Im Zentrum der wissenschaftlichen Auseinandersetzung steht die Frage nach der aktuellen und künftigen Bedeutung von Weblogs für das Issues Management.
Durch das Schlagwort „Web 2.0“ und die rasante Verbreitung von Social Software haben sich die Rahmenbedingungen für Unternehmen im Internet grundlegend geändert. Über Anwendungen wie Weblogs kann jeder Internetnutzer einfach und schnell Texte, Bilder, Videos und Meinungen sowie auch Kritik publizieren und einem breiten Publikum zugänglich machen. Für die Unternehmenskommunikation ergeben sich dadurch neue Herausforderungen, aber auch Chancen. Diese Arbeit stellt den Einfluss von Bloggern als „neue Meinungsmacher“ in den Mittelpunkt und liefert qualitative Ergebnisse dazu, wie unternehmensrelevante Themen frühzeitig in Blogs identifiziert werden können und welche Maßnahmen und Strate-gien im Umgang mit Bloggern sinnvoll sind. Den theoretischen Hintergrund bildet das Konzept des Issues Management. Dabei handelt es sich um ein systematisches Verfahren zur Beobachtung von und Reaktion auf unternehmensrelevante Umweltbereiche mit dem Ziel, Schaden von einem Unternehmen abzuwenden und/oder Nutzen für es zu vermehren. Durch die Meinungsbildung in der Blogosphäre werden Issues früher und länger bedeutend.
Für die empirische Untersuchung wurde die qualitative Delphi-Methode gewählt. Sie ist eine Spezialform der Expertenbefragung und ermöglicht durch wiederholte Befragungsdurchgänge die Bildung eines Gruppenkonsenses. Insgesamt nahmen 48 Kommunikationsexperten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an zwei Online-Befragungswellen teil. Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Notwendigkeit der kontinuierlichen Beobachtung und Bewertung von Weblog-Issues und des Beziehungsaufbaus zu relevanten Bloggern für Unternehmen. Durch die zunehmende Verschmelzung von Social Software-Angeboten wird eine isolierte Betrachtung von Blogs allerdings immer schwieriger, vielmehr werden Gesamtstrategien für das Social Web notwendig. Die größte Herausforderung für die PR liegt darin, sich auf die neuen Gegebenheiten im Web einzulassen und nicht nur abwartend zu beobachten, sondern sich aktiv in die weltweite Community einzubringen und in einen offenen, authentischen Dialog zu treten.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
I THEORETISCHER
2 Weblogs
2.1 Die Rahmenbedingung: Web 2.0, das soziale Mitmach-Web
2.2 Was ist ein Weblog?
2.2.1 Inhaltliche Eigenschaften
2.2.2 Technische Eigenschaften
2.3 Eine kurze Weblog-Geschichte
2.4 Weblogs aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht
2.5 Die Blogosphäre
2.5.1 Zahlen und Fakten
2.5.2 Weblogs im Kulturvergleich
2.5.3 Arten von Weblogs
2.5.4 Selbstverständnis und Motivation der Blogger
2.5.5 Bloggertypologie nach Zerfaß/Boelter
2.5.6 Nutzungsmotive der Blogleser
2.6 Sind Blogger die neuen Meinungsmacher?
2.6.1 Meinungsbildung in der Blogosphäre
2.6.2 Die Rolle der A-Blogger
2.6.3 Journalisten als Nutzer von Weblogs
2.7 Weblogs aus PR-Sicht
2.7.1 Zwischen Akzeptanz und Skepsis
2.7.2 European Communication Monitor
2.7.3 Die EuroBlog-Studien
2.8 Exkurs: Micro-Blogging
3 Issues Management
3.1 Anforderungen an das Issues Management-Konzept
3.2 Entwicklung des Issues Management
3.2.1 Issues Management in der Forschung
3.2.2 Issues Management in der Praxis
3.2.3 Einordnung des Issues Management im Unternehmen
3.3 Bezugsrahmen des Issues Management
3.3.1 Sachdimension: Issue – Definition des Begriffs
3.3.2 Akteursdimension: Issues und ihre Stakeholder
3.3.3 Zeitdimension: Lebenszyklen von Issues
3.4 Relevanzindikatoren von Issues für Unternehmen
3.4.1 Relevanzebenen nach Merten
3.4.2 Diffussionsregularitäten nach Imhof/Eisenegger
3.5 Der Issues Management-Prozess
3.5.1 Identifikation von Issues durch Scanning und Monitoring
3.5.2 Priorisierung und Analyse von Issues
3.5.3 Strategie-Entwicklung und Strategie-Umsetzung
3.5.4 Prozessevaluierung
4 Weblogs im Issues Management-Prozess
4.1 Studie: Bedeutung privater Blogs für das Issues Management
4.2 Unternehmenskrisen durch Weblogs
4.2.1 Kryptonite
4.2.2 Jamba
4.2.3 Transparency Deutschland
4.2.4 Dell, Ford, Expedia – weitere Beispiele
4.3 Weblogs in der Phase der Früherkennung von Issues
4.4 Identifikation von Weblog-Issues
4.4.1 Selfmade-Monitoring
4.4.2 Systematisches Monitoring
4.5 Analyse von Weblog-Issues
4.6 Die Strategie: Reaktion auf Weblog-Issues
4.6.1 Blogger als Kommunikationspartner
4.6.2 Virale Kampagnen
4.6.3 Blog-Sponsoring
4.6.4 Corporate Blogs
II EMPIRISCHER
5 Durchführung der Untersuchung
5.1 Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen
5.2 Methodenwahl: die Delphi-Befragung
5.3 Auswahl der Befragten: das Experten-Panel
5.4 Konstruktion des Erhebungsinstrumentes
5.4.1 Erste Befragungswelle
5.4.2 Zweite Befragungswelle
5.5 Ablauf der Untersuchung
6 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
6.1 Persönliche Nutzung von Weblogs und Selbsteinschätzung der Teilnehmer
6.2 Bedeutung von Weblogs
6.3 Chancen und Risiken von Weblogs
6.4 Beobachtung von Weblogs und Weblog-Issues
6.5 Bewertung von Weblogs und Weblog-Issues
6.6 Umgang mit Bloggern
6.7 Zukunft von Weblogs
6.8 Beantwortung der Forschungsfragen u. Erstellung von Hypothesen
7 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Wissenschaftliche Quellen
Nicht-wissenschaftliche Quellen
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
E-Mail-Anschreiben
Fragebögen
Befragungswelle 1
Befragungswelle 2
Abstract (deutsch)
Abstract (english)
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Web 2.0-Mindcloud
Abb. 2: Warblog des Irakers Salam Pax
Abb. 3: Gründe für die Blognutzung aus Sicht der Rezipienten
Abb. 4: Typologie der Blognutzer in Deutschland
Abb. 5: Typischer Meinungsbildungsprozess im Internet am Beispiel Weblogs
Abb. 6: Wechselwirkung zwischen Weblogs und Massenmedien
Abb. 7: Twitter -Site des bekannten PR Bloggers Klaus Eck
Abb. 8: Typische Bezugsgruppen einer Organisation
Abb. 9: Typologie des Verhaltens von Teilöffentlichkeiten gegenüber Issues
Abb. 10: Weiterentwicklung des Issues-Lebenszyklus
Abb. 11: Die Entwicklung des Kryptonite -Falls in der Blogosphäre
Abb. 12: Weblogs und Massenmedien im Prozess der Meinungsbildung
Abb. 13: die drei Dimensionen von Social Marketing-Maßnahmen
Abb. 14: Werbeplakat von Vodafone mit Blogger als Testimonial
Abb. 15: Vorlage für eine „Social Media Release“
Abb. 16: Horst Schlämmer-Blog „Ich mach jetzt Führerschein“
Abb. 17: Knuts Blog
Abb. 18: Virtuous Circle of Blogging
Abb. 19: FRoSTA Blog
Abb. 20: “Der Walther“ Saftblog
Abb. 21: Zusammensetzung des Panels nach Geschlecht
Abb. 22: Zusammensetzung des Panels) nach Funktionsbereich
Abb. 23: Zusammensetzung des Panels nach Land
Abb. 24: Die Rolle von Blogs im Berufsalltag der Teilnehmer
Abb. 25: Selbsteinschätzung des Fachwissens zu den Fragebogen-modulen
Abb. 26: Bedeutung von Bloginhalten in ihrer Funktion als schwache Signale
Abb. 27: Relevanz von Scanning-Instrumenten
Abb. 28: Relevanz von Monitoring-Instrumenten
Abb. 29: Relevanz von Monitoring-Instrumenten bis 2011
Abb. 30: Analysekriterien für die Priorisierung relevanter Blogs
Abb. 31: Analysekriterien für die Priorisierung relevanter Blog-Issues
Abb. 32: Blogger als neue Dialogpartner
Abb. 33: PR-Maßnahmen für den Blogger-Dialog
Abb. 34: Treiber für die Integration von Blogs in das Issues Management
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Social Software in deutschen und internationalen Unternehmen
Tab. 2: Nutzung von Weblogs in der PR, Teil1
Tab. 3: Nutzung von Weblogs in der PR, Teil2
Tab. 4: Chancen von Weblogs für Unternehmen
Tab. 5: Matrix zur Priorisierung von Issues nach Dringlichkeit und Wirkung
Tab. 6: Kombi von Stakeholder-Stellenwert und Issue-Aufmerksamkeitswert
Tab. 7: Die fünf größten Chancen für Unternehmen durch Weblogs
Tab. 8: Die fünf größten Risiken für Unternehmen durch Weblogs
Tab. 9: Die fünf wichtigsten Instrumente für das Scanning von Weblogs bzw Weblog-Issues
Tab. 10: Die fünf wichtigsten Instrumente für das Monitoring von Weblogs bzw Weblog-Issues
Tab. 11: Relevanz von Monitoring-Instrumenten bis 2011
Tab. 12: Hemmnisse für das Blog-Monitoring in Unternehmen
1 Einleitung
Durch das Schlagwort „Web 2.0“ und die rasante Verbreitung von Social Software haben sich die Rahmenbedingungen für Unternehmen im Internet grundlegend geändert. Mit der „globalen Echtzeitkommunikation“ (Schmidt 2001:162) im World Wide Web ist die Skandalisierungsgefahr für Unternehmen weiter gestiegen und eine neue Kunden- und Nutzergeneration entstanden, die den Empfehlungen ihres persönlichen Netzwerks folgt (vgl. Eck 2007:15f). Über Anwendungen wie Weblogs kann praktisch jeder Internetnutzer einfach und schnell Texte, Bilder, Videos und Meinungen sowie auch Kritik publizieren und einem breiten Publikum zugänglich machen. Allein die Leser entscheiden, ob sie den Online-Inhalten vertrauen oder nicht (vgl. Eck/Pleil 2006:86) – „mit einem Mal sind aus den Kunden Content-Produzenten geworden“. (Eck 2007:21)
Ein Weblog – zusammengesetzt aus „Web“ (Kurzbezeichnung für das World Wide Web) und „Log“ (engl. Fahrten- oder Tagebuch) – ist als eine Art „Online-Tagebuch“ zu verstehen. Die Beiträge sind in der Regel sehr subjektiv geschrieben, der neueste Eintrag steht immer am Beginn (vgl. Koller/Alpar 2008:19). In den meisten Blogs können die Leser eigene Kommentare hinterlassen, die die Bedeutung der einzelnen Einträge erweitern und die Dialogorientierung des Mediums unterstreichen. Die Betreiber bzw. Autoren von Weblogs nennt man Blogger, die Gesamtheit aller Weblogs wird als Blogosphäre bezeichnet (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:20).
Entscheidend ist, dass Weblogs untereinander stark vernetzt sind, denn auf diese Weise verbreiten sich Nachrichten nach dem Schneeballprinzip rasant und die Blog-Artikel führen häufig die Ergebnisse in den Suchmaschinen an. Sofern diese neue – noch nicht in den Massenmedien thematisierte – Aspekte enthalten, besteht die Möglichkeit, dass diese Themen von Journalisten aufgegriffen werden und so eine noch größere Aufmerksamkeit erlangen (vgl. Eck/Pleil 2006:86f). Zahlreiche Studien belegen das hohe Potenzial von Weblogs auf die Meinungsbildung. Für die Unternehmenskommunikation ergeben sich dadurch zweifelsohne neue Herausforderungen, aber auch Chancen.
„Wer in Wirtschaft oder Politik für Kommunikationsstrategien verantwortlich ist, muss sich mit dieser Entwicklung auseinandersetzen“, betonen etwa Zerfaß/Boelter (2005:16). Dennoch bleiben viele Kommunikationsverantwortliche im deutschsprachigen Raum – ganz im Gegensatz z.B. zu den USA oder Asien – Blogs gegenüber eher skeptisch (vgl. Zerfaß/Sandhu 2008:287). Nach Nitz (2007:2) könnten Strategien im Umgang mit Bloggern aber nur erfolgreich sein, „wenn ein Verständnis für die Sphäre der Blogs vorhanden ist und die Betreiber von Blogs wie auch die Themen innerhalb der Blogosphäre eingeordnet werden können.“
Die derzeit vorhandenen empirischen Befunde zu Weblogs in Verbindung mit Unternehmen fokussieren zumeist auf deren Einsatz als Kommunikationsmedium für Unternehmen (als sog. Corporate Blogs). Nur wenige Studien beziehen auch den Aspekt der Meinungsbildung in der Weblog-Nische und die daraus resultierenden Konsequenzen für das Kommunikationsmanagement mit ein. Diese Arbeit stellt deshalb den Einfluss von Bloggern in ihrer Rolle als „neue Meinungsmacher“ auf Unternehmen in den Mittelpunkt und soll qualitative Ergebnisse dazu liefern, wie unternehmensrelevante Issues und Themen frühzeitig in Blogs identifiziert werden können und welche Strategien und Maßnahmen im Umgang mit Bloggern sinnvoll sind. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sollen wiederum als Grundlage für weitere Untersuchungen dienen.
Theoretischer Hintergrund
Als theoretischer Hintergrund für diese Arbeit dient das Konzept des Issues Management. Dabei handelt es sich um ein systematisches Verfahren zur Beobachtung von und Reaktion auf unternehmensrelevante Umweltbereiche (vgl. Röttger 2001:15) mit dem Ziel, Schaden von einem Unternehmen abzuwenden und/oder Nutzen für es zu vermehren (vgl. Merten 2001:42). Issues Management ermöglicht damit eine proaktive Auseinandersetzung mit konkurrierenden gesellschaftlichen Gruppen und (potenziell) kritischen Themen (vgl. Röttger 2001:15). Vereinfacht werden „Issues“ als unternehmensrelevante Themen gesehen, im angelsächsischen Raum auch als öffentliche Anliegen und Streitfragen (vgl. Lütgens 2001:63). Zentrale Aufgabe des Issues Management ist es, politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Sachverhalte, die ein Unternehmen betreffen könnten, im Sinne einer Frühwarnfunktion zu identifizieren (vgl. Merten 2001:42) und so zu übersetzen, „dass sie als entscheidungsrelevante Informationen in organisationspolitischen Entscheidungsprozessen verarbeitet werden können.“ (Röttger 2001:23) Seinen Ursprung hat das Konzept des Issues Management in der Kommunikationswissenschaft.
Durch die Meinungsbildung in der Blogosphäre werden Issues früher und länger bedeutend (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:95f). Wer relevante Issues schon im „vormedialen Raum“ (Eck/Pleil 2006:82) erkennt, eröffnet seiner Organisation maximale Handlungsspielräume für die Entscheidung und Beeinflussung (vgl. ebd. 82).
Erkenntnisinteresse
Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die Frage nach der Bedeutung von Blogs für das Issues Management von Unternehmen. Es soll untersucht werden, wie unternehmensrelevante Themen frühzeitig in Weblogs identifiziert und in ihrer Relevanz für das betreffende Unternehmen eingeordnet werden können. Darüber hinaus sollen Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Bloggern herausgearbeitet werden. Aber auch zukünftige Entwicklungen und Einflüsse der Meinungsbildung in der Weblog-Nische auf Wirtschaft und Gesellschaft sind wichtige Themen dieser Arbeit. Schwerpunktmäßig beziehen sich die dargelegten Erkenntnisse aus der Fachliteratur und die empirische Untersuchung zu dieser Arbeit auf den deutschsprachigen Raum.
Zentrale Fragestellungen sind zum Beispiel: Wo liegen die größten Chancen/Risiken für Unternehmen durch das Aufkommen und die Verbreitung von Weblogs? Warum hinken deutschsprachige Länder bei der Nutzung von Weblogs deutlich hinter anderen westlichen Staaten zurück? Sind verschiedene Unternehmensbranchen unterschiedlich stark von der Meinungsbildung in der Blogosphäre betroffen? Wie notwendig ist es für Unternehmen, Blogs ähnlich wie traditionelle Massenmedien und Fachmedien einer regelmäßigen Medienbeobachtung und -analyse zu unterziehen? Welche Instrumente sind dafür besonders geeignet? Was sind die häufigsten Gründe für Unternehmen, kein systematisches Blog-Monitoring zu betreiben? Welche Bewertungskriterien sind entscheidend, um relevante Blogs und Blog-Issues für Unternehmen zu beurteilen und zu priorisieren? Was sind geeignete PR-Maßnahmen in Bezug auf Blogger als Kommunikationspartner? Was werden innerhalb der nächsten Jahre die größten Treiber für Unternehmen sein, Weblogs in ihre Kommunikationsarbeit zu integrieren?
Untersuchungsablauf
Aufgrund des prognostischen Charakters des Erkenntnisinteresses dieser Arbeit und des Fehlens detaillierter wissenschaftlicher Befunde zum Untersuchungsgegenstand wurde für die empirische Untersuchung die qualitative Delphi-Methode gewählt. Sie ist eine, nach dem gleichnamigen Orakel aus der griechischen Antike benannte, Spezialform der Expertenbefragung. Die getrennt abgegebenen Expertenmeinungen werden hier allerdings nicht einzeln ausgewertet, sondern anonymisiert zusammengefasst und den Experten zur neuerlichen Bewertung vorgelegt. Dieser Vorgang hat die Bildung eines Konsenses zum Ziel, aus dem schließlich möglichst deutliche Prognosen von Zuständen, Entwicklungen oder Ereignissen in der Zukunft abgeleitet werden können (vgl. Lütgens 2001:171f; Beck et al. 2000:17).
In einem ersten und zweiten Schritt werden nach erfolgter Literaturstudie ein Fragebogen konstruiert und ein Teilnehmerpanel aus Kommunikationsexperten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengestellt. Den Hauptteil der empirischen Untersuchung bildet eine anschließende zweistufige Online-Befragung dieser Experten. Auf Basis der so gewonnenen Ergebnisse werden als Ziel einer Delphi-Studie qualifizierte Hypothesen erstellt, deren Überprüfung die Aufgabe weiterführender Studien wäre.
Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit unterteilt sich in einen theoretischen und einen empirischen Teil.
Zunächst wird in Kapitel 2 ein allgemeiner Überblick zu Weblogs gegeben: Es wird versucht, den Begriff „Weblog“ zu definieren und aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht zu beleuchten, Blogger und Blogleser werden anhand verschiedener Studien differenziert und die Relevanz von Weblogs für neue Formen der Meinungsbildung diskutiert. Darüber hinaus wird auf das Verhältnis zwischen Weblogs und PR eingegangen. Kapitel 3 befasst sich mit dem theoretischen Hintergrund dieser Arbeit, das Konzept des Issues Management wird darin umfassend erläutert. Kapitel 4 nähert sich schließlich den Zusammenhängen zwischen Weblogs und dem Issues Management-Prozess und enthält zahlreiche Empfehlungen und Fallbeispiele aus der Praxis.
Mit Kapitel 5 beginnt der empirische Teil dieser Arbeit, hier werden das Erkenntnisinteresse, die Forschungsfragen, die gewählte Delphi-Methode und das Untersuchungsdesign vorgestellt. In Kapitel 6 folgen eine ausführliche Darstellung und Interpretation der Untersuchungsergebnisse im Hinblick auf das Erkenntnisinteresse sowie die Beantwortung der Forschungsfragen und die Bildung von Hypothesen für weiterführende Studien. In Kapitel 7 findet sich abschließend eine Zusammenfassung und Schlussbetrachtung dieser Arbeit.
I Theoretischer Teil
2 Weblogs
Überall liest und hört man von ihnen: Weblogs (in Kurzform: Blogs) sind in Medienberichten und TV-Sendungen, bei Kongressen und Seminaren, in Unternehmensworkshops, an Universitäten und auf Schulhöfen längst allgegenwärtig. Allerdings nicht ohne zu polarisieren: Während ihre Befürworter in ihnen eine „Revolution der Dialogkommunikation“ (Walther/Krasselt 2005:4) sehen, beurteilen Skeptiker Blogs nur als eine „neue Spielwiese für privaten Klatsch und Tratsch“ (Zerfaß/Boelter 2005:16). In diesem Kapitel wird versucht, den Begriff „Weblog“ zu definieren und Blogs aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht einzuordnen, die zugrunde liegenden Rahmenbedingungen (Stichwort „Web 2.0“) zu klären und das Phänomen in seinen verschiedenen Facetten zu beschreiben. Darüber hinaus wird speziell auf das Verhältnis zwischen Weblogs und PR eingegangen und die Relevanz von Weblogs für neue Formen der Meinungsbildung diskutiert.
2.1 Die Rahmenbedingung: Web 2.0, das soziale Mitmach-Web
In den vergangenen Jahren haben sich die Kommunikationsgewohnheiten der Menschen stark gewandelt, das Internet ist im privaten wie beruflichen Alltag kaum mehr wegzudenken. Die Ergebnisse des Austrian Internet Monitor (AIM), einer regelmäßig durchgeführten Untersuchung des Marktforschungsinstituts Integral zur Internet-Nutzung in Österreich, verdeutlichen die rasante Entwicklung: Konnten 1999 erst 34% der österreichischen Bevölkerung ab 14 Jahren prinzipiell auf das Internet zugreifen, waren es 2009 (3. Quartal) insgesamt 81% bzw. 5,7 Millionen Österreicher und Österreicherinnen. Unabhängig vom Nutzungsort gehen 64% der Österreicher zumindest mehrmals wöchentlich ins Internet, 50% nahezu täglich. 1999 lagen diese Zahlen noch bei 19% bzw. 10%.[1] Ein ähnliches Bild ergibt sich für Deutschland: Die repräsentative ARD/ZDF-Online-Studie wies für 2009 43,5 Millionen deutsche Onliner aus, die zumindest gelegentlich das Internet nutzen – das entspricht 67,1% der deutschen Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren. 1999 waren erst 17,7% bzw. 11,2 Millionen Deutsche online.[2]
Durch das Schlagwort „Web 2.0“ erhielten das Internet sowie dessen Nutzung eine neue Dynamik. Der Begriff steht für alles, was sich im Web und um das Web herum weiter entwickelt hat, seien es die wirtschaftlichen Aspekte des Internet oder soziale Phänomene wie Partizipation. Die Ausgangsbasis für das Web ist heute eine andere: Seit den Anfängen des Internet haben sich die Zugangsgeschwindigkeiten massiv verbessert, mit der Einführung von DSL und bezahlbaren Tarifen konnte das Web von immer mehr Menschen genutzt werden (vgl. Alby 2007:2ff). Gleichzeitig sind die Nutzer erfahrener im Umgang mit dem Internet geworden und immer einfacher bedienbare Anwendungen ermöglichen vielfältige Formen der Kommunikation und Interaktion (vgl. Zerfaß/Sandhu 2008:286).
Der Begriff „Web 2.0“ wurde vom amerikanischen Verleger Tim O’Reilly geprägt. Er beschrieb damit jene Prinzipien, die Firmen teilen, die den Crash der New Economy überlebt haben und heute erfolgreich sind. In seinem Artikel „What is Web 2.0?“ erfasst O’Reilly die Kernkompetenzen des Web 2.0, von denen erfolgreiche Unternehmen mindestens eine besäßen:
- Nutzung des Web als Plattform;
- Einbeziehung der kollektiven Intelligenz der Nutzer;
- Zugang zu Daten, die schwer oder teuer zusammenzustellen sind und die umso wertvoller werden, je häufiger sie genutzt werden;
- eine neue Vorgehensweise bei der Entwicklung von Software, die auch die Nutzer einbezieht;
- Software, die die Grenzen einzelner Geräte überschreitet;
- Einbeziehung des sog. „Long Tail“[3] durch Systeme, die einen Self-Service ermöglichen (vgl. O’Reilly 2005).
Mit dem Begriff „Web 2.0“ soll also nicht alleine eine technische Weiterentwicklung umschrieben werden. Nach Eck (2007:21) stehe er vor allem für die Vernetzung und Kommunikation via Internet und basiere auf den Grundgedanken Transparenz, Freiheit und Standardisierung. Im Gegensatz zum „Web 1.0“ spiele nicht mehr das technische, sondern das soziale Miteinander die zentrale Rolle. Ermöglicht wird dies vor allem durch Social Software, „webbasierte Anwendungen, die für Menschen den Informations-austausch und die Kommunikation in einem sozialen Kontext unterstützen“. (Zerfaß/Sandhu 2008:285) Solche Anwendungen werden in der Regel kostenlos auf einer Webplattform angeboten, für die Nutzung benötigt man nur einen Webbrowser. Eine Software-Installation ist meist nicht notwendig, weil das Programm immer nur beim Dienstbetreiber aktiv ist, wodurch auch jede neue Version automatisch verfügbar wird (vgl. Alpar/Blaschke 2008:5). Die größten Vorteile von Social Software sehen Gerhards et al. (2008:129) erstens in der „Möglichkeit zur Gestaltung oder Mit-Gestaltung von eigenen Webangeboten“ und zweitens in der „Verwendung des Internets als öffentliche Kommunikationsplattform“.
Im Gegensatz zu Anwendungen der ersten Generation, werden die Inhalte nun größtenteils von den Nutzern selbst erstellt (user-generated content) – beispielsweise indem eigene Texte in einem Blog (Wordpress, Blogger.com) veröffentlicht, Fotos (Flickr, Picasa), Lieder (Last.fm) oder Lesezeichen (del.icio.us, Mister Wong) katalogisiert und kategorisiert, Beiträge für freie Online-Enzyklopädien (Wikipedia) verfasst oder private und berufliche Profile in Sozialen Netzwerken (Facebook, Xing, MySpace, studiVZ) angelegt werden (vgl. Alpar/Blaschke 2008:4). Fast alle Anwendungen ermöglichen es zudem, Feedback zu geben, Inhalte zu bewerten, zu verlinken und weiterzuempfehlen und sich mit anderen Usern auszutauschen (vgl. Huber 2008:113). Huber sieht daher den größten Nutzen des Web 2.0 in „seiner starken Ausrichtung auf den Dialog“ (ebd. 113), Zerfaß/Sandhu (2008:286) betonen die kollektive Nutzung von individuellem Wissen. In deutschen Publikationen wird deshalb auch oft vom „sozialen Mitmach-Web“ (z.B. Eck 2007:21) gesprochen. Die Mindcloud von Angermeier (Abb. 1) veranschaulicht die Prinzipien und Facetten des Web 2.0:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Web 2.0-Mindcloud
(Angermeier, online: http://nerdwideweb.com/web20/index.html#web20de [02.01.2010])
Bis heute konnte sich keine allgemein akzeptierte Definition des Schlagworts „Web 2.0“ durchsetzen. Alpar/Blaschke (2008:5) wagen folgenden Definitionsversuch:
„Der Begriff Web 2.0 kennzeichnet Anwendungen und Dienste, die das World Wide Web als technische Plattform nutzen, auf der die Programme und die benutzergenerierten Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Die gemeinsame Nutzung der Inhalte und gegenseitige Bezüge begründen Beziehungen zwischen den Benutzern.“
Für Kritiker handelt es sich bei „Web 2.0“ lediglich um ein inhaltsloses Modewort, von dem niemand genau sagen könne, was es denn nun genau bedeute. Tim Berners-Lee, bekannt als der „Erfinder“ des World Wide Web, sieht die Vernetzung von Menschen bereits seit jeher als Grundgedanken des Internet verankert und könne in den meisten Web 2.0-Anwendungen daher keine substanziellen Neuerungen erkennen (vgl. Alpar/Blaschke 2008:5f). Trotz dieser berechtigten Kritik würden die neuen Anwendungen nach Alpar/Blaschke (2008:6) dennoch eine gewisse Aufmerksamkeit verdienen, „weil sie inzwischen unbestreitbar eine große gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung erlangt haben“.
2.2 Was ist ein Weblog?
Das Wort „Weblog“ setzt sich zusammen aus „Web“, der Kurzbezeichnung für das World Wide Web, und „Log“, dem englischen Begriff für Fahrten- oder Tagebuch. Ihren Namen haben Weblogs hauptsächlich formalen Eigenschaften zu verdanken: Alle Einträge in einem Blog sind nach Datum sortiert, die aktuellsten stehen am Beginn, während ältere Einträge archiviert sind. Eine Aktualisierung erfolgt mindestens wöchentlich, oft auch täglich. Hinzu kommt eine starke subjektive Färbung der Inhalte durch den jeweiligen Blog-Autor. In deutschsprachigen Publikationen ist deshalb auch oft von „persönlichen Online-Tagebüchern“ die Rede – allerdings sind Blogs weit mehr als das (vgl. Koller/Alpar 2008:19).
Zerfaß/Boelter (2005:20) definieren Blogs als
„ Online-Publikationen, die sich durch kurze, umgekehrt chronologisch angeordnete Einträge sowie eine starke Dialogorientierung auszeichnen und besonders expressive, authentische Ausdrucksformen ermöglichen.“
Der wesentliche Unterschied eines Blogs zu einer herkömmlichen Website, oder auch zu Zeitungen und Magazinen, besteht in seiner Mischung aus Information und Meinung, die Blog-Beiträge sind durch die Originalität und die Persönlichkeit des Betreibers bzw. Autors gekennzeichnet. Doch das in einem Blog Geschriebene steht nicht abgegrenzt für sich, sondern kann auch mit Kommentaren versehen werden, die die Bedeutung der Artikel erweitern und Kernbestandteil jedes Blogs sind. Partizipation ist hier das Stichwort: Die Leser sollen nicht einfach nur lesen, sondern teilnehmen. So entstehen in populären Blogs mitunter sehr lebendige Diskussionen in den Kommentaren (vgl. Alby 2007:22).
Die Informationsaufbereitung in Blogs weicht grundsätzlich sehr stark vom Aufbau einer normalen Website ab. Der Lesefluss wird schon nach dem ersten – aktuellsten – Beitrag gebremst, weil es keine inhaltliche Überleitung zu dem darauf folgenden – älteren – Beitrag gibt. Eine solche Verbindung ist auch nicht notwendig, weil jeder Artikel in einem Blog für sich alleine steht. Bezüge zwischen den einzelnen Inhalten werden durch eine gezielte Verlinkung auf andere Blog-Einträge jedoch trotzdem hergestellt (vgl. Eck 2007:17f).
Schon bevor es den Begriff „Weblog“ gab, führten Autoren Journale im Netz (siehe Kap. 2.3). Doch erst mit der Verfügbarkeit von einfach zu benützender und meist kostenloser Blogging-Software wurde es jedem möglich, ein eigenes Blog zu betreiben. Die Barriere, selbst zu publizieren, ist gefallen: Mittlerweile existieren Millionen Blogs zu jeder nur erdenklichen Facette des Lebens (vgl. Alby 2007:21f).
2.2.1 Inhaltliche Eigenschaften
Neben ihrem subjektiven Charakter, ihrer Interaktivität und ihrer Dialogorientierung gibt es einige weitere inhaltliche Merkmale, die für Blogs charakteristisch sind:
Eines davon ist die enge und dichte Verknüpfung untereinander. Durch die gegenseitige Verlinkung von Inhalten und Kommentaren bildet sich ein globales Netzwerk aus Blogs, das in seiner Gesamtheit als Blogosphäre bezeichnet wird. Die Betreiber bzw. Autoren von Weblogs nennt man Blogger (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:20).
„Weblogs vereinen die Vorzüge vieler bekannter Kommunikationsdienste im Internet (z.B. Mailinglisten, Newsgroups, Diskussionsforen, Online-Datenbanken) und bündeln sie zu einer neuartigen Kommunikationsplattform. Sie sind die Speerspitze einer neuen Generation von Social Software, die eine weltweite, digitale und selbstorganis ierte Vernetzung von Personen und Gruppen ermöglichen.“ (ebd. 22)
Diese Vernetzung lässt laut Krauss (2008:328) „persönliche Beziehungsnetzwerke“ entstehen, denn „die Akteure beziehen sich in ihrem Handeln stets auf konkrete andere Akteure und treten auf diese Weise in soziale Beziehungen zueinander.“ (ebd. 329) Der kommunikative Austausch zwischen Autor und Leser findet über Verweise auf andere Quellen, durch Kommentare zu Beiträgen und durch spezielle Linklisten zu anderen Blogs (sog. Blogrolls), die als eine Art Lese-Empfehlung des jeweiligen Bloggers zu verstehen sind, statt (vgl. ebd. 328).
Die mögliche Themenpalette von Blogs ist nahezu unbegrenzt. Allerdings geht es bei den meisten Bloggern um ganz bestimmte, selektive Inhalte von vorrangig persönlicher Bedeutung. Unter die Themen mischen sich, wenn auch nicht ausschließlich, Erzählungen und Erfahrungen aus dem privaten und beruflichen Alltag. Für Schmidt (2008:32) besteht der Reiz des Formats darin, „eigene Ideen und Erlebnisse festzuhalten und mit anderen zu teilen“. Durch die persönlich gefärbten Einträge, den meist sehr locker und eher umgangssprachlich gehaltenen Schreibstil und die subjektive Kommentierung durch die Leser werden Blogs als sehr authentisch wahrgenommen – und sie bieten dadurch exklusive Inhalte, die sich nicht in den herkömmlichen Massenmedien finden lassen (vgl. Koller/Alpar 2008:19).
2.2.2 Technische Eigenschaften
Durch die Integration unterschiedlicher Web-Technologien weisen Blogs ganz spezielle technische Eigenschaften auf, die sie deutlich von anderen Kommunikationsmedien im Internet unterscheiden und „typisch“ für sie sind. Zerfaß/Boelter (2005:37) beschreiben die technische Weiterentwicklung so:
„Die bahnbrechende Neuerung der Blog-Technologie und der zentrale Grund für die Popularität des gesamten Phänomens ist die konsequente Orientierung der gesamten Online-Publikation an einzelnen Einträgen (Microcontent) und die Integration offener Standards zum automatischen Austausch dieser Inhalte mit beliebigen anderen Websites, Nachrichtenplattformen und Programmen (Syndication und Aggregation).“
Im Mittelpunkt jedes Weblogs stehen einzelne Beiträge (Posts), die über – meist sehr einfache – Content-Management-Systeme (CMS) erstellt, verwaltet und im Internet veröffentlicht werden. Jeder Blog-Post erhält automatisch eine eindeutige, dauerhafte URL, einen sog. Permalink (Permanent link), und kann dadurch jederzeit direkt aufgerufen oder verlinkt werden. Mit Hilfe eines automatischen Benachrichtigungssignals (Ping) wird jeder in einem Blog veröffentlichte Neueintrag an Suchmaschinen, Verzeichnisse und andere Blogs gemeldet. Auf diese Weise kann ein Beitrag in Sekunden weltweit bekannt gemacht werden (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:38f; Gerhards et al. 2008:131f).
Die dichte Vernetzung zwischen Blogs durch eine hohe Anzahl gegenseitiger Verlinkungen ist ein wesentliches Merkmal dieses Mediums. Sog. Trackbacks ermöglichen die automatische Referenzierung eines Posts auf das Blog eines anderen Autors. Das heißt: Zitiert ein Blogger einen anderen Blogger und verknüpft er das Zitat mit einem Trackback-Link, wird der ursprüngliche Verfasser in Form eines Kommentars in seinem Blog darüber informiert, wo und von wem er zitiert wurde (vgl. Krauss 2008:332). Meist enthält ein Trackback-Eintrag neben Titel und URL des bezugnehmenden Blogs auch einen kurzen Ausschnitt des betreffenden Postings (vgl. Koller/Alpar 2008:21). Die an einer Stelle veröffentlichten Inhalte können dadurch gleichzeitig in mehreren Blogs erscheinen (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:38).
Eine der wichtigsten technischen Funktionen von Blogs ist die Möglichkeit des Austauschs aller Inhalte über das freie Dateiformat RSS (Real Simple Syndication). Mittels RSS lassen sich die Bloginhalte nicht nur automatisch in andere Informationsdienste integrieren, sondern können auch von den Lesern kostenfrei „abonniert“ werden, um über neue Einträge auf dem Laufenden zu bleiben (vgl. Gerhards et al. 2008:131f). Jeder Internetnutzer kann sich so mit nur wenigen Klicks ein maßgeschneidertes Informationsangebot zusammenstellen. Über spezielle Software, sog. Feedreader, die mittlerweile in jedem gängigen Webbrowser standardmäßig enthalten sind, werden die abonnierten Inhalte automatisch gebündelt und sofort nach Veröffentlichung in Textform angezeigt. Auch viele etablierte Medien stellen bereits ihre Online-Artikel via RSS-Feed bereit (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:38; Koller/Alpar 2008:21). Das hat auch Folgen für die Meinungsbildung im Internet, wie Zerfaß/Boelter (2005:38f) betonen:
„ Durch die einheitliche Technologie erhalten Inhalte und Meinungen einzelner Blogger das gleiche Gewicht wie der Output der etablierten Medien.“
Tagging erlaubt es, frei definierbare Schlagwörter (Tags) zu bestimmten Bloginhalten zuzuordnen und die Einträge auf diese Art zu katalogisieren. Pro Eintrag können beliebig viele Schlagwörter vergeben werden – ein Eintrag ist also nicht zwingend in einer starren Kategorie „gefangen“. Auch Schlagwörter, die nicht im Text vorkommen, aber dennoch in einem sinnvollen Kontext zum Inhalt stehen, können verwendet werden und damit die Suchfunktion verbessern (vgl. Koller/Alpar 2008:22). Häufig werden Tags in Blogs in Form einer sog. Tag Cloud dargestellt, die die einzelnen Tags nach ihrer jeweiligen Gewichtung und Häufigkeit größer bzw. kleiner darstellt. Bei Klick auf eines der Tags werden alle damit katalogisierten Beiträge angezeigt (vgl. Przepiorka 2006:24). Koller/Alpar (2008:21) kritisieren allerdings, dass es keine Richtlinie für das Vergeben von Tags gäbe und die Relevanz und Genauigkeit der über sie gefundenen Inhalte in den einzelnen Blogs daher stark differieren könnten.
2.3 Eine kurze Weblog-Geschichte
Die Ursprünge von Weblogs gehen auf einfache, persönliche Linklisten auf eher simplen HTML-Websites zurück. Als Ur-Vater solcher „personal journals“ gilt der Begründer des World Wide Web, Tim Berners-Lee. Auf seiner Homepage http://info.cern.ch sammelte er alle neuen Websites im WWW, wodurch eine chronologisch geordnete und für andere Internetnutzer einsehbare Linkliste entstand. Anfang der 1990er Jahre taten es ihm viele User nach und verzeichneten und kommentierten auf ihren privaten Homepages Weblinks, die ihnen wichtig erschienen. Diese Linksammlungen machen allerdings nur einen Teil der Blog-Vorläufer aus. Auch chronologische Online-Tagebücher gab es bereits, bevor der Begriff „Weblog“ existierte. Aus diesen beiden Formen entstand schließlich das, was heute als Blog bekannt ist (vgl. Neumeier 2007:16). „ Blogging combined the personal web page with tools to make linking to other pages easier, specifically blogrolls and TrackBacks, as well as comments and afterthoughts,” schreibt Sanjay Das in seiner „Blog Chronicle” über die Entwicklung des Bloggens.[4]
Die eigentliche „Blog-Ära“ begann Ende 1997, als der Amerikaner Jon Barger sein Online-Tagebuch zu verschiedenen Themen erstmals als „Weblog“ benannte. Die Kurzversion „Blog“ geht auf Peter Merholz zurück, der das Wort aus Platzgründen in „We blog“ in der Sidebar seines Weblogs teilte (vgl. Das 2005). 1999 gingen schließlich mehrere Software-Dienste wie beispielsweise Blogger, Pitas und GrokSoup online, die kostenfrei das Einrichten und Betreiben von Weblogs für jeden Internetnutzer ermöglichten – die unmittelbare Folge war ein Ansteigen der Bloggerzahlen (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:20f).
Bis zum Herbst 2001 fristete das Bloggen allerdings ein ziemliches Nischendasein im Internet, von traditionellen Massenmedien wurde das neue Online-Kommunikationsmittel bis dahin nicht beachtet. Dies änderte sich jedoch schlagartig mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington D.C. Es zeigte sich, dass Blogger zum Teil schneller, direkter und persönlicher über die Ereignisse in den Tagen nach den Anschlägen berichteten als so mancher Berufsjournalist. In den USA rückten Blogs mehr und mehr in die öffentliche Wahrnehmung und wurden in ihrer Form als „grassroot journalism“[5] häufig als alternative Informationsquelle genutzt.
Der anschließende Afghanistan-Krieg im Winter 2001/02 und der „Kampf gegen den Terror“ im Irak ab 2003 bescherten Blogs einen weiteren Bedeutungsschub. Während sich die amerikanischen Zeitungen und Fernsehsender gegenseitig mit Patriotismus und Kriegsrechtfertigungen zu überbieten versuchten und ausländische Medienvertreter in ihrer Berichterstattung vom US-Militär behindert oder getäuscht wurden, boten Blogs eine gerne genutzte Alternative zu den klassischen Medien. Über sie wurden hervorragende und oftmals kritische Beiträge von amerikanischen Intellektuellen veröffentlicht, die sonst in keiner großen Zeitung abgedruckt worden wären. Aber auch direkt aus den Krisengebieten wurde in sog. Warblogs sehr authentisch berichtet: Das Blog des Irakers Salam Pax (www.dear_raed.blogspot.com) stellte in den ersten Tagen des Krieges die einzige Quelle vor Ort dar, die ohne Pause die Sicht der Betroffenen in Bagdad schilderte. Dementsprechend hoch waren die Zugriffszahlen auf das Blog, viele Leitmedien verlinkten ihren Internetauftritt direkt damit. Mittlerweile wurde das Blog sogar als Buch veröffentlicht.
Auch Soldaten bloggten in sog. Milblogs und zeigten den Lesern neue Perspektiven über die Kriegsrealität im Irak auf. Sie stellten damit einen starken Gegenpool zur Berichterstattung der traditionellen Medien in ihrer Heimat dar (vgl. Das 2005; Picot/Fischer 2006:6f).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 : Warblog des Irakers Salam Pax (www.dear_raed.blogspot.com)
Schließlich begann auch die Wissenschaft sich vermehrt mit Blogs auseinanderzusetzen. Über die 1. Bloggercon-Konferenz an der Harvard University (Massachusetts/USA) im Herbst 2003 wurde in allen etablierten Medien berichtet. Es dauerte nicht lange, bis unterschiedliche Anbieter von Blog-Services den Markt eroberten und das Bloggen populär machten (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:21).
Einen weiteren Bekanntheits- und Wachstumsschub bekamen Weblogs als Politiker die neue Kommunikationsform für ihre Zwecke entdeckten: Im US-Präsidentschafts-wahlkampf 2004 spielte die schnelle Berichterstattung im Internet für die Politik erstmals eine zentrale Rolle. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Howard Dean organisierte einen großen Teil seiner Wahlkampagne über sein eigenes BlogforAmerica und private Blogs seiner Unterstützer. Zu besten Zeiten hatte Deans Blog bis zu 300.000 Leser pro Tag. Auch im anschließenden Duell zwischen George W. Bush und John Kerry um das Amt des US-Präsidenten wurden Blogs gezielt für die Stimmungsmache eingesetzt sowie freiwillige Wahlhelfer darüber koordiniert und motiviert. Die Bedeutung der Blogs im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf führte schließlich dazu, dass Merriam-Webster, das US-Gegenstück zum Duden, „Blog“ zum Wort des Jahres 2004 kürte. In der (Fach-)Presse wurde das Phänomen „Weblog“ fortan intensiv diskutiert (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:21ff). Auch US-Präsident Barack Obama setzte für seinen Wahlkampf 2008 auf unterschiedliche Social Media-Tools und konnte darüber äußerst erfolgreich Millionen Unterstützer organisieren (vgl. Eck 2008:218).
Als erste Partei in Deutschland setzte die SPD im Rahmen der Europawahl 2004 ein Blog ein – das erste überhaupt in Deutschland veröffentlichte Kampagnen-Blog (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:30). In Österreich versuchte sich erstmals Benita Ferrero-Waldner 2004 im Zuge ihrer Präsidentschaftskandidatur an einem Blog, allerdings mit nur mäßigem Erfolg (vgl. Neumeier 2007:18).
Zunehmend entdeckten auch etablierte Medien Weblogs als ergänzende Reportageform für ihre Internetauftritte, in Deutschland z.B. zuerst die ARD, das ZDF, DIE ZEIT und das Handelsblatt. Ihre Reporter berichteten in Blogs über bedeutende Ereignisse wie den bereits erwähnten US-Präsidentschaftswahlkampf 2004 oder die verheerende Tsunami-Katastrophe im Pazifik. Bevor es jedoch die offiziellen „Tsunami-Blogs“ der Nachrichtenmedien gab, konnten viele Berichte über die Situation in den betroffenen Gebieten bereits in privaten Blogs nachgelesen werden. Im privaten Bereich sind Blogs im deutschsprachigen Raum auch heute noch mit Abstand am weitesten verbreitet (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:21f).
Etwas verzögert gewannen Blogs auch in der Unternehmenskommunikation mehr und mehr an Bedeutung. Jonathan Schwartz, ehem. CEO der kalifornischen Computerfirma Sun Microsystems, startete im Sommer 2004 das weltweit erste Business Blog (in der Fachsprache auch Corporate Blog genannt). Bis Anfang 2010 bloggte Schwartz regelmäßig unter http://blogs.sun.com/jonathan/ über sein Unternehmen und kommentierte darin auch die Geschäftsstrategien seiner Mitbewerber. In seinem Blog sah Schwartz ein ideales Instrument zur Kommunikation mit Mitarbeitern, Kunden und dem Rest der Welt.
Am 2. Mai 2005 titelte die renommierte Wirtschaftszeitschrift Business Week enthusiastisch „Blogs Will Change Your Business“ und mit einem Schlag waren Blogs auch in der restlichen Unternehmenswelt angekommen. Unter www.socialtext.net/bizblogs/index.cgi werden jene der 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt gelistet, die eines oder mehrere Corporate Blogs führen. Laut letztem Update (17.12.2009) sind dies 79 Unternehmen (15,8%).
In Deutschland widmeten sich die etablierten Wirtschaftsmedien erst ab Mitte 2006 ausführlich dem Blog-Thema mit Titeln wie „Web 2.0 – Wir führen Sie durch die Wunderwelt des Internet“ (Focus, 9. Oktober 2006), „Konsumentendemokratie“ (Direktmarketing, 9/2006) und „Fischen im Web – Die Internet-Community 2.0 eröffnet neue Chancen für den Vertrieb“ (Acquisa, 11/2006). Seither hat sich der Begriff „Weblog“ in der deutschen Management-Literatur etabliert und taucht immer wieder unter den am meisten genutzten Begriffe der Wirtschaftspresse auf (vgl. Eck 2007:27). Der rasante Bedeutungszuwachs von Blogs trifft in der deutschen Wirtschaft jedoch auf zwiespältige Resonanz: „ Viele warnen vor überzogenen Erwartungen und sehen diese Form der Onlinekommunikation allenfalls als neue V ariante im Medienmix. Andere erkennen die Vorboten einer Revolution (…).“ (Zerfaß/Boelter 2005:Klappentext) Im Vergleich zu anderen westlichen Staaten gibt es im deutschsprachigen Raum erst wenige bloggende Unternehmen und Organisationen wie z.B. Daimler, FRoSTA, TUI, Henkel, Swisscom, Telekom Austria, Vodafone oder Greenpeace.
Auch wenn der größte (Medien-)Hype um Blogs mittlerweile vorbei zu sein scheint, wachsen ihre Bedeutung, Akzeptanz und Verbreitung im Internet dennoch kontinuierlich. Dieses Wachstum ist aber nicht allein auf die Berichterstattung gesellschaftlich relevanter Themen zurückzuführen, auch technische und gesellschaftliche Entwicklungen und die dadurch entstandenen neuen Möglichkeiten der Partizipation trugen und tragen maßgeblich zum Erfolg von Weblogs bei. 2008 nutzte beispielsweise jeder zweite deutsche Internetnutzer zumindest gelegentlich ein Blog, acht von zehn kennen Weblogs (vgl. Fittkau & Maaß 2009:34) – damit bleibt das Potenzial von Blogs, vor allem im Hinblick auf die öffentliche Meinungsbildung, unbestritten.
2.4 Weblogs aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht
Zerfaß/Boelter (2005:71ff) sehen Weblogs in bzw. richtigerweise „zwischen“ mehreren kommunikationstheoretischen Konzepten verortet. Innerhalb der Online-Kommunikation würden sie eine Hybrid-Stellung zwischen privater und öffentlicher, einseitiger und wechselseitiger sowie direkter und indirekter Kommunikation einnehmen. Auch hinsichtlich der Kommunikationsabsicht (persuasiv, argumentativ, informativ) könnten Blogs nicht eindeutig zugeordnet werden, sie müssten vielmehr nach den – teilweise sehr unterschiedlichen – Motiven der Blogger bewertet werden.
Die in Weblogs ermöglichten Kommunikationsprozesse stellen Zerfaß/Boelter wie folgt gegenüber:
Monologische versus dialogorientierte Kommunikation
Bei der monologischen Kommunikation wird der Kommunikationsprozess weitgehend vom Kommunikator gesteuert bzw. vorbestimmt – die Rollen zwischen Kommunikator und Rezipient sind also klar verteilt, wie das z.B. bei statischen Websites der Fall ist. Bei einem Dialog findet hingegen ein Rollenwechsel zwischen Kommunikator und Rezipient statt, wodurch sich eine eigene Dynamik entwickelt, weil alle Beteiligten den Kommunikationsprozess beeinflussen. Bei Weblogs ist es zwar meist der Blogger in seiner Funktion als Kommunikator, der den Kommunikationsprozess durch seine Beiträge anregt (monologisch), über die Kommentar- und Trackbackfunktion in Weblogs werden aber auch Dialoge ermöglicht.
Persuasive, argumentative und informative Kommunikation
Eine weitere Unterscheidung kann hinsichtlich der Kommunikationsabsicht getroffen werden: Bei der persuasiven Kommunikation will der Kommunikator seine Interessen durchsetzen, indem er emotionale Bindungen des Rezipienten ausnutzt; im Unterschied dazu setzt die argumentative Kommunikation darauf, den Rezipienten auf Basis eines gemeinsamen Klärungsprozesses zu überzeugen. Bei der informativen Kommunikation stehen hingegen das reine Informieren und Verstehen im Vordergrund. Weblogs ermöglichen es, zwischen den drei Kommunikationsstilen sehr flexibel zu wechseln und diese zu vermischen. Zerfaß/Boelter (2005:72) sehen in Weblogs vor allem eine geeignete Plattform für die argumentative Kommunikation. Diese setze die Möglichkeit zum Dialog voraus, wodurch Weblogs einen entscheidenden Vorteil gegenüber traditionellen Massenmedien hätten.
Direkte und indirekte Kommunikation
Während die direkte Kommunikation die Anwesenheit der Beteiligten bzw. den direkten Austausch über Kommunikationskanäle wie Brief, Telefon oder E-Mail erfordert, sind bei der indirekten Kommunikation neben technischen Hilfsmitteln auch Personen (Journalisten, Meinungsführer) oder Institutionen (Presse, Rundfunk) als Kommunikationsmittler zwischengeschaltet. Für Weblogs sind beide Varianten möglich: Einerseits können auch Blogger als Kommunikationsmittler fungieren – z.B. immer dann, wenn sich ein Blog-Eintrag auf andere Quellen bezieht. Andererseits sind Blogs vor allem „interaktive Plattformen, die direkte, schnelle und unverzerrte Kommunikation“ (Zerfaß/Boelter 2005:73) zulassen.
Authentische und reichweitenstarke Kommunikation
Authentische Kommunikation zeichnet sich dadurch aus, dass der Kommunikator in seiner ganzen Persönlichkeit erfasst wird. Reichweitenstarke Kommunikation (z.B. Zeitungsartikel, TV-Spots) ist hingegen weniger persönlich, erreicht aber in der Regel ein größeres Publikum. Weblogs nehmen auch hier eine Zwischenstellung ein: Die Möglichkeit, besonders authentisch zu kommunizieren, ist eines der wesentlichen Merkmale von Blogs. Durch die bereits beschriebenen technischen Eigenschaften (siehe Kap. 2.2.2) können mit ihnen potenziell aber auch sehr viele Adressaten erreicht und Beiträge in Sekunden weltweit verbreitet werden (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:71ff).
Picot/Fischer (2006:5f) reihen Weblogs außerdem zwischen Push- und Pull-Medium ein. Wie Internetforen oder Chats fungieren auch Blogs als Pull-Medien, aus denen sich die Nutzer ihre Informationen selbst holen. Durch das Schreiben neuer Beiträge pusht der Blogger aber auch neue Informationen über RSS-Feeds an seine Leser.
2.5 Die Blogosphäre
Als Blogosphäre (engl. blogosphere) wird die Gesamtheit aller Weblogs verstanden, die durch eine enge und dichte Verknüpfung von Inhalten und Kommentaren in einem globalen Netzwerk miteinander verbunden sind (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:20). Sie ist allerdings nicht als abgegrenzte Einheit innerhalb des Internet zu verstehen, sondern als rein virtuelles Konstrukt. Denn neben Abgrenzungs- und Definitionsproblemen (Wo fängt das Bloggen an, wo hört es auf?) kann die Gesamtzahl der Weblogs nur grob geschätzt werden. Viele der registrierten Blogs sind inaktiv, andere öffentlich gar nicht zugänglich (vgl. ebd. 47).
Eine der zuverlässigsten Quellen zur Blog-Entwicklung sind die seit 2004 jährlich erscheinenden State of the Blogosphere -Studien der Blog-Suchmaschine Technorati. Für die Studien wird die Blogosphäre kontinuierlich und umfassend aus verschiedenen Blickwinkeln – quantitativ wie qualitativ – ausgewertet und analysiert. Laut dem Report von 2008 indiziert Technorati 133 Millionen Weblogs weltweit, über 175.000 Blogs werden täglich neu eröffnet – das sind pro Sekunde zwei neue Blogs. Weltweit publizieren die Blogger, deren Zahl auf 184 Millionen geschätzt wird, jeden Tag rund 900.000 Artikel in insgesamt 81 verschiedenen Sprachen.[6]
In den nachfolgenden Kapiteln geht es vorrangig um die Menschen in der Blogosphäre. Wie groß ist das Phänomen tatsächlich? Gibt es kulturelle Unterschiede? Wer bloggt und aus welchen Motiven? Und von wem werden Blogs überhaupt gelesen und warum?
2.5.1 Zahlen und Fakten
„ [It] has truly become a worldwide phenomenon.“ (Edelman 2007:34)
Vor allem in den USA und im asiatischen Raum betreiben und nutzen viele Menschen Weblogs. Laut Technorati’s State of the Blogosphere 2008 -Report werden die mit Abstand meisten Blog-Einträge auf Japanisch (37%) und Englisch (36%) verfasst, gefolgt von Chinesisch (8%) und Italienisch (3%). Einer Untersuchung von Universal McCann vom März 2008 zufolge, haben 26,4 Millionen US-Amerikaner schon einmal ein Weblog betrieben, 60,3 Millionen US-Amerikaner lesen in Blogs. Die derzeit wachstumsstärkste Sprache in der Bloggerwelt ist Farsi (Persisch) – hier zeichnet sich für die kommenden Jahre eine starke Entwicklung von Weblogs im Nahen Osten ab. Lediglich ein Prozent aller Artikel wird hingegen in deutscher Sprache geschrieben.[7]
Die nachrangige Position Deutschlands bei der Verbreitung des Mediums Weblog spiegelt sich auch in mehreren international vergleichenden, repräsentativen Untersuchungen wider (vgl. Neuberger et al. 2007:97). Einer Studie von Forrester Research aus dem Jahr 2006 zufolge, stammt der Großteil der europäischen Blogger aus Frankreich, Italien und Spanien. Während 57% aller europäischen Blogs aus diesen drei Ländern kamen, waren nur 13% aus Deutschland.[8] Zu einem ähnlichen Urteil kam eine Untersuchung von Ipsos Mori vom September 2006: Der Anteil der Internetnutzer, die ein eigenes Weblog führten, war in Deutschland mit nur einem Prozent weit niedriger als in Frankreich (7%), Spanien (4%), Italien (2%) und Großbritannien (2%). Der europäische Durchschnitt der Blogger lag damals bei drei Prozent (vgl. ebd. 100f).
Auch beim Lesen von Weblogs rangieren die Deutschen auf den hinteren Rängen, wie eine groß angelegte, internationale Blog-Studie von Edelman (2006:4ff.) aus dem Jahr 2006 zeigt: Hier gaben nur 15% der deutschen Internetnutzer an, Weblogs zu lesen. An der Spitze lagen Japan (74%), Südkorea (43%), China (39%) und die USA (27%). Deutlich dahinter fanden sich die europäischen Länder Großbritannien (23%), Frankreich (22%), Italien (16%) und Polen (16%). Die wenigsten Blogleser gab es, noch hinter Deutschland, in Belgien (14%). Bei der durchschnittlichen Zahl der Tage, an denen pro Woche Weblogs gelesen werden, wies Deutschland laut Edelman die niedrigste Nutzungsintensität auf (0,40). Auch hier lagen die ostasiatischen Länder Japan (4,54), Südkorea (2,03) und China (1,74) ganz vorne. Bei der aktiven Beteiligung scheinen die deutschen Blogleser ebenso zurückhaltend zu sein: Nur 15% ließen sich durch Weblogs schon einmal zu einer Aktivität (z.B. Schreiben eines Kommentars) anregen. Hier waren die Belgier (43%) besonders stark, gefolgt von den US-Amerikanern, Briten, Polen und Chinesen (jeweils 28%) sowie den Franzosen (27%).
Aktuellere Studien wie z.B. die 27. WWW-Benutzer-Analyse W3B der Fittkau & Maaß Consulting GmbH (Erhebungszeitraum Oktober/November 2008) zeigen zwar, dass auch in Deutschland immer mehr Menschen Blogs nutzen – acht von zehn deutschen Internetnutzern kennen Blogs und immerhin 15% besuchen wenigstens einmal pro Woche die Internet-Tagebücher –, doch nur 4% veröffentlichen zumindest einmal wöchentlich eigene Blog-Beiträge. Damit hinken die Deutschen beim aktiven Schreiben von Blogs anderen westlichen Ländern noch immer deutlich hinterher (vgl. Fittkau & Maaß 2009:34ff). Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2008 macht zudem sichtbar, dass das Interesse, sich aktiv einzubringen, mit zunehmendem Alter stark abnimmt. 63% der deutschen Teenager, die Blogs nutzen, verfassen oder kommentieren Beiträge, unter den Twens sind es 44% und bei den 30- bis 39-Jährigen liegt der Anteil der aktiven Teilnehmer nur noch bei 18% (vgl. Fisch/Gscheidle 2008:358).
Betrachtet man nationale Studien zur Nutzung von Weblogs in Österreich, wäre die Alpenrepublik damit im europäischen Mittelfeld positioniert. Bisher gibt es allerdings keine international vergleichenden Untersuchungen, die Österreich miteinbeziehen – eine Gegenüberstellung ist daher schwierig. Den Ergebnissen des Austrian Internet Monitor (AIM) zufolge, führten 2008 drei Prozent der österreichischen Internetuser ein Weblog.[9] 18% der österreichischen Internetnutzer über 16 Jahren (800.000 Menschen) weist die jährlich durchgeführte Erhebung „Einsatz von Informations- und Kommunikations-technologien in Haushalten 2008“ der Statistik Austria als Blog-Leser aus. In der Altersgruppe der 16- bis 24-jährigen österreichischen Internetnutzer lesen sogar 31% in Blogs, unabhängig vom Alter sind es 22% der Männer und 14% der Frauen. Die Statistik Austria wertete für ihren Bericht Daten von rund 5.300 Haushalten und 11.000 Personen zwischen 16 bis 74 Jahren aus (vgl. Statistik Austria 2008:31f).
Trotz des Aufholbedarfs einiger europäischer Länder vor allem hinsichtlich der aktiven Beteiligung an der Blogosphäre sind Blogs auch dort immer häufiger als Anwendung im Internet zu finden. In den meisten Sozialen Netzwerken wird die Möglichkeit, ein eigenes Blog zu führen, mittlerweile ebenfalls rege genutzt – hier wird es künftig mehr und mehr zu einer Verschmelzung der Formate kommen (vgl. Fisch/Gscheidle 2008:358ff).
Verschiedene Untersuchungen schätzen die Zahl der Weblogs in den USA zwischen 20 und 30 Millionen, in Frankreich auf mehr als drei Millionen. Demgegenüber stellen die geschätzten 250.000 deutschen Blogs ganz offensichtlich noch ein Nischenphänomen dar (vgl. Picot/Fischer 2006:7), die Zahl der österreichischen Blogs wird immerhin mit rund 135.000 angegeben.[10] Picot/Fischer (2006:7) betonen zwar, dass es sich auch in Deutschland um ein „emergierendes Kommunikationsphänomen“ mit „Wachstumszahlen im zweistelligen Bereich“ handle, dennoch sind die Zuwachsraten in den meisten anderen europäischen Ländern höher (in den außereuropäischen Industrienationen sowieso). Und so stellt sich die Frage, ob dies nicht auch kulturelle Gründe haben könnte?
2.5.2 Weblogs im Kulturvergleich
Die Edelman Omnibus Blog Study aus dem Jahr 2007 gibt einen internationalen Überblick über die Blognutzung und -entwicklung in verschiedenen Ländern der Welt und fokussiert dabei speziell auf kulturelle Unterschiede und Gegebenheiten. Laut dem Bericht würden in jeder Region ganz unterschiedliche Themen und Motive betont, die die wesentlichen Charakteristika der lokalen Kultur widerspiegeln (Edelman 2007:34). „The global conversation is very local“, resümiert Steve Rubel, Senior Vice President von Edelman, darin (ebd. 34).
Dass die chinesische Blogosphäre beispielsweise zu einem wesentlichen Teil der nationalen Informations- und Medienlandschaft geworden ist, hat kulturelle Gründe: Das chinesische Mediensystem ist von staatlichen Restriktionen und Monopolen geprägt, weswegen die staatlichen Medien für die meisten Chinesen völlig uninteressant sind. In Weblogs können die Chinesen ihren Gedanken hingegen freien Lauf lassen. Einige der bekanntesten chinesischen Journalisten und Geschäftsleute führen daher Blogs und selbst die chinesische Regierung versucht sich mittlerweile in der Blogosphäre. Issues und Krisen werden längst zuerst in Blogs ausgemacht, bevor sie erst viel später in Chinas nationale Tageszeitungen und verstaatlichte Medien gelangen (vgl. Edelman 2007:10ff).
Aber auch abseits verstaatlichter Mediensysteme sind Weblogs erfolgreich, wie z.B. in Frankreich. Guillaume Du Gardier, Director Online Communications von Edelman France, begründet dies mit „the usual French sense of self-expression and anti establishment individuality.” (Edelman 2007:20) Eine Besonderheit der französischen Blogosphäre wären auch ihre ganz speziellen Nischenangebote, wie z.B. Weblogs, die sich mit der Haute Cuisine – also der gehobenen Kochkunst – auseinandersetzen. Pascale Weeks führt seit 2004 ihr Koch-Blog „C´est moi qui l´est fait“ (http://scally.typepad.com) mit mittlerweile 4.000 bis 8.000 Page views pro Tag. Im französischen Gourmet-Sektor ist das Blog längst zu einer echten Marke geworden.
Im Jahr 2005 waren die Unruhen in den Pariser Vororten ein wichtiges Ereignis für die französische Blogosphäre: Viele Blogger berichteten, oft detaillierter und schneller als die herkömmlichen Medien, direkt vom Ort des Geschehens und lieferten spektakuläre Bilder und Videos von den Aufruhren. Seither schauen die Vertreter der französischen Massenmedien ganz genau auf die Blogosphäre und holen sich dort Themenanregungen und Meinungen. Vor allem junge französische Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren lesen öfter in Blogs als jede andere Altersgruppe in Europa (durchschnittlich 1,4 Mal pro Woche) (vgl. Edelman 2007:20ff).
Wie bereits erwähnt ist Japanisch die am meisten verbreitete Sprache in der Blogosphäre. Im März 2006 haben laut Edelman 8,68 Millionen Japaner gebloggt – und das tun sie auf ihre ganz eigene Art und Weise. 70% der japanischen Blogs handeln von persönlichen Erlebnissen und Themen wie Haustiere, Musik und Kinder. Japaner mögen es einfach, Blogs von „Menschen von nebenan“ zu lesen (vgl. Edelman 2007:13).
Im Unterschied zu Japan, wo in Blogs hauptsächlich private Erlebnisse festgehalten werden, widmet sich die Blogosphäre in Großbritannien vor allem politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen. 24% der britischen Blogger schreiben über tagesaktuelle Nachrichten und Politik, und auch Wirtschaftsunternehmen werden – im Gegensatz zu Deutschland etwa – verhältnismäßig oft in britischen Blogs erwähnt. Die meisten britischen Blogger erwarten sich auch, dass Unternehmen ihr Feedback und ihre Kritik lesen und zeitnah darauf reagieren. Allein die in Großbritannien veröffentlichten Zeitungsartikel, die sich auf Blog-Beiträge bezogen, erhöhten sich von sechs im ersten Quartal 2004 auf 264 im dritten Quartal 2006 (vgl. Edelman 2007:28f).
In Deutschland wächst die Blogosphäre nicht im selben Maß wie in anderen westlichen Staaten. Hinzu kommt eine starke „Selbstbezüglichkeit“ (Neuberger et al. 2007:108) – in Deutschland sind es fast nur Blogger, die Kommentare in Weblogs hinterlassen. Nach Neuberger et al. (2007:108) sei eine Beteiligung von Nicht-Bloggern an der deutschen Blogosphäre eher selten. Auch die Zahl jener Blogger, die mit ihren Weblogs ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten, sei vergleichsweise gering (vgl. Edelman 2007:22). Die Gründe, warum Deutschland bei der Weblog-Nutzung im internationalen Vergleich so schlecht abschneidet, sieht Jochen Wegner, Chefredakteur von Focus Online, neben dem Fehlen an wirklich populären und ernsthaft professionell betriebenen deutschen Blogs vor allem in kulturellen Gegebenheiten: eine verbreitete Technologiefeindlichkeit, die vorrangige Orientierung an alteingesessenen Anbietern bzw. Medien, das Fehlen einer Rhetorik-Kultur und ein mangelndes Verständnis für die Idee der Redefreiheit (vgl. Sixtus 2005).
2.5.3 Arten von Weblogs
Ganz allgemein können Weblogs nach ihrem Thema, nach der Motivation des Verfassers und der Leserschaft sowie nach der veröffentlichten Form (Text, Foto, Video) unterschieden werden. Für einige Blogs haben sich inzwischen eigene Bezeichnungen durchgesetzt – z.B. Blogs, die hauptsächlich Fotos enthalten, werden Photo-Blogs bzw. Phlogs genannt, solche, die juristische Themen behandeln, Law-Blogs bzw. Blawgs und Blogs, deren Einträge mittels mobiler Endgeräte erstellt werden, sind als Moblogs bzw. Mblogs geläufig (vgl. Koller/Alpar 2008:19).
Ebenso wie andere Internetangebote befassen sich Weblogs mit nahezu allen Bereichen des Lebens. Mit welchen Themen sich Blogger am häufigsten beschäftigen, ermittelten Lenhart/Fox 2005/06 repräsentativ für die USA: Demnach schreiben die US-Blogger am liebsten über ihr eigenes Leben und persönliche Erfahrungen (37%), gefolgt von Politik und Regierung (11%), Unterhaltungsthemen (7%), Sport (6%), Nachrichten und aktuelle Ereignisse (5%), Wirtschaft (5%) und Technik (4%). Religion, Spiritualität und Glauben (2%), spezielle Hobbys (1%) sowie Gesundheit und Krankheit (1%) stellen laut der Studie eher Randthemen dar. Vergleichbare Daten für den deutschsprachigen Raum liegen nicht vor (vgl. Neuberger et al. 2007:105).
Zerfaß/Boelter (2005:23ff) teilen Weblogs überblicksartig in folgende fünf Gruppen ein:
1. Private Blogs behandeln vorrangig private Alltagserlebnisse und -themen und sind am ehesten mit digitalen Tagebüchern vergleichbar. Sie werden von Privatpersonen betrieben, um regelmäßig persönliche Gedanken festhalten oder Bild- und Audiodateien veröffentlichen zu können, und werden auch hauptsächlich im privaten Umfeld des Verfassers gelesen. Private Blogs stellen die mit Abstand häufigsten Blogs in der Blogosphäre dar.
Neben der Veröffentlichung von persönlichen Inhalten widmen sich private Blogger auch zunehmend der Kommentierung von aktuellen Nachrichten und Produkten – „in den meisten Fällen deutlich fokussierter, schneller und durch die Verlinkung zu anderen Informationsquellen auch informativer als in Fachmedien oder Unternehmenspublikationen“. (Zerfaß/Boelter 2005:26)
2. Journalistische Blogs werden von professionellen Medienmachern – meist privat – betrieben und verfolgen in der Regel einen meinungsbildenden und oft auch investigativen Anspruch. Einige J-Blogger versuchen damit bewusst, eine kritische Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Ein bekannter Vertreter ist beispielsweise der deutsche Journalist Stefan Niggemeier, der sich in seinem Blog (www.stefan-niggemeier.de/blog/) täglich kritisch, aber durchaus auch sehr humorvoll und ironisch, mit der – vornehmlich deutschen – Medienberichterstattung auseinandersetzt.
Eine weitere Form der journalistischen Blogs sind sog. Media-Blogs, die von etablierten Medien (z.B. Die Zeit, ZDF) als Ergänzung zur herkömmlichen Berichterstattung in die Internetauftritte eingebunden sind. Neben zeitlich befristeten Blogs, bei denen Reporter vor Ort über punktuelle Ereignisse, Krisen oder Katastrophen berichten, sind auch persönlich gehaltene Themenblogs von bestimmten Journalisten, wie z.B. jenes des Handelsblatt -Redakteurs Frank Wiebe (http://blog.handelsblatt.de/weitwinkel/), sehr beliebt.
3. Aktivisten-Blogs bzw. Watchblogs werden von Einzelaktivisten, gesellschaftspolitischen Gruppen oder Non-Governmental Organisations (NGOs) geführt, um Strategien und Handlungen in Politik und Wirtschaft kritisch zu beobachten und zu diskutieren (z.B. www.spindoktor.de, www.prwatch.org). Wie private Blogs sind sie stark von den Interessen des Betreibers geprägt, haben aber denselben meinungsbildenden Anspruch wie journalistische Blogs. NGOs versuchen mit Hilfe dieser Art von Weblogs außerdem Unterstützer für ihre gesellschaftspolitischen Ziele zu finden und ihre Arbeit zu dokumentieren, wie beispielsweise die Umweltorganisation Greenpeace unter http://weblog.
greenpeace.org.
4. Blogs von Unternehmen (Corporate Blogs) und Parteien sind als institutionell verankerte Bestandteile der Kommunikationsstrategie zu verstehen und dienen daher stets übergeordneten Organisationszielen. Vorreiter in diesem Bereich sind kleine und mittlere Firmen, die dieses neue Medium mit weniger Aufwand austesten können (z.B. www.saftblog.de der deutschen Kelterei Walther oder http://blog.austria.info der Österreich Werbung), sowie Unternehmen aus der IT- oder Automobil-Branche (z.B. www.direct2dell.com von DELL oder http://fastlane.gmblogs.com von General Motors). Inzwischen sind Weblogs aber auch für immer mehr Großunternehmen aus den verschiedensten Wirtschaftszweigen zu unverzichtbaren Kommunikationskanälen geworden, vor allem in den USA und in Asien.
In der Politik gilt in Deutschland die SPD als Pionierin; sie hat beim Europawahlkampf 2004 mit dem ersten deutschen Kampagnen-Blog überhaupt entsprechende Erfahrungen gesammelt.
5. In Personality Blogs schreiben einzelne Politiker oder Prominente, um die eigene Person zu positionieren, andere an ihren Gedanken teilhaben zu lassen oder Unterstützer mobilisieren zu können. Dass dies erfolgreich sein kann, hat US-Politiker Howard Dean im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur 2004 bewiesen. Sein Blog www.blogforamerica.com wurde zu besten Zeiten von bis zu 300.000 Menschen täglich gelesen.
Auch Unternehmen haben das personalisierte Bloggen schnell für ihre Zwecke erkannt, vornehmlich in Form sog. Executive Blogs oder CEO Blogs von Vorständen oder Geschäftsführern. Prominente Beispiele sind etwa Richard Edelman (www.edelman.com/speak_up/blog/), CEO einer der größten PR-Agenturen der Welt, und Jonathan Schwartz (http://blogs.sun.com/jonathan), CEO von Sun Microsystems (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:23ff).
Die Unterscheidung nach Zerfaß/Boelter soll hier nur als Beispiel für die Einteilungsmöglichkeiten von Weblogs dienen, denn natürlich können Blogs auch nach anderen Merkmalen und noch detaillierter unterschieden werden. Eine umfassendere Typologisierung ist für diese Arbeit jedoch nicht notwendig.
2.5.4 Selbstverständnis und Motivation der Blogger
Wer sind die Betreiber von Weblogs und warum entscheiden sie sich, aktiv ein Blog zu führen? Die Motive hierfür sind mitunter sehr unterschiedlich – die eigenen Gedanken mitteilen wollen, zu Themen Stellung beziehen, für sich selbst etwas festhalten, sich mit anderen Menschen vernetzen, Meinungen beeinflussen oder Kritik und Ärger loswerden können etwa Gründe für das Bloggen sein (vgl. Huber 2008:18; Zerfaß/Bogosyan 2006:6). Einige – vor allem einflussreiche – Blogger sehen Weblogs als „basisdemokratisches Instrument“ und „Gegenpol zu den klassischen Massenmedien“, die „Unabhängigkeit und Freiheit zu schreiben gilt (…) als höchstes Gut.“ (Zerfaß/Boelter 2005:50)
Die Motivationen privater Blogger unterscheiden sich noch einmal deutlich von den Motivationen eines z.B. bloggenden Politikers, Geschäftsführers oder Umweltaktivisten (vgl. ebd. 50).
Wie es tatsächlich um die Motive und Erwartungen der (deutschen) Blogger bestellt ist, damit hat sich die „ Wie ich blogge?!“-Studie, durchgeführt von der Forschungsstelle Neue Kommunikationsmedien der Universität Bamberg, beschäftigt. Für die Studie wurden im Oktober 2005 insgesamt 5.246 Blognutzer (84% davon aktive Blogger mit einem oder mehreren Weblogs) online nach den Gründen für das Bloggen befragt (vgl. Schmidt/Wilbers 2006:5).
Als häufigste Motive für das Führen eines Weblogs wurden der Spaß (70,8%) und die Freude am Schreiben (62,7%) genannt sowie der Wunsch, Ideen und Erlebnisse für sich selbst festzuhalten (61,7%). Rund die Hälfte der Befragten (49%) sehen als weiteren Grund, sich mit anderen über eigene Erlebnisse und Ideen auszutauschen, 44,5% schreiben sich in ihrem Blog die Gefühle von der Seele und 33,4% möchten ihr Wissen auf einem Themengebiet anderen zugänglich machen. Für ca. jeden dritten Teilnehmer ist noch ein Motiv mit Freunden und Bekannten in Kontakt zu bleiben (33,2%) bzw. neue Bekanntschaften und Kontakte zu knüpfen (27,2%). Nur eine Minderheit (12,7%) gab an, aus beruflichen Gründen zu bloggen (vgl. Schmidt/Wilbers 2006:11f).
Inhaltlich überwiegen laut der Studie Berichte aus dem Privatleben (74,5%) sowie etwas seltener dem schulischen, studentischen oder beruflichen Alltag (58,3%). Eigene Bilder und Fotos (63,5%) werden ebenso wie interessante Netz-Fundstücke (58,2%) von der Mehrheit der Befragten in Blogs veröffentlicht. Kommentare zu aktuellen politischen Ereignissen geben 41,3% der Blogger ab bzw. 40,5% auch zu beruflichen, schulischen oder studentischen Themen (vgl. ebd. 12f).
Ein knappes Drittel der aktiven Blogger veröffentlicht mindestens einen Beitrag pro Tag, ein Viertel nur einige Beiträge pro Monat. Die Mehrheit (70,5%) gibt in ihrem Weblog Hinweise auf die reale Identität, nur weniger als ein Drittel (29,5%) bloggt lieber unter einem Pseudonym oder völlig anonym. Nahezu alle Autoren erlauben Kommentare in ihrem Blog, allerdings werden nur bei etwa jedem zwanzigsten Blogger (5,6%) alle Beiträge kommentiert, „die meisten“ bei 23,7%, „etwa die Hälfte“ bei 23,2% und nur „wenige“ (42,6%) bzw. „keiner“ (4,9%) bei der überwiegenden Mehrheit. Rund die Hälfte der Befragten führt eine Blogroll, in der sie auf empfehlenswerte Weblogs oder Blogs von Freunden/Bekannten verweisen (vgl. Schmidt/Wilbers 2006:10ff).
Während Bloggern häufig unterstellt wird, mit ihrem Geschriebenen möglichst viele Menschen erreichen zu wollen, ergab eine Befragung von deutschen Bloggern durch Neuberger 2003 das Gegenteil: Nur rund ein Drittel (34%) will tatsächlich ein Massenpublikum („alle Internetnutzer“) erreichen, die Mehrheit (58%) möchte jedoch lediglich Gleichgesinnte treffen, die die eigenen Interessen teilen. 9% der Befragten wenden sich überhaupt nur an einen eingeschränkten Bekanntenkreis. Eine repräsentative Blogger-Befragung von Lenhart/Fox in den USA 2005/06 ermittelte Ähnliches, nämlich dass rund die Hälfte aller Blogger (52%) überwiegend für sich selbst schreibt und nur ein knappes Drittel (32%) für Mitleser. Die Hälfte der Blogger (49%) gehe überhaupt davon aus, hauptsächlich von persönlich bekannten Menschen gelesen zu werden (vgl. Neuberger et al. 2007:103).
Was die Soziodemographie der Blogger angeht, so weisen mehrere Studien, den „typischen Blogger“ als männlich, jung (um die 30 Jahre alt), gut verdienend, überdurchschnittlich hoch ausgebildet und Internet-Intensivnutzer aus. Dieses Profil entspricht den sog. Early adopters bzw. Pioniernutzern des Internet (vgl. Neuberger et al. 2007:108; Schmidt/Wilbers 2006:8f; Zerfaß/Boelter 2005:48f). Der bereits erwähnte State of the Blogosphere 2008 -Bericht der Blog-Suchmaschine Technorati ermittelte für Europa und Asien mit je 75% eine deutlich männerdominierte Weblog-Nutzung, während das Geschlechterverhältnis in den USA weit ausgeglichener ist (57% Männer, 43% Frauen).[11]
2.5.5 Bloggertypologie nach Zerfaß/Boelter
Unabhängig von der Art des Weblogs und der Motivation zu bloggen, können Blogger auch nach Stil sowie Intensität, mit der sie sich an der Diskussion in der Blogosphäre beteiligen, unterschieden werden. In Anlehnung an Katzman (2002) und Shirky (2003) schlagen Zerfaß/Boelter (2005:50ff) folgende Typologie vor:
- Beobachter und Kommentatoren: Diskussionen in der Blogosphäre werden eher passiv verfolgt, nur unregelmäßig wird in eigenen oder anderen Weblogs Stellung bezogen. Im Mittelpunkt steht die reine Teilhabe an der Diskussion. Die meisten Blogger fallen in diese Gruppe.
- Autoren und Erzähler: Weblogs werden genutzt, um Konversation zu betreiben. Als Publikum dienen in der Regel Freunde oder Kollegen. Die meisten Autoren privater Blogs fallen in diese Kategorie.
- Themenanwälte und Vernetzer: Mit Hilfe ihrer Blogposts treiben sie bestimmte Diskussionen voran, machen Sachverhalte öffentlich, verlinken Informationen und vernetzen andere Menschen. Hier geht es vor allem um die Fokussierung von Inhalten und die Bildung von Communities. In ihrer Branche oder Nische sind diese Blogger bekannt, haben aber insgesamt nur eine begrenzte Reichweite.
- Botschafter und Moderatoren: Diese Blogger beteiligen sich sehr intensiv an der Diskussion in der Blogosphäre und treiben sie aktiv voran. Sog. A-List-Blogger (siehe Kap. 2.6.2) übernehmen publizistische Funktionen: Sie werten täglich oder mehrmals wöchentlich Informationen aus und beurteilen, gewichten, kommentieren und veröffentlichen diese in ihren Weblogs.
2.5.6 Nutzungsmotive der Blogleser
Wie die Blogger selbst, sind auch die Blogleser eher jung, gebildet und regelmäßig online (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:64). Doch was motiviert Internetnutzer dazu, in Weblogs zu lesen oder mitzudiskutieren? Was erwarten sie sich von der Nutzung?
Die bereits angesprochene „ Wie ich blogge?!“-Studie der Universität Bamberg (siehe Kap. 2.5.4) fragte die Teilnehmer, was ein „typisches Weblog“ für sie ausmache: Die meisten gaben die Möglichkeit zu Kommentieren an (83,5%), für 74,5% ist die persönliche Meinung des Autors wichtig, etwas mehr als die Hälfte erwartet Inhalte, die in anderen Medien nicht zu finden sind (58,9%), und 58,5% wünschen sich einen lockeren sprachlichen Stil (vgl. Schmidt/Wilbers 2006:22f).
Die Motivation der Weblog-Nutzung stand auch im Zentrum einer Studie der Marketingagentur Proximity unter 2.793 deutschen Internetnutzern im Frühjahr 2005. Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, dass sich Blogleser vor allem über die neuesten Trends, Nachrichten und Meinungen informieren wollen (68% der Befragten). Mehr als die Hälfte der Blognutzer gab weiters an, in Weblogs Informationen zu finden, die sonst nirgendwo erhältlich sind (58%), und dass die persönliche Meinung der Autoren von besonderem Interesse ist (57%). Die subjektive und, wie es Boelter/Zerfaß (2005:64) beschreiben, „nicht von den Routinen der Massenmedien glattgebügelte Berichterstattung“ in Weblogs schafft einen Informations- und Vertrauensvorsprung und bietet damit Exklusivität. Das wirkt sich auch auf die Meinungsbildung aus: Über die Hälfte der von Proximity befragten Internetnutzer bilden sich aufgrund von Blog-Artikeln eine Meinung über Produkte, Marken und Unternehmen, diskutieren mit anderen über die veröffentlichten Inhalte oder besuchen die Websites der dort diskutierten Firmen und Produkte.
Die Blogleser sehen Weblogs in jedem Fall als Bereicherung: Über die Hälfte der Befragten (60%) meinen, dass Weblogs das Informationsangebot des Internet aufwerten, ein Viertel misst Blogs sogar eine „wesentliche Rolle in der digitalen Kommunikation von morgen“ bei. Nur 13% sehen Weblogs auch in Zukunft als Nischenthema (vgl. Walther/Krasselt 2005:15ff).
Ein ähnliches Bild zu den Nutzungsmotiven von Bloglesern zeichnet die Blogstudie 2007 der Universität Leipzig, die Ende 2006 in Kooperation mit der Suchmaschine Ask.com durchgeführt wurde. Über 600 deutsche Internetnutzer wurden online zum Thema Weblogs befragt. An der Umfrage beteiligten sich in erster Linie „Trendsetter“ und „Heavy-User“ des Web: 96% der Befragten sind (mehrmals) täglich im Internet, neun von zehn Befragten (87,3%) kennen Blogs, acht von zehn (79,8%) nutzen Blogs und jeder Dritte (34,6%) schreibt selbst ein Weblog.
Auch bei dieser Studie zeigte sich, dass die Nutzer von Weblogs (Blogger und Leser) an neuem, schnellerem und hintergründigerem Wissen interessiert sind (siehe Abb. 3). 66,7% der Befragten möchten aus Blogs etwas erfahren, was sie in anderen Medien nicht finden. Weitere wichtige Motivationen sind „Empfehlungen, Tipps und Tricks zu geben/zu erfahren“ (52,5%), „Hintergründe zu aktuellen Themen zu erfahren“ (52,3%) und „schneller an aktuelle News zu kommen“ (37,1%). Immerhin jeder fünfte Blognutzer will Produktinformationen nachlesen (20,9%) (vgl. Zerfaß/Bogosyan 2007:2ff).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Gründe für die Blognutzung aus Sicht der Rezipienten (Zerfaß/Bogosyan 2007:5)
Die Blogstudie 2007 macht außerdem deutlich, dass der Einfluss von Weblogs auf die Meinungsbildung nicht unterschätzt werden darf: Etwas mehr als die Hälfte der befragten Blognutzer (55,4%) ist von der Wirkung der Bloginhalte auf die öffentliche Meinung überzeugt und fast ebenso viele (53,8%) glauben, dass Weblogs gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen können. Am wichtigsten für die Meinungsbildung werden Fachblogs von Experten (69,3%) sowie Blogs von Journalisten (62,7%) und Medien (56,3%) eingestuft, die auch eine hohe Glaubwürdigkeit genießen. Die Befragten erwarten sich durch diese Weblogs vor allem neue Themen zu entdecken, eine Meinung bilden zu können und Ansatzpunkte für neue Ideen zu finden. Weniger stark wahrgenommen werden hingegen Corporate Blogs (28,9%), die auch eine vergleichsweise geringe Glaubwürdigkeit besitzen (vgl. Zerfaß/Bogosyan 2007:9f).
Als Ergebnis der Blogstudie 2007 wurde eine weitere Typologie für die Blognutzer entworfen, die Blogger und Blogleser gleichermaßen miteinbezieht. Zerfaß/Bogosyan (2007:7f) identifizierten fünf verschiedene Typen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Typologie der Blognutzer in Deutschland (Zerfaß/Bogosyan 2007:7)
- Social Networker (17,7%) – sie nutzen Blogs hauptsächlich, um den Kontakt mit Freunden zu halten, neue Bekanntschaften zu schließen und sich mit anderen auszutauschen.
- Selbstdarsteller (17,7%) – sie sind der Meinung, etwas zu sagen zu haben und möchten Kritik und Ärger loswerden.
- Wissensdurstige (23,7%) – sie sind die größte Gruppe und nutzen Blogs hauptsächlich um Hintergrund-informationen zu bekommen; klassischen Medien trauen sie weniger als andere Gruppen.
- Informationssucher (18,9%) – sie sind auf der Suche nach aktuellen News.
- Aktive Konsumenten (22,8%) – sie sind auf der Suche nach Produktinformationen.
Insgesamt kommt die Blogstudie 2007 zu dem Schluss, dass Blognutzer mehrheitlich „investigative Multiplikatoren“ (Zerfaß/Bogosyan 2007:7) sind. Dieser Begriff beschreibt Kunden, die mehr wissen möchten, Informationen aktiv weiterverbreiten und gut vernetzt sind. Nach Zerfaß/Bogosyan (2007:7) liegt die Bedeutung für die Wirtschaft auf der Hand:
„ Blognutzer sind interessante Dialogpartner für Marketing und Unternehmenskommunikation sowie alle, die sich frühzeitig mit gesellschaftlichen Trends, neuen Ideen und kritischen Stimmen auseinandersetzen wollen.“
Auf eine weitere Besonderheit bei der Blognutzung weist die international vergleichende Edelman -Studie aus dem Jahr 2006 hin: Sog. Influencer bzw. Opinion makers lesen signifikant mehr Blogs als andere Menschen. Beispielsweise nutzen 91% der japanischen Opinion makers Blogs, 63% der koreanischen. In Polen lesen zwar nur 16% aller Internetnutzer Blogs, aber 45% der polnischen Influencers. In Deutschland liegt dieses Verhältnis bei 15% Bloglesern zu 27% Influencers (vgl. Edelman 2007:5).
Bei einer weiteren Studie unter 17.000 Bloglesern in den USA (Blogads 2004) bezeichneten sich 46% der Teilnehmer selbst als Opinion makers (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:64).
Nach Zerfaß/Boelter (2005:64) unterstreichen diese Ergebnisse,
„dass vor allem die (…) Informationselite, also Menschen, die sich für Neuigkeiten und Nischen-Informationen interessieren, Personen, die aus beruflichen Gründen intensiv das Internet nutzen, Wissensarbeiter, Studenten und Manager besonders häufig Blogs nutzen und ihnen eine ernsthafte und zukunftsträchtige Bedeutung zuschreiben.“
2.6 Sind Blogger die neuen Meinungsmacher?
Immer mehr Themenkarrieren – inhaltlich richtige oder falsche – beginnen im Internet. Themen, die in Weblogs diskutiert werden, können potenziell zu Themen auf der allgemeinen öffentlichen Agenda werden und finden zunehmend den Weg in die traditionellen Massenmedien. „Weblogs haben sich von einem Nischenformat zu einem Massenphänomen entwickelt“ (Nitz 2007:2), über sie kann praktisch jeder Internetnutzer einfach und schnell Texte, Bilder und Videos, Meinungen über Unternehmen sowie auch Kritik an Produkten oder Dienstleistungen publizieren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Allein die Leser entscheiden, ob sie den Online-Inhalten vertrauen oder nicht – mit einem Schlag sind aus Kunden und Rezipienten Publizisten geworden (vgl. Eck 2007:21ff).
„Blogger in der Blogosphäre stellen eine eigene Öffentlichkeit mit eigenen Kommunikationsverhalten dar. Journalistische Vorgehensweisen der Nach-richtenselektion, -redaktion und -validierung sind außer Kraft gesetzt. Vorher-rschend ist eine neue Form des ‚Grass Root Journalism’ (…): Erst wird veröffentlicht und dann entsprechend kommentiert. Gerüchte, Falschmeldungen und z. T. ungenügend recherchierte Nachrichten bekommen dadurch schnell ein breites Publikum.“ (Picot/Fischer 2006:10)
Zerfaß/Boelter (2005:80) weisen in diesem Zusammenhang auf die „grundlegende Veränderung von Prozessen der Meinungsbildung, die durch Weblogs sowohl ermöglicht werden als auch in ihnen zum Ausdruck kommen“, hin. Die Blogosphäre beeinflusse einerseits die Meinungsbildung in bestehenden Öffentlichkeiten, andererseits entstünden durch sie „neue digitale Öffentlichkeiten im Sinne von Online-Communities, die nur im Netz existieren (…) und ihre Interessen gemeinsam artikulieren.“ (ebd. 81)
2.6.1 Meinungsbildung in der Blogosphäre
Abb. 5 veranschaulicht einen typischen Meinungsbildungsprozess im Internet am Beispiel Weblogs aus Sicht eines Unternehmens und macht deutlich, dass Blogger als neue Bezugsgruppe der Unternehmenskommunikation gesehen werden müssen (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:77; Huber 2007:125):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5 : Typischer Meinungsbildungsprozess im Internet am Beispiel Weblogs
(vgl. Schultze/Postler 2008:373)
Die enge und dichte Verknüpfung untereinander ist eines der wesentlichen Merkmale von Blogs. Durch die gegenseitige Verlinkung von Inhalten und Kommentaren verbreiten sich Nachrichten nach dem Schneeballprinzip sehr schnell und die Blog-Artikel dominieren häufig die Ergebnisse in den Suchmaschinen. Kontroverse Themen und exklusive Informationen erzielen dabei in der Regel größere Aufmerksamkeit und können die Meinungsbildung beeinflussen (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:20).
Nach einer Umfrage der PR-Agentur Hotwire und des Marktforschungsinstituts Ipsos im Jahr 2006 beeinflussen Blogs die Kaufentscheidungen der Verbraucher. Konsumenten würden laut der Studie Informationen, die sie zu Unternehmen und Produkten in Blogs gelesen haben, z.B. mehr als E-Mail-Marketing und klassischer Fernsehwerbung vertrauen. Im Bericht heißt es beispielsweise:
„30 Prozent der deutschen Internetnutzer gaben an, bereits ein Produkt nicht gekauft oder eine Dienstleistung nicht in Anspruch genommen zu haben, nachdem sie im Internet negative Kommentare oder Kritiken privater Nutzer gelesen hatten. Im europäischen Durchschnitt umfasst diese Gruppe sogar 34 Prozent.“
(Hotwire/Ipsos 2006:1)
Aber nicht nur negative, auch positive nutzergenerierte Internet-Inhalte würden die Kaufentscheidungen beeinflussen. Maßgeblich dafür sei vor allem das hohe Vertrauen der Internetnutzer in private Kommentare. Blogs bezeichnete fast jeder vierte deutsche Befragte (23%) als „vertrauenswürdige Informationsquelle“. Für die Studie wurden insgesamt 2.214 Internetnutzer über 15 Jahre in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien befragt (vgl. Hotwire/Ipsos 2006:1).
Nawratil (1999:26) beschreibt „die Glaubwürdigkeit sowohl von Personen als auch von Medien“ als „Ergebnis eines Zuschreibungsprozesses von Seiten der Rezipienten“. Deshalb spiele es keine Rolle, was der Kommunikator mit seiner Aussage bezwecken wollte oder was objektiv richtig oder falsch ist. Entscheidend sei, was die Rezipienten wahrnehmen.
Blog-Beiträge und -Themen werden aber nicht nur von den Verbrauchern registriert, sondern auch immer wieder von den klassischen Medien aufgegriffen und erreichen so eine noch größere Aufmerksamkeit. Weblogs werden von Journalisten traditioneller Medien zunehmend als Recherchequelle und Themenkompass genutzt, denn durch ihre offene und vernetzte Struktur kann die Entstehung und Entwicklung von Meinungen und Trends gut beobachtet werden (vgl. Zerfaß/Boelter 2005:58). Umgekehrt finden sich in den meisten Weblogs zahlreiche Verweise auf Artikel etablierter Medien (vgl. ebd. 55). Hier wird die wechselseitige Beziehung zwischen den Massenmedien und der Blogosphäre sichtbar, die im Prozess der öffentlichen Thematisierung und Meinungsbildung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Zur Veranschaulichung dieser wechselseitigen Beziehung hat Pleil folgende Grafik entworfen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Wechselwirkung zwischen Weblogs und Massenmedien (Eck/Pleil 2006:87)
Die meisten Blogs befinden sich in einer Art „Nebel“: Sie beziehen ihre Themen zwar immer wieder aus den Massenmedien, sind aber größtenteils privater Natur und haben nur einen kleinen Leserkreis. Eine höhere Aufmerksamkeit genießen Themen-Blogs, Social Network Blogs und Regionale Blogs, die sich ähnlich wie Fachzeitschriften mit speziellen Themen beschäftigen oder regionale Informationen bieten. Als Quellen dienen den Autoren eigene Erlebnisse (z.B. durch Beruf oder Hobby) sowie Artikel in klassischen Medien und anderen Blogs. Eine vergleichsweise große Öffentlichkeit mit Leserzahlen, die zumindest mit jenen von Fach- oder Lokalzeitungen zu vergleichen sind, erreichen Meinungsmacher- bzw. A-Blogs. Die Autoren sind meistens selbst Medienexperten (z.B. Journalisten oder PR-Berater), die die Kommunikationsmechanismen genau kennen und gezielt Einfluss auf die Meinungsbildung nehmen wollen. Die Blogger wirken hier ähnlich wie Journalisten als Kommunikationsmittler, Gatekeeper und Multiplikatoren. Da sie sich in ihren Beiträgen nicht selten auf Themen aus weniger bedeutenden Blogs beziehen, können Diskussionen aus der Nische an die Öffentlichkeit gelangen (vgl. Eck/Pleil 2006:86).
In der Blogosphäre existiert also eine Aufmerksamkeitshierarchie: Wenige populäre Blogs können den größten Teil des Interesses für sich verbuchen, während die überwiegende Mehrheit der Blogger im „Long Tail“ verschwindet (vgl. Neuberger 2007:108; Schmidt 2008:32).
2.6.2 Die Rolle der A-Blogger
Auch wenn die Zahl der A-Blogger – zumindest im deutschsprachigen Raum – recht überschaubar ist, sind sich Experten über deren großes Potenzial und deren Einfluss in der Online-Welt einig: Sie greifen Themen auf, die viele Menschen interessieren (vgl. Schmidt 2008:32), verfügen über ein dichtes, stabiles Netzwerk und bestimmen dadurch maßgeblich die Agenda in der Blogosphäre. Was ein A-Blogger schreibt, wird von vielen anderen Bloggern übernommen, kommentiert und verlinkt, sodass es zu einer rasanten Verbreitung der Inhalte kommt. Je mehr Blogger über eine Nachricht schreiben, desto wahrscheinlicher ist es, dass klassische Medien davon erfahren und ebenfalls darüber berichten. Für Journalisten gehört es mittlerweile zum Recherchealltag das Internet und zumindest die bekannten Blogs auf neue Themen hin zu beobachten (vgl. Huber 2008:30).
[...]
[1] vgl. Medienforschung ORF: Austrian Internet Monitor (AIM), 3. Quartal 2009, online: http://mediaresearch.orf.at/index2.htm?internet/internet_aim.htm [14.11.2009].
[2] vgl. ARD/ZDF-Medienkommission: ARD/ZDF-Online-Studie 2009, online:
http://www.ard-zdf-onlinestudie.de [14.11.2009].
[3] „Long Tail“ ist eine Theorie, nach der ein Anbieter im Internet durch eine große Anzahl an Nischenprodukten Gewinn machen kann (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/The_Long_Tail).
[4] Das, Sanjay (2005), Weblog-Eintrag vom 17.05.2005, http://blogchronicle.blogspot.com/2005/05/about-blog.html [14.11.2009].
[5] „Grassroot journalism“ (dt. Graswurzel-Journalismus, auch partizipativer Journalismus oder Bürgerjournalismus) bezeichnet eine Form des Journalismus, bei der Bürger über eigene Medien, insbesondere Weblogs, am gesellschaftlichen Diskurs teilnehmen können (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Graswurzel-Journalismus).
[6] vgl. White, Dave / Winn, Philipp (2009): Technorati’s State of the Blogosphere 2008, online: http://technorati.com/blogging/article/state-of-the-blogosphere-introduction/ [13.11.2009].
[7] vgl. White, Dave / Winn, Philipp (2009): Technorati’s State of the Blogosphere 2008, online: http://technorati.com/blogging/feature/state-of-the-blogosphere-2008/ [13.11.2009].
[8] vgl. Forrester Research (2006), Presseinformation vom 22.11.2006, online: http://www.forrester.com/ER/Press/Release/0,1769,1112,00.html [08.01.2009].
[9] vgl. Medienforschung ORF: Austrian Internet Monitor (AIM), 2008, online: http://mediaresearch.orf.at/index2.htm?internet/internet_aim.htm [14.11.2009].
[10] vgl. Medienforschung ORF: Austrian Internet Monitor (AIM), 2008, online: http://mediaresearch.orf.at/index2.htm?internet/internet_aim.htm [14.11.2009].
[11] vgl. White, Dave / Winn, Philipp (2009): Technorati’s State of the Blogosphere 2008, online: http://technorati.com/blogging/feature/state-of-the-blogosphere-2008/ [13.11.2009].
- Quote paper
- Sonja Schwarz (Author), 2010, Meinungsbildung in der Nische: Blogging als neue Herausforderung für das Issues Management, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188286
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