Thema dieser Arbeit ist das Nachtatverhalten als Strafzumessungsfaktor. Zum besseren Verständnis dieses Themas, insb. der Schwerpunktsetzung, wird zunächst kurz erläutert, welche Bedeutung Schuld und Prävention als Strafzwecke innerhalb des Strafzumessungsvorgangs haben. Darauf folgt eine Erklärung, wie der BGH versucht, die Schuld- und Präventi-onsrelevanz des Nachtatverhaltens zu begründen und wie sich dieses Vorgehen auf die aktuelle Rechtsprechung zu den verschiedenen Arten des Nachtatverhaltens auswirkt. Daran schließt eine kritische Stellung-nahme zu diesem Vorgehen an und es werden verschiedene Alternativen aufgezeigt.
Den Schwerpunkt der Arbeit bildet die Auseinandersetzung mit der Frage, warum und in welchem Umfang das Nachtatverhalten bei der Straf-zumessung überhaupt von Bedeutung sein kann. Immerhin handelt es sich um Verhalten, das erst nach der Tat gezeigt wird. Der Gesetzgeber hat in § 46 StGB zwar ausgeführt, dass das Nachtatverhalten bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist. Bei der Bestimmung des Straf-maßes wird aber stets eine Rückkopplung an die Grundlagen der Straf-zumessung und die Strafzwecke verlangt. Dies bedeutet, dass nur schuld- und präventionsrelevantes Nachtatverhalten berücksichtigt wer-den darf. Wie aber kann ein Zusammenhang zu der zuvor begangenen Tat hergestellt werden? Sind nicht, wie der BGH einst formulierte, Un-recht und Schuld mit Beendigung der strafbaren Handlung fixiert? Liegt bei Berücksichtigung des Nachtatverhaltens nicht der Verdacht nahe, die Tat würde lediglich als Anlass zur Bestrafung einer allgemeinen Lebens-führungsschuld herangezogen, also „zur Allgemeinabrechnung im Sinne unzulässiger Sittenrichterei“? Die Behandlung dieses Aspektes durch die Rechtsprechung des BGH ist, wie die folgende Darstellung nach-weist, erheblicher Kritik ausgesetzt. Es müssen daher andere Lösungen zur Begründung der Strafzumessungsrelevanz des Nachtatverhaltens ge-funden werden.
Umfang und Aktualität von Literatur zu diesem Thema zeigen, dass die Diskussion über die rechtsdogmatische Begründung der Relevanz des Nachtatverhaltens in den letzten Jahren stark an Beachtung verloren hat - obgleich das Verhalten nach der Tat von immenser Bedeutung für die Höhe der Strafe ist und eine einst begonnene Diskussion nicht mit einer einstimmigen Antwort endete.
Inhaltsverzeichnis
- A Gliederung und erste Bestandsaufnahme
- B Schuld und Prävention in der Strafzumessung
- I Sinn und Zweck von Strafe
- 1 Schuld
- 1. Strafbegründungsschuld
- 2. Strafzumessungsschuld
- 3. Tatschuld
- 2. Strafzumessungsvorgang
- C Dogmatische Begründung der Strafzumessungsrelevanz des Nachtatverhaltens
- I Die „doppelspurige Indizkonstruktion"
- 1. Die Theorie
- 2. Rechtsprechung des BGH - Anwendung der doppelspurigen Indizkonstruktion
- a) Nemo-tenetur-Grundsatz
- b) Nachtatverhalten
- aa) Spurenbeseitigung
- bb) Schweigen, Leugnen und Uneinsichtigkeit
- i) Schweigen, Leugnen und Uneinsichtigkeit
- ii) Geständnis
- cc) Schadenswiedergutmachung und Ausgleichsbemühungen
- dd) Zwischenergebnis
- 3. Kritik an der doppelspurigen Indizkonstruktion
- II Lösungsvorschläge
- 1. Selbstständige Schuldrelevanz durch Erweiterung des Tatbegriffs
- 2. Selbstständige Präventionsrelevanz
- 3. Würdigung
- 4. Kombinierte Lösung
- D Zusammenfassung und Ausblick
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern das Nachtatverhalten als Strafzumessungsfaktor relevant ist. Dabei wird zunächst erläutert, welche Bedeutung Schuld und Prävention im Strafzumessungsvorgang haben. Anschließend wird die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Begründung der Schuld- und Präventionsrelevanz des Nachtatverhaltens analysiert, sowie die Auswirkungen auf die aktuelle Rechtsprechung zu verschiedenen Arten des Nachtatverhaltens untersucht. Abschließend wird eine kritische Stellungnahme zu diesem Vorgehen abgegeben und alternative Lösungsansätze aufgezeigt.
- Die Rolle von Schuld und Prävention im Strafzumessungsvorgang
- Die Begründung der Strafzumessungsrelevanz des Nachtatverhaltens durch den BGH
- Kritik an der „doppelspurigen Indizkonstruktion" des BGH
- Alternative Lösungsansätze für die Bewertung des Nachtatverhaltens
- Die Auswirkungen des Nachtatverhaltens auf die Höhe der Strafe
Zusammenfassung der Kapitel
Im ersten Kapitel dieser Arbeit wird die Gliederung des Themas „Nachtatverhalten als Strafzumessungsfaktor" vorgestellt. Die Bedeutung von Schuld und Prävention als Strafrwecke innerhalb des Strafzumessungsvorgangs wird erläutert. Es wird hervorgehoben, dass nur schuld- und präventionsrelevantes Nachtatverhalten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden darf.
Das zweite Kapitel befasst sich mit den Begriffen Schuld und Prävention im Strafrecht. Es wird zwischen Strafbegründungsschuld und Strafzumessungsschuld unterschieden. Die Strafzumessungsschuld wird als Tatschuld verstanden, d.h. die rechtswidrige Tat wird dem Täter vorgeworfen und nicht seine Lebensführung. Der Strafzumessungsvorgang wird anhand der Spielraumtheorie erläutert, die die Schuld als Grundlage der Strafzumessung und die Prävention als ergänzendes Kriterium innerhalb des Schuldrahmens betrachtet.
Das dritte Kapitel analysiert die Rechtsprechung des BGH zur Strafzumessungsrelevanz des Nachtatverhaltens. Der BGH bedient sich der „doppelspurigen Indizkonstruktion", um die Bedeutung des Nachtatverhaltens zu begründen. Diese Theorie besagt, dass das Nachtatverhalten Indizien für die innere Einstellung des Täters zum Zeitpunkt der Tat und für dessen Gefährlichkeit liefern kann. Die Anwendung dieser Indizkonstruktion in der Rechtsprechung wird anhand verschiedener Verhaltensweisen nach der Tat, wie Spurenbeseitigung, Schweigen, Leugnen, Uneinsichtigkeit, Geständnis und Schadenswiedergutmachung, erläutert.
Im vierten Kapitel wird die „doppelspurige Indizkonstruktion" des BGH kritisch beleuchtet. Es werden verschiedene Einwände gegen die Indizwirkung des Nachtatverhaltens vorgebracht, wie die Schwierigkeit, Rückschlüsse auf die Schuld des Täters aus dem Nachtatverhalten zu ziehen, die Gefahr der Fiktion und die mangelnde psychologische Ausbildung der Strafrichter. Es wird argumentiert, dass die Indizkonstruktion nicht in der Lage ist, dem Nachtatverhalten eine angemessene Bedeutung beizumessen.
Das fünfte Kapitel stellt verschiedene Lösungsvorschläge zur Begründung der Strafzumessungsrelevanz des Nachtatverhaltens vor. Die Theorie des erweiterten Tatbegriffs von Lang-Hinrichsen, die dem Nachtatverhalten eine unmittelbare Schuldrelevanz zuspricht, wird ebenso behandelt wie die Theorie der selbstständigen Präventionsrelevanz des Nachtatverhaltens. Es wird argumentiert, dass beide Theorien zwar gewisse Vorteile bieten, aber auch mit Problemen behaftet sind.
Das sechste Kapitel schlägt eine kombinierte Lösung vor, die die unmittelbare Auswirkung des Nachtatverhaltens auf die Erfolgskomponente der Schuld und die präventive Bedeutung des Nachtatverhaltens berücksichtigt. Diese Lösung ermöglicht eine differenzierte Bewertung des Nachtatverhaltens und vermeidet die Unsicherheiten der Indizkonstruktion.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das Nachtatverhalten, die Strafzumessung, Schuld, Prävention, die „doppelspurige Indizkonstruktion", der Nemo-tenetur-Grundsatz, Schadenswiedergutmachung, das Geständnis, die Spielraumtheorie, der erweiterte Tatbegriff und die kombinierte Lösung.
- Quote paper
- Arndt Schlegel (Author), 2011, Das Nachtatverhalten als Strafzumessungsfaktor, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187880
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