Die vorliegende Arbeit beschreibt die Erstellung eines Konzepts zur Einführung eines Risikomanagementsystems in einer klinisch - geriatrischen Einrichtung in Ulm. Der Autor hat dabei dem Aspekt des Praxisbezugs eine hohe Bedeutung zugemessen. Die Inhalte dieses Konzepts wurden der Unternehmensführung im letzten Quartal 2006 zur Diskussion vorgelegt. Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema haben sich für den Autor folgende Fragestellungen als entscheidend für die Effektivität eines Risikomanagementsystems herausgestellt.
Welche Strukturen setzt ein Risikomanagement im Krankenhaus voraus? - Wie kann ein Krankenhaus Risiken systematisch begegnen und wie können Fehler verhindert werden? - Wie kann dabei die bestehende Qualitätsmanagementstruktur des Krankenhauses genutzt werden? - Wie können der Unternehmensführung alle relevanten Risiken der Einrichtung aus den Bereichen Ökonomie und Patientenversorgung (Gesamtrisiko) übersichtlich dargestellt werden?
Folgende Fragestellungen werden in der Arbeit geklärt:
- Welche Strukturen setzt Risikomanagement im Krankenhaus voraus?
- Wie kann dabei die bestehende Qualitäsmanagementstruktur genutzt werden?
- Wie können der Klinikleitung die relevanten Risiken der Einrichtung aus den Bereichen Ökonomie und Patientenversorgung übersichtlich dargestellt werden?
- Welche Risiken besitzen die höchste Wahrscheinlichkeit und die höchste Bedeutung für die Einrichtung
- Wie kann diesen Risiken systematisch vorgebeugt, bzw. begegnet werden?
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
1.1 Gegenstand und Fragestellungen dieser Arbeit
1.2 Aufbau dieser Arbeit
2 Grundlagen des Risikomanagements
2.1 Zentrale Begriffe
2.2 Gründe für die Einführung eines Risikomanagementsystems
2.3 Voraussetzung für Risikomanagement
3 Darstellung von klinischem und ökonomischem Risikomanagement
3.1 Klinische Risikomanagement - Risiken aus dem Patientenversorgungsprozess
3.2 Ökonomisches Risikomanagement - Risiken aus dem wirtschaftlichen und technischen Bereich
3.2.1 Basel 2
4 Der Risikomanagementprozess am Beispiel des 26 Umgangs mit klinischen Risiken
4.1 Risikoidentifizierung
4.2 Risikoidentifizierung durch eine Zwischenfallerfassung (Incident Reporti ng/C IRS)
4.3 Risikobewertung
4.4 Verfahren der Risikoidentifizierung und Risikobewertung
4.5 Risikobewältigung
4.5.1 Risikobewältigung durch geeignete Präventionsmaßnahmen
4.6 Risikoüberwachung
4.7 Beschwerdemanagement
5 Die Verbindung von Risiko- und Qualitätsmanagement
5.1 Risikomanagement und DIN EN ISO
5.2 Risikomanagement und EFQM
5.3 Risikomanagement im KTQ und proCum Cert Katalog
6 Konzeption eines Risikomanagementsystems in der Bethesda Geriatrischen Klinik Ulm
6.1 Die Bethesda Geriatrische Klinik Ulm
6.2 Qualitätsmanagement in der Bethesda Geriatrischen 48 Klinik Ulm
6.3 Risikoverständnis, Risikopolitik, Risikostrategie und 48,49 Fehlerkultur der Einrichtung
6.4 Risikoidentifikation und Risikobewertung
6.4.1 Versicherungsrelevante Ereignisse 50,51 (Schadens- und Haftungsfälle)
6.4.2 Meldesystem für kritische Zwischenfälle (CIRS) 52,
6.4.3 Risikoidentifikation und Risikobewertung strukturierter 53 Berichte aus den Bereichen
6.4.4 Risikobewertung im Rahmen von Interviews 53-
6.4.5 Risikomatrix für klinische Risiken 56,
6.4.6 Risikomatrix für ökonomische Risiken 58,
6.4.7 Fazit zum Einsatz leitfadenorientierter 60 Experteninterviews
6.4.8 Fazit zur Darstellung der Risikoidentifizierung und Risi- 60 kobewertung in einer Risikomatrix
6.5 Risikobewältigung 61-
6.6 Risikoüberwachung in der Bethesda Geriatrischen 64,65 Klinik
6.7 Information und Schulung der Mitarbeiter
6.8 Integration von Fehler- und Risikomanagement in das 66 Qualitätshandbuch
7 Beantwortung der Fragestellungen dieser Arbeit 67,
8 Chancen und Nutzen des Risikomanagements
8.1 Kosten-Nutzen Analyse von Risikomanagement
8.2 Veränderung durch Risikomanagement
8.3 Verbindung von klinischem und ökonomischen Risikomanagement
8.4 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einführung
Risiken existieren in jedem Unternehmen. Besonders im Dienstleistungsunternehmen Krankenhaus mit seinen branchenspezifischen Risiken ist es wichtig, die typischen Gefahren zu kennen sowie Anstrengungen zur systematischen Steuerung, Minimierung oder Vermeidung von Gefahren zu unternehmen. Risiken müssen identifiziert und bewertet werden, um Gefahren durch entsprechende Maßnahmen abzuwehren oder zu vermindern. Die übergeordneten Ziele sind dabei:
- die Sicherung der Unternehmensexistenz und damit des künftigen Unternehmenserfolges,
- die Minimierung der Risikokosten (Versicherungsprämien, Schadenskosten) und
- die Gewährleistung der Sicherheit der Patienten, Kunden und der Mitarbeiter der Einrichtung.
Für das Krankenhaus bestehen in erster Linie Risiken:
- aus dem Patientenversorgungsprozess im Sinne der Vermeidung von Fehlern und damit eventuellen haftungsrechtlichen Ansprüchen von Patienten gegenüber dem Krankenhaus und
- aus ökonomischen Risiken durch wirtschaftliche Fehlsteuerung, deren Auswirkungen bei Eintritt Existenz bedrohend für die Einrichtung sein können.
Zur klareren Darstellung werden in dieser Arbeit Risiken aus dem Bereich des Patientenversorgungsprozesses als klinische Risiken und Risiken aus dem wirtschaftlichen und technischen Bereich als ökonomische Risiken bezeichnet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Risikomanagement in der Klinik. Eigene Darstellung.
1.1 Gegenstand und Fragestellungen dieser Arbeit
Die vorliegende Arbeit beschreibt die Erstellung eines Konzepts zur Einführung eines Risikomanagementsystems in einer klinisch - geriatrischen Einrichtung in Ulm. Der Autor hat dabei dem Aspekt des Praxisbezugs eine hohe Bedeutung zugemessen. Die Inhalte dieses Konzepts wurden der Unternehmensführung im letzten Quartal 2006 zur Diskussion vorgelegt. Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema haben sich für den Autor folgende Fragestellungen als entscheidend für die Effektivität eines Risikomanagementsystems herausgestellt.
- Welche Strukturen setzt ein Risikomanagement im Krankenhaus voraus?
- Wie kann ein Krankenhaus Risiken systematisch begegnen und wie können Fehler verhindert werden?
- Wie kann dabei die bestehende Qualitätsmanagementstruktur des Krankenhauses genutzt werden?
- Wie können der Unternehmensführung alle relevanten Risiken der Einrichtung aus den Bereichen Ökonomie und Patientenversorgung (Gesamtrisiko) übersichtlich dargestellt werden?
1.2 Aufbau dieser Arbeit
Im nächsten Kapitel werden die Grundlagen von Risikomanagement vorgestellt. Neben der Erklärung von zentralen Begriffen werden dabei die Gründe für die Einführung eines Risikomanagementsystems und die Voraussetzungen für Risikomanagement dargestellt.
Im dritten Kapitel werden klinische und ökonomische Risiken dargestellt und ihre Auswirkungen verdeutlicht.
Im vierten Kapitel werden die Bestandteile des Risikomanagementprozesses am Beispiel des klinischen Risikomanagements dargestellt. Hier geht es um die systematische Identifikation, Bewertung, Bewältigung und Darstellung von Risiken.
Im fünften Kapitel werden die Zusammenhänge von Qualitäts- und Risikomanagement erläutert. Dabei werden die Risikomanagementbestandteile der Qualitätsmanagementsysteme DIN EN ISO 9000 (Deutsches Institut für Normung e.V.) und EFQM® (European Foundation for Quality Management) sowie der Qualitätszertifizierungssysteme KTQ® (Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen) und pCC® (proCum Cert) vorgestellt.
Im sechsten Kapitel wird das Konzept Risikomanagement für die Bethes- da Geriatrische Klinik und seine Einbettung in das bestehende Qualitätsmanagementsystem der Klinik vorgestellt.
Das siebte Kapitel fasst die wesentlichen Ergebnisse der in Kapitel 1 beschriebenen Fragestellungen zusammen. Abschließend werden die Chancen und Grenzen des Risikomanagements aufgezeigt und eine Schlussbetrachtung durchgeführt.
2 Grundlagen des Risikomanagements
Um einen besseren Einstieg in das Themengebiet zu ermöglichen folgt zunächst eine Erläuterung der wichtigsten Begriffe zu den Themenbereichen Risiko und Fehler. Im Anschluss daran werden die wichtigsten Gründe für die Implementierung eines Risikomanagements dargestellt. Für das ökonomische Risikomanagement werden hier handelsrechtliche Gründe angeführt. Für die Risiken im Bereich der Patientenversorgung stehen dagegen eher haftungsrechtliche Gründe im Vordergrund. Für das gesamte Unternehmen stellen schließlich qualitätsorientierte Gründe einen wesentlichen Grund für die Einführung eines Risikomanagements dar, weil sie die Kundenorientierung und vor allem die Sicherung des Vertrauens der Patienten, anderer Kunden wie z.B. einweisender Ärzte und Mitarbeiter ins Blickfeld rückt. Im letzten Teil des Kapitels werden die Voraussetzungen für Risikomanagement dargestellt.
2.1 Zentrale Begriffe Beinaheschäden („near misses“)
Als Beinaheschaden bezeichnet man ein Ergebnis, das sich zu einem unerwünschten Ergebnis oder Schaden hätte entwickeln können und sich von solchen nur durch die ausbleibenden Folgen unterscheidet (vgl. Barach/Small 2000, 759ff).
Fehler
Kohn definiert Fehler als Fehlschlagen geplanter Tätigkeiten, das Erreichen nicht beabsichtigter Ergebnisse oder den Gebrauch eines falschen Weges zur Zielerreichung. Fehler können von drei Umständen abhängen:
- die richtige Methode führt nicht zum gewünschten Ergebnis,
- das gewählte Vorgehen war falsch,
- die vorhandenen Chancen werden nicht genutzt oder die notwendigen Tätigkeiten unterlassen (vgl. Kohn u.a. 2000, 1).
Grober Behandlungsfehler
Der „Grobe Behandlungsfehler wird bei einem Fehlverhalten angenommen, welches nach dem Ausbildungs- und Wissenstand des Handelnden nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint, weil dieser Fehler einem Arzt oder einer Pflegekraft schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. Graf u.a. 2003, 39).
Heilwesenschäden
Der Begriff „Heilwesenschäden" hat sich im Versicherungsbereich für den Sachverhalt der Anspruchstellung von Behandlungsfehlern eingebürgert, da einerseits das Wort Behandlungsfehler die auch Schaden stiftenden Bereiche Dokumentation, Aufklärung und Organisation sprachlich vernachlässigt, andererseits der klassische Begriff „Arzthaftpflichtschaden“ nicht berücksichtigt, dass Schaden häufig „Teamleistung“ ist und in diesem Begriff die anderen beteiligten Berufsgruppen unterrepräsentiert sind.
Risiko
Der Risikobegriff ist nicht einheitlich und wird unterschiedlich verwendet. Der Brockhaus übersetzt Risiko z.B. als ein „...Wagnis“, bzw. „die Möglichkeit, dass eine Handlung oder Aktivität einen körperlichen Schaden oder Verlust zur Folge hat oder mit anderen Nachteilen verbunden ist“ (Brockhaus, 440). DeMarco und Lister definieren Risiko beispielsweise als
- „.ein mögliches künftiges Ereignis, das zu unerwünschten Folgen führt, sowie
- die unerwünschten Folgen selbst“ (DeMarco/Lister 2003, 11).
Weiterhin findet man Definitionen für den Risikobegriff im alltäglichen Sprachgebrauch, den mathematischen Risikobegriff, das soziologische Risikoverständnis, den Risikobegriff in der Entscheidungstheorie, die ökonomische Risikobetrachtung und die systemorientierte Risikoauffassung. In der Literatur gebräuchlich für das Krankenhaus sind vor allem die ökonomische und die systemorientierte Risikobetrachtung.
Risikobetrachtung - Die ökonomische Risikobetrachtung In Zusammenhang mit einer ökonomischen Risikobetrachtung bedeutet Risiko, dass das tatsächliche Ergebnis einer unternehmerischen Tätigkeit vom erwarteten Ergebnis abweichen kann (vgl. Middendorf 2005, 19).
Risikobetrachtung - Die systemorientierte Risikobetrachtung
Risiken entstehen in der Regel selten aus Handlungen einiger weniger Personen, sondern aus dem komplexen Zusammenspiel innerhalb des Systems Krankenhaus. Die fortschreitende Spezialisierung von Fachbereichen erfordert eine abgestimmte, lückenlose Zusammenarbeit und Informationsweitergabe aller Berufsgruppen. Eine enge Kopplung in vielen Teilbereichen bedingt eine geplante, zielsichere und zeitnahe Ausführung von Maßnahmen. Die systemorientierte Risikobetrachtung basiert auf einer ganzheitlichen Betrachtungsweise. Risiko wird dementsprechend als potentielle negative unerwünschte Abweichung von den Systemzielen, bzw. als Summe aller Möglichkeiten, dass sich die Erwartungen eines Systems aufgrund von Störprozessen nicht erfüllen, definiert. Middendorf vertritt die Ansicht, dass durch die Tatsache bedingt, dass Krankenhäuser Systeme sind, sich die systemorientierte und die ökonomische Auffassung einander annähern (vgl. Middendorf, 2005, 20).
Risikomanagement
Risikomanagement ist die Gesamtheit aller organisatorischer Maßnahmen und Regelung zur Risikoerkennung und zum Umgang mit Risiken (vgl. Steinbrucker/Jakobs, 2004, 299).
Die Hauptaufgabe liegt dabei in der Abbildung des Gesamtrisikos. Diese umfasst die einzelnen Risiken und deren Wechselbeziehungen. Der Ursprung des Risikomanagements ist in der Versicherungspolitik größerer amerikanischer Unternehmen („Insurance management“) begründet. Hinter der Einführung stand die Forderung der Versicherer nach unternehmensinternen Sicherheitsmaßnahmen mit dem Versuch, die Versicherungsprämien gezielt zu reduzieren. Diese Entwicklung wurde in den 80er- Jahren auch auf das amerikanische Gesundheitswesen übertragen, da sich zu diesem Zeitpunkt die Krankenhäuser (aber auch andere medizinische Einrichtungen und Institutionen) mit einem sprunghaften Anstieg der Schadensersatzfälle konfrontiert sahen (vgl. Graf u.a. 2003, 39f).
Klinisches Risikomanagement
Unter dem Begriff klinisches Risikomanagement wird die zielgerichtete Planung, Koordination, Ausführung und Kontrolle aller Maßnahmen verstanden, die zur Vermeidung unbeabsichtigter krankenhausinduzierter Patientenschädigungen, bzw. zur Begrenzung ihrer Auswirkungen dienen (vgl. Middendorf 2005, VII).
Unerwünschte Ereignisse („adverse events“)
Auch in der deutschsprachigen Literatur wird das unerwünschte Ereignis häufig als „adverse event“ bezeichnet. Kohn definiert den „adverse event“ als eine infolge einer medizinischen Behandlung entstandene und nicht durch den Zustand des Patienten verursachte Verletzung. Er kann bedingt sein durch:
- Krankheitsimmanente Faktoren (z.B. unbeeinflussbare Progression einer Erkrankung).
- Behandlungsimmanente Nebenwirkungen oder Komplikationen, z.B. Nebenwirkung einer Tumortherapie oder Verletzung eines Gefäßes aufgrund untypischer Lage (vgl. Kohn 2000, 1).
Middendorf ergänzt die Definition von Kohn in dem er ein „adverse event“ als eine Verletzung bezeichnet, die im Rahmen des Behandlungsprozesses aufgetreten und nicht das geplante Ergebnis der angestrebten Therapie ist (vgl. Middendorf 2005, 1).
Vermeidbare unerwünschte Ereignisse („preventable adverse events“) oder Behandlungsfehler
Ein auf einen Fehler zurückzuführendes und somit vermeidbares unerwünschtes Ereignis wird als Behandlungsfehler oder „preventable adverse event‘ bezeichnet. Gründe für einen Behandlungsfehler können sein:
- Organisatorische Unzulänglichkeiten, z.B. Verfahren, Schnittstellen, organisatorische Abläufe, interne Kommunikation oder ähnliches.
- Technische Unzulänglichkeiten von Verfahren, Geräten oder Wirksubstanzen.
- Unzureichende Sorgfalt von Ärzten, Therapeuten, Pflege- oder Hilfspersonal (vgl. Kohn 2000, 1).
Zwischenfall
„Jeder irreguläre Vorfall oder Fehler bei der Leistungserstellung, der zur Verletzung einer Person oder zur Sachbeschädigung führt oder führen könnte“ (Gaussmann/Schmitz 1998, 533ff).
Zwischenfallerfassung („incident reporting“)
Eine Zwischenfallerfassung ist eine freiwillige Meldung und Erfassung von Fehlern oder Beinaheschäden, auch Incident Reporting oder Critical Incident Report System (CIRS) genannt.
2.1 Gründe für die Einführung eines Risikomanagementsystems Handelsrechtliche Gründe
Aktiengesellschaften sind seit dem 1.5.1998 nach dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) verpflichtet, Risikomanagement mit dem Ziel zu betreiben, systematisch Risiken einer ökonomischen Fehlsteuerung zu vermeiden. In diesem Gesetz werden die Unternehmen verpflichtet, ein Risikomanagementsystem mit Frühwarnung, interner Überwachung, interner Revision und geeignetem Controlling-Konzept aufzubauen, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen sofort erkannt werden (vgl. Dörner u.a. 2000, 8ff). Auch wenn dieses Gesetz seinen Schwerpunkt in die Vermeidung vor allem wirtschaftlicher Risiken von Unternehmen setzt und aus diesem Grund Kapitalgesellschaften fokussiert, verwies der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung zum KonTraG darauf, dass die vorgenommenen Neuregelungen eine Wirkung auf alle anderen Rechtsformen haben sollen (vgl. Graf u.a. 2003, 18). So wird durch KonTraG der Führung eines Unternehmens die Aufgabe übertragen, ein Überwachungs- und Frühwarnsystem einzurichten (vgl. Lück 1998, 9).
Haftungsrechtliche Gründe
Aus Schäden im Krankenhaus, welche durch rechtswidrige, schuldhafte Handlungen von Beschäftigten entstehen, können sowohl strafrechtliche Konsequenzen für die Mitarbeiter wie auch zivilrechtliche Konsequenzen für den Träger des Krankenhauses erwachsen.
- Strafrechtliche Haftung
Bei begründetem Tatverdacht einer Straftat, das heißt wenn die spezifischen Tatbestandteilsmerkmale wie Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld oder Vorsatz vorliegen, kann es zu einer Klage von Amts wegen durch die Staatsanwaltschaft vor Gericht kommen (vgl. Pies 1997, 3).
Bei Verurteilung drohen beispielsweise den Ärzten oder Krankenpflegekräften neben Geldbußen der Entzug der Berufserlaubnis oder sogar Freiheitsstrafen.
- Zivilrechtliche Haftung
Die zivilrechtliche Haftung sichert dem Patienten eine Entschädigung in Form von Schadensersatz bei entstandenen Behandlungs- und Pflegefehlern zu und befasst sich mit der Frage, inwieweit gegenüber dem Patienten eine Entschädigung zu leisten ist (vgl. Pies 1997, 2).
Bei erwiesenem ursächlichen Zusammenhang zwischen Schaden und Behandlungsfehler schuldet das Krankenhaus dem Geschädigten Schadensersatz und Schmerzensgeld (vgl. Netzer 1996, 11). Dabei haben sich Haftpflichtschäden in Krankenhäusern in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Auch die Schadenssummen steigen gewaltig. Für einen Schaden in der Geburtshilfe werden heute bis zu zwei Millionen Euro bezahlt. Vor 10 bis 15 Jahren waren es umgerechnet noch etwa 150.000 Euro (vgl. Gaussmann 2005, 6).
Die „Spätschäden“ und „Großschadenrisiken“ (durch Behandlungskosten und Kosten für die Sozialversicherungsträger) haben zu einem Ausstieg zahlreicher Versicherer aus dem Heilwesensegment geführt. Die verbliebenen Versicherer fordern zunehmend ein systematisches Risikomanagement der klinischen Einrichtungen, damit die Folgen von Schäden kalkulierbar bleiben (vgl. Busch 2003, 51).
Klocke von der Ecclesia Versicherungsgruppe merkt dazu an: „Krankenhäuser sind besser versicherbar, wenn sie Maßnahmen des klinischen Risikomanagements nachweisen können“ (Klocke 2003, 487). In einigen Fällen ist die Gewährung von Versicherungsschutz an die Durchführung eines Risikomanagements geknüpft (vgl. Gaußmann 2003, 58).
Um Haftpflichtschäden beweisen zu können, hat die AOK im Jahr 2001 ihr Institut für Medizinschaden in Schleswig-Holstein gegründet. Ziel ist dabei, Behandlungsfehler aufzudecken, um der Verbesserung der Qualität im Gesundheitswesen zu dienen. Im Ärzteblatt Schleswig-Holsteins ist weiterhin zu lesen: „Die AOK hat natürlich auch ein eigenes Interesse, Behandlungsfehler aufzudecken, da auch sie gegebenenfalls monetäre Forderungen stellen kann" (Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 2001, 24).
Juristisch ist dies im § 116 Sozialgesetzbuch X begründet. Danach gehen bei drittverursachten Gesundheitsschäden die Ansprüche der geschädigten Versicherten gegenüber den Verursachern auf die Krankenkassen über, soweit aufgrund des Schadensereignisses von ihnen Leistungen zu erbringen sind.
Qualitätsorientierte Gründe
Ein wesentliches Ziel von Qualitätsmanagement im Krankenhaus ist die Erhöhung der Kundenzufriedenheit durch kontinuierliche Verbesserung der Qualität. Im Risikomanagement liegt der Focus in der Verhinderung von Ereignissen, die die Kundenzufriedenheit beeinträchtigen können. Beide Managementansätze haben unterschiedliche Ansätze. Sie verfolgen aber dennoch das gleiche Ziel: Die Verbesserung der Patientensicherheit und damit auch der Kundenzufriedenheit. Risiko wird auch als „die Kehrseite von Qualität“ bezeichnet, als das, was der Patient nicht haben möchte. Dennoch gibt es in Deutschland wenige Krankenhäuser, die sich bisher systematisch mit klinischem Risikomanagement beschäftigt haben. Ulsen- heimer hat in seiner Krankenhausbefragung aus dem Jahre 2003 festgestellt, dass sich nur ca. 20% der untersuchten Krankenhäuser mit dem Thema Risikomanagement auseinandergesetzt hatten, bzw. dies beabsichtigten zu tun (vgl. Ulsenheimer 2003, 475).
Eine stichprobenartige Analyse von Eiff und Middendorf von 30 Organigrammen deutscher Krankenhäuser ergab, dass in keinem deutschen Krankenhaus Risikomanagement im Organigramm der jeweiligen Einrichtung eingerichtet war (vgl. v. Eiff/Middendorf 2004, 537).
Auch bei den Bundesbürgern ist das Vertrauen in die Institution Krankenhaus nicht uneingeschränkt gegeben. Eine Befragung der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2002 zeigte folgende Studienergebnisse:
- Jeder 5. Bundesbürger glaubt, schon einmal Opfer eines Behandlungsfehlers geworden zu sein.
- Über die Hälfte der Befragten gab an, diese Vermutung niemandem gemeldet zu haben,
- da die Folgen nicht so schlimm waren (21%),
- da man als Patient ohnehin keine Chance hat (13%),
- da man nicht wusste, an wen man sich wenden sollte (12%)
(vgl. Techniker Krankenkasse 2002).
2.1 Voraussetzung für Risikomanagement
In allen Veröffentlichungen zum Thema Risikomanagement wird darauf hingewiesen, dass Risikomanagement Rahmenbedingungen voraussetzt, die von der Unternehmensführung sichergestellt werden müssen, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Diese Einschätzungen decken sich auch mit den Erfahrungen des Autors bei der Einführung des Qualitätsmanagementsystems in der Bethesda Geriatrische Klinik Ulm. In diesem Zusammenhang muss auch die organisatorische Einbindung des Risikomanagements geklärt werden. Clements unterstützt diese Aussage mit seiner Forderung:
„Risk management must have a high profile in the perspective of the management board. There must be commitment to the concept of clinical risk management at board level backed up by written strategy. There must be an executive director of the board charged with personal responsibility for risk management“ (Clements 1995, 335).
Im Rahmen einer umfassenden Unternehmenspolitik müssen von der Unternehmensführung eindeutige Aussagen zum Umgang mit Risiken und Fehlern gemacht werden.
Mehrere Autoren, darunter Middendorf, empfehlen den Unternehmensführungen, eine Stellungnahme zu Risikoverständnis, Risikopolitik, Risikostrategie und Fehlerkultur der Einrichtung zu machen (vgl. Middendorf 2005, 140).
Risikoverständnis:
Aussagen zum Risikoverständnis sollen die Sichtweise von Risiko und Sicherheit der Einrichtung festlegen.
- Wie wird der Bereich Risikomanagement abgesteckt?
- Wo werden die Hauptrisiken der Klinik gesehen?
In der nachfolgenden Übersicht sind Beispiele für Schwerpunktsetzungen im Bereich Risikomanagement aufgeführt.
- Verhinderung einer Bedrohung der Unternehmensexistenz.
- Verhinderung einer Bedrohung der Gesundheit und Sicherung des Wohlbefindens der Patienten.
- Schutz wichtiger materieller Ressourcen.
- Einhaltung gesetzlicher Vorgaben.
- Verhinderung haftungsrechtlich relevanter Zwischenfälle.
- Verpflichtung zu Spitzenklasse im Bereich Fehlervermeidung und Risikomanagement (vgl. Seghezzi 2003, 162 f).
Risikopolitik
Aussagen zur Risikopolitik sollen festlegen, ob es dem Unternehmen vordergründig um Maßnahmen zur kurzfristigen Abwehr von akuten Störungen geht oder eine langfristige Absicherung von Gefährdungen erfolgen soll. Weiterhin sollen generelle Regelungen von Aufgaben und Verantwortungen der Risikohandhabung bestimmt werden (vgl. Bleicher 1994, 260).
Risikostrategie
Die Risikostrategie stellt die Konkretisierung der Vorgaben der Risikopolitik dar. Hier sollen konkrete Zielfelder und strategische Erfolgspotentiale definiert werden.
In der folgenden Übersicht sind Beispiele für konkrete Zielfelder und strategische Erfolgspotentiale aufgeführt.
Beispiele für konkrete Zielfelder
- Senkung der Gesamtmortalität im Haus pro Jahr in Prozent.
- Reduktion der Zahl entstandener Dekubiti im Haus pro Jahr in Prozent.
- Reduktion von nosokomialen Infektionen pro Jahr in Prozent.
- Reduktion von Gurtfixierungen pro Jahr in Prozent.
- Reduktion von Stichverletzungen pro Jahr in Prozent.
- Steigerung von sturzgefährdeten Patienten, die Hüftprotektoren tragen, pro Jahr in Prozent.
Beispiele für strategische Erfolgspotentiale
- Besondere Qualifikation der Mitarbeiter.
- Aufbau technischer Ressourcen oder Managementsysteme.
- Aufbau eines klinikweiten Zwischenfallerfassungssystems.
Fehlerkultur
Die Unternehmenskultur beinhaltet implizite Verhaltensnormen, die mitentscheidend sind, wie Mitarbeiter unter bestimmten Umständen denken und handeln. Dies betrifft auch das Sicherheits- und Risikoverhalten der einzelnen Mitarbeiter. Dem Unternehmen und den Mitarbeitern muss bewusst sein, dass ihre Handlungen risikobehaftet sind und es vorkommen kann, dass Fehler auftreten können. Sie müssen sich aktiv mit ihren eigenen Leistungen und den eigenen Fehlern auseinandersetzen.
Damit positive Effekte erzielt werden können, wird vorausgesetzt, dass innerhalb eines Krankenhauses eine Kultur vorherrscht, die es erlaubt, über Fehler oder Beinahefehler offen, vertrauenswürdig und ohne gegenseitige Schuldzuweisungen möglichst sachlich und objektiv zu diskutieren (vgl. Middendorf 2005, 143ff).
Theoretische Systemanalysen teilen Unternehmen in zwei Gruppen auf: Unternehmen mit einer eher destruktiven, auf Sanktionen basierenden Fehlerkultur und Unternehmen mit einem konstruktiven Umgang mit Fehlern und einer Bearbeitung eingetretener Fehler innerhalb von Lernprozessen. Die konstruktive Fehlerkultur hat neben positiven wirtschaftlichen Konsequenzen und der „lernenden Struktur" auch eine ganz bedeutende Auswirkung auf die Gesunderhaltung aller Mitarbeiter des Unternehmens. Insgesamt stellt die Etablierung einer neuen Fehlerkultur bei der Implementierung einer Risikopolitik eine zentrale Herausforderung dar.
3 Darstellung des klinischen und ökonomischen Risikomanagements
Das Risikobewusstsein, bzw. das Risikoempfinden im Krankenhaus ist häufig abhängig vom jeweiligen Berufsbild. Während Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten mögliche Risiken primär auf den Patienten (klinische Risiken) beziehen, sehen Mitarbeiter der kaufmännischen Geschäftsführung und Verwaltungsleitung die Priorität des Risikomanagements eher im Bereich der wirtschaftlichen Unternehmensführung (ökonomische Risiken).
In diesem Kapitel werden die beiden Teilbereiche klinisches und ökonomisches Risikomanagement und ihre Hintergründe dargestellt.
3.1 Klinisches Risikomanagement - Risiken aus dem Patientenversorgungsprozess
Im Bereich der Patientenversorgung ist das Thema Risikomanagement spätestens seit dem im Jahr 2000 veröffentlichten Bericht „to err is human“ des Instituts of Medicine (IOM) in das Bewusstsein von Verantwortlichen und Interessierten gedrungen. Dieser Bericht bezieht sich auf zwei große Studien in New York (1984) und den Staaten Colorado und Utah (1992). Die Auswertung von 30.000 (New York) und 15.000 (Colorado/Utah) stationären Fällen ergab, dass in den USA zwischen 2,9 und 3,7% aller in Krankenhäusern aufgenommenen Patienten einen „adverse event“ erleiden. 6,6 bzw. 13,6% dieser Komplikationen verliefen dabei tödlich (vgl. Kohn 2000, 1). In beiden Studien konnten in über 50% der Fälle medizinische Behandlungsfehler und in 25% der Fälle Nachlässigkeiten, bzw. Unterlassungen als Ursache definiert werden (vgl. Kohn 2000, 30). Rechnet man diese Zahlen auf die 33,6 Millionen Behandlungen in den USA im Jahr 1997 hoch, wie dies in dem Bericht getan wurde, so kann man davon ausgehen, dass...
- ...mindestens 44.000 behandelte amerikanische Bürger als Folge eines vermeidbaren medizinischen Irrtums versterben,
- .jährlich 2% der stationären Patienten vermutlich an den Folgen einer iatrogen verursachten Krankheit zu Tode kommen,
- .36% der vollstationär behandelten Patienten unter einer iatrogen verursachten Krankheit litten (vgl. Kohn 2000, 26ff).
Damit rangieren medizinische Behandlungsfehler, auch bei vorsichtiger Hochrechnung, auf Platz 8 der wichtigsten Todesursachen in den USA, noch vor Autounfällen (43.458), Brustkrebs (42.297) oder AIDS (16.516) (vgl. Kohn 2000, 1). Middendorf hat 2005 die Ergebnisse von 5 großen
Studien in den USA zum Auftreten von „adverse events“ gegenübergestellt (vgl. Middendorf 2005, 81).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Ergebnisse verschiedener Studien zum Auftreten von Adverse Events (Middendorf 2005, 81).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Hochrechnung der Anzahl von „adverse events“ für deutsche Krankenhäuser (vgl. Middendorf 2005, 83).
Diese Zahlen sind erschreckend hoch. Dabei sind „adverse events“ nicht unvorhersehbar. Das im Zusammenhang mit Risikomanagement häufig genannte „Heinrichs Gesetz“ besagt, dass katastrophale Ereignisse nicht zufällig oder schicksalsbedingt entstehen. Dem Unglück sind etliche als unbedeutend deklarierte Arbeitsfehler, Unsorgfältigkeiten und unzureichend organisierte Arbeitsabläufe vorangestellt. Heinrich, Peterson und Rose haben 1980 die Zusammenhänge von Zwischenfällen und Schädigungen unterschiedlicher Ausprägung erforscht. In dem von ihnen postulierten „Heinrichs Gesetz“ werden diese Zusammenhänge dargestellt (vgl. Heinrich u.a. 1980, 60f). Ausgegangen wird von 3846 Patienten, von denen 300 Opfer kleiner Nachlässigkeiten werden. Bei 29 Patienten wiederum kann eine Schädigung gerade noch abgewandt werden. Bei einem von 3846 Patienten kommt es jedoch zum Schadensereignis. „Heinrichs Gesetz“ rät, durch verstärkte Fehlererkennung bereits am „stumpfen Ende“ des Risikoeisbergs die Unglücksfälle „am spitzen Ende“ zu verhindern (vgl. v. Eiff 2003, 478ff).
[...]
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