Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten gehört zu den derzeit umstrittensten Themengebieten der internationalen Rechnungslegung. Insbesondere die Bewertung zum fair value, dem beizulegenden Zeitwert, der sich im Idealfall auf einem aktiven Markt zwischen vertragswilligen Geschäftspartnern ergibt, steht heftig in der Kritik. So wird der fair value Bilanzierung von Finanzinstrumenten eine katalysierende Wirkung auf das Ausmaß der internationalen Finanzkrise zugeschrieben. Eine erfolgswirksame Erfassung noch nicht realisierter Kurssteigerungen hat in Zeiten steigender Börsenkurse zu immensen Gewinnen, insbesondere im Bankensektor geführt. Die Deutsche Bank hat im Jahr 2007 einen Gewinn nach Steuern von 6,5 Mrd. € erwirtschaftet, ein Jahr später jedoch einen Verlust von 3,9 Mrd. € erlitten. Der fair value wurde schlagartig vom „Helden zum Schurken“, er befindet sich sozusagen im „Karriereknick“ . Siegfried Jaschinski, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Landesbank Baden-Württemberg, beruft sich in einem Artikel der Börsen Zeitung vom Juli 2009 auf die traditionelle Aufgabe von Banken, Kredite zu vergeben und Sparern sichere Anlagemöglichkeiten zu bieten. Zur Wiederherstellung des Vertrauens der Anleger sollten Banken stille Reserven bilden dürfen, die Bewertung zu Marktpreisen sollte lediglich die Ausnahme sein. Gleichzeitig verfolgt das für die Entwicklung internationaler Bilanzierungsnormen zuständige Standardisierungsgremiun IASB weiterhin das langfristige Ziel, eine Bewertung aller Vermögenswerte und Schulden zum beizulegenden Zeitwert durchzusetzen. Ebenfalls im Juli diesen Jahres hat das IASB einen exposure draft veröffentlicht, welcher die Umsetzung einer weitgehenden fair value Bewertung und einer damit verbundenen Vereinfachung der Bilanzierungsregeln des IAS 39 weiter vorantreiben soll. Eine im April 2009 veröffentlichte Studie der Universität Frankfurt sieht die negativen Effekte der fair value Bilanzierung überbewertet. Insbesondere im Bankensektor sei deren Anwendung praktikabel und einer Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten vorzuziehen. Die Problematik der fair value Bilanzierung von Verbindlichkeiten besteht darin, dass deren Anwendung im Rahmen der so genannten fair value Option im Falle einer Verschlechterung der eigenen Bonität zu einer Verringerung des in der Bilanz ausgewiesenen Fremdkapitals und zu Gewinnen in Höhe der Wertveränderung der Schulden führt...
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Die fair value Bilanzierung von Verbindlichkeiten
- 2.1 Das mixed model
- 2.1.1 Bewertung finanzieller Vermögensgegenstände
- 2.1.2 Bewertung finanzieller Verbindlichkeiten
- 2.1.3 Reformvorschläge des IASB zur Kategorisierung finanzieller Verbindlichkeiten
- 2.2 Verbindlichkeiten im Bankensektor
- 2.3 Hedge accounting
- 2.3.1 Fair value hedge accounting
- 2.3.2 Portfolio fair value hedge accounting
- 2.4 Die fair value Option auf finanzielle Verbindlichkeiten
- 2.4.1 Die Entwicklung der fair value Option
- 2.4.2 Kriterien für die Zulässigkeit der fair value Option
- 2.4.2.1 Vermeidung von Bewertungsinkongruenzen
- 2.4.2.2 Steuerung und Überwachung eines Portfolios von Finanzinstrumenten auf fair value Basis
- 2.4.2.3 Trennungspflichtige eingebettete Derivate
- 2.4.3 Offenlegungsanforderungen bei Nutzung der fair value Option
- 2.4.4 Berechnung der bonitätsinduzierten Ergebnisse aus der fair value Option
- 2.5 Vom IASB diskutierte Vorschläge zur Änderung der Regeln zum hedge accounting und der fair value Option
- 2.6 Die Bewertungshierarchie nach IAS 39
- 2.6.1 Ermittlung des fair value
- 2.6.2 Problematik der Berücksichtigung von Kreditrisiken im Rahmen der fair value Ermittlung
- 2.1 Das mixed model
- 3 Empirische Untersuchung der Auswirkungen der fair value Option auf die Jahresabschlüsse von Kreditinstituten
- 3.1 Zusammenhang zwischen der Entwicklung von credit spreads und bonitätsinduzierten Bewertungsergebnissen
- 3.2 Analyse der zukünftigen GuV- Belastung durch die fair value Option für finanzielle Verbindlichkeiten
- 3.3 Beurteilung der Nutzung der fair value Option auf Verbindlichkeiten aus Sicht der Abschlussadressaten
- 3.3.1 Informationswirkung der fair value Bilanzierung von Verbindlichkeiten
- 3.3.2 Untersuchung der Darstellungsweise der fair value Option im Jahresabschluss
- 4 Zusammenfassung
- 5 Ergebnis und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit untersucht kritisch die Anwendung der Fair Value Option nach IFRS auf finanzielle Verbindlichkeiten im Bankensektor. Ziel ist es, die Auswirkungen dieser Option auf die Bilanzierung und die Jahresabschlüsse von Kreditinstituten zu analysieren und zu bewerten.
- Fair Value Bilanzierung von Verbindlichkeiten nach IFRS
- Auswirkungen der Fair Value Option auf die Jahresabschlüsse von Banken
- Bewertung und Risiko im Zusammenhang mit der Fair Value Option
- Empirische Untersuchung der Anwendung der Fair Value Option
- Regulierungsaspekte und Reformvorschläge des IASB
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Diese Einleitung führt in die Thematik der Fair Value Bilanzierung von finanziellen Verbindlichkeiten im Bankensektor ein und beschreibt den Fokus der Arbeit auf die kritische Betrachtung der Fair Value Option nach IFRS. Sie skizziert den Aufbau und die Methodik der Arbeit.
2 Die fair value Bilanzierung von Verbindlichkeiten: Dieses Kapitel beleuchtet die Grundlagen der Fair Value Bilanzierung von Verbindlichkeiten, insbesondere im Kontext des "mixed model" nach IFRS. Es werden verschiedene Bewertungsansätze erläutert, die Problematik der Kategorisierung finanzieller Verbindlichkeiten diskutiert und das "Hedge Accounting" sowie die Fair Value Option im Detail vorgestellt. Besonderes Augenmerk liegt auf den Kriterien der Zulässigkeit der Fair Value Option und den damit verbundenen Offenlegungsanforderungen. Die Diskussion der vom IASB vorgeschlagenen Änderungen im Bereich Hedge Accounting und Fair Value Option rundet das Kapitel ab.
3 Empirische Untersuchung der Auswirkungen der fair value Option auf die Jahresabschlüsse von Kreditinstituten: Dieses Kapitel präsentiert eine empirische Untersuchung, welche die Auswirkungen der Fair Value Option auf die Jahresabschlüsse von Kreditinstituten analysiert. Es wird der Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Credit Spreads und den bonitätsinduzierten Bewertungsergebnissen untersucht. Zusätzlich wird die zukünftige Gewinn- und Verlustrechnung (GuV)-Belastung durch die Fair Value Option analysiert und die Nutzung der Option aus der Sicht der Abschlussadressaten bewertet, wobei sowohl die Informationswirkung als auch die Darstellungsweise im Jahresabschluss untersucht werden.
Schlüsselwörter
Fair Value Option, IFRS, Bankensektor, finanzielle Verbindlichkeiten, Hedge Accounting, Bewertung, Risiko, Jahresabschluss, empirische Untersuchung, IASB, Kreditrisiko, Bewertungshierarchie, Informationswirkung.
Häufig gestellte Fragen zur Diplomarbeit: Fair Value Bilanzierung von Verbindlichkeiten im Bankensektor
Was ist der Gegenstand dieser Diplomarbeit?
Die Diplomarbeit befasst sich kritisch mit der Anwendung der Fair Value Option nach IFRS auf finanzielle Verbindlichkeiten im Bankensektor. Sie analysiert die Auswirkungen dieser Option auf die Bilanzierung und die Jahresabschlüsse von Kreditinstituten.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt die Fair Value Bilanzierung von Verbindlichkeiten nach IFRS, die Auswirkungen der Fair Value Option auf die Jahresabschlüsse von Banken, die Bewertung und das Risiko im Zusammenhang mit der Fair Value Option, eine empirische Untersuchung der Anwendung der Fair Value Option und Regulierungsaspekte sowie Reformvorschläge des IASB.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Einleitung, Fair Value Bilanzierung von Verbindlichkeiten (inkl. Mixed Model, Hedge Accounting, Fair Value Option, Bewertungshierarchie nach IAS 39 und Reformvorschläge des IASB), Empirische Untersuchung der Auswirkungen der Fair Value Option auf die Jahresabschlüsse von Kreditinstituten (inkl. Analyse von Credit Spreads und GuV-Belastung sowie der Informationswirkung für Abschlussadressaten), Zusammenfassung und Ergebnis und Ausblick.
Was sind die zentralen Fragestellungen der Arbeit?
Die Arbeit untersucht unter anderem den Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Credit Spreads und bonitätsinduzierten Bewertungsergebnissen, die zukünftige GuV-Belastung durch die Fair Value Option für finanzielle Verbindlichkeiten und die Informationswirkung der Fair Value Bilanzierung von Verbindlichkeiten für die Adressaten des Jahresabschlusses.
Welche Methodik wird in der Arbeit verwendet?
Die Arbeit kombiniert theoretische Analysen der Fair Value Bilanzierung und der Fair Value Option mit einer empirischen Untersuchung der Auswirkungen dieser Option auf die Jahresabschlüsse von Kreditinstituten. Die genaue Methodik der empirischen Untersuchung wird im Kapitel 3 detailliert beschrieben.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant für das Verständnis der Arbeit?
Schlüsselbegriffe sind: Fair Value Option, IFRS, Bankensektor, finanzielle Verbindlichkeiten, Hedge Accounting, Bewertung, Risiko, Jahresabschluss, empirische Untersuchung, IASB, Kreditrisiko, Bewertungshierarchie und Informationswirkung.
Welche Ergebnisse liefert die empirische Untersuchung?
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung werden im Kapitel 3 präsentiert und analysieren den Zusammenhang zwischen Credit Spreads und bonitätsinduzierten Bewertungsergebnissen, die zukünftige GuV-Belastung durch die Fair Value Option und die Informationswirkung und Darstellungsweise der Fair Value Option im Jahresabschluss aus der Sicht der Abschlussadressaten.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Schlussfolgerungen und der Ausblick der Arbeit werden im Kapitel 5 zusammengefasst. Hier werden die Ergebnisse der Untersuchung interpretiert und potentielle zukünftige Forschungsfragen aufgezeigt.
- Quote paper
- Georg-Christian Rueb (Author), 2009, Die Bilanzierung finanzieller Verbindlichkeiten im Bankensektor - Eine kritische Betrachtung der fair value Option nach IFRS, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188772