Die Gesundheit älterer Menschen hat, abhängig von der Betrachtungsperspektive, insgesamt einen sehr hohen Stellenwert. Es ist erkennbar, dass die älteren Menschen selbst, den Stellenwert ihrer eigenen Gesundheit zwar hoch einstufen, dennoch gewisse Abstriche in der Gesundheit als dem Alter entsprechend normal ansehen. Das heißt, dass die meisten älteren Menschen zwar Einschränkungen in der Gesundheit haben, diese aber nicht überbewerten, sie als gegeben hinnehmen und insgesamt - bei einem geringen Grad der Einschränkung - zufrieden mit ihrem Gesundheitszustand sind.
Aus gesellschaftlicher Sicht hat die Gesundheit älterer Menschen ebenfalls einen sehr hohen Stellenwert, insbesondere in finanzieller Hinsicht. Gerade bei älteren Menschen ist die Wiederherstellung von Gesundheit meist sehr teuer, da sich Heilungsverläufe insgesamt komplizierter und zeitintensiver als bei jüngeren Menschen darstellen. Aus diesem Grund ist es ratsam, eher präventive Maßnahmen zu ergreifen, die die Gesundheit älterer Menschen zu schützen versuchen.
Im weiteren Verlauf soll die Gesundheitssituation älterer Menschen detailliert betrachtet werden. Insbesondere wird auf die Mortalität, die Morbidität und zur Gesundheit im engeren Sinne (Gesundheitsbewusstsein, Gesundheitsverhalten) eingegangen werden. Weiterhin wird versucht, einen Zusammenhang zwischen sozial benachteiligten älteren Menschen und deren Gesundheitssituation sowie die Wechselwirkung zwischen Armut und Gesundheit herzustellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Definitionen, Begriffsbestimmung und Allgemeines
1.1. Definition: „Epidemiologie“
1.2. Ziele und Inhalte epidemiologischer Forschung
1.3. Methoden der Epidemiologie / Epidemiologische Studientypen
1.4. Verhältnis von Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung
1.4.1. Definition und Zielsetzungen der Gesundheitsberichterstattung
1.4.2. Verhältnis von Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung im Detail
1.5. Stellenwert der Gesundheit älterer Menschen
2. Die Gesundheitssituation älterer Menschen in bezug auf Morbidität, Mortalität, Gesundheitsverhalten und der Zusammenhang zwischen sozialen Status und Gesundheit.
2.1. Allgemeine Situation älterer Menschen in Deutschland und damit
verbundene Probleme
2.2. Besonderheiten von Gesundheits – und Krankheitsproblemen im Alter
2.3. Entwicklung der Mortalität und Morbidität bei älteren Menschen
2.3.1. Begriffserklärung
2.3.2. Krankheit und Multimorbidität im Alter
2.3.3. Epidemiologische Aspekte der Morbidität im Alter
2.3.4. Morbidität in Nordrhein
2.3.5. Die Bedeutung des demographischen Wandels und der Morbiditätsentwicklung für das Gesundheitssystem
2.3.6. Veränderungen im Altersprozeß
2.3.7. Geschlechtsspezifische Unterschiede der Lebenserwartung / Mortalität im Alter
2.3.8. Entwicklung der Mortalität in den letzten 100 Jahren
2.3.9. Entwicklung der steigenden Lebenserwartung
2.4. Gesundheitsbewusstsein / Gesundheitsverhalten älterer Menschen
2.4.1. Definition „Gesundheitsverhalten“ / Begriffserläuterung
2.4.2. Auswirkungen des Gesundheitsverhaltens auf die Gesundheit älterer Menschen
2.4.3. Regeln für gesundes Älterwerden / Wissenschaftliche Grundlagen
2.5. Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit / Gesundheitssituation sozial Benachteiligter
2.5.1. Definitionen / Begriffe / Allgemeines
3. Zusammenfassung, Schlußfolgerungen und Ausblicke
1. Definitionen, Begriffsbestimmungen und Allgemeines
1.1. Definition: „Epidemiologie“
„Nach einer weit verbreiteten Definition ist die Epidemiologie die quantitative Erforschung der Verteilung und der Determinanten (Risikofaktoren) von Krankheiten (oder allgemeiner gefaßt von Gesundheitszuständen) in Bevölkerungen und die Anwendung der Erkenntnisse auf die Kontrolle (Prävention und Behandlung) von Krankheiten“ (SCHWARTZ, F.W. u.a., 1998, S.285/286).
1.2. Ziele und Inhalte epidemiologischer Forschung
Von der o.g. Definition lassen sich folgende Ziele und Inhalte für die epidemiologische Forschung formulieren:
- Identifikation von Risikofaktoren und Ursachen von Krankheiten (Krankheitsätiologie) bzw. Identifikation von gesundheitsförderlichen (salutogenen) Faktoren,
- Erklärung von geographischen und regionalen Unterschieden und von zeitlichen Veränderungen in der Häufigkeit bestimmter Erkrankungen,
- Beschreibung des natürlichen Verlaufs (Spontanverlaufs) von Erkrankungen,
- Beurteilung der Wirksamkeit und der Effizienz von medikamentöser Therapie, Präventionsmaßnahmen und medizinischen, rehabilitativen und psychosozialen Versorgungsmaßnahmen (vgl. SCHWARTZ, F.W. u.a., 1998, S.285)
Aufgabe der Epidemiologie ist es, Daten zu liefern, die in standardisierter Weise gemessen und unter Anwendung statistischer Verfahren quantitativ ausgewertet werden können. Die so gewonnenen Daten bilden die Entscheidungsgrundlage für Public – Health – Maßnahmen, die Teile der Bevölkerung oder die gesamte
Bevölkerung betreffen. Bei diesem dargestellten Zusammenhang wird die enge Verbindung zwischen Epidemiologie und Public Health deutlich.
Die Gesundheitswissenschaft ist von den Methoden, Analysen und Interpretationen der Epidemiologie abhängig, um aussagekräftige Daten zu erhalten, mit denen sich sinnvolle und begründbare Entscheidungen über eventuelle Veränderungen im Gesundheitswesen treffen lassen.
Die Epidemiologie hat einen naturwissenschaftlich – quantitativen Ansatz, ist aber dennoch nicht mit experimenteller Forschung, die unter streng kontrollierbaren Laborbedingungen durchgeführt wird, vergleichbar.
Epidemiologische Daten werden bei Menschen erhoben, die in ihrer natürlichen Umwelt einer Vielzahl heterogener Einflüsse ausgesetzt sind und unterschiedliche genetische Dispositionen aufweisen. Daher ist es zumeist auch schwierig, Ursache – Wirkungs – Beziehungen zwischen verschiedenen Faktoren und einer Krankheit zweifelsfrei zu belegen.
Durch epidemiologische Forschung ist es allerdings möglich, Risikofaktoren zu identifizieren, die mit einem erhöhten Krankheitsrisiko verbunden sind und sie erlaubt Aussagen darüber, inwieweit ein Risikofaktor das Krankheitsrisiko erhöht.
Erst wenn mehrere voneinander unabhängige Studien einen Zusammenhang zwischen Risikofaktor und Erkrankung nachweisen und andere Erklärungsmodelle ausscheiden, wird ein solcher Zusammenhang als ein ursächlicher akzeptiert. Meist sind Krankheiten durch mehrere Risikofaktoren bedingt. Hier kann von einer multifaktoriellen Genese gesprochen werden. Dieses komplexe Zusammenwirken ist eine der Hauptschwierigkeiten epidemiologischer Forschung (vgl. SCHWARTZ, F.W. u.a., 1998, S.285 f.).
1.3. Methoden der Epidemiologie / Epidemiologische Studientypen
Epidemiologische Studien können nach inhaltlichen und methodischen Aspekten charakterisiert werden. Inhaltlich wird unterschieden zwischen experimentellen Studien (Therapiestudien, Interventionsstudien,...) und Beobachtungsstudien (deskriptiv oder analytisch). Methodisch kann unterschieden werden zwischen Querschnittsstudien, Längsschnittstudien, u.a.
Ziel epidemiologischer Studien ist zumeist Zusammenhänge zwischen bestimmten Erkrankungen und deren ursächliche Entstehungsfaktoren aufzudecken. Dazu wird eine wissenschaftliche Hypothese aufgestellt und gezielt
nach einem Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber einem bestimmten Faktor (einer bestimmten Verhaltensweise, einer medizinischen Behandlung) und einer Erkrankung gesucht. Dies wird meistens in sog. Kohortenstudien oder Fall – Kontroll – Studien untersucht. In Kohortenstudien wird untersucht, ob und in welchem Maße sich eine über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtete Gruppe exponierter Personen von einer Gruppe Nicht – Exponierter in der Krankheitsinzidenz unterscheidet. In den Fall – Kontroll – Studien wird der umgekehrte Weg verfolgt: Erkrankte Personen (Fälle) und geeignete, nicht – erkrankte Kontrollpersonen werden ausgewählt und hinsichtlich ihrer früheren (prämorbiden) Exposition verglichen. Bei allen epidemiologischen Studien sind einige grundlegende Prinzipien und Arbeitsschritte zu beachten:
- Forschungshypothese sollte biologisch plausibel sein und in eine klar formulierte, spezifische Fragestellung münden,
- Einfluß – und Zielgrößen müssen benannt und definiert sein (vgl. SCWARTZ, F.W. u.a., 1998, S.301 ff).
1.4. Verhältnis von Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung
1.4.1. Definition und Zielsetzungen der Gesundheitsberichterstattung
Definition I
„Gesundheitsberichterstattung (GBE) ist eine problembezogene und wertende Sammlung von wesentlichen Gesundheitsproblemen und Gesundheitsrisiken einer räumlich und zeitlich definierten Bevölkerung. Sie dient hauptsächlich der Information der Öffentlichkeit und der Politik. Sie sollte u.a. informationelle Grundlagen schaffen über regions -, geschlechts -, alters – und schichtspezifische Statistiken über Gesundheit, Krankheiten und Sterbegeschehen, soziale und regionale Verteilung von Gesundheitsrisiken sowie präventive Potentiale, Inanspruchnahme und Qualität der gesundheitlichen Betreuung und Versorgung, Ausstattung und Leistungen gesundheitsbezogener Einrichtungen sowie differenzierte Kosten,...“ (http://www.rki.de/GBE/GLOSSAR/GLOSSAR.HTM?/GBE/GLOSSAR/IN002.HTM&1, 31.07.2002)
Definition II
„Unter Gesundheitsberichterstattung verstehen wir die systematische Darstellung und Analyse des Gesundheitszustandes der Bevölkerung, der Gesundheitsgefährdungen und der Gesundheitsversorgung“ (BARDEHLE/ANNUß, 1998, S.330).
Zielsetzungen
Die Gesundheitsberichterstattung hat es sich zum Ziel gesetzt, den Gesundheitszustand der Bevölkerung insgesamt oder in bestimmten Regionen zu erheben, zu dokumentieren und zu analysieren. Ebenso werden Angaben über die Versorgung mit bestimmten Einrichtungen und deren Inanspruchnahme regelmäßig erstellt.
1.4.2. Verhältnis von Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung im Detail
Die Analyse der Informationen und die Interpretation der Ergebnisse der Gesundheitsberichterstattung bedürfen guter epidemiologischer Kenntnisse der Bearbeiter. Das gilt ebenso für andere Bereiche des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) wie z.B. die Überwachung von Infektionskrankheiten oder die Bewertung umweltepidemiologischer Studien. Grundsätzlich werden die Daten, die für die Gesundheitsberichterstattung benötigt werden unter Anwendung epidemiologischer Methoden erhoben, ebenso werden sie mittels epidemiologischen Wissens analysiert und ausgewertet. Die Gesundheitsberichterstattung ist also gewissermaßen abhängig von den Methoden und Verfahren der Epidemiologie, andererseits ist die Gesundheitswissenschaft nur ein Anwendungsgebiet der Epidemiologie, die in vielen anderen Bereichen gleichermaßen Anwendung findet.
1.5. Stellenwert der Gesundheit älterer Menschen
Die Gesundheit älterer Menschen hat insgesamt einen sehr hohen Stellenwert abhängig von der Betrachtungsperspektive. Es ist erkennbar, daß die älteren Menschen selbst den Stellenwert ihrer eigenen Gesundheit zwar hoch einstufen, dennoch gewisse Abstriche in der Gesundheit als dem Alter entsprechend normal ansehen. Das heißt, dass die meisten älteren Menschen zwar Einschränkungen in der Gesundheit haben, diese allerdings nicht überbewerten, sie als gegeben hinnehmen und insgesamt - bei einem geringen Grad der Einschränkung - zufrieden mit ihrem Gesundheitszustand sind.
Aus gesellschaftlicher Sicht hat die Gesundheit älterer Menschen ebenfalls einen sehr hohen Stellenwert, insbesondere in finanzieller Hinsicht. Gerade bei älteren Menschen ist die Wiederherstellung von Gesundheit meist sehr teuer, da Heilungsverläufe insgesamt komplizierter und zeitintensiver verlaufen als bei jüngeren Menschen. Aus diesem Grund ist es ratsam eher präventive Maßnahmen zu ergreifen, die die Gesundheit älterer Menschen zu schützen versuchen (z.B. Empfehlung der Pneumokokken – Impfung ab 60. Lebensjahr für gefährdete Personengruppen (Multimorbidität, ...).
Im folgenden soll nun die Gesundheitssituation älterer Menschen noch detaillierter betrachtet werden. Insbesondere wird auf die Mortalität, die Morbidität und zur Gesundheit im engeren Sinne (Gesundheitsbewusstsein, Gesundheitsverhalten) eingegangen werden. Weiterhin wird versucht, einen Zusammenhang zwischen sozial benachteiligten älteren Menschen und deren Gesundheitssituation sowie die Wechselwirkung zwischen Armut und Gesundheit herzustellen.
II Die Gesundheitssituation älterer Menschen in bezug auf Morbidität, Mortalität, Gesundheitsverhalten und der Zusammenhang zwischen sozialen Status und Gesundheit.
2.1. Allgemeine Situation älterer Menschen in Deutschland und damit verbundene Probleme
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist der Anteil älterer, alter und hochaltriger Menschen an der Gesamtbevölkerung in den westlichen Industriegesellschaften kontinuierlich gewachsen. Vermutlicherweise wird diese Entwicklung auch noch weiter anhalten. Aufgrund demographischer Veränderungen sind neue gesellschaftliche Probleme entstanden. Unter lebenslaufspezifischen Gesichtspunkten hat sich die Gesamtspanne des Alters ausgedehnt und gleichzeitig ausdifferenziert: in junges, höheres und höchstes Alter. Während das junge Alter vorwiegend beschwerdefrei verläuft, steigt im höheren und höchsten Alter die Prävalenz von Beeinträchtigung und Krankheit an. Insbesondere in der zur Zeit am stärksten expandierenden Gruppe der ältesten Alten ist die Morbidität hoch. Ein Fakt, der sich auch in Zukunft bestenfalls partiell ändern dürfte. Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit von Krankheit und gesundheitlichen Beeinträchtigungen immer weiter an, die – anders als bei jüngeren Bevölkerungsgruppen – zumeist dauerhaften Charakter aufweisen und Fremdhilfe sowie Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten erforderlich machen. Bereits heute ist der Anteil an robusten Hochbetagten nicht mehr zu übersehen. Er wird aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls stetig anwachsen. Allerdings stellt sich hier nun die Frage, ob mit dem Gewinn an Lebensjahren zukünftig ein Mehr an gesunden oder kranken Jahren einhergeht. Dieser Frage wird im Augenblick noch nachgegangen, wobei im Moment noch kein einheitlicher Standpunkt zu dieser Frage existiert. Zur Zeit werden insbesondere zwei Theorien diskutiert:
- Aufgrund weiterer medizinischer Fortschritte und Verbesserungen der Lebensbedingungen wird davon ausgegangen, dass die Wahrscheinlichkeit unbeeinträchtigten Alterns steigt und Krankheit
sowie Funktionsverluste nur in einem relativ kurz andauernden Zeitabschnitt vor dem Tod auftreten,
- Nur die jüngeren unter den alten Menschen werden profitieren, insgesamt wird aber die Prävalenz von Morbidität ansteigen.
Anzunehmen ist, dass zumindest das jüngere Alter in der Zukunft „gesünder“ verlaufen wird und sich die Ausdifferenzierung des Alters und altersphasenspezifischer Problemlagen fortsetzen wird.
Erst in den 70er Jahren begannen die Konzipierung und Implementation altersspezifischer Sozialprogramme (Altenhilfe). Die Gesundheitspolitik reagierte noch später, so wurde z.B. der flächendeckende Ausbau der Sozialstationen erst in den 80er Jahren eingeleitet. Lange Zeit wurde vermutet, dass die Altersverschiebung sich als Last entpuppen und mit gesellschaftlich kaum finanzierbaren Ausgaben einhergehen könnte. Da zu den rund 14,3 Mio. berenteten Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen auch Personen gehören, die noch nicht 65 Jahre oder älter sind und vielfach aufgrund von Arbeitsmarktproblemen (Vorruhestand !) berentet wurden, lassen sich die Ausgaben für Rentner nicht mit denen für alte Menschen gleichsetzen. Datenschwächen dieser und anderer Art erschweren die empirische Einschätzung demographiebedingter Kostensteigerungen. Die Korrelation von demographischer Alterung und Ausgabensteigerung ist nicht bestreitbar, doch zunehmend wird erkennbar, dass die in der Vergangenheit beschworenen Horrorszenarien Stimmen weichen, die zeigen, dass die demographische Entwicklung nur partiell für das Kostenwachstum im Gesundheitswesen verantwortlich ist. Für die Zukunft wird sogar eine Abflachung des demographischen Kostensteigerungseffektes prognostiziert (vgl. SCHWARTZ, F.W. u.a., 1998, S. 536 ff).
2.2. Besonderheiten von Gesundheits – und Krankheitsproblemen im Alter
1. Zunahme von Multimorbidität mit steigendem Alter. Ein Großteil alter Menschen leidet unter einer Vielzahl gleichzeitig auftretender Erkrankungen. Eine besondere Gefährdung stellt dabei das dynamische Zusammenspiel der verschiedenen Erkrankungen dar. Diese Dynamik wird durch
Therapieinterferenzen und die Vernachlässigung von wichtigen Krankheiten verstärkt.
2. Komplexität von Krankheitsproblemen, die selten auf körperliche Beschwerden beschränkt sind, sondern funktionelle, psychische und soziale Implikationen haben.
3. Verminderte Belastbarkeit und Adaptabilität, die oft dazu führen, daß sich funktionelle Reservekapazitäten schnell erschöpfen. Normale Belastungen werden problemlos bewältigt, jedoch wird die Leistungsgrenze schnell überschritten, was bei latent vorhandenen Störungen zur Dekompensation führen kann.
4. Unabhängigkeit von zwei Größen: Krankheit und Versorgungsbedarf. Mit den heute verfügbaren diagnostischen Mitteln lassen sich – praktisch bei jedem Menschen im Alter – pathologische und pathophysiologische Veränderungen feststellen, die häufig weder das Wohlbefinden noch die Funktionsfähigkeit des betroffenen Individuums beeinträchtigen und aus diesem Grund nicht zwingend mit Bedarf an Behandlung, Unterstützung oder Hilfen im Alltag verbunden sind.
5. Ein großer Anteil alter Menschen weist allerdings Einschränkungen der Funktionsfähigkeit auf. Von Interesse für die Feststellung der Versorgungsbedürftigkeit sind insbesondere die Fähigkeiten zur Bewältigung des alltäglichen Lebensvollzugs und der Selbstversorgung, die mit den sog. Activity of Daily Living Indices gemessen werden.
6. Besondere Belastungen für das Individuum und letztendlich – über den hohen Versorgungsaufwand auch für die Gesellschaft – ergeben sich aus Erkrankungen des Stütz – und Bewegungsapparates, aus Stürzen, demenziellen Erkrankungen, psychiatrischen Krankheitsbildern, aus dem Schlaganfall und intrakranialen / neurologischen Episoden, aus sensorischen Erkrankungen und Behinderungen sowie aus Inkontinenz und Hautproblemen (vgl. SCHWARTZ, F.W. u.a., 1998, S. 538 ff).
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- Quote paper
- Dipl.-Pflegewirt (FH) Markus Mitzenheim (Author), 2003, Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung. Zur Gesundheitssituation älterer Menschen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18859
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