Ziel dieser Arbeit kann es nicht sein, eine allgemein gültige Definition dessen, was Intermedia ist, abzuliefern. Die Überlegungen sind so vielfältig und unterschiedlich, dass eine abschließende Definition unmöglich ist. Gerade in jüngerer Zeit wird der Begriff Intermedialität nahezu inflationär gebraucht. Vielmehr soll versucht werden, einen Überblick über die aktuelle wissenschaftliche Diskussion zu geben und einen ‚Zwischenstand’ der begrifflichen Eingrenzungen zu vermitteln. Erschwert wird dies auch dadurch, dass in den unterschiedlichen Ansätzen von unterschiedlichen ‚Medienbegriffen’ ausgegangen wird. Die theoretischen Überlegungen werden zum großen Teil im Bereich der Medienwissenschaft und der Literaturwissenschaft geführt, in der Kunstgeschichte und in der Theaterwissenschaft werden die genannten Begriffe eher allgemeiner verwendet. Bei der Betrachtung der intermedialen Aktionsformen geht es mir nicht darum, die einzelnen Kunstformen zu untersuchen, sondern den Entwicklungsweg und die Herkunft dieser künstlerischen Ausdrucksformen im 20. Jahrhundert zu skizzieren. Im abschließenden Kapitel soll ein Ausblick auf eine neue Kunstform, die Biokunst oder Transgene/Genetische Kunst gegeben werden, in der die Verschmelzung von naturwissenschaftlichen Praktiken und künstlerischem Schaffen (also zwischen dem Medium Wissenschaft und dem Medium Kunst) unabdingbar ist
Inhalt
O Einleitung
1 Intermedia / Intermedium / Intermedialität: Zur Begriffsgeschichte und medientheoretischen und poetologischen Begriffsbestimmung
2 Formen von Intermedialität
2.1 Synthetische (oder fusionelle) Intermedialität
2.2 Formale (oder Trans-mediale) Intermedialität 7
2.3 Transformatorische (repräsentierende) Intermedialität 8
2.4 Ontologische Intermedialität
3 Intermediale Aktionsformen
4 Die Verbindung von Wissenschaft und Kunst im 21. Jahrhundert: ein Ausblick
5 Bibliographie
0 Einleitung
Ziel dieser Arbeit kann es nicht sein, eine allgemein gültige Definition dessen, was Intermedia ist, abzuliefern. Die Überlegungen sind so vielfältig und unterschiedlich, dass eine abschließende Definition unmöglich ist. Gerade in jüngerer Zeit wird der Begriff Intermedialität nahezu inflationär gebraucht.[1] Vielmehr soll versucht werden, einen Überblick über die aktuelle wissenschaftliche Diskussion zu geben und einen ‚Zwischenstand’ der begrifflichen Eingrenzungen zu vermitteln. Erschwert wird dies auch dadurch, dass in den unterschiedlichen Ansätzen von unterschiedlichen ‚Medienbegriffen’ ausgegangen wird. Die theoretischen Überlegungen werden zum großen Teil im Bereich der Medienwissenschaft und der Literaturwissenschaft geführt[2], in der Kunstgeschichte und in der Theaterwissenschaft werden die genannten Begriffe, meines Wissens nach, eher allgemeiner verwendet.[3]
Bei der Betrachtung der intermedialen Aktionsformen geht es mir nicht darum, die einzelnen Kunstformen zu untersuchen, sondern den Entwicklungsweg und die Herkunft dieser künstlerischen Ausdrucksformen im 20. Jahrhundert zu skizzieren.
Im abschließenden Kapitel soll ein Ausblick auf eine neue Kunstform, die Biokunst oder Transgene/Genetische Kunst gegeben werden, in der die Verschmelzung von naturwissenschaftlichen Praktiken und künstlerischem Schaffen (also zwischen dem Medium Wissenschaft und dem Medium Kunst) unabdingbar ist.[4]
1 Intermedia / Intermedium / Intermedialität: Zur Begriffsgeschichte und medientheoretischen und poetologischen Begriffsbestimmung
Der Begriff „intermedium“ taucht erstmals 1812 bei Coleridge auf.[5] Intermedium beschreibt in diesem Fall spezifische Eigenschaften und Funktionen der Allegorie: „Narrative allegory is distinguished from mythology as reality from symbol; it is, in short, the proper intermedium between person and personification. Where it is too strongly individualized, it ceases to be allegory [...].“[6] Diese Deutung von intermedium kann als terminologischer Ursprung des heutigen Begriffs gelten, nicht aber als Ursprung der heutigen Verständnisses von Intermedia. Coleridge beschreibt ein literarisches Verfahren, das ein literarisches Zwischenspiel zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen ermöglicht.
Im medientheoretischen Kontext legt der Begriff ‚Intermedialität’ ein Abrücken von tradierten isolierten Medienarten nahe. ‚Medientexte’ bewegen sich in wechselnden medialen Relationen und ändern ihre Funktion durch die historischen Veränderungen dieser Relationen.[7] Intermedien entstehen also dann, wenn das „multi-mediale Nebeneinander medialer Zitate und Elemente in ein konzeptionelles Miteinander überführt [wird], dessen (ästhetische) Brechungen und Verwerfungen neue Dimensionen des Erlebens und Erfahrens eröffnen.“[8]
Diese, medientheoretische, Eingrenzung’ des Begriffs Intermedialität greift auf die Ansätze von Bachtin und Kristeva und damit auf das Konzept von Intertextualität zurück. Im ‚Dialogprinzip’ geht Bachtin davon aus, dass Worte schon mit Deutungen besetzt sind, die frühere Sprecher ihnen gegeben haben. Kristeva Überlegungen zum Intertextualität-Konzept gehen davon aus, dass sich im Raum eines Textes mehrere Aussagen überlagern, die aus anderen Texten stammen und interferieren. Intertextualität ist eine Zentralkategorie einer umfassenden Textwissenschaft, nach der jeder Text ein Mosaik von Texten ist.[9] Mittels Intertextualität lassen sich generelle Eigenschaften von Texten feststellen, die über die vom Autor beabsichtigten Beziehungen und Anspielungen auf andere Texte hinausgehen.
Durch Sprengung des Textbegriffs, etwa durch Formen wie Collage, wurde deutlich, das ein Konzept von Intertextualität nicht mehr ausreichend ist. Schon die Wort- und Bildkunst der russischen Moderne hat deutlich gemacht, das einem ‚herkömmlichen’ Textbegriff zu enge Grenzen gesetzt sind.
Erste Verweise auf die Relevanz intermedialer Prozesse lassen sich bereits in antiken Poetiken finden. In der Auffassung von Simonides von Keos, dass Malerei stumme Poesie sei und Poesie stumme Malerei findet sich ein erstes Zeugnis von intermedialer Auffassung. Der Versuch eines Vergleichs zwischen den Künsten lässt sich in der Literatur- und Kunstgeschichte vielfach feststellen. So legt da Vinci das Primat der bildenden Kunst fest, indem er das Sehen höher stellt als das Hören. Giordano Bruno stellt 1591 fest, dass Musik, Malerei, Poesie und Philosophie untrennbar miteinander verbunden sind.[10] Demzufolge generiert ein Maler Bilder auf der Basis von Ansichten und Klängen, indem er diese miteinander kombiniert, ein Verfahren, das so auch auf die zeitgenössische Videokunst angewandt werden kann.
Bruno kann als Ausnahme gelten, da die bildenden Künste nahezu ausnahmslos über die Poesie gestellt werden.[11] Besonders Horaz Diktat „ut pictura poesis“ wirkte bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts nach. Erst mit Lessings „Laokoon“ wurde dies aufgelöst. Indem Lessing die unterschiedlichen Wirkungsmechanismen von Malerei, Plastik und Dichtkunst bestimmt, konnte die Wirkung von Kunstwerken auf spezifische mediale Strukturen zurückgeführt werden. Hier findet sich der Ausgangspunkt der romantischen Ästhetik. Eine konzeptionelle Fusion verschiedener Medien wird in der Romantik als ästhetisches Wirkpotential eingesetzt. Poesie kann sich in der Musik und in der Malerei realisieren. Durch die Überschreitung medialer Grenzen erreicht das romantische Kunstwerk seine größtmögliche Wirkung. So entstand u.a. das Poetic Drama, welches „imaginäre poetische und dramatische Welten [konstituiert], die ihren Aufführungs- und Handlungs-Spiel-Raum, ihre Bühne, im Bewusstsein des Lesers findet, ohne jemals zu einer Aufführung gelangen zu können.“[12]
Im 20. Jahrhundert wurde die ‚Poetik der Intermedialität’ nicht zuletzt durch das voranschreiten der technischen Entwicklung und den damit verbundenen neuen Möglichkeiten künstlerischer Produktion weiter entwickelt. Das Medium Film bekommt hierbei eine wichtige Funktion. Indem Eisenstein die Modalitäten „filmischer Produktion und Rezeption an Konzepten des Pantoskops, des Panoramas, des Zirkus, des Varietes und des Theaters“[13] festmacht, den Film aber nicht als bloße Verbindung verschiedener Medien betrachtet, kann man hier einen weiteren Ansatz eines intermedialen Konzepts finden.
2 Formen von Intermedialität
Hinsichtlich der Theoriemodelle und Texte, die sich mit Intermedialität als künstlerischem Mittel befassen, lassen sich vier Typen von Intermedialität unterscheiden.[14]
1. Synthetische (oder fusionelle) Intermedialität
2. Formale (oder Trans-mediale) Intermedialität
3. Transformationale (oder repräsentierende) Intermedialität
4. Ontologische Intermedialität
2.1 Synthetische (oder fusionelle) Intermedialität
Unter diesem Begriff wird eine Fusion mehrer Medien zu einem neuen Medium verstanden werden, welches mehr ist als die Summe seiner einzelnen Teile.[15] Dieser Prozess kann mit künstlerischen Strömungen der 60er Jahre, Happening, Fluxus und Performance, in Verbindung gebracht werden. In die Theorien fließen aber auch gesellschaftspolitische Überlegungen ein, so die Vorstellung, dass mit Hilfe der neuen, fusionellen Medien die Spaltung zwischen Kunst und Leben aufgehoben werden kann.[16] Als Vertreter dieses Konzepts von Intermedia lassen sich Higgins[17] ; Kultermann[18] und Yalkut[19] anführen. Drei Momente können exemplarisch für diese Konzept festgestellt werden:
A: Die Verurteilung von Monomedien als Form der gesellschaftlichen Entfremdung
B: eine strenge Abgrenzung der intermedia von den mixed-media
[...]
[1] Dieses ‚Schicksal’ teilt Intermedialität mit Begriffen wie Medium und Diskurs, deren Deutung so verschieden wie die sie behandelnde Literatur vielfältig ist.
[2] Einen Überblick über den Stand der Forschung verschafft Mertens (Hrsg.); Forschungsüberblick Intermedialität; Hannover 2000.
[3] Dies bedingt auch eine unterschiedliche Begriffsverwendung im Rahmen dieser Arbeit. Die theoretischen Konzepte der Medien- und Literaturwissenschaft gehen (zumeist) von der ‚klassischen’ Dreiteilung literarische Medien, technische Medien und Massenmedien aus. Bei der Betrachtung der intermedialen Kunst- und Aktionsformen greift dieses Schema nicht. Hier muss von einem weiter gefassten Medienbegriff ausgegangen werden.
[4] Auf den ethischen Aspekt dieser Kunstformen möchte ich hier nicht näher eingehen, da dies vermutlich den Rahmen der Arbeit sprengen würde.
[5] Coleridge’s Miscellaneous Criticism, ed. T.M. Raysor; Folcroft PA 1936; pg. 33; hier zit. nach J.E.Müller, Intermedialität als poetologisches und medientheoretisches Konzept; in: Helbig. (Hrg.) Intermedialität
[6] ebd.
[7] Vgl. Müller; S. 31.
[8] Ebd.; S. 31f.
[9] Vgl. Kloepfer; Intertextualität und Intermedialität. An dieses Konzept kann auch die Diskurstheorie von Foucault angeschlossen werden. In jüngerer Zeit greift der New Historicism beide Theorien wieder auf, um damit ein Konzept zur Literaturgeschichtsschreibung zu entwickeln.
[10] De Imaginum, Signorum & Idearum Compositione, vgl. Müller, S. 33.
[11] So u.a. bei Alberti und Du Bos.
[12] Müller, S. 34. Als Beispiele lassen sich u.a. Byron und Shelley anführen.
[13] Müller; S. 35
[14] Angeregt wurde diese Unterteilung durch einen Aufsatz von Jens Schröter, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunst- und Designwissenschaft der Universität Essen, der im Internet publiziert wurde. Vgl. www.theorie-der-medien.de Die von ihm entworfene Unterteilung erscheint mir als sehr hilfreich, Intermedialität / Intermedia hinsichtlich ihrer praktischen Anwendbarkeit zu untersuchen. Schröter hat den Versuch unternommen, verschiedene Theorien auf Gemeinsamkeiten zu untersuchen und in vier Typen zu unterscheiden.
[15] Higgins: „[...]when two or more discrete media are conceptually fused, they become intermedia.“; zit. Dreher; S.39.
[16] Ein Ursprung dieses Gedankens lässt sich in Wagners Überlegungen zum Gesamtkunstwerk finden.
[17] Horizons. The Poetics and Theory of the Intermedia; Carbondale and Edwardsville; Southern Illinois Press 1984
[18] Leben und Kunst. Zur Funktion der Intermedia; Tübingen 1970
[19] Understanding Intermedia; 1973
- Arbeit zitieren
- Stefan Möller (Autor:in), 2003, Intermedia / Intermedialität: Konzepte,Theorien und Umsetzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18518
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