Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Konzepten und Hypothesen zur individuellen und gesamtgesellschaftlichen Wirkung von Massenmedien gilt als eine der inhaltlich fruchtbarsten, jedoch zugleich am kontroversesten diskutierten Teildisziplinen der Kommunikationswissenschaft. Mehrere Jahrzehnte nach der Formulierung des Stimulus-Response-Modells, welches eine direkte, lineare und einseitige Beeinflussung der "hilflosen" Medienkonsumenten durch die "allmächtigen" Medienproduzenten vermutete, herrscht heute weitgehend Übereinstimmung darüber, dass die ausschließliche Annahme kausaler Wirkungsbeziehungen zwischen Medienbotschaft und Rezipientenwahrnehmung kaum noch haltbar ist.
Doch selbst solche Forscher, die den Großteil des Steuerungsvermögens auf Seiten des Publikums vermuten, legen ein Zwei-Stufen-Konzept des medialen Bedeutungstransfers zu Grunde: Auf die Transformation "äußerer Realität" in eine medialen Symboliken genügende "Medienrealität" folgt schließlich deren Übersetzung in eine "Publikumsrealität". Der vor allem durch den Leipziger Kommunikationswissenschaftler Werner Früh vertretene dynamisch-transaktionale Ansatz (DTA) bietet hierzu ein auch unter wissenschaftstheoretischen Gesichtspunkten besonders erklärungskräftiges Modell an.
Welche fundamentalen Vorstellungen von Medienrealität liegen dieser Modellintegration zugrunde? Und anhand welcher Anwendungs- und Fallbeispiele aus der Alltagsrezeption massenmedialer Kommunikationsangebote lässt sich die besondere Erklärungskraft des DTA veranschaulichen?
Zunächst werden die Grundzüge und Prämissen der Haupttheoriestränge psychologischer Medienwirkungsmodelle aus den vergangenen Jahrzehnten dargestellt. Der darauf folgende Abschnitt beschäftigt sich mit den Kernvorstellungen des DTA, der die zuvor tonangebenden Mainstream-Ansätze der Medienwirkung in ein theoretisch konsistentes Gesamtbild zu überführen versuchte. Es folgen ein Vergleich zwischen dynamisch-transaktionalen und traditionellen Hypothesen der Medienwirkung sowie ein wissenschaftstheoretischer Exkurs, der aufzeigt, weshalb der DTA durchaus als kommunikationswissenschaftliche Spielart eines fächerübergreifenden Paradigmas zur Beschreibung von "Realität" gelten kann, das hinsichtlich seiner wesentlichen Argumentationsstrukturen auch in anderen Teildisziplinen als epistemologisches Konzept zur Anwendung kommt. Anschließend wird die praktische Relevanz des DTA mit Blick auf die alltäglichen Routinen massenmedialer Rezeption untersucht.
Inhalt
1 Einleitung
1.1 Entwicklung der Fragestellung und Ausgrenzung des Themas
1.2 Prämissen, Methodik und Gang der Untersuchung
2 Medienwirkungsmodelle im Wandel
2.1 Linear-kausale Ansätze in der Tradition des Stimulus-Response- Modells
2.2 Das „aktive Publikum“ als grundlegender Perspektivenwechsel
2.3 Von der Mono- zur Multikausalität: die Untersuchung komplexerer Beeinflussungsmuster vor dem Hintergrund reflexiver Medienrezeption
3 Der dynamische Transaktionalismus als integratives Erklärungsmodell: In welcher Wechselbeziehung stehen externe Stimulanz und interne Re interpretation medialer Botschaften?
3.1 Zu den Vorzügen nicht-deterministischer Modelle von Massenkommunikation
3.2 Modellvergleich zwischen dynamisch-transaktionalen und „traditionellen“ Hypothesen der Medienwirkung
3.2.1 Ähnlichkeiten
3.2.2 Unterschiede
3.3 Exkurs: die Dynamisierung von Beziehungsmustern als ontologisches und wissenschaftstheoretisches Paradigma
4 Zur praktischen Relevanz des dynamisch-transaktionalen Ansatzes: Mächtigkeit der Kommunikatoren versus konstruktivistische Erzeugung individueller „Realität(en)“
5 Fazit: Argumente gegen die mediale Konditionierung
6 Literatur- und Quellenverzeichnis
Abkürzungen
Anhang: Zur formalen Modellierung dynamischer Systeme
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