Versucht ein Mensch sich an sein eigenes Leben zu erinnern, so ist davon auszugehen, dass ihm zunächst eine ungeordnete Flut von Bildern und Eindrücken in den Sinn kommt, welche es zu sortieren und chronologisch anzuordnen gilt, zumal wenn er sich das Ziel gesetzt hat, die eigenen Erinnerungen auch anderen Menschen zu übermitteln. Die Besonderheit der gattung liegt hierbei darin, dass sich aus der Erinnerung geschöpfte Informationen aufgrund ihrer geringen Exaktheit recht einfach (bewusst oder unbewusst) im Sinne bestimmter Absichten anordnen und interpretieren lassen. Da es nun zudem als Grundanliegen des Menschen zu gelten hat dem eigenen Leben einen wie auch immer gearteten Sinn zu verleihen, ist die bewusste Realisierung eines solchen unter Umständen wirklichkeitsverfälschenden Arrangements sogar als sehr wahrscheinlich anzusehen. Spätestens seit Beginn der Moderne jedenfalls wird Sinnstiftung zu einer der bedeutendsten individuellen Aufgaben jedes Einzelnen und fordert besonders im Ausnahmefall der Abfassung einer Autobiographie eine überlegte Darstellung der zur Verfügung stehenden Erinnerungen. Da die Voraussetzung jeder Sinngebung aber die Operation mit einem klaren Ich-Konzept ist, das in Form persönlicher Identität geschaffen und gefestigt werden muss, kann Identitätsstiftung somit gewissermaßen als anthropologische Konstante angesehen werden. Diese dient hierbei verschiedenen Anliegen: Sie soll dem eigenen Leben Beständigkeit verleihen, Entscheidungen legitimieren, eine Absicherung der Wahl des persönlichen Lebenswegs gewährleisten und so die Gewissheit liefern, die eigene Lebensführung gegenüber anderen behaupten und schützen zu können.
Die vorliegende Arbeit will es sich nun zur Aufgabe machen anhand der Autobiographie Johann Heinrich Jung-Stillings ein möglichst umfassendes Gesamtbild der Identitätsstiftung des Autors zu vermitteln, dessen Lebensgeschichte aufgrund ihrer Entstehungszeit und Ausführlichkeit in jeder Hinsicht als geradezu ideales Untersuchungsobjekt angesehen werden muss.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitende Bemerkungen und Darlegung der Vorgehensweise
- Definition und Differenzierung der Begriffe Persönlichkeit, Identität und Individualität
- Persönlichkeit
- Identität
- Individualität
- Identitätsstiftung in Jung-Stillings Lebensgeschichte
- Die Gattung Autobiographie
- Allgemeines
- Jung-Stillings autobiographische Texte
- Formale Besonderheiten
- Dialoge als Mittel der Identitätsstiftung
- Erzählerreflexionen und -anmerkungen
- Voraussetzungen
- Historische Fakten
- Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
- Literatur und Philosophie
- Die Entstehung des Bedürfnisses nach Identitätsstiftung
- Jung-Stillings persönliche Voraussetzungen
- Besonderheitsstatus und Aufstiegswillen
- Jung-Stillings Außenseitertum: Probleme der Integration in soziale Umfelder
- Identitätsfundamente
- Natur
- Gemütsverfassung und Natur
- Naturbezüge auf stilistischer Ebene
- Geistesgeschichtlicher und wissenschaftlicher Kontext
- Literatur
- Philosophie
- Wissenschaft
- Religion
- Religiosität des Stillingschen Umfeldes
- Ein Leben nach Gottes Führung
- Darlegung religiöser Überzeugungen auf stilistischer Ebene und in Verknüpfung mit anderen Themen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Identitätsstiftung in den autobiographischen Texten Johann Heinrich Jung-Stillings. Sie analysiert, wie Jung-Stilling in seinen Schriften sein Leben gestaltet und seine Identität konstruiert, insbesondere vor dem Hintergrund der sich entwickelnden modernen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Die Arbeit konzentriert sich auf die spezifischen Mittel und Strategien, die Jung-Stilling einsetzt, um Kohärenz und Sinn in seinem Lebenslauf zu schaffen.
- Identitätsstiftung als anthropologische Konstante im Kontext der Moderne
- Analyse der Gattung Autobiographie und spezifischer Merkmale in Jung-Stillings Werk
- Die Rolle von Dialogen und Erzählerreflexionen in der Konstruktion von Identität
- Historische und persönliche Voraussetzungen für Jung-Stillings Identitätsstiftung
- Identitätsfundamente bei Jung-Stilling: Natur, Geistesgeschichte, Wissenschaft und Religion
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitende Bemerkungen und Darlegung der Vorgehensweise: Die Einleitung diskutiert die Herausforderungen der Autobiographie als subjektive Quelle und die Bedeutung der Sinnstiftung im modernen Menschen. Sie führt in die Thematik der Identitätsstiftung ein und begründet die Wahl von Jung-Stillings Lebensgeschichte als Untersuchungsgegenstand aufgrund seiner umfassenden Lebensdarstellung, der historischen Relevanz und der über 40 Jahre dauernden Entstehung seines Werkes. Die Arbeit beschreibt die Methodik, welche die Definition von "Identität" im Vergleich zu "Persönlichkeit" und "Individualität" umfasst, sowie die Analyse der formalen und inhaltlichen Aspekte der Autobiographie.
2. Definition und Differenzierung der Begriffe Persönlichkeit, Identität und Individualität: Dieses Kapitel legt die begrifflichen Grundlagen für die Analyse fest. Es differenziert präzise zwischen den Termini "Persönlichkeit", "Identität" und "Individualität", um Missverständnisse in der weiteren Analyse zu vermeiden und eine klare Basis für die Interpretation von Jung-Stillings Texten zu schaffen. Die jeweiligen Definitionen werden sorgfältig abgegrenzt und ihre Relevanz für das Verständnis von Identitätsstiftung herausgearbeitet.
3. Identitätsstiftung in Jung-Stillings Lebensgeschichte: Dieses Kapitel bildet den Kern der Arbeit und analysiert die verschiedenen Strategien der Identitätsstiftung in Jung-Stillings Autobiographie. Es untersucht zunächst die Gattung Autobiographie allgemein und im Besonderen in Bezug auf Jung-Stillings Werk. Die Analyse betrachtet historische und persönliche Voraussetzungen, um die Identitätsstiftung im Kontext der Zeit und des Lebens des Autors zu verstehen. Die verschiedenen Identitätsfundamente (Natur, Geistesgeschichte, Wissenschaft und Religion) werden ausführlich beleuchtet und anhand von Beispielen aus dem Text erläutert. Der Fokus liegt auf der Synthese dieser Elemente im Aufbau von Jung-Stillings Identität.
Schlüsselwörter
Identitätsstiftung, Autobiographie, Johann Heinrich Jung-Stilling, Moderne, Sinnstiftung, Persönlichkeit, Individualität, Identitätsfundamente, Natur, Religion, Geistesgeschichte, Wissenschaft, Textanalyse.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Identitätsstiftung in den autobiographischen Texten Johann Heinrich Jung-Stillings
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Identitätsstiftung in den autobiographischen Schriften von Johann Heinrich Jung-Stilling. Sie untersucht, wie Jung-Stilling sein Leben in seinen Texten gestaltet und seine Identität konstruiert, insbesondere im Kontext der sich entwickelnden modernen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Der Fokus liegt auf den Strategien und Mitteln, die er zur Schaffung von Kohärenz und Sinn in seinem Lebenslauf einsetzt.
Welche Begriffe werden definiert und unterschieden?
Die Arbeit differenziert präzise zwischen den Begriffen "Persönlichkeit", "Identität" und "Individualität", um Missverständnisse zu vermeiden und eine klare Grundlage für die Interpretation von Jung-Stillings Texten zu schaffen. Die Definitionen werden sorgfältig abgegrenzt und ihre Relevanz für das Verständnis von Identitätsstiftung herausgearbeitet.
Welche Aspekte der Autobiographie werden untersucht?
Die Analyse betrachtet die Gattung Autobiographie im Allgemeinen und speziell in Bezug auf Jung-Stillings Werk. Sie untersucht die formalen und inhaltlichen Aspekte, inklusive der Rolle von Dialogen und Erzählerreflexionen bei der Konstruktion von Identität. Historische und persönliche Voraussetzungen für Jung-Stillings Identitätsstiftung werden ebenfalls beleuchtet.
Welche Identitätsfundamente werden analysiert?
Die Arbeit untersucht verschiedene Identitätsfundamente bei Jung-Stilling, darunter Natur (Gemütsverfassung und Naturbezüge auf stilistischer Ebene), Geistesgeschichte (Literatur, Philosophie, Wissenschaft), und Religion (Religiosität des Umfelds, Gottesführung, religiöse Überzeugungen auf stilistischer Ebene). Die Synthese dieser Elemente im Aufbau von Jung-Stillings Identität steht im Mittelpunkt.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in folgende Kapitel: Einleitende Bemerkungen und Darlegung der Vorgehensweise; Definition und Differenzierung der Begriffe Persönlichkeit, Identität und Individualität; Identitätsstiftung in Jung-Stillings Lebensgeschichte (inkl. Gattung Autobiographie, historische und persönliche Voraussetzungen, Identitätsfundamente); Fazit.
Welche Methodik wird verwendet?
Die Methodik beinhaltet die Definition von "Identität" im Vergleich zu "Persönlichkeit" und "Individualität", sowie die Analyse der formalen und inhaltlichen Aspekte der Autobiographie von Jung-Stilling. Die Analyse stützt sich auf die Auswertung der Texte selbst und berücksichtigt den historischen Kontext.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Identitätsstiftung, Autobiographie, Johann Heinrich Jung-Stilling, Moderne, Sinnstiftung, Persönlichkeit, Individualität, Identitätsfundamente, Natur, Religion, Geistesgeschichte, Wissenschaft, Textanalyse.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Identitätsstiftung in Jung-Stillings autobiographischen Texten und analysiert, wie er sein Leben gestaltet und seine Identität konstruiert. Sie konzentriert sich auf die spezifischen Mittel und Strategien, die Jung-Stilling zur Schaffung von Kohärenz und Sinn in seinem Lebenslauf einsetzt.
Welche Zusammenfassung der Kapitel wird gegeben?
Die Arbeit bietet eine detaillierte Zusammenfassung jedes Kapitels, die die wesentlichen Inhalte und Argumentationslinien hervorhebt. Diese Zusammenfassungen bieten einen Überblick über die Struktur und den Inhalt der gesamten Arbeit.
Wie wird der Kontext der Moderne berücksichtigt?
Die Arbeit betrachtet Jung-Stillings Identitätsstiftung im Kontext der sich entwickelnden modernen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Sie untersucht, wie die Herausforderungen und Veränderungen dieser Zeit seine Selbstfindung beeinflusst haben.
- Quote paper
- Nadine Schmenger (Author), 2007, Identitätsstiftung in den autobiographischen Texten Johann Heinrich Jung-Stillings, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187911