Der Naturzustand bzw. das Naturzustandstheorem ist erst seit Hobbes die normativ-analytische Basis der politischen Theorie; der Naturzustand als literarisch-politischer Topos ist älter. Bei Aristoteles ist der Naturzustand des Menschen durch das ideale und nicht näher hinterfragbare Dasein des Bürgers in der Polis bezeichnet. Die kleinste gesellschaftliche Einheit bei Aristoteles ist der Haushalt. Das individuierte Einzelwesen ist hier nicht wichtig.
Das Naturzustandstheorem hat bei Locke eine sehr viel komplexere Funktion als bei Hobbes. Der Naturzustand - alle Menschen sind frei, rechtsgleich, privat und herrschaftstunabhängig - stellt die positiven Strukturprinzipen der bürgerlichen Gesellschaft als Normen heraus. Er ist, wenn auch als fiktive Abstraktion, bereits ein rechtlicher und politischer Zustand. Der "status civilis" ist lediglich ein abgeleiteter Zustand hiervon. Der Staat ist bei Hobbes konstituierend für den gesellschaftlichen Funktionszusammenhang, bei Locke hingegen substituierend.
Inhalt
John Locke (1632-1704)
Lockes Anthropologie:
Property
Legitimation der Herrschaft:
Herrschaftsformen:
Thomas Hobbes (1588-1679)
Friedenssicherung im Staat:
Hobbes Staatsmodell
Kritik an Hobbes:
Pflichten des Inhabers der Staatsgewalt:
Kritik an Hobbes:
materialistisch-mechanistisches Weltbild:
Wichtige Werke
De Corpore
De homine, Kapitel 11
Leviathan, Kap. 11
Leviathan, Kap.13
Literatur xvii
Naturzustand
Der Naturzustand bzw.[1] das Naturzustandstheorem ist erst seit Hobbes die normativ-analytische Basis der politischen Theorie; der Naturzustand als literarisch-politischer Topos ist älter. - Bei Aristoteles ist der Naturzustand des Menschen durch das ideale und nicht näher hinterfragbare Dasein des Bürgers in der Polis bezeichnet. Die kleinste gesellschaftliche Einheit bei Aristoteles ist der Haushalt. Das individuierte Einzelwesen ist hier nicht wichtig.
- Die stoisch-christliche Tradition begreift den Naturzustand als einen paradiesisch-utopischen, in jedem Fall aber außerstaatlichen Zustand der Freiheit, der aber als paradiesisch, also nicht konkret nutzbar für die Konstitution politischer Theorie aufgefasst wird.
- Der epikureische Naturzustand ist nicht idealisiert paradiesisch. Er ist ein
Zustand vorstaatlicher Freiheit, Gleichheit und Individuation; er ist aber besonders gekennzeichnet durch die Situation allgemeiner Rechtlosigkeit, Friedlosigkeit und Barbarei ("vertiert"). Ein friedliches Zusammenleben kommt erst nach der Überwindung des Naturzustandes durch den Staatvertrag zustande. Recht hat außerhalb des Staatsvertrages kein unabhängiges Dasein.
(wissenswert:)
Gesetzestypen:
LEX AETERNA: das ewige Gesetz, aus dem Gott (nach christlicher Vorstellung) die Welt erschaffen hat
LEX NATURAE: Naturrecht (nach stoischer Philosophie)
LEX HUMANA: das menschliche Gesetz, von Menschen geschaffen (Nomos), abgeleitet von lex aeterna & lex naturae
Kernfrage im Rechtsstreit des ausgehenden Mittelalters:
Thomas von Aquino vertritt den Intellektualismus, die Ansicht, dass alles Weltgeschehen vom göttlichen Verstand (intellectus dei) geleitet ist.
Konträr hierzu geht W. Ockham vom Voluntarismus aus, der Ansicht, dass alles
Weltgeschehen vom göttlichen Willen (voluntas dei) geleitet ist.
Der Ockham´sche Voluntarismus und der von Aquin´sche Rationalismus bezeichnen die Grundpositionen des christlichenNaturrechts bis ins 15te Jahrhundert.
Franciscus Suarez synthetisiert diese Antagonismen. Es folgt Hugo von Grotius, der das Naturrecht als unveränderlich definiert, sofern die Natur unveränderlich sei.
John Locke (1632-1704)
Das Naturzustandstheorem hat bei Locke eine sehr viel komplexere Funktion als bei Hobbes. Der Naturzustand - alle Menschen sind frei, rechtsgleich, privat und herrschaftstunabhängig - stellt die positiven Strukturprinzipen der bürgerlichen Gesellschaft als Normen heraus. Er ist, wenn auch als fiktive Abstraktion, bereits ein rechtlicher und politischer Zustand. Der "status civilis" ist lediglich ein abgeleiteter Zustand hiervon. Der Staat ist bei Hobbes konstituierend für den gesellschaftlichen Funktionszusammenhang, bei Locke hingegen substituierend.
Lockes Gesellschaftstheorie wird auf 2 Ebenen abgehandelt:
1. materiell, nämlich in Lockes Anthropologie
2. kategorial in der Darstellung des Naturzustandes & der politischen
Theorie.(Allerdings ist die Reihen bzw. Rangfolge von Naturzustandstheorie und Anthropologie bei Locke im Vgl. zu Hobbes umgekehrt.
- Vernunft als Vermögen der Erkenntnis naturrechtlicher Normen ist für Locke das Ergebnis eines konkreten Bildungs- & Erfahrungsprozesses, nicht etwa, wie in der traditionellen Naturrechtphilosophie, ein dem Menschen angeborenes Vermögen normativer Erkenntnis. Locke ist Empirist im erkenntnistheoretischen Sinn. Vernunft führt zum Streben nach Frieden.
Lockes Anthropologie:
Der Basisimpuls menschlichen Verhaltens ergo Handelns ist der Wunsch nach Maximierung der Lust, den Locke als das Bestreben nach der Vermeidung von "pain" und der Gewinnung von "pleasure" versteht. Die unmittelbare menschliche
Handlung folgt durch den Willen. Das "desire of happiness" (=pain/pleasure) gibt lediglich ein moralisch indifferentes Grundmuster menschlichen Verhaltens/Handelns an. Der Wille wir von der "uneasiness" (uneasiness of hunger, thirst, heat, cold, wearisness, labour & sleepiness [Selbsterhaltung] + uneasiness of honour, power & siches [fantastical]), also negativ bestimmt.
Die Bedürfnis- & Triebnatur ist somit der konstitutive Faktor in Lockes Theorie der allgemeinen Motivation menschlichen Handelns. Seine Glückslehre erhält dadurch eine hedonistische Ausrichtung, indem das Erstreben von "happiness" am subjektiven Lustempfinden festgemacht ist.
Der Mensch ist daher zu fortwährender Betätigung gezwungen, um die relative Balance zwischen "happiness" und "uneasiness" zu erreichen. Locke leitet das Eigentumsrecht unmittelbar aus dem Selbsterhaltungsrecht ab. (Der Selbsterhaltungstrieb ist neben dem "desire of happiness" das einzige eingeborene Prinzip menschlichen Handelns.)
Property
Am Anfang der Geschichte ist die Welt von Überfluss gekennzeichnet. Gott hat die Dinge den Menschen zum Nutzen gegeben. Wer etwas nimmt, lässt trotzdem genug für andere übrig und handelt daher gerecht. Beschränkung Lockes:
1.) Man kann sich nur aneignen, was man durch Arbeit leisten kann.
2.) Man kann sich nur aneignen, was man erhalten, d.h. vor dem Verderb bewahren kann.
Daher kann jeder sich etwas aneignen ohne Unrecht zu tun. Die Arbeit gehört dem Menschen selbst:
Daher kann sich jeder etwas aneignen ohne anderen Unrecht zu tun.
Gleichheit ist nicht die Gleichheit der Ausstattung mit Gütern, sondern die Gleichheit an Zugangsmöglichkeiten[2].
Derjenige, der sich die Dinge der Natur zum Zweck der Selbsterhaltung zuführt, hat das ausschließliche Nutzungsrecht an ihnen: "the condition of human life, ..., necessarily introduces private possesions." Hiermit ist das Privateigentum allerdings nicht als Naturrecht begründet.
Der für Locke spezifische Unterschied bei der Begründung des Eigentums als Naturrecht liegt in der begrifflichen Einführung der Arbeit. Zunächst gilt: "every man has a property in his own person." Dieses fundamentale Recht ist an die Bedingung der materiellen Existenz gebunden, die nur durch Arbeit und ihre Vergegenständlichung im dinglichen Privateigentum garantiert werden kann. Nur durch Arbeit und deren Produkte kann der Mensch seine moralische Autonomie gegenüber anderen manifestieren. Die Notwendigkeit der materiellen Reproduktion des Lebens durch Arbeit behindert nicht etwa die moralische Autonomie und Freiheit des Menschen (- dies gilt in der gesamten Tradition der Moralphilosophie und des Naturrechts seit der Antike -), im Gegenteil: es werden gerade Freiheit und moralische Autonomie durch Arbeit erst gewährleistet. Locke bricht mit dieser Tradition und unternimmt damit eine grundlegende Wende.
II. Treatise: "Every man has a property in is own person. This nobody has any right to but himself. The labour of his body, and the work of his hands, we may say, are properly his." §27
[...]
[1] vgl. Hans Medick, Naturzustand [...], 1973
[2] Problematisch wird die Verteilung der gottgegebenen Güter mit der Einführung des Geldes, da Geld im Gegensatz zu anderen Gütern, nicht altert und beliebig akkumulierbar ist. Wo Geld eingeführt wird, werden die Güter knapp. Solange es allerdings noch Gegenden gibt, in denen der Zustand des natürlichen Überflusses vorherrscht, sodass sich jeder - auch ohne Geld - der natürlichen Güter bedienen kann, ist die Einführung des Geldes nicht ungerecht. Jeder, der am Geldsystem nicht mehr teilnehmen möchte, hat die freie Entscheidung dahinzugehen, wo es noch kein Geld gibt. Wer allerdings innerhalb des Geldsystems viel arbeitet, kann sich auch viel aneignen. Auf diese Weise rechtfertigt Locke das Vorhandensein von Ungleichheit.
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- Thomas Schröder (Author), 2003, Thomas Hobbes und John Locke - Begründer der progressiven Moderne, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18646
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