Die Hausarbeit beschäftigt sich mit der Feenproblematik im Zusammenhang mit Übergangs- und Initiationsriten (rites de passage) und vergleicht Konrads von Würzburg späthöfischen Roman ?Partonopier und Meliur? mit keltischen Paralleltexten. Dabei wird ein bestimmter Mythostyp, der Chartermythos, untersucht, und es wird der Frage nachgegangen, ob in Bezug auf diese Mythosform matriarchalische Strukturen vorliegen.
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passage und Burkerts Mädchentragödie 11 liefern.
Die Reste dessen, was in dieser Arbeit als ”sexuell-integrative Initiation” bezeichnet wird 12 , bilden dabei die Hauptkonstituente dessen, was das liminale Stadium des rite de passage konstituiert.
Es wird hier nicht der Anspruch erhoben, eine gleichermaßen umfassende Untersuchung aller Entwicklungsstadien zu leisten, da dies im Rahmen einer Hausarbeit nicht möglich ist. Dafür soll ein Überblick über die graduelle Veränderung des Typs von Initiation, der am Anfang des Werkes aufgezeigt wird, geliefert werden.
2. Verbindungen zu keltischen (u. a.) Mythen und Sagen
2.1. Erzählmotive und Erzählstruktur
Carlo Ginzburg ist in seiner Untersuchung von Mythen, Erzählungen und Riten 13 zu dem Ergebnis gekommen, dass unabhängig von dem jeweiligen Gebiet, dem sie entstammen, gewisse Motive in Kombination mit bestimmten Signifikaten häufig wiederkehren. Das Motiv des Hinkenden beispielsweise wird in der Mehrzahl der Fälle mit einer Rückkehr aus dem Totenreich assoziiert. Knochen, Häute und der Umgang mit ihnen haben in den verschiedensten Kulturen oft analoge Bedeutung. 14 Auch für mythologische Erzählschemata ist in diesem Zusammenhang ein ”interkultureller” Vergleich sinnvoll und wurde bereits geleistet. Das Erzählschema übernatürliche Partnerin bzw. der Gestörten Mahrtenehe 15 beispielsweise weist (mit Variationen) folgende fünf Stufen auf:
Ein Mann verbindet sich mit einem weiblichen Wesen, das entweder verzaubert ist oder übernatürliche Fähigkeiten besitzt (1). Diese Beziehung ist solange glücklich, solange der Mann ein oder mehrere ihm auferlegte Gebote beachtet (2). Sein willentlicher Verstoß gegen eines dieser Gebote führt zum Bruch der Verbindung, und seine Partnerin verlässt ihn (3). Auf den Tabubruch folgt die mühevolle Suche (4) und schließlich die Wiedererlangung der verloren geglaubten Partnerin (5). 16
Diese Stufenfolge erkennt Wawer nicht nur im Partonopier und Meliur und im Friedrich von
11 Vgl. v. Gennep, Frankfurt a. M./New York 1999 und Wawer, 2000, 40 ff.
12 D.h., eine sexuelle Initiation, der eine repräsentative, gesellschaftliche Funktion zugesprochen wird, und bei welcher repräsentative und individuell-gefühlvolle Funktionen und Konzeptionen sich nicht gegenseitig ausschließen. Der Begriff wird ab S. 19 ff. näher erläutert.
13 Vgl. Ginzburg, 1990, 225. Seine Forschung erstreckt sich auf die verschiedensten Regionen von Amerika über China bis nach Kontinentaleuropa.
14 Vgl. ebd.
15 Vgl. Wawer, 2000, 6 f. Eine Schwierigkeit besteht in der grundsätzlichen Verschiedenheit des späthöfischen Versromans gegenüber der Art von Stoff, den Feenerzählungen, Sagen und Mythen liefern. (Vgl. über das Sakrale Königtum von Tara” Botheroyd, 1992, 321 f. und Kapitel 2.3. dieser Arbeit). Anne Wawer schafft das Instrumentarium für eine genreübergreifende Untersuchung, indem sie auf Panzers Definition des Erzähltyps der ”Gestörten Mahrtenehe” (vgl. Panzer, 1902.) verzichtet; diese erweist sich als unzureichend, da er sich nur auf die von ihm untersuchten Märchen und Feenerzählungen stützt; stattdessen führt sie die Bezeichnung ”Erzähltyp übernatürliche Partnerin” ein, welcher durch größere Neutralität gekennzeichnet ist. In dieser Arbeit soll aufgrund derselben Problematik letztere Begrifflichkeit übernommen werden.
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Schwaben, sondern u. a. auch im indischen Rigveda, in den griechischen Mythen von Anchises und Aphrodite und von Peleus und Thetis 17 . Ein grundsätzlich identisches Schema bildet auch die Grundlage für den Lai Lanval von Marie de France 18 , für den Iwein Hartmanns von Aue, für den Gauriel von Muntabel von Konrad von Stoffeln, sowie auch für Tristan und Isolde von Gottfried von Strassburg etc. 19
Zwischen dem Roman Partonopier und Meliur und der Mythen- bzw. Sagenwelt irokeltischen Ursprungs lassen sich sowohl erzählstrukturelle wie motivische Parallelen konstatieren. 20 Bei den folgenden Interpretationen soll vor allem die Umdeutung der Motivgruppe des Sakralen Königtums 21 im Zentrum stehen. Zunächst erfolgt eine Untersuchung solcher Parallelen und Zusammenhänge, die sich aus der irokeltischen Mythologie und partiell auch aus der überwiegend christlichen Überlieferung der Sagenstoffe erklären lassen. Der zweite Teil der Arbeit geht vorwiegend auf das mythische Erzählschema des rite de passage ein.
2.1.1. Motivische Parallelen zwischen dem Roman Partonopier und Meliur und der irokeltischen Sagenwelt
Anne Wawer sieht vor allem eine Verbindung des Romans Partonopier und Meliur zu den irokeltischen Sagen Echtra Airt, Echtra Conle und Immram Brain. 22 Im Echtra Airt etwa versucht eine schöne Fee, Conle in die Anderswelt zu locken. Dabei bildet eine Eberjagd genauso wie im
16 Vgl. Ralf Simon, 1990, 37 ff.
17 Vgl. Wawer, 2000, 13-16.
18 Wie auch für andere Lais, z.B. Guingamor
19 Vgl. Simon, 1990, 36 f.
20 (Vgl. Wawer, 2000) Eine Verbindung zeigt sich auch anhand der Geschichte der Lais, welche ebenfalls Stoffe aus der inselkeltischen Feenwelt transportieren und für den höfischen Geschmack der Zeit umdeuten. Die keltischen Barden, die Erfinder dieser Gattung, brachten sie auch an französische Höfe; daraus entwickelte sich ein spezifisch höfischer Stil französischen Zuschnitts (die Lai narratifs). (Vgl. Sändig, 1973, 50) . Trotz Veränderung in Richtung des Geschmacks am französischen Hof werden Motive aus der keltischen Mythen- und Sagenwelt noch deutlich. Marie de France war eine der beliebtesten Laidichterinnen. (Vgl. ebd., 52).
Zur Klärung des Begriffs ”Mythos” sei zunächst vorweggeschickt, dass dieser laut Definition von Geoffrey Stephen Kirk als ”herausgehobener Typus der traditionellen Erzählung” begriffen wird. (Vgl. Wawer, 2000, 37) Als Kennzeichen nennt Wawer hierbei noch folgendes: ”Mythen vermitteln Wissen über die Welt, ihren Ursprung, ihre Verfasstheit, über die sie beherrschenden Mächte. Mythen deuten rituelle Handlungen”.....”begründen Bräuche und gesellschaftliche Institutionen.” (ebd.) Ergänzend sei vorweggeschickt, dass sie auch seelische Vorgänge aufzeigen können. (vgl. etwa die tiefenpsychologischen Deutungen von ”Amor und Psyche”, z.B. Neumann, 2000), sowie allgemein den Umgang einer bestimmten Epoche mit ihren spezifischen Phänomenen und Problemen. Es ist jedoch nicht immer ganz einfach, eine Trennlinie zwischen dem Begriff des ”Mythos” und dem der ”Sage” zu ziehen. So konstatiert Wawer, dass die keltischen Stoffe wohl eher in den Bereich der Sagen als dem der Mythen zuzuordnen seien- zum einen wegen der fehlenden Authentizität (die schriftliche Überlieferung erfolgte ausschließlich aus christlicher Feder), zum anderen, ”da in den keltischen Erzählzyklen eine höfisch organisierte Kriegerwelt entworfen wird” (Wawer, 2000, 26), sowie wegen ihrer häufigen Anbindung an historische Ereignisse. (Vgl. a. ebd.) Jedoch operiert Wawer im Verlauf ihrer Arbeit immer wieder in diesem Zusammenhang auch mit dem Begriff ”Mythos”, was wegen der Valenz der anderen, o. g. Definitionen für diesen Begriff im Hinblick auf seine Anwendung auf die Mythen/Sagen irokeltischen Typs wahrscheinlich gerechtfertigt ist.
21 Wie auch anderer mythologischer Motive . Zum Sakralen Königtum, vgl. Wawer, 2000, 162- 168.
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2.2.1. Christliche Überlieferung und die Deutung des Feenreichs im Roman Partonopier und Meliur
Anne Wawer betont, dass die schriftliche Fixierung der irischen Sagen spät (ab dem 8. bis zum 11. und 12., vor allem aber im 15. und 16. Jahrhundert) und dann ausschließlich unter christlicher Regie erfolgte. 43 Aus diesem Grunde ist die Bestimmung eines ”genuin keltischen” Anteils der Sagenwelt unmöglich. Der unbekümmerte, freie Umgang mit Sexualität, der sich in vielen keltischen Erzählungen wiederfindet, wurde von den christlichen Schreibern häufig positiv konnotiert: im Zusammenhang mit den Sagen und Mythen galt er- allerdings nicht von Seiten der Amtskirche- als vorparadiesisches Attribut und daher als nicht mit der Erbsünde belastet. 44 Eine derartige Auffassung stimmt mit der relativen Freizügigkeit des ersten Teils des Partonopier und Meliur überein. 45
Faktisch erscheint die Anderswelt dort nur durch äußere Sichtmerkmale in ihrer Konnotation als Feenreich; für den Haupthelden ist sie zunächst nur Teufelsspuk 46 ; später jedoch kommt ihre Codierung als irdisches Paradies zum Tragen. 47 Diese vollständige Verkehrung der Signifikate ist mit der Identifizierung des Feenreiches mit dem christlichem Paradies einerseits erklärbar, andererseits mit der dogmenchristlichem Position, nach welcher die Feen und Andersweltbewohner sich nur schwer von dem Verdacht befreien konnten, mit dem Teufel im Bunde zu stehen. 48 Der Versuch, ”das heidnische Konzept einer Anderswelt christlichen Glaubensvorstellungen anverwandt zu 49 , hatte auch Auswirkungen auf geschlechtsspezifische Aspekte - nicht von ungefähr wurde machen”
die Anderswelt häufig auch als das ”Land der Frauen” 50 bezeichnet, und dementsprechend erschien deren stärkere Position dort zunächst einleuchtend.
42 Vgl. ebd.
43 Vgl. Wawer, 2000, 25
44 Vgl. die Untersuchung von Stephan Maksymiuk über die Position der Kirche gegenüber magischen Praktiken. In seinen mentalitätsgeschichtlichen Studien über das Hofmagiertum zeigt er u. a., dass innerhalb der Laienfrömmigkeit diesbezüglich meist eine sehr offene Position bestand; und auch unter den Klerikern fanden sich öfters Personen, die mit magischen Gesetzen vertraut waren. Im ganzen sieht er den Einfluss des Christentums nicht als homogene Kraft an: ”The influence of Christianity on medieval culture is not as straight-forward as long thought. It is important to realize that Christianity was not a single monolithic force, but a doctrine interpreted in different ways and to diverse ends by various groups within medieval society.” Maksymiuk, 1996, 39.
45 Diese zeigt sich beispielsweise in K. von W., 1970, Vers 1565 ff.- 1577 oder 1704- 1715; vgl. hierzu auch Wawer, 2000, 48ff.
46 Vgl. K.v.W., 1970, V. 1170 ff.
47 Vgl. z.B. die Beschreibung der Gärten als Paradiesgärten. Vgl. Konrad von Würzburg, 1970, V. 2330 ff.
48 Das sagenumwobene Zaubervolk der Tuatha de Danaan beispielsweise war das auserwählte Volk der Großen Göttin Danu der Kelten, das zusammen mit den Feen die Anderswelt besiedelte; unter christlicher Bewertung wird von ihm behauptet, dass man nicht wisse, ob es sich bei den Tuatha um Dämonen oder Menschen handle.(Vgl. Botheroyd, 1992, 335, vgl. a. Wawer, 2000, 50) 49 Botheroyd, 1992, 335
50 Wolfzettel, 1994, Sp. 947
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”Zu dem in der irischen Sagenliteratur konventionalisierten Bild der Anderswelt gehört auch das selbstbewusste Auftreten der Andersweltfrau, die ja als Repräsentantin des Reiches Christi gedacht wird, sowie ihre erotische Freizügigkeit, die ein Resultat des synkretistischen Adaptionsprozesses von christlichen und keltischen Vorstellungen ist. In den späten lateinischen und volkssprachlichen Gestaltungen des Erzähltyps ‘übernatürliche Partnerin’ werden diese Eigenschaften zum Stereotypen.” 51
Dabei tritt auch bereits manchmal, wie etwa im ”Parzival”, die Prophezeiung des gerechten Richters an die Stelle der Erwählung des Herrschers durch eine Göttin; daraus entwickelt sich auch das Konzept des Adamischen Herrschers, der aufgrund des mittelalterlichen Begriffs des Königtums als imago christi 52 als Wiedergeburt Christi angesehen wurde. 53 Auch auf die Möglichkeit solcher christlicher Umdeutung ”paganer” Vorstellungen ist es zurückzuführen, dass nicht-christliche Konzepte nicht in jedem Falle von vorneherein verteufelt wurden. Zunächst noch scheinbar ambivalent- unentschlossene Ansätze zur Dämonisierung spiegeln sich auch im ersten Teil des Partonopier und Meliur, wo ein Konzept, nach welchem die Meliurfigur als ehemalige Fee positiv konnotiert ist, 54 mit einem anderen, das sie verteufelt, (verkörpert vor allem durch die Sicht der Lucrete, des Bischofs etc.) 55 konkurriert. Da die dämonisierende Sichtweise die Liebesgeschichte der Haupthandlung gefährdet, kommt ihr im Textzusammenhang eine antagonistische Funktion zu, so dass die positive Wahrnehmung des Feenreiches wahrscheinlich diejenige ist, die favorisiert wird. 56 Jedoch gestaltet sich die Auseinandersetzung mit solchen Aspekten im Partonopier und Meliur recht konfliktreich; was im nächsten Kapitel noch genauer untersucht werden soll.
2.2.2. Die Umwertung keltischer Motive im Partonopier und Meliur am Beispiel der Meliurfigur und des Feenreiches
Bei einer Interpretation verschiedener Motive im Partonopier und Meliur muss in jedem Falle berücksichtigt werden, dass die Feenerzählung nicht die einzige Einflussquelle auf den Roman darstellt. Wie anfangs bereits erwähnt, weist er auch Elemente des Liebes- und Abenteuerromans sowie der Chansons de Geste auf. Parallel zu dieser gattungsmäßigen Hybridität des Werkes zeigt sich eine starke Labilität und Unsicherheit innerhalb der Decodierung von Elementen, die auf bestimmte literarische und religiöse Diskurse verweisen dies macht sich besonders bei der Konzeption der Meliurfigur und ihres Reiches bemerkbar: diese ist mehrfachcodiert und heterogen
51 Wawer, 2000, 51
52 Groos, 1991, 385
- Arbeit zitieren
- Magistra Artium Eva Köppl (Autor:in), 2002, Chartermythos und rite de passage - Überlegungen zu Konrads von Würzburg 'Partonopier und Meliur', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186270
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