Der Topos des Glücks und der daraus abgeleiteten
Thematik der Schicksalsgöttin Fortuna, spielt bereits seit
Jahrhunderten eine prominente Rolle in den Kultur-und
Geisteswissenschaften. Schon in der Antike haben sich
Kirchenväter, wie Augustinus und Philosophenkreise, wie
beispielsweise die Stoa mit dem Fortuna- Begriff
auseinander gesetzt. Auch bei römischen Dichtern und
Schriftstellern, wie zum Beispiel Virgil und Cicero war
die Fortuna beliebter Gegenstand vielfältiger Diskurse.
In meiner Arbeit möchte ich mich auf jene Konzeption
der Fortuna fokussieren, die im Dekameron präsent ist und
anhand ausgewählter Novellen beweisen, dass es im
Dekameron keine einheitliche Fortuna- Konzeption gibt
und vielmehr von einer Koexistenz verschiedener
Konzeptionen ausgegangen werden muss.
Eingangs beschreibe ich das Bild der Fortuna im Zeitalter
der Antike,wobei zwischen einer Lateinischen und
Griechischen Fortuna unterschieden werden muss. Die
Altgriechische Vorstellung einer Fortuna, die das Bild
einer zwielichtigen Schicksalsinstanz aufwirft, bildet die
Grundlage für jene neuzeitliche Fortuna-Konzeption im
Dekameron.
Aber auch die von Dante im siebten Inferno-Gesang der
Divina Commedia entwickelten Fortuna,fließt in das
Dekameron mit ein. Dante stellt die Fortuna komplett in
den Dienst des Schöpfers, als dessen Verwalter sie die
Geschicke der Menschen auf der Erde steuert. Die
Ähnlichkeiten der Fortuna-Konzeptionen, die zwischen
der Divina Commedia und dem Dekameron existieren,
stelle ich anhand des Inferno-Gesangs der dritten Novelle
des zweiten Tages dar.
Um den Zuständigkeitsbereich und die Wirkungsweise der
Fortuna besser darzustellen, grenze ich die beiden
Wirkungsmächte der Natur und der Fortuna
gegeneinander ab. Als Grundlage dafür, werde ich die
zweite Novelle des sechsten Tages heranziehen, in der die
beiden „ministre del mondo“ (Kablitz 1990:22)
gegensätzlicher nicht wirken können.
1.Einleitung
Der Topos des Glücks und der daraus abgeleiteten Thematik der Schicksalsgöttin Fortuna, spielt bereits seit Jahrhunderten eine prominente Rolle in den Kultur-und Geisteswissenschaften. Schon in der Antike haben sich Kirchenväter, wie Augustinus und Philosophenkreise, wie beispielsweise die Stoa mit dem Fortuna- Begriff auseinander gesetzt. Auch bei römischen Dichtern und Schriftstellern, wie zum Beispiel Virgil und Cicero war die Fortuna beliebter Gegenstand vielfältiger Diskurse. In meiner Arbeit möchte ich mich auf jene Konzeption der Fortuna fokussieren, die im Dekameron präsent ist und anhand ausgewählter Novellen beweisen, dass es im Dekameron keine einheitliche Fortuna- Konzeption gibt und vielmehr von einer Koexistenz verschiedener Konzeptionen ausgegangen werden muss.
Eingangs beschreibe ich das Bild der Fortuna im Zeitalter der Antike,wobei zwischen einer Lateinischen und Griechischen Fortuna unterschieden werden muss. Die Altgriechische Vorstellung einer Fortuna, die das Bild einer zwielichtigen Schicksalsinstanz aufwirft, bildet die Grundlage für jene neuzeitliche Fortuna-Konzeption im Dekameron.
Aber auch die von Dante im siebten Inferno-Gesang der Divina Commedia entwickelten Fortuna,fließt in das Dekameron mit ein. Dante stellt die Fortuna komplett in den Dienst des Schöpfers, als dessen Verwalter sie die Geschicke der Menschen auf der Erde steuert. Die Ähnlichkeiten der Fortuna-Konzeptionen, die zwischen der Divina Commedia und dem Dekameron existieren, stelle ich anhand des Inferno-Gesangs der dritten Novelle des zweiten Tages dar.
Um den Zuständigkeitsbereich und die Wirkungsweise der Fortuna besser darzustellen, grenze ich die beiden Wirkungsmächte der Natur und der Fortuna gegeneinander ab. Als Grundlage dafür, werde ich die zweite Novelle des sechsten Tages heranziehen, in der die beiden „ministre del mondo“ (Kablitz 1990:22) gegensätzlicher nicht wirken können. An Abstraktionsgrad gewinnt meine Arbeit, wenn ich die verschiedenen Fortuna-Konzeptionen den Epochen des Mittelalters und der Neuzeit zuordne. Die epochenspezifischen Kennzeichen liefern einen Erklärungsmodus für die zwei Fortuna-Konzeptionen im Dekameron.
2.1 Die Fortuna- Konzeption in der Antike
2.1.1 Lateinische Fortuna
In der Antike existieren zwei verschiedene Fortuna- Konzeptionen: Zum einen die lateinische Fortuna mit italischem Charakter,die dem Volksglauben entspringt und zum anderen eine griechische Fortuna, die ihren Ursprung in der Literatur findet.
Ich wende mich in meiner Beschreibung zuerst der lateinischen Fortuna zu. Die etymologische Grundbedeutung des Namens Fortuna ist eine Kombination aus der Figur der Fors-Fortuna und dem Verb ferre, was dann soviel wie < das Kommende > oder < das Geschickte> (Ehrengard 1987: 1) bedeutet. Die Römer assoziierten mit Fortuna eine Göttin, die den Menschen Glück bescherte. Sie galt unter anderem als Göttin des Überflusses, des Kindersegens und der Fruchtbarkeit. Besondere Beliebtheit genoss Fortuna bei dem einfachen und armen Volk, das sich in Notsituationen deren Rat suchte.Attribute, die die Göttin auszeichneten, waren beispielsweise das Füllhorn und Ähren als Symbole des materiellen Wohlstands und der Fruchtbarkeit.1
2.1.2 Griechische Fortuna
In Verbindung mit der griechischen Göttin τύχη, wandelt sich das das Bild der glücksbringenden Fortuna grundlegend. Das aus dem Altgriechischen stammende Wort τύχη bedeutet soviel wie „ […] die unabänderliche Macht blinden Zufalls, von der man nicht sicher weiß, ob sie von dem Willen eines Gottes oder von eigener Willkür gelenkt wird.“ ( Meyer-Landrut 1978:4)
Fortuna in Verbindung mit τύχη steuert das menschliche Schicksal je nach Belieben. Ihre Handlungsweise ist unberechenbar und dem menschlichen Verstand nicht einsehbar. Selbst die Klagen der Menschen überhört die blind wütende Fortuna und treibt ihr Unwesen sowohl zu Wasser, als auch zu Lande. Das Meer ist ihr wohlvertraut, sie gilt als Herrscherin über die günstigen und widrigen Winde und lenkt Schiffe auf hoher See. Das Auf und Ab der Wellen symbolisiert dabei das Glück und Leid der Menschen.
Als Attribut der Fortuna- τύχη gilt in erster Linie das kreisende Rad. Dieses fungiert als Glücksrad und entscheidet je nach Stellung über Glück oder Unglück der Menschen. Als Gegenmittel gegen die Fortuna galten damals die inneren Werte sapientia und virtus, mit deren Hilfe man das Schicksal in den meisten Lebenslagen bewältigen konnte.2
2.2 Vergleich der Fortuna-Konzeption mit Dantes Divinia Commedia (Inf. VII, 70-96)
2.2.1 Dantes Divina Commedia ( Inf. VII, 61-96)
Im nächsten Schritt stelle ich einen Vergleich zwischen der Fortuna- Konzeption im siebten Inferno-Gesang der Divina Commedia und des Decameron an. Zwischen diesen beiden Werken gibt es eine Reihe von Parallelen. Eingangs stelle ich zunächst die Fortuna -Konzeption im 7. Inferno-Gesang der Divina Commedia vor.3 Ausgangspunkt der Betrachtungen ist die unersättliche Gier (avarizia) der Menschen nach irdischen Reichtümern „ben vani“ ( Inf. VII, 79), für deren Verteilung Fortuna zuständig ist. Es handelt sich um eine Konversation zwischen Virgil und Dante.
In den ersten zwei Terzinen (Inf. VII, 61-66) wird die Jagd der Menschen nach Reichtümern und Glück geschildert und deren Selbstzerstörung. „Sotto la luna“ ( Inf. VII, 64) ist eine Metapher für alles, was sich auf der Erde befindet. Dante erkundigt sich in dem nächsten Terzett ( Inf. VII, 67-69) nach dem Wesen der Fortuna, die die Güter dieser Welt „tra branche“ ( Inf. VII, 69) hat. Die folgenden acht Terzinen (Inf. VII, 69-93) stehen Virgil zur Verfügung, der „ […] mit einer grundsätzlichen Definition zur christlich orientierten Fortuna “ ( Meyer-Landrut 1978: 29) antwortet.4 Gott in seiner übertreffenden Weisheit, als Schöpfer der Welt, hat Fortuna zu seiner „ministra“ ( Inf. VII, 78) ernannt. Diese hat den Auftrag die Güter auf der Erde, zu denen unter anderem Schönheit, Beruf, Ämter und Reichtümer aller Art gehören, zu verwalten. Sie lenkt Alles zum Besten der Menschen.Ihre Absichten sind diesen, den „creature sciocche “ (Inf. VII, 69)nicht einsehbar und verborgen „como in erba l’angue“ (Inf.VII, 78). Die menschliche ratio ist zu gering, um die Handlungen Fortunas zu durchschauen, auch „hat [der Mensch] keine Möglichkeit, irgendwelche Schutz- oder Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen“ (Meyer-Landrut 1978: 32).5 Obwohl sie im Auftrag6 und in der Vorsehung (providentia) Gottes handelt, verfügt sie über einen gewissen Handlungsspielraum. Sie vertauscht „a tempo li ben vani“ (Inf.VII, 79) von Volk zu Volk und von Geschlecht zu Geschlecht nach eigenem Ermessen.7 „Aus der Perspektive unwissender und habgieriger Menschen aber handelt sie ungerecht und niederträchtig“ (Meyer- Landrut 1997: 86).8 Sie wird von Virgil mit den Engeln beziehungsweise den Geschöpfen der ersten Stunde verglichen, was sie in gewisser Weise dem Himmel gleich macht.9
Virgil nennt die Glücksgöttin nie beim Namen, sondern verwendet Paraphrasen wie „lei“ (Inf. VII, 85), „colei“ ( Inf. VII, 91) und Paraphrasen, die ihre Beziehung zu Gott beschreiben wie: „ministra e duce“ (Inf. VII, 78), dadurch wird sie in eine Sphäre erhoben, die dem menschlichen Verstand nicht mehr zugänglich ist. Allgemein steht die von Virgil aufgeworfene Fortuna- Konzeption im Gegensatz zur Fortuna-Konzeption der Antike. Die Fortuna in der Divina Commedia ist für das allgemeine Glück der Menschen verantwortlich, symbolisch dafür dreht sie das Rad „ spera“(Inf. VII, 96), das zum Glücksrad wird.10
Die Fortuna- Konzeption in der Divina Commedia stellt keinen absoluten Gegensatz zur Konzeption im Dekameron dar. Im Gegenteil, sie wird im Dekameron aufgegriffen und an manchen Stellen, wie wir noch sehen werden, mit der Fortuna-Konzeption der Antike kombiniert. Boccaccio, der Autor des Dekameron, ist ein Anhänger der Laizität, das heißt, dass er die himmlische Sphäre vom Irdischen trennt und Fortuna dem irdischen terrain zuordnet.
[...]
1 Vgl. Meyer-Landrut, Ehrengard: Fortuna in Dantes „ DivinaCommedia “ . Aus der Sicht der fr ü hen 2
2 Vgl. Meyer-Landrut, Ehrengard: Fortuna in Dantes „ DivinaCommedia “ . Aus der Sicht der fr ü hen Kommentatoren, Rheinfelden 1978, S.4-11.
3 Die Textstellen (Inf. VII, 61-96) befinden sich im Anhang1).
4 Vgl. Meyer-Landrut, Ehrengard: Fortuna in Dantes „ DivinaCommedia “ . Aus der Sicht der fr ü hen Kommentatoren, Rheinfelden 1978, S. 28-30.
5 Vgl. Inf. VII, 82 und 85: „ oltre la difension di sennihumani […]] non ha contasto a lei.“
6 Vgl. Inf. VII, 89: „necessità la faesser veloce.“
7 Vgl. Meyer-Landrut, Ehrengard: Fortuna in Dantes „ DivinaCommedia “ . Aus der Sicht der fr ü hen Kommentatoren, Rheinfelden 1978, S. 30-31, 66.
8 Vgl. Inf. VII, 91ff. : „ Quest’ècoleichetanto è posta in croce pur da dolorche le dovrian dar lode, dandolebiasmo a torto e mala voce.“
9 Vgl. Inf. VII, 87: „ […] comoilloro li altridéi.“ Vgl. Inf. VII,95: „[…] altre prime creature.“
10 Vgl. Meyer-Landrut,Ehrengard: Fortuna in Dantes „ DivinaCommedia “ . Aus der Sicht der fr ü hen Kommentatoren, Rheinfelden 1978, S.32-34.
- Quote paper
- Nina Wiegand (Author), 2011, Zur Fortuna-Konzeption im Dekameron, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187445
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