Einsamkeit als soziologisches Problem
Es stellt sich die Frage wie Einsamkeit adäquat beobachtet werden kann. Die in der Handlungstheorie entwickelten Akteursmodelle scheinen dazu geeignet. Die Akteurstehorie beobachtet Handlungswahlen und Handlungswirkungen dort wo gehandelt wird und das ist die Gesellschaft. Sollte Einsamkeit durch Akteursmodelle erklärbar sein? Geplant ist ein Ausloten der Möglichkeiten die dieser Ansatz zur Begriffserklärung bietet.
Inhaltsverzeichnis
0. Man kann gemeinsam nicht ohne einsam schreiben
1. Einsamkeit als soziologisches Problem
2. Die Einsamkeit der Sterbenden
3. Die Einsamkeit in den Akteursmodellen
4. Einsames Handeln und 'In sich sein'
5. Die Einsamkeit des Handelnden
6. EinsamkeitzurHandlungsgrundlage
7. EinsichtundAussicht
Literaturverzeichnis
wenn de amme / Chrüzweg stohsch / und nümme weisch / wo's ane goht / halt still undfrog / di G’wisse z’erst / 's cha dütsch Gottlob /undfolgsi'm Roth[1]
0. ) Man kann gemeinsam nicht ohne einsam schreiben
Diese Überschrift fuhrt in die irre zwischen dem in der Theoriegeschichte der Soziologie tragenden Begriff Gemeinschaft und dem theoretisch weniger beleuchteten Begriff der Einsamkeit eine bestünde innige inhaltliche Verbindung. Deshalb kommt zunächst die Sprachgeschichte zu Wort, um dann im Anschluss zu erläutern warum gerade diese Überschrift über der Einführung ins Thema steht und keine andere.
Tatsächlich teilen die beiden Worte nur den Suffix -sam. Ursprünglich eigenständig bedeutete -sam soviel wie 'mit etwas übereinstimmend', 'von gleicher Beschaffenheit sein'. Die Wurzel *mei des aus dem Altgermanischen stammenden Adjektivs 'gemeinsam' bedeutete etwa 'mehreren abwechselnd zukommend'. Das vergleichsweise jüngere Adjektiv 'einsam' ist eine durch Luthers Bibelübersetzung verbreitete Ableitung zum mittelhochdeutschen 'allein'. Der nicht unerhebliche sprachliche Unterschied trotz lautlicher Nähe stellt sich so dar, dass man es bei 'ein - sam' und 'ge - mein - sam' mit zwei unterschiedlichen Worten zu tun hat. Einsamkeit wird aktuell zumeist mit Gemeinschaftslosigkeit beschrieben, was beide Begriffe dann doch wieder in einern Zusammenhang, beinahe in Abhängigkeit zueinander bringt.
Die Inspiration allein, welche von der lautlichen Nähe der beiden Worte ausgeht reicht aus um nach dem Begriff der Einsamkeit in der Soziologischen Theorie zu fragen und allzu reiche Quellen gibt es nicht. Die wenigen Quellen sollten zumindest erlauben festzustellen, ob auch in der Soziologie Einsamkeit in Abhängikeit vom Begriff der Gemeinschaft festgelegt ist. Das wäre aus dem Grunde naheliegend, dass wenn Einsamkeit begrifflich Gemeinschaftslosigkeit im Sinne von allein nicht mitfasst, der Begriff systematisch aus der Betrachtung einer Wissenschaft verschwindet die Soziales aus Sozialem erklärt. Gewandet in die Begriffe Vereinzellung, Isolation, Vollexklusion taucht der topos Einsamkeit im Sinne von Verlassensein, Alleingestelltsein in der Individualisierungstheorie verschiedener Soziologien auf. ln diesen Formen dient er als Grundlage derjeweiligen Theorie, wird manchmal auch nur gestreift, bleibt aber immer Teil der Betrachtung von Gemeinschaft in der Anordnung einer Gegenüberstellung von Gesellschaft und Individuum.
Die These dieser Arbeit mit "Die Einsamkeit des Akteurs" zusammengefasst ist, dass Einsamkeit in der Art des menschlichen Zusammenlebens seine Ursache hat und nicht in der Gemeinschaftslosigkeit, Vereinzellung oder Alleinstellung.
Es stellt sich die Frage wie Einsamkeit adäquat beobachtet werden kann. Die in der Handlungstheorie entwickelten Akteursmodelle scheinen dazu geeignet. Die Akteurstehorie beobachtet Handlungswahlen und Handlungswirkungen dort wo gehandelt wird und das ist die Gesellschaft. Sollte Einsamkeit durch Akteursmodelle erklärbar sein ist die These bereits unterstützt. Die Arbeit kann durch den vorgegebenen Rahmen kaum akteursbasierte Theorie sein oder einer Handlungstheorie im allgemeinen nahekommen. Geplant ist vielmehr ein Ausloten der Möglichkeiten die dieser Ansatz zur Erklärung bietet.
Zunächst ist festzustellen inwiefern Einsamkeit soziologisches Thema sein kann. Danach wird auch um den thematischen Rahmen wieder zu fassen notwendig herauszufinden, ob homo sociologicus, homo oeconomicus, emotional man und Identitätsbehaupter die Einsamkeit kennen. Wenn ja, wie erklärt sie der jeweilige Akteur, wenn nein, warum kennen die Akteure die Einsamkeit nicht. Konsequent müsste, ist letzteres der Fall, ein neuer Akteur entwickelt werden. Dem könnte der Rahmen dieser Arbeit nicht Rechnung tragen, spannend aber allein schon ob es zu diesem Versuch kommen muss.
1. ) Einsamkeit als soziologisches Problem
Mit dem Titel Dreitzels "Die Einsamkeit als soziologisches Problem" liegt der Löwenanteil dieser Arbeit bereits vor. Dreitzel bietet darin eine greifbare Definition des Begriffs der Einsamkeit an. Dieser wird aus Ermangelung von Vergleichsmöglichkeiten für diese Arbeit zunächst unkritisch herangezogen.
"Einsamkeit kann soziologisch beschrieben werden als ein Kontaktverlust zu den Bezugsgruppen, an denen wir unser Verhalten orientieren und die uns Möglichkeiten der Identifikation mit Relevanzbereichen des sozialen Handelns bieten, in denen wir unser eigenes Dasein als sinnvoll erleben. "
Die Klarheit dieser Definition machte sie als Ausgang der Untersuchung relevant. Denn was Dreitzel hier als Einsamkeit begrifflich fasst hat nicht viel zu tun mit dem heren Bild von Einsamkeit als geistige Tugend, wie es beispielsweise Schelsky in "Einsamkeit und Freiheit" aus historischer Analyse der Tradition der Hunboldtschen Universität als dort vorfindliches Konzept schildert. Schelsky fand heraus, dass diese habituelle Einsamkeit an Universitäten durchaus gefördert wird. Er fuhrt dies auf die positiven Konnotationen welche Einsamkeit in der deutschen Geistesgeschichte zukommt zurück. In diesem Zusammenhang erstaunt auch wenig warum Studenten nach wie vor in Klausur geschickt werden. Ebenso wenig greift Dreitzel die negative Konnotation, die Einsamkeit im Sinne des Verlassenseins zukommt auf. In der Definition kommen die diskussionsfähigen, aber wertfreien Konzepte Interaktion, Verhaltens und Handlungsorientierung, sinnhaft angezeigte Möglichkeiten, damit Sinn und Erwartungshorizont, Identifikation und Erleben vor. Jedes einzelne der Konzepte unter dem Gesichtspunkt Einsamkeit zu untersuchen und zu beschreiben würde eine Auseinandersetzung mit Dreitzels gesamter Sozialtheorie voraussetzen die stark von Plessners Philosophie geprägt ist. Um der Kürze der Arbeit ein weietres Mal Rechnung zu tragen, wird die Definition auch aus diesen beiden umfangreichen Gründen unhinterfragt für diese Arbeit angenommen. Weiterentwicklungen der Definition müssen ausserhalb dieser Arbeit auf ihren Gehalt anhand der Ansätze genannter Theoretiker geprüft sein.
Die provisorisch verwendete Definition für Einsamkeit macht die Schwierigkeit des Begriffs für die Verwendung in der Arbeit mit der Akteurstheorie deutlich. Als Kontaktverlust beziehungsweise als Verlust von Möglichkeiten sozialen Handelns gefasst ist der Begriff negativ definiert, es kommt zu keiner Motivation sozialen Handelns weil soziales Handeln per Einsamkeit ausgeschlossen ist. Vewendbar wäre nur eine positivere Definition des Begriffs in der ein Sozialbezug vorkommt. Bei Elias' tritt der Begriff im Titel "Die Einsamkeit der Sterbenden"[2] in Erscheinung. Mit Aufsuchen dieses Titels aufgrund allein des Vorkommens von 'Einsamkeit' ist die Gefahr verbunden, hier einem Irrlicht zu folgen. Bei einer Suche nach Worten beispielsweise im Katalog einer Bibliothek oder einer Suchmaschine ergeben sich auch für Einsamkeit derart viele Treffer, dass allein dieses Phänomen schon einer Untersuchung wert wäre. Als einflussreicher Soziologe bietet sich Elias zum einen an, wichtiger aber ist, seine Theorie kennt kein gemeinschaftloses Handeln womit sie hinsichtlich der These dieser Arbeit als sinnvoll erscheint weil sie eine weitere Kontaktaufnahme erlaubt womit sich zwischen Dreitzel, Schelsky und Elias ein erster Horizont sinnhaft angezeigter Möglichkeiten des Fortfahrens aufspannt.
2. ) Die Einsamkeit der Sterbenden
Elias bespricht das Thema Einsamkeit innerhalb einer Darlegung seiner Zivilisationstheorie und Informalisierungsthese am Beispiel des gesellschaftlichen Umgangs mit dem Tod und Sterbenden mit dem Ergebnis ,, Der Tod ist ein Problem der Lebenden“. Leider verzichtet Elias auf eine knappe Definition der Einsamkeit. Der Menschenwissenschaftler Elias entwickelte auf Basis soziogenetischer und psycho- genetischer Analyse eine an Prozessen orientierten Soziologie. Daran nachvollziehbar spricht Elias nicht von Einsamkeit, sondern von Vereinsamung.
"Daß, (...), die frühzeitige Vereinsamung der Sterbenden gerade in den entwickelten Gesellschaften besonders häufig vorkommt, ist eine der Schwächen dieser Gesellschaften. “[3]
Deutlich unterstreicht Elias hier nicht nur die Annahme der Prozesshaftigkeit von Gesellschaft, sondern stellt vor allem Vereinsamung als Problem moderner Gesellschaft heraus ''Ihr Verfall isoliert sie. [4] Ihre Kontaktfreudigkeit mag geringer, ihre Gefühlsvalenzen mögen schwächer werden," aber "ohne daß das Bedürfnis nach Menschen erlischt. “ [5] Elias begreift hier Einsamkeit als eine Zwangshaltung in der sich der Einzelne findet. Ein Selbstzwang des Einzelnen der durch die innnerhalb der Modernisierung zunehmenden Zivilisierung über Fremdzwänge internalisiert wird:
"Der Mensch in modernen Gesellschaften wird über gesellschaftliche Regeln hinaus immer stärker auch von Gewissensregeln eingehegt: Darüber ist Inklusion trotz größerer Individuierung der Gesellschaft möglich und die Gesellschaft stabil." [6]
Der Prozeß der Ziviliation veränderte nach Elias' Diagnose auch den Umgang mit dem Tod. Er geht davon aus, das während der Tod früher eine recht öffentliche Angelegenheit war die Pestepedemien radikal den Umgang mit dem Tod veränderten. Davor wurden 'Aussätzige' vor die Stadtmauern verbannt. Mit der Pest wurden Infizierte innerhalb der Stadtmauern in ihren Häusern eingeschlossen, die Pestleichen meist verbrannt. Aus einem Auschluss aus der Gemeinde wurde ein Einschluss innerhalb der Stadtmauern; die Pestleichen verschwanden schnell, personalisierte Gräber waren selten. Die hinsichtlich des Umgangs mit den Toten einsetzende Tabuisierung des Sterbens nahm bis ins Heute zu: Tote Körper verschwinden nun schneller und hygienischer als je zuvor. Verändert hat sich auch die Formensprache der Gesellschaft im Umgang mit dem Tod. Friedhöfe, hygienische schnelle Entsorgung der Kadaver, Friedhofsordnungen, bemerkt Elias, ,, (...) sind im Grunde Formen der Distanzierung der Lebenden von den Toten, Mittel, eine empfundene Bedrohung durch die Nähe der Toten von den Lebenden fernzuhalten. - (...) Angst der Lebenden vor dem Tod.“[7]
Zur Angst der Lebenden vor dem Tod, welche eine Angst vor den Sterbenden mit sich bringt, tritt eine Scheu vor Sterbenden, die, so Elias, durch das Unvermögen verursacht wird starke Emotionen zivilisiert auszudrücken. Der Grund für Einsamkeit als Unterlassenshandlung seitens der Sterbenden erklärt er damit, "Daß der Sinn alles dessen, was ein Mensch tut, in dem liegt, was er für andere bedeutet, (...)." [8]
Sterbende Menschen wissen um Ängste, die sie bei anderen auslösen und isolieren sich selbst der Bedeutung der eigenen Situation wegen um anderer willen. Während Alternde und Sterbende häufig bereits nur eingeschränkt überhaupt Kontakt zu anderen Menschen aufnehmen können, weil die Teilnahme am öffentlichen Leben durch die Gebrechen unter Umständen nicht möglich ist, lässt sich die Unterlassenshandlung auch auf den Wunsch vieler Alternder und Sterbender zurückführen in ihrer Situation nicht gesehen werden zu wollen.
Einsamkeit kann hier als eine Handlungswirkung, die Wahl als normorientiert verstanden werden. Das Unterlassen von Kontaktaufnahmen folgt in diesem Fall dahingehend gemäß Elias Normen, dass aus Fremdzängen aufgrund zunehmender Verdichtung der Verflechtungen zwischen den Menschen zunehmend Zwänge der Selbstdisziplinierung der eigenen Bedürfnisse und Triebe gefordert sind und sei es das Bedürfniss nach Kontakt mit Menschen.
[...]
[1] Linke Seite des Johan Peter Hebel Denkmals im Karlsruher Schlossgarten
[2] Elias, Norbert 1982. Die Einsamkeit der Sterbenden. Suhrkamp, Frankfurt am Main
[3] Ebd. S. 9
[4] Gemeint ist der körperliche und geistige Verfall alternder, sterbender Menschen. ( Anm. d. A.)
[5] Elias 1982, S. 8
[6] Ebd. S.22
[7] EbdS.52
[8] Ebd. S.54
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