Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten gehört zu den derzeit umstrittensten Themengebieten der internationalen Rechnungslegung. Insbesondere die Bewertung zum fair value, dem beizulegenden Zeitwert, der sich im Idealfall auf einem aktiven Markt zwischen vertragswilligen Geschäftspartnern ergibt, steht heftig in der Kritik. So wird der fair value Bilanzierung von Finanzinstrumenten eine katalysierende Wirkung auf das Ausmaß der internationalen Finanzkrise zugeschrieben. Eine erfolgswirksame Erfassung noch nicht realisierter Kurssteigerungen hat in Zeiten steigender Börsenkurse zu immensen Gewinnen, insbesondere im Bankensektor geführt. Die Deutsche Bank hat im Jahr 2007 einen Gewinn nach Steuern von 6,5 Mrd. € erwirtschaftet, ein Jahr später jedoch einen Verlust von 3,9 Mrd. € erlitten. Der fair value wurde schlagartig vom „Helden zum Schurken“, er befindet sich sozusagen im „Karriereknick“ . Siegfried Jaschinski, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Landesbank Baden-Württemberg, beruft sich in einem Artikel der Börsen Zeitung vom Juli 2009 auf die traditionelle Aufgabe von Banken, Kredite zu vergeben und Sparern sichere Anlagemöglichkeiten zu bieten. Zur Wiederherstellung des Vertrauens der Anleger sollten Banken stille Reserven bilden dürfen, die Bewertung zu Marktpreisen sollte lediglich die Ausnahme sein. Gleichzeitig verfolgt das für die Entwicklung internationaler Bilanzierungsnormen zuständige Standardisierungsgremiun IASB weiterhin das langfristige Ziel, eine Bewertung aller Vermögenswerte und Schulden zum beizulegenden Zeitwert durchzusetzen. Ebenfalls im Juli diesen Jahres hat das IASB einen exposure draft veröffentlicht, welcher die Umsetzung einer weitgehenden fair value Bewertung und einer damit verbundenen Vereinfachung der Bilanzierungsregeln des IAS 39 weiter vorantreiben soll. Eine im April 2009 veröffentlichte Studie der Universität Frankfurt sieht die negativen Effekte der fair value Bilanzierung überbewertet. Insbesondere im Bankensektor sei deren Anwendung praktikabel und einer Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten vorzuziehen. Die Problematik der fair value Bilanzierung von Verbindlichkeiten besteht darin, dass deren Anwendung im Rahmen der so genannten fair value Option im Falle einer Verschlechterung der eigenen Bonität zu einer Verringerung des in der Bilanz ausgewiesenen Fremdkapitals und zu Gewinnen in Höhe der Wertveränderung der Schulden führt...
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die fair value Bilanzierung von Verbindlichkeiten
2.1 Das mixed model
2.1.1 Bewertung finanzieller Vermögensgegenstände
2.1.2 Bewertung finanzieller Verbindlichkeiten
2.1.3 Reformvorschläge des IASB zur Kategorisierung finanzieller Verbindlichkeiten
2.2 Verbindlichkeiten im Bankensektor
2.3 Hedge accounting
2.3.1 Fair value hedge accounting
2.3.2 Portfolio fair value hedge accounting
2.4 Die fair value Option auf finanzielle Verbindlichkeiten
2.4.1 Die Entwicklung der fair value Option
2.4.2 Kriterien für die Zulässigkeit der fair value Option
2.4.2.1 Vermeidung von Bewertungsinkongruenzen
2.4.2.2 Steuerung und Überwachung eines Portfolios von Finanzinstrumenten auf fair value Basis
2.4.2.3 Trennungspflichtige eingebettete Derivate
2.4.3 Offenlegungsanforderungen bei Nutzung der fair value Option
2.4.4 Berechnung der bonitätsinduzierten Ergebnisse aus der fair value Option
2.5 Vom IASB diskutierte Vorschläge zur Änderung der Regeln zum hedge accounting und der fair value Option
2.6 Ermittlung des fair value
2.6.1 Die Bewertungshierarchie nach IAS 39
2.6.2 Problematik der Berücksichtigung von Kreditrisiken im Rahmen der fair value Ermittlung
3 Empirische Untersuchung der Auswirkungen der fair value Option auf die Jahresabschlüsse von Kreditinstituten
3.1 Zusammenhang zwischen der Entwicklung von credit spreads und bonitätsinduzierten Bewertungsergebnissen
3.2 Analyse der zukünftigen GuV- Belastung durch die fair value Option für finanzielle Verbindlichkeiten
3.3 Beurteilung der Nutzung der fair value Option auf Verbindlichkeiten aus Sicht der Abschlussadressaten
3.3.1 Informationswirkung der fair value Bilanzierung von Verbindlichkeiten
3.3.2 Untersuchung der Darstellungsweise der fair value Option im Jahresabschluss
4 Zusammenfassung
5 Ergebnis und Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Rechtsquellenverzeichnis
Sonstige Quellen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zum fair value bewertete Verbindlichkeiten bei der Deutschen Bank
Abbildung 2: Die Auswirkungen der fair value Option auf eine Bankbilanz.
Abbildung 3: Credit spreads Europäische Banken
Abbildung 4: 3 Level Hierarchie nach IFRS 7 bei der HSBC
Abbildung 5: Zahlenbeispiel: Vermögenstransfer zwischen Fremd- und Eigenkapitalgebern VI
Abbildung 6: Umfang der zum fair value designierten Verbindlichkeiten
Abbildung 7: Bonitätsbedingte Ergebniswirkung der fair value Option
Abbildung 8: Differenz zwischen Rückzahlbetrag und fair value
Abbildung 9: Kumulierte bonitätsinduzierte Bewertungsergebnisse
1 Einleitung
Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten gehört zu den derzeit umstrittensten Themengebieten der internationalen Rechnungslegung. Insbesondere die Be- wertung zum fair value, dem beizulegenden Zeitwert, der sich im Idealfall auf einem aktiven Markt zwischen vertragswilligen Geschäftspartnern ergibt, steht heftig in der Kritik. So wird der fair value Bilanzierung von Finanzinstrumen- ten eine katalysierende Wirkung auf das Ausmaß der internationalen Finanz- krise zugeschrieben. Eine erfolgswirksame Erfassung noch nicht realisierter Kurssteigerungen hat in Zeiten steigender Börsenkurse zu immensen Gewin- nen, insbesondere im Bankensektor geführt. Die Deutsche Bank hat im Jahr 2007 einen Gewinn nach Steuern von 6,5 Mrd. € erwirtschaftet, ein Jahr später jedoch einen Verlust von 3,9 Mrd. € erlitten. Der fair value wurde schlagartig vom „ Helden zum Schurken “1, er befindet sich sozusagen im „ Karriereknick “2. Siegfried Jaschinski, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Landesbank Ba- den-Württemberg, beruft sich in einem Artikel der Börsen Zeitung vom Juli 20093 auf die traditionelle Aufgabe von Banken, Kredite zu vergeben und Spa- rern sichere Anlagemöglichkeiten zu bieten. Zur Wiederherstellung des Ver- trauens der Anleger sollten Banken stille Reserven bilden dürfen, die Bewer- tung zu Marktpreisen sollte lediglich die Ausnahme sein. Gleichzeitig verfolgt das für die Entwicklung internationaler Bilanzierungsnormen zuständige Stan- dardisierungsgremiun IASB weiterhin das langfristige Ziel, eine Bewertung aller Vermögenswerte und Schulden zum beizulegenden Zeitwert durchzuset- zen. Ebenfalls im Juli diesen Jahres hat das IASB einen exposure draft veröf- fentlicht, welcher die Umsetzung einer weitgehenden fair value Bewertung und einer damit verbundenen Vereinfachung der Bilanzierungsregeln des IAS 39 weiter vorantreiben soll. Eine im April 2009 veröffentlichte Studie der U- niversität Frankfurt sieht die negativen Effekte der fair value Bilanzierung überbewertet4. Insbesondere im Bankensektor sei deren Anwendung praktika- bel und einer Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten vorzuziehen. Die Problematik der fair value Bilanzierung von Verbindlichkeiten besteht darin, dass deren Anwendung im Rahmen der so genannten fair value Option im Falle einer Verschlechterung der eigenen Bonität zu einer Verringerung des in der Bilanz ausgewiesenen Fremdkapitals und zu Gewinnen in Höhe der Wertveränderung der Schulden führt. Verbindlichkeiten müssen, solange sie nicht vorzeitig getilgt werden, zum Ende der Laufzeit in aller Regel zum Nennwert zurückgezahlt werden, die erzielten Bewertungsergebnisse sind also nur Scheingewinne. In Zeiten steigender Risikoaufschläge für Kreditinstitute gewinnt dieser Effekt stärker an Relevanz und wird mittlerweile auch in den Medien kritisch gewürdigt. So bezeichnet die Financial Times Deutschland im Mai diesen Jahres die fair value Option für Verbindlichkeiten als „ Bi- lanzwirrwar “ und berichtet über Deutsche Landesbanken, die im vergangen Jahr Gewinne durch ihr gestiegenes Kreditrisiko zwischen 169 und 290 Mio. € erzielt haben5. Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf- sicht (BaFin), Jochen Sanio, nennt diese Gewinne „ schreiende Lasten “, sie seien zudem aus einem „ unkoscheren “ Bilanzierungswahlrecht entstanden6.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, einen tiefer gehenden Einblick in die Thematik der Bilanzierung finanzieller Verbindlichkeiten zu vermitteln. Es gilt insbesondere darzustellen, unter welchen Bedingungen die fair value Be- wertung von Schulden nicht zu einem „ Bilanzwirrwar “ führt, sondern wirt- schaftliche Zusammenhänge ökonomisch sinnvoll darstellt. Dabei wird die aktuelle Entwicklung der Rechnungslegung von Finanzinstrumenten, mit Fo- kus auf finanzielle Verbindlichkeiten, erläutert und hinterfragt. Der Leser soll in die Lage versetzt werden, die gegensätzlichen Standpunkte bezüglich der Bewertung von Finanzinstrumenten besser beurteilen und sich im Rahmen der mit Sicherheit noch länger andauernden Diskussion selbst eine Meinung bil- den zu können. Da dem IAS 39 eine grundlegende Überarbeitung bevorsteht, sind zahlreiche Diskussionspapiere und Entwürfe des IASB sowie zugehörige Stellungsnahmen in diese Arbeit mit eingeflossen, um dem Leser einen Aus- blick auf die zukünftige Entwicklung der Rechnungslegung von Finanzinstru- menten zu geben.
Der erste Teil dieser Arbeit dient der Darstellung der fair value Bilan- zierung von Verbindlichkeiten. Zunächst wird das mixed model, also das Kon- zept unterschiedlicher Bewertungsmethoden von Finanzinstrumenten, erläutert um dann die Mittel zur Vermeidung der hierdurch entstehenden Bewertungsa- symmetrien ausführlich darzulegen. Es wird zunächst auf die Möglichkeiten der Absicherung von fair value Änderungen im Rahmen des hedge accounting und die damit verbundenen Schwierigkeiten für Kreditinstitute eingegangen. Im Anschluss daran folgt eine Beschreibung des Wahlrechts, finanzielle Ver- mögensgegenstände und Verbindlichkeiten zum fair value zu bewerten. Zu- nächst wird die historische Entwicklung dieser so genannten fair value Option von einem uneingeschränkten hin zu einem nur unter gewissen Bedingungen anzuwendenden Wahlrecht aufgezeigt, um dann im Anschluss die Kriterien für die Zulässigkeit dieser Option zu erörtern. Anschließend werden die Offenle- gungsanforderungen nach IFRS 7 bei Nutzung der fair value Option beschrie- ben. Im Anschluss daran wird gezeigt, wie Ergebnisse aus Bonitätsänderungen berechnet werden können. Ein weiteres Kapitel dieser Arbeit ist der Frage ge- widmet, wie der fair value eines Instruments zu bestimmen ist. Dabei wird die insbesondere für Verbindlichkeiten relevante Problematik der Einbeziehung von Kreditrisiken in den Prozess der Wertbestimmung dargelegt.
Im zweiten Teil dieser Arbeit folgt eine empirische Untersuchung dar- über, in welchem Umfang nach IFRS bilanzierende Banken die fair value Op- tion für Verbindlichkeiten genutzt haben und welche Ergebniswirkung sie dar- aus erzielen konnten. Betrachtet wurden deutsche und europäische Banken für den Zeitraum von 2006 bis 2008. Zum Ende des zweiten Teils erfolgt eine Beurteilung der fair value Option aus Sicht der Abschlussadressaten. Dabei wird die Informationswirkung der Verbindlichkeitenbilanzierung zum fair value analysiert und die Darstellungsweise der fair value Option in den Ab- schlüssen der untersuchten Kreditinstitute bewertet. Hierbei wurde insbeson- dere überprüft, in wie weit die Offenlegungsanforderungen des IFRS 7 erfüllt werden
Der Schluss dieser Arbeit enthält eine Zusammenfassung der Ergebnisse und gibt einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Rechnungslegung, insbesondere bezüglich der Änderungen des IAS 39.
2 Die fair value Bilanzierung von Verbindlichkeiten
2.1 Das mixed model
Finanzinstrumente sind entweder zum beizulegenden Zeitwert (at fair value) oder zu fortgeführten Anschaffungskosten (at amortisised cost) zu bewerten. Aus den Vorschriften zur Anwendung dieser zwei unterschiedlichen Bewer- tungsmethoden ergibt sich ein grundlegendes Problemfeld der IFRS- Bilanzierung. Um die Funktionsweisen der im Zuge dieser Arbeit beschriebe- nen Ansätze zur Vermeidung von Bewertungsasymmetrien besser verstehen zu können, ist eine isolierte Betrachtung der Passivseite der Bilanz nicht ausrei- chend. Obwohl diese Arbeit die Bilanzierung finanzieller Verbindlichkeiten zum Thema hat, dient es dem weiteren Verständnis, auch die im Rahmen der Bilanzierung von Aktiva anzuwendenden Bewertungskategorien zunächst kurz zu erläutern.
Alle Finanzinstrumente, unabhängig von ihrer Folgebewertung, sind beim erstmaligen Ansatz zum fair value zu bewerten7. Nach IAS 39.AG64 ist der fair value eines Finanzinstruments im Zugangszeitpunkt der Transaktions- preis. Er entspricht dem Wert der hingegebenen Leistung bzw., im Falle von Verbindlichkeiten, dem Wert der erhaltenen Leistung8. Auf das Thema day-1- profit, d.h. die Behandlung einer bestehenden Differenz zwischen dem Trans- aktionspreis und einem unter Verwendung einer Bewertungsmethode bei Zu- gang ermitteltem fair value, wir im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht weiter eingegangen
2.1.1 Bewertung finanzieller Vermögensgegenstände
IAS 39 definiert vier verschiedene Kategorien zur Bilanzierung finanzieller Vermögensgegenstände. Die Kategorie financial assets at fair value through profit or loss9 umfasst alle erfolgswirksam zum fair value bewerteten Vermö- genswerte. Gemäß IAS 39.9 besteht sie wiederum aus zwei Unterkategorien: den Handelsaktiva (financial assets held for trading) und den zum fair value designierte Vermögenswerten (financial assets designated at fair value) bzw. der so genannten fair value Option10. Ein finanzieller Vermögenswert ist der Kategorie held for trading zuzuordnen, wenn dieser mit dem Ziel der kurzfris- tigen Gewinnerzielung erworben wurde, oder es sich bei diesem Vermögens- wert um ein Derivat mit positivem Marktwert handelt, dass nicht in eine effek- tive Sicherungsbeziehung eingebunden ist11 oder eine Finanzgarantie12 dar- stellt (IAS 39.9). Die Einbeziehung von Geschäften in das Handelsbuch hat nach institutsinternen nachprüfbaren Kriterien zu erfolgen. Kreditinstitute ha- ben individuelle und ihrer geschäftspolitischen Ausrichtung entsprechende Zuordnungskriterien selbst zu entwickeln. Deutsche Banken sind dabei aller- dings an die Vorschriften des Kreditwesengesetzes gebunden.13 Ein Finanzin- strument ist auch dann als held for trading zu kategorisieren, wenn es Teil eines Portfolios eindeutig identifizierter und gemeinsam gemanagter Finanzin- strumente ist, für welches in der jüngeren Vergangenheit Hinweise auf kurz- fristige Gewinnmitnahmen bestanden. Derivate sind grundsätzlich als zu Han- delszwecken gehalten einzustufen, es sei denn sie wurden als Sicherungsin- strument (hedging instrument) designiert und sind als solches effektiv. Die Bewertung eines zu Handelszwecken gehaltenen Vermögensgegenstandes erfolgt zum beizulegenden Zeitwert (fair value); Wertveränderungen gehen, auch wenn sie nicht realisiert sind, als Aufwand oder Ertrag in die GuV ein14.
Die zweite Unterkategorie der financial assets at fair value umfasst alle Vermögenswerte, die bestimmten Bedingungen genügen und vom Bilan- zierer freiwillig zum fair value bewertet werden. Eine detaillierte Darstellung dieses Wahlrechts erfolgt in Kapitel 2.4. Finanzinstrumente, bei denen es sich um einen Kredit oder eine Forderung mit festen oder bestimmbaren Zahlungen handelt, und die über keinen an einem aktiven Markt gehandelten Preis verfü- gen, fallen unter die Kategorie loans and receivables, solange keine kurzfristi- ge Veräußerungsabsicht besteht und diese Instrumente nicht bereits einer an- deren Kategorie zugeordnet wurden15. Die Bewertung erfolgt zu fortgeführten Anschaffungskosten. Liegt eine bonitätsinduzierte Wertminderung (impair ment)16 vor, so muss ergebniswirksam abgeschrieben werden.
Vermögensgegenstände können der Kategorie held to maturity zuge- ordnet werden, wenn sie feste oder bestimmbare Zahlungen und eine feste Laufzeit aufweisen. Darüber hinaus muss das bilanzierende Unternehmen die nachweisliche Absicht und Fähigkeit besitzen, diese bis zur Endfälligkeit zu halten. Die Bewertung erfolgt analog zur Kategorie loans and receivables. Erfüllt ein Instrument die Kriterien der Kategorie loans and receivables, ist es nicht als held to maturity zu kategorisieren (IAS 39.AG26). Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist an dieser Stelle somit die Existenz eines aktiven Marktes. Liegt ein aktiver Markt für das Instrument vor, so entfällt die Mög- lichkeit zur Kategorisierung als loans and receivables.
Die Kategorie available for sale umfasst alle Finanzinstrumente, die beim Zugang in diese Kategorie designiert wurden oder keiner der anderen Kategorien zugeordnet wurden (IAS 39.9) Die Bewertung erfolgt zum beizu- legenden Zeitwert. Bewertungsänderungen werden jedoch nicht ergebniswirk- sam in der GuV, sondern erfolgsneutral im Eigenkapital erfasst (other comprehensice income). Dies geschieht über eine Erfassung der Wertänderung in einer Rücklage zur Zeitbewertung, auch Neubewertungsrücklage genannt, die bei Veräußerung der Instrumente erfolgswirksam aufzulösen ist17.
Zwischen den hier aufgeführten Bewertungskategorien bestehen zahl- reiche Umgliederungsmöglichkeiten, auf die in ihrer ganzen Fülle im Zuge dieser Arbeit nicht eingegangen werden soll. Bis zur letzten Änderung des IAS 39 war eine Umwidmung von erfolgswirksam zum fair value bewerteten Fi- nanzinstrumenten bis auf eine wenig relevante Ausnahme nicht möglich18. Als Folge der Finanzmarktkrise wurde von der EU ein zum 1.7.2008 rückwirkend anwendbares amendment verabschiedet, das eine Umgliederung von zu Han- delszwecken gehaltenen Instrumenten in die Kategorien loans and receivables, held to maturity und available for sale ermöglicht. Eine Umkategorisierung von available for sale zu loans and receivables ist nun ebenfalls zulässig. Der fair value Option zugeordnete Instrumente dürfen weiterhin nicht umkategorisiert werden.
2.1.2 Bewertung finanzieller Verbindlichkeiten
In Bezug auf finanzielle Verbindlichkeiten unterscheidet der IAS 39 zwischen zwei Kategorien, abhängig von der Bewertung (IAS 39.9). Die erste Kategorie umfasst alle finanziellen Verbindlichkeiten, die erfolgswirksam zum beizule- genden Zeitwert zu bewerten sind. Innerhalb dieser Kategorie mit der Be- zeichnung financial liabilities at fair value through profit or loss erfolgt wie- derum eine Unterscheidung in zwei Subkategorien analog zur Aktivseite. Es wird differenziert zwischen finanziellen Verbindlichkeiten, die zu Handels- zwecken gehalten werden (financial liabilities held for trading) und finanziel- len Verbindlichkeiten, die bestimmten Bedingungen genügen und die dem dokumentierten Willen des bilanzierenden Unternehmens nach zum Zeitpunkt der erstmaligen Erfassung zum fair value zu bilanzieren sind19. Die Bestim- mungen für als zu Handelszwecken gehaltene Verbindlichkeiten entsprechen den bereits erläuterten Regelungen der Kategorie held for trading für Aktiva. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, finanzielle Verbindlichkeiten freiwillig und unwiderruflich zum fair value zu designieren. Man spricht von financial liabilities designated at fair value, oder der so genannten fair value Option. Die Voraussetzungen hierfür werden im Kapitel 2.4.2 ausführlich erläutert. Die Bewertung erfolgt zum fair value, Wertänderungen werden erfolgswirk- sam in der GuV ausgewiesen.
Alle finanziellen Verbindlichkeiten, die nicht unter die Kategorie at fair value through profit or loss fallen, zählen zu der zweiten, als sonstige Verbindlichkeiten (other liabilties) bezeichneten Kategorie. Diese sind zu fortgeführten Anschaffungskosten zu bewerten.
Für finanzielle Verbindlichkeiten bestehen grundsätzlich keine Umgliederungsmöglichkeiten in eine andere Bewertungskategorie20.
2.1.3 Reformvorschläge des IASB zur Kategorisierung finanzieller Verbindlichkeiten
Das IASB hat in dem im Juli 2009 veröffentlichten exposure draft „ financial intruments: classification and measurement ” einen neuen Ansatz zur Kate- gorisierung von Finanzinstrumenten dargestellt21. Demnach werden finan- zielle Verbindlichkeiten weiterhin entweder zu fortgeführten Anschaffungs- kosten oder zum beizulegenden Zeitwert bewertet. Allerdings sollen sowohl finanzielle Verbindlichkeiten wie auch Vermögenswerte nur noch dann zu fortgeführten Anschaffungskosten bilanziert werden, wenn sie zwei Bedin- gungen erfüllen: Sie müssen „ basic loan features “ enthalten und „ on a contractual yield basis “ gemanaged werden22. Basic loan features liegen dann vor, wenn die vertraglichen Bedingungen des Finanzinstruments zu Zins- und Tilgungszahlungen führen und der Zins sowohl den Zeitwert des Geldes wie auch das jeweilige Risiko vergütet. Eine Verbindlichkeit gilt als „ managed on a contractual yield basis “, wenn das Geschäftsmodell auf Zah- lung von Zins und entsprechender Tilgung ausgerichtet ist, und keine Ent- scheidungen auf Ebene des einzelnen Instruments gefällt werden. Alle ande- ren finanziellen Verbindlichkeiten sind zum fair value zu bewerten23 ; eine Umklassifizierung zwischen den Kategorien at fair value und at amortisised cost soll nicht mehr möglich sein24. Das Verbot der Umkategorisierung ver- ringert bilanzpolitische Spielräume und erhöht die Vergleichbarkeit unter- schiedlicher Bilanzen. Durch die vorgeschlagenen Änderungen würden die in Kapitel 2.3 beschriebenen verschiedenen Bedingungen zur Anwendung der fair value Option, also die Designation eines Finanzinstrumentes zum fair value, vereinfacht. Die fair value Option käme nur noch dann in Frage, wenn dadurch Bewertungsasymmetrien verhindert würden. Ob durch diese Ände- rungen letzen Endes mehr Finanzinstrumente zum fair value zu bewerten wä- ren, kann nicht eindeutig bestimmt werden. Für Banken mit dem Schwer- punkt Wertpapierhandel könnte der Anteil steigen, bei Kreditinstituten mit wenigen Handelsaktivitäten jedoch sinken25.
2.2 Verbindlichkeiten im Bankensektor
Es erscheint sinnvoll, den Begriff der finanziellen Verbindlichkeit bezogen auf den Bankensektor näher zu erläutern. Anhand einiger ausgewählter Sachver- halte werden die unterschiedlichen, als Verbindlichkeiten gehaltenen Finanz- instrumente bzw. die betreffenden Geschäftsarten sowie deren verschiedene Ansatzmöglichkeiten dargestellt. Es soll deutlich gemacht werden, dass die Systematik des mixed model nicht willkürlich gewählt wurde, sondern viel- mehr versucht wurde, den unterschiedlichen Eigenschaften von Finanzinstru- menten gerecht zu werden. Üblich ist eine Einteilung in Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, gegenüber Kunden sowie in verbriefte Verbind- lichkeiten und Handelspassiva. Zusätzlich werden Kreditzusagen, welche un- ter bestimmten Voraussetzungen auch als finanzielle Verbindlichkeit zu bilan- zieren sind, sowie Finanzgarantien beschrieben. Diese Unterteilung ist zwar nach IFRS nicht verpflichtend, lässt sich aber aus der RechtKredV ableiten und entspricht der gängigen Praxis im Bankensektor26.
Zur Abgrenzung der Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten muss das bilanzierende Unternehmen den Begriff des Kreditinstituts in der accounting policy festlegen27. Da die IFRS keine entsprechende Definition vorgeben, kann hierfür auf §1 KWG zurückgegriffen werden28. §21 RechtKredV nennt als Beispiele für Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinsti- tuten: Verbindlichkeiten aus Namensschuldverschreibungen, Orderschuldver- schreibungen, die nicht Teile einer Gesamtemission sind, Namensgeldmarkt- papiere, Haben-Salden aus Effektengeschäften und aus Verrechnungskonten. Solange auf diese Geschäfte nicht die fair value Option nach IAS 39 ange- wendet wird, sind sie der Kategorie financial liabilitis measured at armortised costs zuzuordnen und in der Bilanz als Verbindlichkeiten gegenüber Kreditin- stituten auszuweisen29. Der Ansatz zum Zeitpunkt der Begebung erfolgt zum fair value, in den Folgeperioden sind sie zu fortgeführten Anschaffungskosten zu bewerten (IAS 39.43 i.V.m. IAS 39.47).
Verbindlichkeiten gegenüber Kunden sind ebenfalls seitens des bilan- zierenden Kreditinstituts begrifflich abzugrenzen. Hierfür kann die Definition des § 21 Abs. 2 RechKredV zu Hilfe genommen werden, der diese als alle Arten von Verbindlichkeiten gegenüber in- und ausländischen Nichtbanken definiert, sofern es sich nicht um verbriefte Verbindlichkeiten handelt. Hierzu gehören Produkte des Spar- und Einlagengeschäfts, einschließlich Namens- schuldverschreibungen und Schuldscheindarlehen30. Ansatz, Bewertung und Ausweis erfolgen analog zu Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, wieder unter der Vorraussetzung, dass die fair value Option nicht angewendet wird.
Zu den verbrieften Verbindlichkeiten zählen solche Verbindlichkeiten, für die übertragbare Urkunden ausgestellt wurden (§ 22 Abs. 1 RechKredV). Dazu gehören Schuldverschreibungen, Pfandbriefe, alle Arten von Anleihen, Geldmarktpapiere (z.B. euro-notes, comercial papers, certificates of deposit), die Teil einer Gesamtemission sind, sowie strukturierte Emissionen, wie bei- spielsweise Indexzertifikate31. Verbriefte Verbindlichkeiten gehören zu der Kategorie other liabilities und sind dementsprechend zu fortgeführten An- schaffungskosten zu bewerten, solange sie nicht Teil einer effektiven Siche- rungsbeziehung sind (hedge accounting) oder der fair value Option zugeordnet wurden. Zur Vermeidung der Trennungspflicht werden strukturierte Emissio- nen häufig der fair value Option zugeordnet32.
Wie bereits im Abschnitt 2.1.2 erwähnt, steht bei Handelspassiva (fi- nancial liabilities held for trading) die Absicht der kurzfristigen Gewinnerzie- lung im Vordergrund. Als solche gelten Derivate mit negativem Marktwert, die nicht als Sicherungsinstrumente eingesetzt werden bzw. nicht die Voraus- setzungen des hedge accounting erfüllen, Lieferverpflichtungen aus Leerver- käufen von Aktien sowie finanzielle Verbindungen, die mit einer kurzfristigen Rückkaufsabsicht eingegangen wurden oder Teil eines Portfolios mit Gewin- nerzielungsabsicht sind (IAS 39.AG15)33. Tages- und Termingeldaufnahmen werden nicht kurzfristig gehandelt. Termingelder haben eine feste Laufzeit und sind teilweise mit Kündigungsrechten ausgestattet, so dass sie gemäß IAS 39.9(a)(i) und IAS 39.9(a)(ii) nicht zu den Handelpassiva zu zählen sind. Ver- pensionierte Wertpapiere wie Repos und Reverse Repos gehen im Zuge des Pensionsgeschäftes nicht in die Bilanz des Pensionsnehmers über, so dass die
Instrumente weiterhin entsprechend der ihnen zugeordneten Kategorie beim Pensionsgeber bilanziert und bewertet werden34. Ob verbriefte Verbindlichkei- ten als held for trading kategorisiert werden dürfen, ist fraglich. In der Regel steht hier nicht die Handelsabsicht sondern der Refinanzierungsgedanke im Vordergrund; somit wäre eine Zuordnung zum Handelsbestand nicht mög- lich35.
Unwiderrufliche Kreditzusagen (loan commitments) erfüllen nach IAS 39.9 zwar die Definitionskriterien für Derivate (IAS 39.BC15), normale Kre- ditzusagen fallen jedoch in den Anwendungsbereich des IAS 37 und nicht in den Anwendungsbereich von IAS 39. Den bilanzierenden Unternehmen wurde mit dieser Ausnahmeregelung bewusst eine Vereinfachung der Bilanzierung zugebilligt, da eine aus der Kreditzusage resultierende Forderung ja i.d.R. in die Kategorie loans and receivables fallen wird (IAS 39.BC16). Eine Kredit- zusage zu Konditionen unterhalb des Marktzinses stellt jedoch eine finanzielle Verbindlichkeit dar, die gemäß IAS 39.4(c) zu bilanzieren ist. Kreditzusagen, die auf Nettobasis, also durch Barausgleich (settled net in cash) oder durch Lieferung bzw. Emission eines anderen Finanzinstruments erfüllt werden kön- nen, gelten als Derivate und fallen somit ebenfalls in den Anwendungsbereich des IAS 39 (IAS 39.4(c)). Kreditzusagen könne auch im Rahmen der fair va- lue Option bilanziert werden, solange die Vorraussetzungen des IAS 39.9(b) erfüllt sind. Dies wird auch in Abbildung 1 deutlich. Für Finanzgarantien (fi- nancial guarantee contracts) gelten auch die Regelungen des IAS 39. Eine Finanzgarantie im Sinne des IAS 39 ist ein Vertrag, mit dem der Garantiege- ber zur Leistung bestimmter Zahlungen verpflichtet ist, die den Garantieneh- mer für einen Verlust entschädigen. Dieser entsteht dadurch, dass ein Schuld- ner nicht fristgerecht seinen Zahlungsverpflichtungen gemäß den Bedingungen eines Schuldinstrumentes nachkommt36. Werden dagegen auch fair value Schwankungen, Ratingverschlechterungen oder ähnliches abgesichert, so han- delt es sich nach IFRS um ein Derivat.
Bei Finanzgarantien handelt es sich wie bereits erwähnt um Finanzin- strumente im Sinne des IAS 39, d.h. bei Vertragsabschluss ist eine Kategori- sierung vorzunehmen. Hierbei kommt wiederum eine freiwillige Designation als „ at fair value “ in Frage. Ist dies nicht der Fall, sind Finanzgarantien gemäß der Regelungen von Rückstellungen des IAS 37 zu bewerten37. Der Ausweis erfolgt allerdings nichts desto trotz unter den Finanzinstrumenten und nicht unter den Rückstellungen. Abbildung 1 zeigt den Ausweis von zum fair value bewerteten Verbindlichkeiten bei der Deutschen Bank.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Zum fair value bewertete Verbindlichkeiten bei der Deutschen Bank38
Hier wird der Unterschied zwischen Verbindlichkeiten, die zum fair value bewertet- und solchen die zum fair value klassifiziert bzw. designiert werden, deutlich. Handelspassiva sind generell zum beizulegenden Zeitwert zu bewer- ten. Die restlichen hier dargestellten Posten können entweder zu fortgeführten Anschaffungskosten oder, wie hier geschehen, unter Ausnutzung der fair value Option, zum fair value bewertet werden. Zum fair value designierte Verbind- lichkeiten sind also ein Teil der zum fair value bewerteten Verbindlichkeiten.
2.3 Hedge accounting
Nachdem die unterschiedlichen Bewertungsmöglichkeiten finanzieller Verbindlichkeiten dargelegt wurden, soll nun gezeigt werden, wie mit den daraus entstehenden Bewertungsasymmetrien umgegangen werden kann.
Der Begriff des hedge accounting beschreibt die bilanzielle Abbildung ökonomischer Sicherungsbeziehungen. Dabei steht die symmetrische Erfas- sung der kompensatorischen GuV-Effekte aus fair value Änderungen von Grundgeschäften und entsprechenden Sicherungsinstrumenten im Mittelpunkt (IAS 39.85). Die Notwendigkeit spezieller Regelungen bilanzieller Siche- rungsbeziehungen ergibt sich aus den Ansatz- und Bewertungsunterschieden zwischen dem Grundgeschäft und dem Sicherungsinstrument im Rahmen des mixed model.39 Ohne die Regelungen zum hedge accounting würden Derivate, die der Absicherung eines Grundgeschäfts dienen, per Definition in der Kate- gorie held for trading erfolgswirksam zum fair value bewertet; dass Grundge- schäft, etwa in Form einer begebenen Anleihe, würde jedoch in die Kategorie other liabilities fallen und somit zu fortgeführten Anschaffungskosten bewer- tet werden40. Die Wertveränderung der Anleihe ließe demzufolge die GuV unberührt. Durch dieses so genannte accounting mismatch ergäbe sich eine ökonomisch nicht gerechtfertigte Volatilität der GuV41.
Auf diese Problematik ging der IAS 39 bereits in seiner ursprünglichen Form seit der erstmaligen Verabschiedung im Dezember 1998 ein. Unter strengen Vorrausetzungen war die fair value Bilanzierung von Grund- und Sicherungsgeschäften schon damals möglich, allerdings nur im Falle eines micro hedges. Diese Form der Absicherung folgt einem weitgehend transakti- onsbezogen Ansatz, dem zufolge nur solche Sicherungsbeziehungen anerkannt werden, die sich auf ein einzelnes Geschäft, bzw. auf ein Portfolio gleicharti- ger Geschäfte, beziehen42.
Die Regelungen zum hedge accounting stehen seit der Endorsierung des IAS 39 in der Kritik43. Sie gelten als kompliziert und wenig praktikabel, insbesondere die Dokumentationspflichten hinsichtlich der Effektivität der Sicherungsbeziehung und das Verbot des hedgens von Nettorisikopositionen stellen für zahlreiche Unternehmen ein Hindernis dar44. Gerade im Bankensektor ist die Methode des macro hedging weit verbreitet45. Hierbei werden finanzielle Vermögenswerte und Schulden zu Gruppen zusammengefasst, um das sich daraus ergebene Nettorisiko abzusichern.
In den nun folgenden Abschnitten wird auf die Möglichkeiten des hed ge accounting zur Absicherung von fair value Änderungen (fair value hedge accounting bzw . portfolio fair value hedge accounting) eingegangen. Die Möglichkeiten der Absicherung von zukünftigen cash flows (cash flow hedge accounting)46 sowie die Bilanzierung der Absicherung einer Nettoinvestition in einen ausländischen Geschäftsbetrieb (hedge of a net investment in a fo reign operartion)47 sind nicht Gegenstand dieser Arbeit.
2.3.1 Fair value hedge accounting
Wie bereits erwähnt dient das fair value hedge accountig der Absicherung des Risikos der fair value Änderung von Finanzinstrumenten48. Diese können sich aus Zinsänderungen, Devisenkurs-, Aktienkurs- und Bonitätsveränderungen ergeben49. Dabei werden sowohl die Marktwertänderungen des gesicherten Grundgeschäfts sowie des Sicherungsderivats in der GuV erfasst50, und somit eine „ harmonisierte “ Abbildung der Absicherung im Jahresabschluss erzielt51. Allerdings gelten die strengen Vorschriften des hedge accounting nach IAS 39.88, welche im Folgenden erläutert werden sollen. Später wird auch auf die Möglichkeit des portfolio fair value hedge accounting eingegangen.
Die Dokumentation des fair value hedge hat zu Beginn der Siche- rungsbeziehung zu erfolgen und darf nicht zu einem späteren Zeitpunkt nach- geholt werden52. Dabei muss die Risikomanagementzielsetzung und die zu- grunde liegende Absicherungsstrategie des Unternehmens formal festgelegt und dokumentiert werden (IAS 39.88(a)). Grund- und Sicherungsgeschäfte müssen eindeutig designiert werden; somit handelt es sich beim fair value hedging um eine micro hedging Strategie. Zusätzlich müssen die Art des gesi- cherten Risikos beschrieben, und die Methoden der prospektiven und retro- spektiven Effektivitätsmessung dokumentiert werden (IAS 39.88(a)).
Die Effektivität der Absicherung ist prospektiv und retrospektiv lau- fend zu überwachen und zumindest zu jedem Zwischenabschluss- bzw. Ab- schlussstichtag nachzuweisen (IAS 39.88 i.V.m. IAS 39.AG106). Dabei gilt eine Sicherungsbeziehung als hoch effektiv, wenn das Unternehmen während der gesamten Laufzeit der Sicherungsbeziehung erwarten kann, dass Markt- wertveränderungen des Grundgeschäftes durch Marktwertänderungen des Si- cherungsinstrumentes kompensiert werden. Hier geben die IFRS genaue Vor- schriften dazu, wann eine Sicherung als hoch effektiv anzusehen ist: die Er- gebnisse der Sicherungsbeziehungen haben innerhalb der Bandbreite von 80- 125 % zu liegen (IAS 39.AG105). Man spricht hierbei von einer prospektiven Effektivitätsvermutung bezüglich der zukünftigen Erwartungen sowie vom retrospektiven Effektivitätstest bezüglich der tatsächlichen, aktuellen Wirk- samkeit der Sicherungsbeziehung. Die Bandbreite von 80-125 % wird gem. IAS 39.AG105 nur für retrospektive Effektivitätsmessung gefordert. Aller- dings kann von einer Gültigkeit auch für prospektive Tests ausgegangen wer- den53. Der Standardsetter schreibt keine bestimmte Methode zur Effektivitäts- messung vor; vielmehr hängt die Wahl der Methode von der Risikomanage- mentstrategie des Unternehmens ab (IAS 39.88). Erfüllt die Sicherungsbezie- hung nicht mehr die Kriterien des IAS 39.88, insbesondere die der hohen Ef- fektivität, oder läuft das Sicherungsinstrument aus bzw. wird verkauft, muss sie beendet werden (IAS 39.91). Das Grundgeschäft wird dann wieder ent- sprechend der in Kapitel 2.1.1 und 2.1.2 dargestellten Vorschriften bewertet. Dieser Einschränkung steht die zeitliche Flexibilität gegenüber, die Siche- rungsbeziehung jederzeit einzugehen und wieder beenden zu können54.
Der fair value der im Sicherungszusammenhang stehenden finanziellen Verbindlichkeit muss gesondert ermittelt werden. Es handelt sich hier nicht um den full fair value, sondern den so genannten hedged fair value. Es werden nur die fair value -Änderungen berücksichtigt, die auf das abgesicherte Risiko zurückzuführen sind55. Diese Wertänderung wird als delta hedge fair value bezeichnet. Soll beispielsweise das Barwertrisiko einer finanziellen Verbind- lichkeit mit fixem Zinssatz durch einen Zinsswap gesichert werden, ergibt sich der hedged fair value aus den fortgeführten Anschaffungskosten der Verbind- lichkeit plus dem sich aus der Marktertveränderung des swaps ergebenden delta hedge fair value. Der hedged fair value entspricht also nur dann dem full fair value, wenn alle Risikokomponenten des Grundgeschäfts abgesichert wurden. Dies ist bezogen auf eigene Verbindlichkeiten nicht möglich, da die Veränderung der eigenen Bonität grundsätzlich nicht abgesichert werden kann. Fremde Bonitätsrisiken können hingegen durch credit default swaps abgesi- chert werden56. Im Zuge eines solchen Risikotransfers verpflichtet sich der Verkäufer des swap zur Zahlung einer festgelegten Summe an den Käufer, falls eine dritte Partei zahlungsunfähig wird. Das eigene Bonitätsrisiko wird also nur in sofern miteinbezogen, als es in den Anschaffungskosten berück- sichtigt wurde. Veränderungen der eigenen Bonität nach dem erstmaligen An- satz einer financial liability werden im Rahmen des hedge accounting somit grundsätzlich nicht bewertet.
2.3.2 Portfolio fair value hedge accounting
Die im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Regelungen zum hedge ac counting basieren primär auf statischen Strategien. Hierbei werden über die Laufzeit keine Anpassungen am Grund- und Sicherungsinstrument vorgenommen. Grund- und Sicherungsgeschäft sind miteinander verknüpft; es handelt es sich also um eine Form des micro hedging57.
Die damit verbundenen restriktiven Anforderungen führen dazu, dass Banken bei Anwendung dieser Form des hedge accounting „ Kosten, unsinnigen Bu- chungsaufwand und letztlich auch Verwerfungen in den Ergebnis- und Kapi- talkomponenten hinnehmen müssen “58. Diese Anforderungen sind nicht mit modernen Techniken des Risikomanagements vereinbar, sie erschweren die Überleitung der Ergebnisse von interner- und externer Rechnungslegung und stellen ein nicht unerhebliches Gefahrenpotenzial für Bilanzierungsfehler dar59. Hinzu kommt, dass im Bankenwesen der betragsmäßig größte Teil der Passivseite klassischerweise at amortised cost zu bilanzieren ist und somit die bereits im Abschnitt 2.1 beschriebene Problematik des mixed model besonders stark zum Tragen kommt, falls kein hedge accounting oder die fair value Op- tion angewendet wird60.
[...]
1 Lüdenbach / Freiberg, PiR 2008, S. 370, 370.
2 Bieker, KoR 2008, S. 394, 394.
3 Jaschinski, Börsen -Zeitung vom 31.07.2009, S. 4.
4 Laux / Lenz, Center of financial studies working paper, Nr. 2009/9.
5 Luttmer / Schreiber, FTD vom 24.05.2009, abrufbar unter www.ftd.de. Erstaunlicherweise ist in diesem Artikel auch zu lesen, die fair value Option würde in Deutschland nur von einigen deutschen Landesbanken angewandt. Kapitel 3.1 dieser Arbeit zeigt, dass dies nicht den Tat- sachen entspricht.
6 Luttmer / Schreiber, FTD vom 24.05.2009.
7 Ernst & Young, International GAAP, 2009, S. 2330.
8 Lüdenbach in: Lüdenbach/Hoffmann, Haufe IFRS Kommentar, § 29, Rz. 102.
9 Im weiteren kurz financial assests at fair value.
10 In deutschsprachigen Geschäftsberichten wird die fair value Option auch als zum fair value klassifiziert oder als zum fair value designiert bezeichnet. Diese Begriffe werden im selben Zusammenhang auch in dieser Arbeit verwendet.
11 Hayn / Hold - Paesch in: Epstein/Jermakowicz, Wiley Kommentar zur internationalen Recchnungslegung nach IFRS, 2009, Abschn. 2 Rz. 59.
12 Siehe z.B.: Tosen, structured finance, 2006, S. 118ff.
13 Das Handelsbuch wird im §1 Abs. 12 Satz 1 KWG explizit definiert. Siehe hierzu das Rundschreiben 17/99 der BaFin zur Abgrenzung zwischen Handels- und Anlagebuch, abruf- bar unter www.bafin.de.
14 Naumann / Prahl, Instruments, 2000, Rz. 290.
15 Kehm / Lüdenbach in: Lüdenbach/Hoffmann, Haufe IFRS Kommentar, 2008, § 28 Rz. 117.
16 Zur Behandlung von Wertminderungen bei Forderungen siehe: PwC, IFRS für Banken, 2008, S. 364-392.
17 Kehm / Lüdenbach in: Lüdenbach/Hoffmann, Haufe IFRS Kommentar, 2008, § 28 Rz. 154.
18 Lüdenbach / Freiberg, PiR 2008, S. 370, 373.
19 Hachmeister, Verbindlichkeiten, 2007, S. 22.
20 Baetge / Schulz, PiR 2006, S. 127, 128.
21 IASB, ED 2009/7, abrufbar unter wwww.iasb.org.
22 IASB, ED 2009/7, Rz. 4.
23 IASB, ED 2009/7, Rz. 5.
24 IASB, ED 2009/7, Rz. 10.
25 Pellens, Börsen-Zeitung vom 29.08.2009, S. 5.
26 Der mittlerweile aufgehobene IAS 30 „Angaben im Abschluss von Banken und ähnlichen Finanzinstitutionen“ enthielt hingegen eine solche branchenspezifische Einteilung. IAS 30 wurde durch IFRS 7 vollständig ersetzt (IFRS 7.45).
27 PwC, IFRS für Banken, 2008, S. 1021.
28 PwC, IFRS für Banken, 2008, S. 1020.
29 PwC, IFRS für Banken, 2008, S. 1020ff.
30 PwC, IFRS für Banken, 2008, S. 1027.
31 Siehe z.B.: Commerzbank, Geschäftsbericht 2008, Note 57.
32 Siehe Kap 2.4.2.3.
33 PwC, IFRS für Banken, 2008, S. 1040.
34 Löw / Lorenz, in: Löw, Rechnungslegung, 2005, S. 463. Im Zuge eines Repogeschäfts überlässt der Pensionsgeber dem Pensionsnehmer ein Finanzinstrument für einen gewissen Zeitraum. Der gezahlte Übergabepreis erscheint beim Pensionsgeber als Verbindlichkeit gegenüber dem Pensionsnehmer. Ausführlich: Choudhry, REPO, 2004.
35 PwC, IFRS für Banken, 2008, S. 1040.
36 PwC, IFRS für Banken, 2008, S. 1082.
37 In den Folgeperioden ist eine Finanzgarantie bei einer Kategorisierung als other liabilities zum höheren Betrag aus dem ursprünglich bilanzierten Betrag abzüglich der bereits erfolgswirksam vereinnahmten Erträge und dem Wertansatz einer Rückstellung nach IAS 37 (Rückstellung für drohende Inanspruchnahme) anzusetzen.
38 Deutsche Bank, Geschäftsbericht 2008, Note Nr. 9.
39 Gebhardt / Naumann, DB 1999, S. 1461, 1467.
40 Kuhn / Scharpf, Financial Instruments, 2006, Rz. 2011.
41 Lüdenbach, in: Lüdenbach/Hoffmann, Haufe IFRS Kommentar, 2009, § 28, Rz. 222.
42 Barckow / Glaum, KoR 2004, S. 185, 192.
43 Barckow / Glaum, KoR 2004, S. 185, 192.
44 Schlett, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 2006. S. 761, 761.
45 Arnoldi / Leopold, KoR 2005, S. 22, 22.
46 Siehe z.B.: PwC, IFRS für Banken, 2008, Kap. 1.9.4.
47 Siehe z.B: Ramirez, Hedging under IFRS, 2007, Kap. 4.6.
48 Lüdenbach, in: Lüdenbach/Hoffmann, Haufe IFRS Kommentar , 2009, § 28 Rz. 240.
49 PwC, IFRS für Banken, 2008, S. 515f.
50 Lüdenbach, in: Lüdenbach/Hoffmann, Haufe IFRS Kommentar , 2009, § 28 Rz. 242.
51 Hachmeister, Verbindlichkeiten nach IFRS, 2006, S. 47.
52 Lüdenbach, in: Lüdenbach/Hoffmann, Haufe IFRS Kommentar , 2009, § 28 Rz. 246.
53 Eckes / Weigel / Barz / Bäthe - Guski, Hedge Accounting, 2004, S. 13.
54 Wagenhofer, IFRS, 2009, S. 353.
55 PwC, IFRS für Banken, 2008, S. 516.
56 Siehe z.B.: Rhodes / Campbell, syndicated lending, 2006, S. 111f.
57 Kehm / Lüdenbach, in: Lüdenbach/Hoffmann, Haufe IFRS Kommentar , 2009, § 38 Rz. 27.
58 Kemmer / Naumann, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 2003, S. 568, 568.
59 Kropp / Klotzbach, WPg 2003, S. 1180, 1181f.
60 Kemmer / Naumann, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 2003, S. 568, 568.
- Quote paper
- Georg-Christian Rueb (Author), 2009, Die Bilanzierung finanzieller Verbindlichkeiten im Bankensektor - Eine kritische Betrachtung der fair value Option nach IFRS, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188772
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