"Die Formen einer Stadt verändern sich im Wandel der Zeit". Charles Baudelaire kommentiert in diesem Zitat die Entwicklung der Stadt Paris im 19. Jahrhundert, deren Formveränderungen für den bekannten Flaneur kaum noch nachvollziehbar waren, da sie sich im "Rhythmus des Herzschlags eines Sterblichen" neu gestalteten. Baudelaire könnte mit der sich unablässig verändernden Form der Stadt zweierlei gemeint haben: Erstens, die materielle Form, sprich die gebaute Substanz. Er könnte auf die äußeren Strukturen der Stadt angespielt haben, die fortwährend neu entstehen oder sich auflösen. Raumbeziehungen werden dabei immer wieder aufs Neue definiert und auf unterschiedliche Art und Weise bewertet, da sich deren materielle Form verändert. Zweitens könnte damit jedoch auch den Inhalt dieser äußeren Hülle gemeint haben, die "immaterielle Form". Damit ist der Raum gemeint, der sich aus den gelebten Strukturen zusammensetzt, aus sozialen sowie gesellschaftlichen Beziehungen und Entwicklungen. Auch dieser Raum gestaltet sich in seinen Strukturen kontinuierlich neu und wird in seiner Form verschiedenartig wahrgenommen.
Diese Arbeit widmet sich den Veränderungen und unterschiedlichen Wahrnehmungen dieser "immateriellen Form" und untersucht sie anhand einer konkreten Architektur. Für die Analyse wurde ein Gebäude ausgewählt, das in der Vergangenheit sowie in der Gegenwart immer wieder neu bewertet wurde und in vielfältiger Form von äußeren, zeitlichen Gegebenheiten beeinflusst wurde und wird. Das Beispielgebäude "Zentrum Kreuzberg", das zwischen 1972 und 1974 entstand, befindet sich im heutigen Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg am Verkehrsknotenpunkt Kottbusser Tor und fällt dem Betrachter besonders ins Auge: Wie ein Fremdkörper überspannt der Riegel aus Beton und Fertigteilen die Adalbertstraße, blockiert damit die Sichtachse vom Kottbusser Tor aus und degradiert ein komplettes Viertel zum Hinterhof, in dem abgesehen von den Bauten im großen Maßstab am Kottbusser Tor eher kleinteilige Mischstrukturen mit Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert vorzufinden sind. Verglichen mit der restlichen Bebauung erscheint das Zentrum Kreuzberg monströs und bizarr, seine Architektur grau und aggressiv.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- I.1 Fragestellung und Hypothese
- I.2 Methode und Forschungsstand
- II. Historische Entwicklung des Stadtbezirks Kreuzberg
- II. 1 Von der ländlich geprägten Luisenstadt zur steinernen Mietskasernenstadt
- II.2 Zerstörung, Wiederaufbau und Sanierung
- II.2.1 Massenwohnungsbau und Kahlschlagsanierung
- II.2.2 Die kulturelle Entwertung der Mietskaserne als Legitimation für die Stadt von Morgen
- II.2.3 Wiederaufbau in Kreuzberg
- II.2.4 Sanierungspolitik in (West-)Berlin
- II.2.5 Festlegung des Sanierungsgebiets Kreuzberg
- II.3 Fazit
- III. Das Sanierungsgebiet Kottbusser Tor (SKKT)
- III.1 Planungseinheit PIII und Planung des Neuen Kreuzberger Zentrums (NKZ)
- III.1.1 Positive Wahrnehmung des Bauvorhabens
- III.1.3 Negativ-Image des NKZ vor seinem Bau
- III.2 Fazit
- III.1 Planungseinheit PIII und Planung des Neuen Kreuzberger Zentrums (NKZ)
- IV. Das Sanierungsgebiet Kottbusser Tor nach dem Bau des NKZs
- IV.1 Veränderung der städtebaulichen Leitbilder
- IV.1.1 Widerstandsbewegungen gegen die autoritäre Planungspolitik
- IV.1.2 Proteste und Veränderung der Stadtplanungspolitik in West-Berlin
- IV.1.3,,Strategien für Kreuzberg“
- IV.1.4 Die IBA Berlin GmbH
- IV.2 Die negative Wahrnehmung und Bewertung des NKZ
- IV.3 Fazit
- IV.1 Veränderung der städtebaulichen Leitbilder
- V. Das positive Image des Neuen Kreuzberger Zentrums
- V.1 Das Zentrum Kreuzberg im Kontext der neueren Stadtentwicklung
- V.2 Das Programm Soziale Stadt und das Projekt Quartiersmanagement
- V.2.1 Das Modellgebiet Kottbusser Tor
- V.3 Kreuzberg und Gentrifizierung
- V.4 Tourismus in Kreuzberg
- V.5 Das positive Image des Neuen Kreuzberger Zentrums
- V.6 Fazit
- VI. Zusammenfassung und Fazit
- VI.1 Ausblick
- Anhang
- I. Interview mit dem Architekten des Zentrum Kreuzberg
- II. Planung für das Sanierungsgebiet KKT von Prof. Johannes Uhl
- III. Plan des Zentrum Kreuzberg 1974
- IV. Plan des Zentrum Kreuzberg 2000, Erdgeschoss
- V. Fragen an die Hausverwaltung Kremer
- VI. Befragung der Gewerbetreibenden im Zentrum Kreuzberg
- Literaturverzeichnis
- Bildnachweis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Veränderungen und unterschiedlichen Wahrnehmungen des „Zentrum Kreuzberg“, eines Gebäudes im Berliner Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg, das zwischen 1972 und 1974 entstand. Die Arbeit analysiert die Entwicklung des Images des Gebäudes von seiner Planung und Bauphase bis zur Gegenwart, wobei die unterschiedlichen Beurteilungs- und Wahrnehmungsmuster im Fokus stehen.
- Die Arbeit untersucht die historische Entwicklung des Stadtbezirks Kreuzberg und die Rolle der Sanierungspolitik in der Entstehung des „Zentrum Kreuzberg“.
- Sie analysiert die unterschiedlichen Wahrnehmungen des Gebäudes in den verschiedenen Phasen seiner Geschichte, von der anfänglichen Euphorie über die spätere negative Bewertung bis hin zu einer möglichen Wiederaufwertung.
- Die Arbeit beleuchtet die Rolle der Medien und der öffentlichen Meinung in der Gestaltung des Images des „Zentrum Kreuzberg“.
- Sie untersucht die Auswirkungen der Stadtentwicklung und der Gentrifizierung auf das Gebäude und seine Umgebung.
- Die Arbeit analysiert die Bedeutung des „Zentrum Kreuzberg“ im Kontext der neueren Stadtentwicklung und der sozialen Stadtpolitik.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung und Hypothese der Arbeit vor und erläutert die Methode und den Forschungsstand. Kapitel II beleuchtet die historische Entwicklung des Stadtbezirks Kreuzberg, beginnend mit der ländlich geprägten Luisenstadt bis hin zur steinernen Mietskasernenstadt. Es werden die Zerstörung, der Wiederaufbau und die Sanierungspolitik in Kreuzberg nach dem Zweiten Weltkrieg analysiert. Kapitel III widmet sich dem Sanierungsgebiet Kottbusser Tor und der Planung des Neuen Kreuzberger Zentrums (NKZ), wobei die positive Wahrnehmung des Bauvorhabens in der Planungsphase und das Negativ-Image des NKZ vor seinem Bau beleuchtet werden. Kapitel IV untersucht die Veränderungen der städtebaulichen Leitbilder nach dem Bau des NKZ, die Widerstandsbewegungen gegen die autoritäre Planungspolitik und die Proteste, die zu einer Veränderung der Stadtplanungspolitik in West-Berlin führten. Außerdem wird die negative Wahrnehmung und Bewertung des NKZ in den 80er und 90er Jahren analysiert. Kapitel V beleuchtet das positive Image des Neuen Kreuzberger Zentrums im Kontext der neueren Stadtentwicklung, das Programm Soziale Stadt und das Projekt Quartiersmanagement, die Gentrifizierung in Kreuzberg und den Tourismus in Kreuzberg. Abschließend werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen gegeben.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das Zentrum Kreuzberg, die städtebauliche Entwicklung, die Sanierungspolitik, die Wahrnehmung von Architektur, das Imagewandel, die Gentrifizierung, die Soziale Stadt, das Quartiersmanagement und die Medienberichterstattung. Die Arbeit analysiert die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Beurteilungen des „Zentrum Kreuzberg“ im Laufe der Zeit und beleuchtet die Rolle der Stadtentwicklung und der sozialen Stadtpolitik in der Gestaltung des Images des Gebäudes.
- Quote paper
- Dorit Schneider (Author), 2010, Das Zentrum Kreuzberg. Eine Untersuchung der städtebaulichen Eingriffe am Kottbusser Tor, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/182385
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