realisation Vorgefasster Zwecke gesehen. Das kindliche Spiel jedoch sollte zeigen, dass es keine Vorgefasste Zwecksetzung gibt, sondern nur eine Reflexion auf Widerstände gegenüber vielfältig orientierten Verhalten. Deweys und Meads Studien zum kindlichen Spiel dienten als Modell des Handelns unter geringem Druck zur Eindeutigkeit der Zwecke. Auftretende Handlungsprobleme werden mit ,,schöpferischer Intelligenz“ überwunden, indem neue Handlungsalternativen entworfen werden.
Mead untersuchte das Konzept der Selbstreflexivität. Jemand der in einer sozialen Situation handelt ist eine Reizquelle für den Partner. Er muss sich seiner eigenen Handlungsweisen vergewissern, da sein Partner auf ihn reagiert. Aus dieser Selbstreflexivität und der Theorie menschlicher Kommunikation und Sozialität entwickelt Mead die Theorie der Symbolvermittelnden Interaktion. Handlung wird in gestische Zeichen umgewandelt. Dadurch kann man auf eigene Handlungen reagieren und die Reaktionen anderer Repräsentieren. Diese Konzeption lässt Handlung als Selbstkontrolliertes Verhalten deuten. Der Rationalitätsbegriff des Pragmatismus lässt sich so mit dem Begriff der Selbstkontrolle fassen.
Der Begriff „Symbolischer Interaktionismus“ bezeichnet einen Ansatz in der sozialwissenschaftlichen Forschung, der das Handeln der Individuen zum Mittelpunkt macht.2
Dieser Satz kann als Zusammenfassung der gesamten Theorie des symbolischen Interaktionismus, als ein mikrosoziologischer Ansatz gesehen werden.
Der symbolische Interaktionismus ist in der Soziologie nicht unumstritten, hat jedoch für die Methodologische Entwicklung aller Sozialwissenschaftlicher Disziplinen, vielleicht sogar aller naturwissenschaftlicher Disziplinen eine ganz fundamentale Bedeutung. Es ist der Versuch aus dem vorherrschenden Paradigma auszubrechen und durch die neue Definition der Wirklichkeit eine neue Vorgehensweise zu entwickeln.
II Biographisches zu Georg Herbert Mead
Der als Sohn eines protestantischen Pfarrers aus New England geborene Mead wuchs in einer Zeit auf in der die Auseinandersetzung zwischen religiösen Dogmatismen und Darwins Evolutionslehre stark thematisiert wurde. Sein Umfeld war jedoch auch durch ein starkes Engagement für die Emanzipation der Schwarzen und Frauen geprägt. 1887 begann sein Studium der Philosophie in Harvard, später konzentrierte er sich auf die physiologische Psychologie und verbrachte eine Zeit in Deutschland. 1891 kam er nach Michigan als Dozent für Psychologie. Hier lernte er John Dewey und Charles H. Cooley kennen. Mit Dewey wechselte er als Assistenzprofessor an die University of Chicago, wo er bis zu seinem Lebensende 1931 am Department of Philosophy lehrte. Das was ihn so berühmt machte war sein Kurs in Sozialpsychologie, den er ca. 30 Jahre lang in immer ähnlicher Form angeboten hat.
Die darin entwickelten Gedanken wurden erst nach seinem Tod aus seinen Manuskripten und der studentischen Mitschrift seines Schülers Charles W. Morris, in Form seines Werkes „Mind, self and society“ veröffentlicht.3
Seine Schwerpunkte waren dort die Erarbeitung einer Kommunikationstheorie und darauf aufbauend eine Sozialpsychologie.
III Theoretische Grundlagen
George Herbert Mead (1863-1931) ist Begründer einer Sozialtheorie, die menschliches Verhalten als symbolisch vermittelte Interaktion auffasst und aus diesem Prozess der symbolisch vermittelten Interaktion auch die Entstehung von Bewusstsein, Individuum und Gesellschaft erklärt. Mead der aufgrund seiner verschiedenen theoretischen Interessen, sich nicht nur mit Soziologie sondern auch für Sozialpsychologie und Pädagogik beschäftigte, wurde durch verschiedene wissenschaftliche und philosophische Strömungen seiner Zeit beeinflusst. Positiv bestimmten Darwins Evolutionstheorie, der amerikanische Pragmatismus und der deutsche Idealismus Meads Arbeit. Von Darwins Evolutionstheorie übernahm er das Grundmodell des Organismus, der sich an seine Umwelt anpassen muss um zu überleben.
Mead begreift in Übereinstimmung mit dem amerikanischen Pragmatismus diese Anpassungsleistung nicht als deterministische, viel mehr als abhängig von bewussten Problemlösenden Denken und Handeln der Menschen.
Das selbstbewusste Erkenntnis- und Handlungssubjekt wie es der deutsche Idealismus postuliert, greift Mead auf und erklärt dessen Entstehung .Ein selbstbewusstes Subjekt kann nur in einer Gemeinschaft handelnder und kommunizierender Menschen entstehen.
Negativ beeinflusste Mead die behavioristische Psychologie, eine psychologischen Schule, der er sehr kritisch gegenüber stand. Die behavioristische Psychologie versucht menschliches Verhalten ohne Bezugnahme auf die inneren Erfahrungen des Individuums zu erklären. Verhalten wird als Reaktion auf objektive Reize gedeutet.
Dieses Reiz-Reaktionsmodell steht jedoch im Gegensatz zu Meads Konzept des sich an die Umwelt anpassenden bewusst agierenden Subjekts, so dass Mead versuchte di ese Theorie zu widerlegen. Auf dieser theoretischen Grundlage entwickelte Mead seine Theorie des Sozialbehaviorismus, die noch heute die Grundlage der modernen Soziologie ist.
IV Mead und der Behaviorismus
Mead baut seine Theorie auf den Begriffen des Behaviorismus auf, löst sich jedoch auch von ihnen und entwickelt sie weiter. Auch er setzt beim Aufbau seiner Theorie an den Begriffen Reiz und Reaktionen.
Was Mead sucht ist ein Reiz, der in der Lage ist den gleichen Reiz in einem anderen auszulösen. Die vokale Geste verfügt über diese Fähigkeit. Wenn wir etwas sagen sind wir in der Lage uns selber zu hören. Über dieses Potential verfügt keine andere Geste.4 In dem wir etwas sagen lösen wir in uns auch die Reaktion aus die ein anderer auf unser Gesagtes hat. Wir sind also durch die vokale Geste in der Lage, auf die eigenen Reize zu reagieren wie es andere tun. Bei der vokalen Geste ist der Sinn des Gesagten immer präsent. Unter vokaler Geste versteht Mead nicht nur Sprache sondern auch Schrift und die Gehörlosensprache die aus der Wortsprache entwickelt wurde.5
IV.1 Grundannahmen
Der Begriff der vokalen Geste legt schon zwei darauf logisch folgende Begriffe nahe. Wenn die Basis der Überlegungen Meads eine Geste ist, bedeutet dies auch, dass etwas die Geste senden und etwas anderes die Geste empfangen muss. Es geht also um den Prozess zwischen einem Sender und einem Empfänger. Diese werden bei Mead mit den Begriffen Ego und Alter belegt. Ego bedeutet im lateinischen „ich“. „Ich“ steht in einer Situation Alter gegenüber, in Deutsch „ein Anderer oder der Andere“. Gemeint ist bei Mead aber nicht nur ein konkreter Anderer, sondern auch ein generalisierter Anderer, unter ihm wird die Summe der Erwartungen und Haltungen verstanden, die dem Ego gegenüber treten. Alter ist also immer das, was Ego gegenübersteht, Erwartungen richtet, aber an das auch von Ego Erwartungen gerichtet werden.6
Der Ansatz von Mead ist der Prozess der Interaktion zwischen minimal zwei Personen. In ihm sieht er die Basis der Entstehung für Identität und Gesellschaft. Sein Ansatz ist also als mikrosoziologisch zu bezeichnen. Aus den Grundannahmen dieser Theorie leiten sich auch die Grundbegriffe ab, die als Einführung in die interaktionistische Theorie erläutert werden.
IV.2 Interaktion
Interaktion ist, wie gesagt, die Basis auf der nach Mead Identität und Gesellschaft entsteht. Dies bedeutet, dass die Sozialisation eines Menschen ein gesellschaftlicher Prozess ist, da für Interaktion mindestens 2 Personen (Ego und Alter) nötig sind.7 Interaktion ist als ein Abtastungsprozess zu verstehen. Subjekt A wird mit Erwartungen und Normen von Subjekt B konfrontiert. Beide müssen im Interaktionsprozess die Normen und Erwartungen des anderen erkennen und verarbeiten. Hieraus müssen sie dann eine Reaktion entwickeln die für den Anderen wieder zum Reiz wird.
Mead beschreibt hier einen idealisierten Interaktionsprozess, in dem beide Interaktionspartner ohne hierarchische Strukturen und institutionalisierte Regeln oder Normen gleichgestellt sind. Generell sind die Ausführungen von Mead von sehr basaler Art. Er versucht nicht reale Interaktionssituationen zu verstehen, sondern konstruiert in einer Kette logischer Schlussfolgerungen, die beim Behaviorismus und Reiz- Reaktionsmustern ansetzen, fast einen "mathematischen Beweis".
Dieser wird dann zu einem Modell der Wechselseitigkeit von vokalen Gesten und der gegenseitigen Internalisierung von Erwartungen und Haltungen, die wieder zu Reaktionen führen. (siehe auch Abbildung 1)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Bedeutung von Gesten für gesellschaftliche Handlungen (Faulstich Wieland, Hannelore: Individuum und Gesellschaft, Oldenbourg 2000, S.142.)
V Grundbegriffe
V.1 Interaktionsformen
Interaktion wird als ein Abtastungsprozess beschrieben. Dieser Fall ist jedoch als idealtypisch zu bezeichnen. Nur wenn es sich um eine offene Gesprächssituation handelt, die zwischen zwei gleichberechtigten Partnern stattfindet, können solche Aushandlungsprozesse unverzerrt stattfinden.
[...]
1 Hans Joas 1988: symbolischer Interaktionismus. Von der Philosophie des Pragmatismus zu einer soziologischen Forschungstratition, S.40
2 Herbert Blumer 1973: Der methodologische Streit des symbolischen Interaktionalismus, S.80
3 vergl. Hannelore Faulstich-Wieland 2000: Individuum und Gesellschaft, S. 139
4 Georg Herbert Mead 1998: Geist, Identität und Gesellschaft, S.103
5 ebd. S.107
6 Ebd. S.200 ff.
7 Georg Herbert Mead 1998: Geist, Identität und Gesellschaft, S.207
- Arbeit zitieren
- Ines Lenz (Autor:in), 2004, Individuum und Gesellschaft in den Konzepten von Georg Herbert Mead, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18920
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