Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Staatsbankrotts. Die Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Jahr 2007 mit dem Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes ihren Anfang nahm, verursachte nicht nur Panik auf den globalen Devisen- und Anlagemärkten und eine Vernichtung von privatem Geldvermögen in bis dato ungekanntem Ausmaß, sondern konfrontierte die europäische Öffentlichkeit mit einem Phänomen, das eigentlich als undenkbar galt: Die Insolvenz von Nationalstaaten.
Wäre die Einleitung eines Insolvenzverfahrens für zahlungsunfähige Staaten wie Portugal in Anlehnung an das deutsche Regelinsolvenzverfahren, das bisher nur auf natürliche und juristische Personen, jedoch nicht auf juristische Personen des öffentlichen Rechts angewandt werden kann, denkbar?
Der Versuch der Übertragung der deutschen Insolvenzordnung auf die Insolvenz von Staaten macht deutlich, warum es bis heute im Falle einer Insolvenz eines Nationalstaates zu keiner Konstitutionalisierung im internationalen Rechtsraum gekommen ist. Obwohl das Szenario staatlicher Zahlungsunfähigkeit im Zuge der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise auch für westliche Industrienationen neuen Impetus erfahren hat, gibt es bis heute keine verbindlichen Regelungen, ja noch nicht einmal Ansätze, welche politischen und vor allem rechtlichen Folgen die Insolvenz eines Staates haben könnte.
Unter Berücksichtigung einiger grundsätzlicher Prinzipien, die in erster Linie eine mögliche Einschränkung der staatlichen Souveränität des Schuldnerstaates und die Gewährleistung der Erfüllung seiner staatlichen Aufgaben tangieren, scheint eine Übertragung der Verfahren und Grundsätze der deutschen Insolvenzordnung, insbesondere des Insolvenzplanverfahrens durchaus denkbar.
Die Einleitung eines geordneten Insolvenzverfahrens könnte günstige Voraussetzungen dafür schaffen, die Handlungsfähigkeit des insolventen Staates bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Bedürfnisse der betroffenen Gläubiger wiederherzustellen.
Können Staaten pleitegehen?
Überlegungen zur Übertragbarkeit des deutschen Insolvenzrechts auf Nationalstaaten
Die Staatsinsolvenz – ein realistisches Szenario?
Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Staatsbankrotts. Die Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Jahr 2007 mit dem Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes ihren Anfang nahm, verursachte nicht nur Panik auf den globalen Devisen- und Anlagemärkten und eine Vernichtung von privatem Geldvermögen in bis dato ungekanntem Ausmaß, sondern konfrontierte die europäische Öffentlichkeit mit einem Phänomen, das eigentlich als undenkbar galt: Die Insolvenz von Nationalstaaten.
Im Oktober 2008 gab die isländische Regierung an, die Rückzahlung eines Darlehens nicht leisten zu können. Der isländische Staat hatte sich beim Versuch der Rettung der drei größten Banken des Landes durch Verstaatlichung übernommen. Nur der Finanzhilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Kreditvergabe durch die skandinavischen Nachbarländer konnte eine drohende Staatspleite abgewendet werden.
Massive staatliche Verschuldung trieb im Jahr 2010 auch Griechenland an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Auch hier gelang es nur durch Hilfszahlungen des IWF und durch Finanzhilfen der Europäischen Union einen Staatsbankrott abzuwenden, zumindest vorerst. Auch wenn die Gefahr der Staateninsolvenz in Europa durch Darlehen und Bürgschaften seitens des IWF oder der EU bisher abgewendet werden konnte, stellt sich die Frage, welche Folgen ein Ausbleiben dieser Hilfen hätte.
Dieses Szenario scheint auch für den europäischen Kontinent wahrscheinlicher denn je. Ende März 2011 trat der portugiesische Ministerpräsident José Sócrates in Folge des Scheiterns eines von ihm ausgearbeiteten Sparprogramms im Parlament zurück. Die Kreditwürdigkeit Portugals war von internationalen Rating-Agenturen kurz zuvor massiv abgewertet worden. Dass Portugal sein massives Schuldenproblem aus eigener Kraft stemmen kann, gilt als nahezu ausgeschlossen.1 Ob internationale Kreditgeber einspringen werden scheint angesichts der gescheiterten Sparanstrengungen Sócrates mehr als fraglich.
Eine Insolvenzordnung für Staaten?
Wäre die Einleitung eines Insolvenzverfahrens für zahlungsunfähige Staaten wie Portugal in Anlehnung an das deutsche Regelinsolvenzverfahren, das bisher nur auf natürliche und juristische Personen, jedoch nicht auf juristische Personen des öffentlichen Rechts angewandt werden kann, denkbar?
Auch wenn momentan noch keine völkerrechtlich verbindliche Rechtsordnung existiert, die die Insolvenz von Staaten und ein damit in Zusammenhang stehendendes Insolvenzverfahren regelt, hat es wiederholt Versuche gegeben, solche Verfahren zu entwickeln.2 Der Ausgangspunkt der hier dargestellten Überlegungen, soll hauptsächlich in den Insolvenzverfahrensbestimmungen des deutschen Insolvenzrechtes bestehen, jedoch soll an geeigneter Stelle auf einige international bereits diskutierte Vorschläge zur Regelung einer Staateninsolvenz rekurriert werden.
Die Bestimmungen zum nationalen Insolvenzrecht in Deutschland, das ein Rechtsgebiet des Zivilrechts darstellt und sowohl materiell- als auch verfahrensrechtliche Bestimmungen enthält, finden sich zum einen in der Insolvenzordnung, zum anderen im Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung und der EG-Verordnung Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), letztere sollen im Folgenden jedoch in den Hintergrund treten.
Den Überlegungen zu einer rechtlichen Regelung staatlicher Insolvenzen sei die grundsätzliche Bemerkung vorangestellt, dass eine solche Regelung grundsätzlich nicht auf der Ebene des nationalen Rechts, sondern zwingend auf der Ebene des internationalen Rechts
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1 Schmoll, Thomas/Schäder, Barbara 2011: Ratingagenturen erklären Portugal für so gut wie pleite, in: Financial Times Deutschland Online, 24.03.2011, URL: http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/marktberichte/:eu- schuldendebakel-ratingagenturen-erklaeren-portugal-fuer-so-gut-wie-pleite/60030530.html (aufgerufen am: 31.03.2011).
2 Vgl. hierzu u.a. der Sovereign Debt Restructuring Mechanism, ein rechtlich geordnetes Insolvenzverfahren für Staaten, das 2002 vom Internationalen Währungsfond vorgestellt wurde, dessen Umsetzung und weitere Ausgestaltung in der Folgezeit jedoch ins Stocken geriet (Vgl.: International Monetary Fund 2002: The Design of the Sovereign Debt Restructuring Mechanism—Further Considerations, o.O.; Kämmerer, Jörn Axel 2005: Der Staatsbankrott aus völkerrechtlicher Sicht, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV), 65, S. 651-676, hier: 668ff.).
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- Nils Müller (Author), 2011, Können Staaten pleitegehen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180884
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