Edmund Husserl, Begründer der Phänomenologie als Wesensforschung, hielt in der Zeit von 1904 bis 1910 eine Reihe von Vorlesungen die sein Schüler Martin Heidegger 1928 unter dem Titel „Vorlesungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins“ veröffentlicht hat. Das zentrale Thema der Schriftensammlung war die Untersuchung zeitlicher Konstitution subjektiven Empfindungsmoments und diesem Moment zugrunde liegende Selbstkonstitution des Zeitbewusstseins.
Selbstkonstitution des Zeitbewusstseins basiert vor allem auf Urimpression, Retention und Protention, und diese Prozesse bilden eine Mannigfaltigkeit möglichen Konfigurationen der „phänomenologischen Zeit“. Alle diese Termini werde ich im Laufe der Arbeit detailliert aufgreifen und erklären. Durch die Rede über die „phänomenologische Zeit“ ist es wichtig an eine Trennung zwischen objektiver Zeit und subjektiver Zeitempfindung
zu denken - mit Zeiteinheiten wie Sekunden oder Minuten objektiv mess- und normierbare Zeit und das Bewusstsein darüber ist nicht das Objekt und Ziel phänomenologischer Untersuchung – Phänomenologie will vielmehr die Subjektivität der Zeitempfindung begründen. So findet Husserl (auf Franz Brentano bezogen) das Zentrum des Zeitbewusstseins in der Phantasie.
Damit bezweifelt Husserl nicht die Existenz einer objektiven Weltzeit, die reale Zeit - die Basis der Theorie ist vielmehr immanente Zeit des Bewusstseinverlaufes. Husserl bezweifelt auch nicht den Raum, der unzertrennlich mit der Zeit verbunden
ist. Transzendent ist für ihn nur unsere Vorstellung von Raum und Zeit, „die erscheinende Raumgestalt, die erscheinende Zeitgestalt.“
Immanenz und Transzendenz sind bei Husserl zweideutig zu verstehen und eine detaillierte Erklärung Phänomenologie Husserls ist nicht das Thema dieser Hausarbeit – ich werde vielmehr versuchen zu beantworten, ob es sein kann dass Zeitkünste ‚unästhetisch’ werden können, weil sie Wahrnehmung (gr. aisthesis)
als Jetztsetzung begreifen? Sind die (Ur)Impression, Protention und Retention, innerhalb der Doppelkontinuität von Ablaufsphänomenen, im Gegensatz zu der Aisthesis, für die Ästhetik der Zeitkünste nicht wichtiger? So werde ich im Schluss als Prüfstein der Problematik zwischen Zeitbewusstsein, Aisthesis und Ästhetik improvisierte Musik nehmen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Husserls Theorie des inneren Zeitbewusstseins
- 1.1 Objektive Zeit
- 1.2 Subjektive Zeit(Empfindung)
- 1.3 Doppelkontinuität von Ablaufsphänomenen, das Diagramm der Zeit
- 1.4 Urimpression
- 1.5 Impression
- 1.6 Retention
- 1.7 Protention
- 1.8 Bedeutung von Wiedererinnerung für die Konstitution von Zeitobjekten
- 1.9 Originäre und reproduktive Abschattung, „Freiheit“ der Reproduktion (Phantasie)
- 1.10 Wahrnehmung und Phantasie
- 1.11 Zusammenfassung zu 1
- 2. Improvisation
- 2.1 Idiomatische und nicht-idiomatische Improvisation
- 2.1.1 Kontrollierte Improvisation in der Neuer Musik
- 2.1.2 Interaktive Gruppenimprovisation
- 2.1.3 Strategien des Zusammenspiels
- 2.2 Zusammenfassung zu 2
- 3. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert Husserls Theorie des Zeitbewusstseins und untersucht, wie diese Theorie im Kontext der Ästhetik improvisierter Musik Anwendung finden kann. Die Arbeit fokussiert auf die Beziehung zwischen Husserls Phänomenologie des Zeitbewusstseins und der Wahrnehmung von Zeit in musikalischen Improvisationen.
- Husserls Theorie des inneren Zeitbewusstseins
- Die Rolle von Urimpression, Retention und Protention in der Wahrnehmung
- Die Beziehung zwischen Zeitbewusstsein und der Ästhetik improvisierter Musik
- Die Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Zeit
- Kontrastierung von Zeitbewusstsein und Aisthesis in der Musik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Hausarbeit ein und stellt Husserls Theorie des Zeitbewusstseins vor. Kapitel 1 beleuchtet Husserls Theorie des inneren Zeitbewusstseins, indem es verschiedene Aspekte wie objektive Zeit, subjektive Zeit, Doppelkontinuität, Urimpression, Impression, Retention, Protention, Wiedererinnerung und die Rolle von Phantasie und Wahrnehmung im Zeitbewusstsein analysiert.
Kapitel 2 befasst sich mit dem Thema der Improvisation. Es werden unterschiedliche Formen der Improvisation, wie idiomatische und nicht-idiomatische Improvisation, sowie deren Bedeutung in der Neuen Musik und der Interaktiven Gruppenimprovisation erläutert. Des Weiteren werden Strategien des Zusammenspiels in der Improvisation untersucht.
Schlüsselwörter
Husserl, Phänomenologie, Zeitbewusstsein, Urimpression, Retention, Protention, Improvisation, Musikästhetik, Aisthesis, objektive Zeit, subjektive Zeit, Wahrnehmung.
- Quote paper
- Dragan Ahmedovic (Author), 2012, Husserls Theorie des Zeitbewusstseins in der Ästhetik improvisierter Musik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188626