Das Gesundheitswesen ist in den letzten Jahren immer stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten. Die lebhaften Diskussionen um Qualitätssicherung bei gleichzeitigem Zwang zur Kostensenkung werden von den Vertretern der Legislative, der Krankenkassen, der Träger von gemeinnützigen Einrichtungen, der Mediziner usw. geführt. Darüber hinaus ist durch bahnbrechende medizinischtechnische Entwicklungen die Möglichkeit für ethisch fragwürdige Eingriffe entstanden. Die Pflege nimmt - als zahlenmäßig stärkste Berufsgruppe im Gesundheitswesen - an dieser Diskussion nicht teil, obwohl sie u.a. bei der Entwicklung von Qualitätsstandards ihre vielfältigen Erfahrungen einbringen könnte.
Geht man der Frage nach, welche Ursachen für diese Zurückhaltung verantwortlich sein könnten, entdeckt man, dass die Pflege eine relativ machtlose Berufsgruppe darstellt, die hinzu noch einen geringen gesellschaftlichen Status hat. Die unbedingte Weisungsgebundenheit an ärztliche Anordnungen und der tägliche Umgang mit (in der Öffentlichkeit tabuisierten) Körperausscheidungen sind sicherlich zwei Gründe dafür.
Obwohl die Arbeit der Pflegenden - im Gegensatz zu den Medizinern - durch ständigen Kontakt zu den Patienten gekennzeichnet ist, fehlt ihnen die gesellschaftliche Anerkennung auf Expertentum. Dieser Anspruch wird von der Pflege selbst erhoben, doch der Nachweis steht noch aus. Der Bereich der Gefühlsarbeit hat in der Pflege einen hohen Stellenwert. Aus diesem Grund wird sich dieser Text mit dem Bereich der Gefühlsarbeit in der Pflege beschäftigen und unter dem Aspekt der Professionalität untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die historische Entwicklung des Pflegeberufs
3. Begriffsdefinition „Professionalisierung“
3.1. Professionalisierung in der Pflege
4. Erwartungen an Pflege
5. Gefühlsarbeit im Pflegealltag
6. Konzeptionelle Definitionen von Empathie
6.1. Die historische Entwicklung des Begriffs „Empathie“
6.2. Die kognitive Empathie
6.3. Die kommunikative Empathie
6.4. Die affektive Empathie
7. Die Entwicklung des Empathiebegriffs in der Pflege
8. Der Empathiebegriff nach Bischoff-Wanner
9. Perspektivenübernahme als Prozessmodell nach Bischoff-Wanner
10. Kritische Schlussbemerkungen
11. Fazit
1. Einleitung
Das Gesundheitswesen ist in den letzten Jahren immer stärker in den Blickpunkt
der Öffentlichkeit geraten. Die lebhaften Diskussionen um Qualitätssicherung bei gleichzeitigem Zwang zur Kostensenkung werden von den Vertretern der Legislative, der Krankenkassen, der Träger von gemeinnützigen Einrichtungen, der Mediziner usw. geführt. Darüber hinaus ist durch bahnbrechende medizinisch-technische Entwicklungen die Möglichkeit für ethisch fragwürdige Eingriffe entstanden. Die Pflege nimmt – als zahlenmäßig stärkste Berufsgruppe im Gesundheitswesen – an dieser Diskussion nicht teil, obwohl sie u.a. bei der Entwicklung von Qualitätsstandards ihre vielfältigen Erfahrungen einbringen könnte.
Geht man der Frage nach, welche Ursachen für diese Zurückhaltung verantwortlich sein könnten, entdeckt man, dass die Pflege eine relativ machtlose Berufsgruppe darstellt, die hinzu noch einen geringen gesellschaftlichen Status hat. Die unbedingte Weisungsgebundenheit an ärztliche Anordnungen und der tägliche Umgang mit (in der Öffentlichkeit tabuisierten) Körperausscheidungen sind sicherlich zwei Gründe dafür.
Obwohl die Arbeit der Pflegenden – im Gegensatz zu den Medizinern – durch ständigen Kontakt zu den Patienten gekennzeichnet ist, fehlt ihnen die gesellschaftliche Anerkennung auf Expertentum. Dieser Anspruch wird von der Pflege selbst erhoben, doch der Nachweis steht noch aus.
Der Bereich der Gefühlsarbeit hat in der Pflege einen hohen Stellenwert. Aus diesem Grund wird sich dieser Text mit dem Bereich der Gefühlsarbeit in der Pflege beschäftigen und unter dem Aspekt der Professionalität untersuchen.
2. Die historische Entwicklung des Pflegeberufs
Der moderne „Frauenberuf“ Krankenpflege entstand in den Industriegesellschaften des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Bischoff-Wanner (2003, S.17 ff)
beschreibt drei parallel verlaufende Entwicklungen, die zu einem stetig ansteigenden Bedarf an öffentlicher Pflege führten.
Eine dieser Entwicklungen war der Aufbau eines öffentlichen Gesundheitssystems und die Einführung eines staatlich geführten Krankenversicherungssystems. Diese Maßnahmen waren notwendig geworden, da die Industrialisierung mit einer zunehmenden Verelendung der Arbeiterschaft und gleichzeitigem Zerfall der Großfamilien einherging, d.h. Pflege konnte nicht mehr wie bisher innerhalb der Familien stattfinden.
Kriege, Seuchen und das enorme Bevölkerungswachstum in den Städten machten die Gründung vieler Krankenhäuser (Heilanstalten) erforderlich, die sich wegen geringer finanzieller Mittel häufig in einem desolaten Zustand befanden und katastrophale hygienische Verhältnisse aufwiesen. Das Personal, das sich bis dahin weitgehend aus Insassen der Anstalten rekrutierte, war bei weitem nicht ausreichend, um den erhöhten Bedarf an Pflegekräften zu decken.
Zudem fand in dieser Zeit ein Wandel in der Medizin statt. Statt, wie bisher Krankheit als ein metaphysisches – also gottgewolltes – Phänomen zu betrachten, entwickelte sich durch bahnbrechende Entdeckungen u.a. im Bereich der Zellularpathologie und Bakteriologie, die Entdeckung von Krankheitserregern, eine neue, naturwissenschaftliche Orientierung der Ärzteschaft. Das neue naturbeherrschende Selbstverständnis der Mediziner verlagerte den Focus seiner Aktivitäten von der Behandlung Kranker auf den Sieg über Krankheit. Die Krankenhäuser entwickelten sich in immer stärkerem Maße zu Stätten der Forschung und der Lehre. Daher entstand auch bei der Ärzteschaft ein höherer Bedarf an qualifizierten Pflegekräften, die ihre Anordnungen gewissenhaft durchführten und gleichzeitig die Mitmenschlichkeit und Anteilnahme vermittelten, die der naturwissenschaftlich geprägten Medizin verloren gegangen waren.
Somit benötigten auf der einen Seite sowohl das Gesundheitswesen als auch die Medizin eine große Anzahl qualifizierten Pflegepersonals, auf der anderen Seite durfte aus Kostengründen keine angemessene Bezahlung für die z. T. unzumutbaren Arbeitsanforderungen stattfinden.
Die Lösung dieses aussichtslos erscheinenden Problems entwickelte sich durch
den grundlegenden Wandel der Frauenrolle in jener Zeit. War die Frau bislang in der bäuerlichen Produktionsgemeinschaft an der Erwerbsarbeit beteiligt, so reduzierte sich während der Industrialisierung ihr neues Aufgabenfeld auf den Bereich Haushalt und Familie. Die als typisch weiblich betrachteten Eigenschaften wie Einfühlungsvermögen, Aufopferungsbereitschaft, Harmoniestreben und Geduld prädestinierten sie als Spezialistin für Psychohygiene, deren zentrale
Aufgabe in der Wahrung der familiären Atmosphäre von Geborgenheit und Für- sorge, bei gleichzeitiger Selbstverleugnung und Hingabe, bestand. Dieser (unbezahlte) Liebesdienst erforderte völlige Unterordnung unter den Mann, von dem sie materiell abhängig war.
Diese „angeborenen“ (also gottgewollten) Eigenschaften der Frau waren deckungsgleich mit den Anforderungen an das dringend benötigte Pflegepersonal. Es gelang in zunehmenden Maße, bürgerliche Frauen als unbezahlte Arbeitskräfte in der Pflege einzusetzen, deren Dienst am Nächsten nicht entlohnt werden konnte/durfte, ohne gegen die gängige Moral zu verstoßen. Unter der Leitung von kirchlich – später auch weltlich – orientierten „Mutterhäusern“ wurden diese Frauen streng hierarchisch geführt, deren einziger Lohn in der Versorgung im Krankheits- oder Altersfall bestand. Absoluter Gehorsam, Demut und ständige Verfügbarkeit waren ideologisch begründet und wurden voller Stolz erbracht. Diese Einstellung verhinderte bis ins beginnende 20. Jahrhundert jegliche Verbesserung der schwierigen Arbeitsbedingungen. Erst 1954 wurde die Unrechtmäßigkeit der schlechteren Entlohnung von weiblichen Pflegekräften festgehalten. Die Ausbildung in der Pflege liegt noch heute in der Hand der jeweiligen Träger. Im Gegensatz zum europäischen Ausland und den USA , wo es bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts akademische Pflegeausbildungsgänge gibt und die Entwicklung von Pflegetheorien schon weit fortgeschritten ist, befindet sich die deutsche Pflege noch in den Anfängen ihrer Professionalisierungsbestre- bungen.
3. Begriffsdefinition „Professionalisierung“
Unter Professionalisierung versteht man den Prozess der Verberuflichung hand-
werklicher und/oder geistiger Tätigkeiten (auch Verwissenschaftlichung).
Verbunden mit der Professionalisierung ist die Systematisierung beruflich relevanten Fachwissens, dessen Erwerb prüfungsrelevant ist und damit eine Zugangskontrolle zur Ausübung entsprechender Tätigkeiten gewährleistet. Die Herausbildung von berufsspezifischen Wert- u. Verhaltensstandards (Berufsethik) und die verbandsmäßige Organisation sind weitere Indikatoren für Professionalisierung, die neu entstehenden oder bereits vorhandenen Berufen zu gesellschaftlicher Anerkennung verhelfen (Brockhaus, 1992).
3.1 Professionalisierung in der Pflege
Eine pflegewissenschaftliche Definition für die Profession „Pflege“ steht noch aus, dennoch formuliert Pflege für sich den Anspruch, professionell zu sein. Legt man die o.g. Definition als Maßstab zugrunde, lässt sich leicht erkennen, dass sie diesen Kriterien nicht entspricht, d.h. Pflege nicht professionell ist.
Die Einrichtung von akademischen Ausbildungsgängen begann in Deutschland in . den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Diese Studiengänge im Fachhochschul- bereich unterliegen der Kritik, nur Teilbereiche der Pflege (Management,Pädagogik) zu beinhalten und durch den Mangel an universitären Abschlüssen den Absolventen die Anerkennung in der Berufswelt zu erschweren.
Des weiteren steht die Entwicklung eines pflegewissenschaftlichen Modells für die Grundausbildung in der Pflege aus, die noch heute in den Händen der Kliniken liegt. (Moers/Schaeffer , 2003,S.60)
Darüber hinaus fehlt die Definition eines allgemein gültigen, bundeseinheit- lichen Berufsleitbildes und eine breit angelegte Diskussion über die Formulierung eines Ethik-Kodex.
Bischoff-Wanner (2002) hat mit ihrer operationalen Definition der Schlüsselqualifi- kation „Empathie“ einen wichtigen Beitrag geleistet, um Pflege auf ihre ursprünglichen Fähigkeiten und Kenntnisse zurückzuführen. Diese weiter zu entwickeln, Nischen im Gesundheitssystem zu erobern und mit „Expertenpflege“ zu besetzen könnte zu größerer gesellschaftlicher Anerkennung führen und die
Einbindung von pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen bei gesundheitspolitischen Entscheidungen ermöglichen.
4. Erwartungen an Pflege
Der Weltbund der Krankenschwestern und Krankenpfleger (International Council of Nursing , ICN) definiert die vier Hauptaufgaben für die Pflegenden wie folgt: Gesundheit zu fördern, Krankheit zu verhüten, Gesundheit zu erhalten und Leiden zu lindern.
Im Basispapier zum Beitrag „Wachstum und Fortschritt in der Pflege“ im Sondergutachten 1997 des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion (S.4) wird der Anspruch formuliert, dass zur Pflege die Achtung vor dem Leben, vor der Würde und den Grundrechten des Menschen gehört. Die Pflegeziele u. –maßnahmen sind individuell mit dem einzelnen Patienten auszuhandeln. Selbst wenn der Erkrankte nicht (mehr) in der Lage ist seinen Willen zu formulieren, sind die Pflegenden aufgefordert alle Formen von Verhalten aufmerksam wahrzunehmen, zu interpretieren und ggf. als Korrektiv in ihre Arbeit zu implementieren. Dieser Aushandlungsprozess bezieht sich auch auf Angehörige bzw. andere Bezugspersonen des Erkrankten.
Patienten erwarten von den Pflegenden ein freundliches, zugewandtes und kameradschaftliches Verhalten. Sie sollten Fürsorge, Nähe und Präsenz vermitteln und zugleich die Perspektive des Patienten einnehmen können. Darüber hinaus wurden Zuverlässigkeit, Geduld , Aufmerksamkeit und freundliche Berührungen gewünscht (Bischoff-Wanner, 2002, S. 66-67).
Die Träger von Pflegeeinrichtungen achten bei ihren Mitarbeitern auf die Einhaltung des von ihnen vorgegebenen Pflegeleitbildes. Diese moralisch-ethisch, religiös und pflegekundlich orientierte Selbstdarstellung der jeweiligen Einrichtung ist für alle Mitarbeiter bindend. Neben ihrem sozialen Auftrag ist jede Pflegeeinrichtung auch ein Dienstleistungsunternehmen, dass gewinnorientiert arbeiten muss. Die allgemeinen Kostendämpfungsbemühungen im Gesundheitswesen haben zur Folge ,
dass Pflege immer weniger kosten darf. Es wird von den Mitarbeitern erwartet, sparsam mit Pflegemitteln zu wirtschaften. Regelmäßige Kontrollen und Budgetierung des Verbrauchs an Pflegemitteln auf den einzelnen Stationen/Wohnbereichen sorgen für die Einhaltung der Vorgaben.
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- Quote paper
- Beate Scheffler (Author), 2003, Pflege als Profession am Beispiel Gefühlsarbeit / Empathie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18344
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