Schon in Platons Schriften KRATYLOS lassen sich Streitgespräche über die Sprache finden. Hier diskutieren Hermogenes und Kratylos über DIE RICHTIGKEIT DER NAMEN. Diese Sprach-kritik war nicht nur in der Antike aktuell, sondern ist es heute mindestens in gleichem Maße. Der Dialog zwischen Kratylos, Hermogenes und Sokrates hat sehr große Ähnlichkeit mit ak-tuellen Streitgesprächen über die Richtigkeit eines bestimmten Ausdruckes, einer Schreibwei-se oder eines anderen grammatischen Phänomens. Man denke nur an den Streit über Angli-zismen, die Rechtschreibreform oder jugendsprachliche Wendungen. In den Medien sind sie immer wieder ein großes Thema, wie zahlreiche erfolgreiche Fernsehsendungen und populäre Buchpublikationen zeigen: DER GROßE DEUTSCH-TEST wurde 2004, 2005 und 2006 von RTL gesendet; zahlreiche Prominente stellten sich Hape Kerkelings Fragen zur deutschen Recht-schreibung. Der Journalist Bastian Sick erzielte mit der Buchreihe DER DATIV IST DEM GENITIV SEIN TOD einen enormen kommerziellen Erfolg von 1,5 Millionen verkauften Ex-emplaren. Diese entstand aus den ZWIEBELFISCH-KOLUMNEN im SPIEGEL und wird laut Sick im Saarland sogar als offizielles Lehrbuch eingesetzt. Für die Sprachwissenschaft sollte hier-mit eigentlich Anlass genug gegeben sein sich mit solchen medialen Sprach-Spektakeln aus-einander zu setzen und ebenso auf den öffentlichen Diskurs einzuwirken, wie es Autoren von Sprachratgebern und TV-Redakteure privater Sender vermögen. Thorsten Griesbach stellt fest, dass die Linguistik keinen guten Ruf in der Gesellschaft genießt und nennt als Beispiel zur Veranschaulichung dieses Rufes eine Ausgabe „[…] der quotenträchtigen Talk-Show ‚Sa-bine Christiansen’, bei der zum Thema ‚Rechtschreibreform und Anglizismen’ kein einziger Linguist eingeladen war.“
In der folgenden Arbeit soll zunächst ein Überblick über das Verhältnis von Sprachkritik und Sprachwissenschaft gegeben werden. Im Hauptteil soll auf zwei Beispiele sprachlicher Zwei-felsfälle eingegangen werden, um weiterhin den Topos vom Sprachverfall zu veranschauli-chen und zu erklären. Zum Schluss soll ein Fazit zur aktuellen Situation gezogen und ein Ausblick für eine mögliche Einflussnahme der Sprachwissenschaft auf diese gegeben werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Sprachkritik und Sprachwissenschaft
2.1 Aufgaben von Sprachwissenschaft und Sprachkritik
2.2 Historische Entwicklung und Ursprung der Separation
2.3 Laien-Linguistik
3. Sprachliche Zweifelsfälle
3.1. Das Partizip II von winken
3.2 Die Hauptsatzstellung in Verbindung mit weil
4. Sprachwandel vs. Sprachverfall
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
- Quote paper
- Jasmin Liese (Author), 2011, Sprachkritik und Sprachwissenschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181975
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