Der Filmemacher Dziga Vertov und sein Manifest über das sogenannte Kino-Auge
waren Anfang der 20er Jahre revolutionär und prägen die Filmwissenschaft bis zur
heutigen Zeit. Vertovs Gruppe der Kinoki verstand sich als Opposition zu den
Kinematographisten und lehnte jegliche theatralische Inszenierung in einem Film ab
(vgl. Vertov 1922: 31). Die Ansätze des Dziga Vertov wurden von einem seiner
Zeitgenossen, dem Filmemacher Sergej M. Eisenstein nicht geteilt.
Die gegenseitige Abneigung ist vorrangig dadurch begründet, dass Vertov
Dokumentarfilme machte und Eisenstein fiktionale Filme produzierte, die Vertov
ablehnte. Die Montage-Konzepte beider Filmemacher galten zu Beginn der 20er Jahre
als absolut innovativ. Während Eisenstein aber durch Montage den Zuschauer in seiner
Wahrnehmung beeinflussen wollte, so bezog Vertov diesen Aspekt nach der Meinung
Eisensteins in seine Überlegungen nicht weiter mit ein (vgl. Eisenstein 1924 a: 16).
Sergej M. Eisenstein wurde vor allem durch seinen Film Panzerkreuzer Potemkin, aber
auch durch seine verschiedenen Montage-Theorien bekannt. Allerdings stellte er
zahlreiche seiner Werke nicht fertig. So wollte er beispielsweise gleich zweimal
während seines Lebens seine Montage-Konzepte in Büchern festhalten, konnte seine
Arbeiten aber nicht fertig stellen (vgl. Bulgakowa 1993: 51).
Außerdem lebte und arbeitete Eisenstein während einer sehr schwierigen Zeit. Daraus
resultierte, dass seine Filme nicht überall Zustimmung fanden. In den USA galten seine
Filme als zu kritisch, die UDSSR empfand seine Filme als zu experimentell und Europa
nahm zunehmend faschistische Züge an (vgl. Lenz 2005: 437).
Somit hatte Eisenstein nie wirklich die Möglichkeit, seine Ideen voll und ganz
umzusetzen. Trotzdem waren seine Innovationen wichtig für die Filmgeschichte. Dies
zeigt sich zum einen daran, dass Eisensteins Theorien zu den Grundkenntnissen eines
jeden Filmwissenschaftlers zählen. Zum anderen haben sich aber auch andere
Filmemacher an Eisensteins Konzepten orientiert. Denn das Konzept mit montierten
Bildern eine bestimmte Wirkung beim Zuschauer zu erzielen, wurde auch bei anderen
Filmemachern angewendet.
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1: Einleitung
- Kapitel 2: Der Filmemacher Sergej M. Eisenstein
- Kapitel 3: Die Attraktionsmontage
- 3.1. Ursprünge und Charakteristika der Attraktionsmontage
- 3.2. Streik (1924) von Sergej M. Eisenstein
- 3.3. Titicut Follies (1967) von Frederick Wiseman
- Kapitel 4: Die intellektuelle Montage
- 4.1. Ursprünge und Charakteristika der intellektuellen Montage
- 4.2. Panzerkreuzer Potemkin (1925) von Sergej M. Eisenstein
- 4.3. Olympia (1938) von Leni Riefenstahl
- Kapitel 5: Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Erbe des Filmemachers Sergej M. Eisenstein und untersucht die Konzepte der Attraktions- und intellektuellen Montage sowie deren Einfluss bis in die Gegenwart. Die Arbeit analysiert die Ursprünge und Charakteristika der beiden Montageformen und beleuchtet anhand ausgewählter Filme Eisensteins, sowie weiterer Filmemacher wie Leni Riefenstahl und Frederick Wiseman, deren Anwendung und Bedeutung in der Filmgeschichte.
- Die Attraktionsmontage als Mittel der emotionalen Beeinflussung des Zuschauers
- Die intellektuelle Montage als Mittel der Vermittlung von komplexen Ideen und Zusammenhängen
- Die Bedeutung von Eisensteins Montage-Theorien für die Filmgeschichte
- Die Rezeption und Weiterentwicklung der Montagekonzepte im modernen Film
- Der Einfluss politischer und gesellschaftlicher Kontext auf die Filmgestaltung
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 beleuchtet den historischen Hintergrund der Arbeit, indem es den Einfluss von Dziga Vertov und dessen Manifest über das Kino-Auge auf die Filmwissenschaft beschreibt. Es wird der Gegensatz zwischen Vertovs dokumentarischem Ansatz und Eisensteins fiktionalen Filmen sowie deren unterschiedlichen Montagekonzepten herausgestellt.
Kapitel 2 widmet sich der Biographie Sergej M. Eisensteins und beschreibt seine frühen Lebensjahre, seine Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse Sigmund Freuds und seine künstlerischen Anfänge im Theater. Es wird gezeigt, wie die Erfahrungen Eisensteins und seine Auseinandersetzung mit den Theorien Freuds sowie Wsewolod Meyerholds seine späteren Montagekonzepte prägten.
Kapitel 3 behandelt die Attraktionsmontage. Zunächst werden ihre Ursprünge und Charakteristika erläutert. Anschließend wird anhand des Films "Streik" (1924) von Eisenstein die praktische Anwendung der Attraktionsmontage verdeutlicht. Abschließend wird der Film "Titicut Follies" (1967) von Frederick Wiseman vorgestellt, um Tendenzen der Attraktionsmontage im Kontext des Dokumentarfilms zu untersuchen.
Kapitel 4 widmet sich der intellektuellen Montage und erläutert ihre Ursprünge und Charakteristika. Anhand des Films "Panzerkreuzer Potemkin" (1925) von Eisenstein wird die Anwendung dieser Montageform in einem fiktionalen Film verdeutlicht. Der Film "Olympia" (1938) von Leni Riefenstahl dient dazu, die intellektuelle Montage im Kontext des Propagandafilms zu analysieren.
Schlüsselwörter
Sergej M. Eisenstein, Attraktionsmontage, intellektuelle Montage, Filmmontage, Montagekonzepte, Filmgeschichte, Streik, Panzerkreuzer Potemkin, Olympia, Titicut Follies, Dziga Vertov, Kino-Auge, Filmtheorie, Filmästhetik, Psychoanalyse, Sigmund Freud, Wsewolod Meyerhold, Biomechanik, Reflexologie.
- Quote paper
- Daniel Seehuber (Author), 2009, Das Erbe des Sergej M. Eisenstein, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187215