Totem und Tabu ist eine von Sigmund Freud 1913 erstmals veröffentlichte Aufsatzsammlung, deren vier Teile zunächst in der von ihm mit herausgegebenen Zeitschrift Imago erschienen. Die Aufsätze „Inzestscheu“, eine Abhandlung über den Totemismus, „das Tabu und die Ambivalenz der Gefühlsregungen“, „Animismus, Magie und Allmacht der Gedanken“ sowie „die Infantile Wiederkehr des Totemismus“, dessen Inhalt eine Gesellschaftstheorie, basierend auf den Grundlagen der ihm vorliegenden ethnologischen Befunde sowie seiner Psychoanalyse ist, bilden die Säulen dieses Werkes, welches auch aus sprachlicher Sicht als sein gelungenstes gilt.In dieser Hausarbeit soll weniger auf die zwar zweifellos wichtige Thematik des Inzesttabus als vielmehr auf die religiösen Aspekte eingegangen werden. Eine Eingrenzung des Themas ist an dieser Stelle nötig, wäre doch der Inhalt sonst nur allzu oberflächlich abgehandelt. Die Entscheidung, den Fokus auf das religiöse Moment zu legen, ergab sich mit Blick auf den Seminarinhalt.
Inhalt
Einleitung: Aufbau und Eingrenzung
Hauptteil: Das Göttliche unter dem Mikroskop der Kindheits- und Massenpsychologie
Nichtsnutziger Gott?
Wie kommt man bloß darauf?
Nichs als Massenwahn?
Papa kann alles!
Schlussteil: Alles nur infantiler Humbug?
Literaturverzeichnis
Einleitung: Aufbau und Eingrenzung
Totem und Tabu ist eine von Sigmund Freud 1913 erstmals veröffentlichte Aufsatzsammlung, deren vier Teile zunächst in der von ihm mit herausgegebenen Zeitschrift Imago erschienen. Die Aufsätze „Inzestscheu“, eine Abhandlung über den Totemismus, „das Tabu und die Ambivalenz der Gefühlsregungen“, „Animismus, Magie und Allmacht der Gedanken“ sowie „die Infantile Wiederkehr des Totemismus“, dessen Inhalt eine Gesellschaftstheorie, basierend auf den Grundlagen der ihm vorliegenden ethnologischen Befunde sowie seiner Psychoanalyse ist, bilden die Säulen dieses Werkes, welches auch aus sprachlicher Sicht als sein gelungenstes gilt.1 Freud gibt als eine seiner wichtigsten Quellen den Religionsethnologen James Frazer an, auf dessen Werk „Totemismus und Exogamie“ Freud sich in seiner Arbeit stützt. In dieser Hausarbeit soll weniger auf die zwar zweifellos wichtige Thematik des Inzesttabus als vielmehr auf die religiösen Aspekte eingegangen werden. Eine Eingrenzung des Themas ist an dieser Stelle nötig, wäre doch der Inhalt sonst nur allzu oberflächlich abgehandelt. Die Entscheidung, den Fokus auf das religiöse Moment zu legen, ergibt sich mit Blick auf den Seminarinhalt.
Hauptteil: Das Göttliche unter dem Mikroskop der Kindheits- und Massenpsychologie
Vermutlich fiele es einem gläubigen Christen leicht, der Aussage zuzustimmen, sein Gott sei allmächtig und klug, er hingegen ein schwacher Sünder. Immerhin hat er aber die Möglichkeit, diese gewaltige Diskrepanz zumindest etwas zu schmälern, indem er sich an kirchliche Normen hält. Gott macht den Menschen also zum „religiösen Menschen“, denn „So ist der Glaube das Erste, das uns zu dir führt; und glauben können wir nicht, ohne daß uns der Glaube gepredigt wird. Ja loben werden dich, den Herrn, die glaubensvollen Herzen, die dich verlangend suchen gehen. Während sie dich suchen, finden sie dich, und loben dich, indem sie dich finden.“2
Bei dieser Suche soll vor allem eines helfen: Gebet und aktive Teilnahme an kirchlichen Aktivitäten. Schließlich ist die Religion „eine ungeheure Macht, die über die stärksten Emotionen der Menschen verfügt.“3 Wenn man dies bedenkt, täte man der Menschheit sicherlich unrecht, würde man etwas so Kompliziertes wie die Religion auf eine einzelne Quelle zurückführen. Im Gegenteil wäre es ein fast aussichtsloses Unterfangen, Religion in all ihren Aspekten auch nur annähernd zu beschreiben und vor allem zu begreifen. Dennoch seien hier zumindest einige relevante Quellen einer näheren Betrachtung unterzogen, um zu verstehen, wie sich eine monotheistische Religion wie das Christentum entwickeln und über so lange Zeit - besonders auch im Zeitalter der Vernunft und Wissenschaft - halten konnte. Wo stand der prähistorische Mensch, als er zur Religion kam? Welchen Beitrag kann die Gruppenpsychologie zum Verständnis leisten? Was sieht der Vernunftsmensch, wenn er die Religion und ihre Riten auf den Seziertisch legt? Warum kommen wir ohne Religion noch heute nicht aus?
Nichtsnutziger Gott?
„Gott allein ist stark und gut, der Mensch ein frevelhafter Sünder.“4 Das ist einer der Grundsätze, bis heute unumstritten unter frommen Christen. „O Gott, was bist du? Was frage ich? Wer als mein Herr! Denn wer ist Herr außer dem Herrn, und wer ist Gott außer unserem Gott! Du Höchster, Bester, Mächtiger, Allvermögender! Du Erbarmungsvoller und Gerechter, Verborgenster und Allgegenwärtiger, voll Schönheit und voll Stärke!“5 Ja, des Herrn Weisheit ist so fraglos wie unerklärlich. Nie würden wir es wagen, unser begrenztes irdisches Wissen, unsere Macht oder Liebe mit der des Allmächtigen im Himmel zu vergleichen. Der Mensch sieht Gott als „höheres geistiges Wesen, dessen Eigenschaften undefinierbar sind und dessen Sinn sich nicht erschließt“.6 Außer Frage jedoch, dass Gott beschützt, belohnt oder bestraft, wenn auch nicht unbedingt zu Lebzeiten. Ist es da nicht geradezu anmaßend, diesen Herrn zu loben, fragte sich schon Augustinus. Der Mensch liebt Gott, weil er den Himmel und die Erde und nicht zuletzt ihn selbst erschaffen hat. Und noch mehr liebt er ihn, weil er sich dem Leid annimmt, das Menschen sich gegenseitig zufügen, indem sie sich nicht an seine Gebote halten, und weil er ihre edelsten Wünsche zu erfüllen vermag.
Schauen wir jedoch auf die Beziehung, die der einzelne Mensch zu Gott hat, sehen wir, dass das Verhältnis ein ambivalentes ist. Zur Liebe gesellt sich die Furcht. Daher braucht der Mensch die Interaktion mit Gott, die Vorstellung, er habe Einfluss auf dessen Handlungen. Wenn er betet oder in die Kirche geht, festigt er seine emotionale Bindung zu Gott und fühlt sich geborgen. „Wenn (die Religion) die Angst der Menschen vor den Gefahren und Wechselfällen des Lebens beschwichtigt, sie des guten Ausganges versichert, ihnen Trost im Unglück spendet, kann die Wissenschaft es nicht mit ihr aufnehmen.“ Nur die engen Bande zu Gott können uns vor einem ungewissen Schicksal - im schlimmsten Fall der Nichtexistenz - bewahren.7
Wie kommt man bloß darauf?
Um nun zum Ursprung der Religion zu kommen, begeben wir uns in die präreligiöse Zeit, als wir Menschen noch wild und instinktgetrieben waren und uns selbst und die Welt ganz anders wahrnahmen. Relikte aus der Zeit sprechen jedenfalls dafür. Sie belegen auch, dass wir damals in kleineren Gruppen aus Blutsverwandten - Horden - zusammenlebten. Eine Horde bestand aus einem Anführer - dem durchsetzungsfähigsten, stärksten Mann, der die jüngeren Männer mit seiner Präsenz einschüchterte und dem die Frauen dank seiner vorzüglichen Eigenschaften willig zur sexuellen Verfügung standen. Diese Einschätzung verdanken wir Charles Darwin, der vom Sozialverbund der Menschenaffen auf unsere Vorväter schloss. Dieser Anführer oder Urvater beschützte die Horde vor Gefahren.8 War er auch nicht immer gerecht, so war seine Autorität doch unumstritten. Und obwohl ihn die jüngeren Männer fürchteten und manchmal auch verabscheuten, konnten sie sich doch seines Schutzes sicher sein. Da nur er Kinder zeugen durfte, war gewährleistet, dass die Horde immer stark bleiben würde. Andererseits sorgte dieses unfreiwillige Zölibat natürlich für Bitterkeit unter den heranwachsenden Männern. Daher auch die zweite unumstößliche Regel: Unter keinen Umständen war es erlaubt zu versuchen, den Urvater zu stürzen. Natürlich kam es hier regelmäßig zu Verstößen, die scharf - mit Verbannung aus der Horde - geahndet wurden, setzten sie doch die Sicherheit der Gemeinschaft aufs Spiel.
Nach geraumer Zeit, nachdem sich das menschliche Gehirn weiterentwickelt hatte, kam den verbannten Brüdern - die in Männerverbänden zusammenlebten - ein neuer Gedanke: Sie könnten sich zusammentun und den Vater gemeinsam stürzen.
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1 Nicolaus, Ute: Suverän und Märtyrer S. 95f.
2 Augustinus, Bekenntnisse, Buch 1, I.
3 S. Freud, Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, S. 130
4 S. Freud, The Future of an Illusion, S. 17
5 Augustinus, Buch 1, IV
6 The Future of an Illusion, S. 54
7 Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, S. 131
8 Lévi-Strauss, Claude: Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft, S. 96f.
- Arbeit zitieren
- Remington Richers (Autor:in), 2009, Totem und Tabu - Religion im Licht der Psychoanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/182685
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