Abstract (Kurzbeschreibung)
Die folgende Ausarbeitung der Master Thesis baut auf dem dezentralen Prozessgedanken auf und erhebt den daraus zu erzielenden strategischen und organisatorischen Nutzen für Unternehmungen. Im Zuge der steigenden Internationalisierung der Industrieunternehmen verlangt es eine Abkehr der zentral koordinierten und hierarchisch strukturierten Prozessabläufe, um eine Steuerbarkeit des internationalisierten Unternehmens weiterhin gewährleisten zu können. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die methodische Anwendung der dezentralen Prozessmanagement Philosophie einen positiven Einfluss im Sinne einer prozessorientierten Organisationsgestaltung nimmt Dabei werden ideale Voraussetzungen für mehr Transparenz, Effizienz und Kontrolle basierend auf den Daten der standortspezifischen Prozessabläufe generiert, um auf notwendige Veränderungen, flexibel und rasch reagieren zu können. Gleichzeitig wird die Mitarbeitermotivation gesteigert und der interne Informations- und Kommunikationsaustausch gefördert
Die Anwendung der Methode des dezentralen Prozessmanagements kann als Teil einer Gesamtstrategie für einen langfristigen wirtschaftlichen Erfolg der global tätigen Unternehmungen gesehen werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen von Prozessmanagement
3 Zentralisierung versus Dezentralisierung
3.1 Begriffserklärung
3.1.1 Der Begriff der Zentralisierung
3.1.2 Der Begriff der Dezentralisierung
3.1.3 Zentralisierung und Dezentralisierung als Entscheidung
3.1.4 Operative Dezentralisierung
3.1.5 Strategische Dezentralisierung
3.1.6 Wissensorientierte Dezentralisierung
3.2 Strategie und Gründe der Dezentralisierungspolitik
3.2.1 Trends und neuere Konzepte von dezentralen Steuerungssystemen
3.2.2 Umstieg zu einem dezentralen Prozessmanagementsystem
3.2.3 Konturen der dezentralen Prozessmanagement-Strategie
3.2.4 Anforderungen an das dezentrale Prozessmanagement
3.3 Dezentralisierte Organisation und Führung
3.4 Unternehmenskultur im dezentralen Prozessmanagement
3.4.1 Dezentrale Unternehmenskultur
3.4.2 Organisationskultur-Typen
4 Dezentrales Prozessmanagement
4.1 Definition zu dezentralem PzM
4.2 Konzeptionelle Grundlagen eines dezentralen Prozessmanagements
4.3 Prozessmanager
4.4 Prozessverantwortlicher
4.5 Prozessnutzer
4.6 Entscheidungsstrategien
4.7 Dezentralisierung der Prozesseinheiten
5 Gründe und Rahmenbedingungen eines dezentralen Prozessmanagements
5.1 Unternehmensstrategie und Unternehmensziele im dezentralen PzM
5.2 Wandlungsfähigkeit von Unternehmen
5.3 Globalisierung
5.4 Unternehmensnetzwerk
5.5 Organisation internationaler Unternehmen
5.6 Dezentralisierung der Mikroebene
5.7 Dezentralisierung der Meso-Ebene
5.8 Dezentralisierung der Makro-Ebene
5.9 Prozessverantwortung
6 Status-Quo des Prozessmanagements
7 Empirischer Teil
7.1 Grundlagen für die Datenerhebung
7.2 Methode und Untersuchungsdesign
7.2.1 Datenerhebung
7.2.2 Datenauswertung
7.3 Interviewleitfaden
7.4 Untersuchungsdesign
7.5 Auswahl der Experten
7.6 Resümee der Interviews
7.7 Darstellung der Ergebnisse
7.7.1 Ziele von dezentralem PzM
7.7.2 Erklärung des Begriffes dezentrales PzM
7.7.3 Rahmenbedingungen für dezentrales PzM
7.7.4 Welchen Nutzen hat das dezentrale PzM
7.7.5 Dezentralisierungsgrad
7.7.6 Der Einfluss der Unternehmenskultur und der länderspezifischen Kultur im dezentralen PzM auf den Grad der Dezentralisierung
7.7.7 Welche Bedeutung hat Informationstechnologie und IT-Support im dezentralen PzM?
7.7.8 Bemühungen der internationalen Konzerne ein dezentrales PzM einzuführen
7.7.9 Einflussfaktoren der Rahmenbedingungen und Hürden von dezentralem PzM
7.7.9.1 Einflussfaktoren der notwendigen Rahmenbedingungen für dezentrales PzM
7.7.9.2 Barrieren für die Einführung eines dezentralen PzMs
7.7.10 Zukunftsperspektive: zentrales oder dezentrales PzM
8 Zusammenfassung und Schlussfolgerung
9 Literaturverzeichnis
10 Abbildungsverzeichnis
11 Abkürzungsverzeichnis
12 Anhang
12.1 Expertenliste
12.2 Metadaten zu den Interviewleitfaden
1 Einleitung
Für den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens spielt der Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz eine entscheidende Rolle.1 Im Wirtschaftsleben ist ein effizient stattfindender Informationsfluss und ausreichende Flexibilität maßgeblich für die Wettbewerbsfähigkeit und Strategie eines Unternehmens ausschlaggebend.
Die mit dem 21. Jahrhundert auftretenden Kriterien der Globalisierung und Internationalisierung nehmen einen wesentlichen dynamischen Einfluss auf die sich stetig ändernde kurzfristigere Marktsituation. Die dadurch entstehenden Probleme der höheren Komplexität, des Innovationsdrucks und der kürzeren Produktzyklen erfordern rasche und effiziente Anpassungsfähigkeiten und Strukturen, gerade wenn grenzüberschreitende operative Entscheidungen getroffen werden müssen.2
Der US- Autor und Management Berater Peter S. Pande fasst die Problematiken der Unternehmen wie folgt zusammen:
„The most challenging question confronting business leaders and managers in the new millenium is not ’How do we succeed?’ It’s: ‘How do we stay successful’`` 3
Der wirtschaftliche Marktvorsprung gegenüber dem Wettbewerb, begründet durch Flexibilität und Kundennähe, kann durch ein dezentrales Prozessmanagement (PzM) erreicht werden. Ein Wandel der Organisationsstruktur vom Abteilungsdenken in Richtung dezentraler Prozessorientierung, sowie die Reduzierung der Hierarchieebenen können Impulse für den Fortbestand des wirtschaftlichen Erfolges darstellen.
Es ist ein bedeutungsvolles Argument für die Konzerne schnell auf lokale Bedingungen zu reagieren und treffsichere Entscheidungen fällen zu können. Henry Mintzberg4 sieht die Möglichkeit dazu in der Enthierarchisierung und gleichzeitigem Aufbau einer Dezentralisierung der vernetzten Unternehmensstandorte.
Soziologische Studien zeigen auf, dass die Nebenfolgen von Hierarchien mangelhafte Informationsflüsse in vielen Konzernen darstellen. Dabei scheint sich sowohl das Personal im Management als auch das Personal im operativen Bereich zu beschweren, dass Information nur langsam von oben nach unten diffundieren lassen.5
Die Dezentralisierung hinsichtlich räumlicher und wissensbezogener Aspekte führt zu einem hohen Kommunikations- und Koordinationsaufwand der übergreifenden Geschäftsprozesse.
Die Arbeit untersucht, welcher Nutzen sich durch die methodische Anwendung und Einhaltung der definierten Rahmenbedingungen für Unternehmungen ergeben kann. Dazu wurde aktuelle Literatur zum strategischen, organisationalen und operativen Unternehmensumfeld, zum dezentralen PzM und zum Konzept der Ausprägungen von Zentralisierung und Dezentralisierung analysiert. In der empirischen Erhebung wurden Experten aus dem Unternehmens- und Beratungsumfeld hinsichtlich des Nutzens von dezentralem PzM und deren Rahmenbedingungen für die Umsetzung von weltumspannenden Unternehmungen befragt.
Die gegenständliche Arbeit wird mit den Kapiteln Ausgangsituation und Problemstellung, Zielsetzung und Forschungsfrage eingeleitet. Anschließend folgt der erste Hauptteil der Master Thesis, wo die literarische Aufarbeitung des Themengebietes vorgenommen wird.
Der zweite Hauptteil ist die empirische Aufarbeitung der Ergebnisse aus den Experteninterviews. Dabei werden die transkribierten Bewertungen und Detailinformationen aus den einzelnen Experteninterviews in Textform dargestellt.
Den Abschluss bildet eine Stellungnahme aus den zusammengefassten Resultaten zur Forschungsfrage durch die Beantwortung der Fragen aus dem leitfadengestützten Fragenkatalog.
Ausgangssituation und Problemstellung
Konzerne schwanken im Laufe ihres Lebenszyklus im Spannungsfeld zwischen Zentralisation und Dezentralisation.6 Die stetigen Fusionen und Unternehmensübernahmen in der Industriebranche sind für die ständigen Veränderungen zum Großteil verantwortlich. Die einhergehenden Problematiken wie höhere Komplexität, Innovationsdynamik und kurzlebigere Produkte erfordern eine bessere Organisation und schnellere Anpassungsfähigkeit gerade bei unternehmensübergreifenden Entscheidungen.7
Die Tendenz geht in die Richtung, Planung, Ausführung und Kontrolle in einer organisatorischen Einheit zusammenzuführen. Spezialisierte Abteilungen werden zusammengelegt, wodurch es zu einem Abbau der Hierarchieebenen kommt.
Abgeleitet bedeutet eine starke Zentralisierung, dass Autonomie und Verantwortung in der Unternehmenszentrale gesteuert wird. Dezentralisierung andererseits bedeutet weitestgehende Autonomie und Selbstverantwortung vieler Aufgabenträger, die sich untereinander weitgehend gleichberechtigt selber koordinieren.8
Die in den letzten Jahren durch die „Lean Management Methode“ ausgelösten Veränderungsprozesse in den Unternehmen führen zur Streichung von Hierarchieebenen und zur Dezentralisierung von Geschäftsbereichen, um starre zentralistische Organisationen in prozessorientierte Organisationen umzuwandeln, die den veränderten Kundenwünschen folgen können.9 Die Probleme der zentralen Unternehmen können heute folgendermaßen dargestellt werden: 10
Globalisierung der Märkte, tendenzielle Abgleichung von Nachfragepräferenzen, erhöhte Bedeutung von Informationstechnik- und Kommunikationstechnik (IuK), weltweite Umstrukturierungsmaßnahmen in Wirtschaft und Gesellschaft, verschärfter Wettbewerbsdruck, Entstehung von schlecht kalkulierbarem Risiko durch rasanten technologischen Wandel, extreme Wechselkursschwankungen, Störungen der Ressourcenverfügbarkeit und Umweltdynamik. Die Effektivität und Effizienz eines Unternehmens ist ständig neu zu beleuchten.
In der weiteren Ausführung wird versucht, in dem definierten Untersuchungsfeld den Zusammenhang von Zentralisierung und Dezentralisierung aus theoretischer Sicht den Beobachtungen der Praxis gegenüberzustellen. Es geht daher um die Frage, welche Umstände für eine dezentrale Prozessausrichtung sprechen können.
Für die Gestaltung und Optimierung der Geschäftsprozesse im bestehenden Marktumfeld, in dem vielfältige Vernetzungen zu unerwarteten Instabilitäten führen, sind neue Vorgehensweisen und neue Werkzeuge erforderlich.
Für das Gelingen der Arbeit ist die Ausarbeitung, wie ein dezentrales Prozessmanagement aus der entwickelten Sicht des Autors dargestellt und beschrieben werden kann, unabdingbar, und stellt die notwendige Wissensbasis für die Erforschung des empirischen Teiles dar.
Die Gesamtunternehmenssteuerung wurde in der Vergangenheit zumeist durch verschiedenartig durchgeführte Prozesse beachtlich erschwert. Als eine wichtige Variable ist die spezifische Produktanpassung an die lokalen Märkte zu nennen, wo in rascher Frequenz individuelle Abänderungen in den Produktsegmenten gefordert werden. Neben der globalen Marktsituation mit weitgehend standardisierten Produkten und dezentralisierten Entscheidungen kommt die Option einer spezifischen Anpassung an den einzelnen Kunden hinzu.11
Die steigende Komplexität, Dynamik und die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, mit der die Unternehmungen in den letzten Jahren konfrontiert worden sind, zeigen, dass die historischen, funktionalen Abteilungsstrukturen hinterfragt werden müssen.
Die von Unternehmungen bisher stark dominierende Organisation nach Funktionen ist spätestens mit den Ansätzen von „Business Reengineering“ (Hammer, Champy 1994), „Lean Production“ (Womack u.a. 1992), „time based competition“ (Stalk, Hout 1991) und nicht zuletzt durch das Konzept der „Fraktalen Fabrik“ (Warnecke 1992) durch eine prozessorientierte Organisationsausrichtung in Frage gestellt.
Diese Gestaltungsalternativen vervielfachen sich nochmals, wenn sich nicht nur das einzelne Unternehmen, sondern der gesamte Konzern prozesstechnisch weiterentwickeln soll.
Instabile Geschäftsprozesse und nicht klar festgelegte Schnittstellen führen in einem komplexen Marktumfeld zu einer Stagnation des Wirtschaftswachstums, was mit neuen Vorgehensweisen und Werkzeugen verhindert werden kann. Als zusätzliche Variable kommt die immer häufiger auftretende Notwendigkeit einer Anpassung der Produkte an den lokalen Markt hinzu, denn von den Märkten werden vermehrt individuelle Produkte gefordert. Daher tritt neben der globalen Wertschöpfungskette mit weitgehend standardisierten Produkten und dezentralisierten Entscheidungen die Option einer spezifischen Anpassung an den einzelnen Kunden hinzu.12
Der vordergründige Aspekt der verschiedenen Lean-Management-Konzepte sind Hierarchieabbau und Transparenz von Kooperation– und Kommunikationsprozessen, die eine Abkehr von zentral ausgerichteten Industrieunternehmen bedeuten. Folgt man diesen Lean-Konzepten, wird eine Änderung in virtuellen, internationalen verteilten Netzwerken, als eine unumgängliche Unternehmensstrategie gesehen.13
Die Kernfrage die an diese Arbeit gestellt wird, heißt:
„Nutzen und Rahmenbedingungen für die Umsetzung von dezentralen Prozessmanagement“ Die dezentrale Koordination der systematischen Nutzung der Unternehmenseinheiten ist die Voraussetzung, um auf die unterschiedlichen, internationalen Marktanforderungen effizient und rasch reagieren zu können.
Zielsetzung der Arbeit
Die Methodenumsetzung von PzM ist schwierig und herausfordernd. Eine neue Methodik kann nur dann gewinnbringend sein, wenn die Methoden des Unternehmens verstanden werden, denn das Wesen des PzMs ist ein bewusster Umgang mit Menschen in Organisationen, mit Innovation und Kreativität. PzM-Projekte scheitern aber oft oder liefern Ergebnisse, die weder die eigenen Mitarbeiter zufriedenstellen, noch die angestrebten wirtschaftlichen Ziele erreichen, weil sie oftmals einen Kreislauf sich selbstverstärkender Rückkopplungen in Gang setzen.14
Ziel ist es, aus der Sicht der internationalen Unternehmen den Nutzen und neue Perspektiven einer dezentralen Organisationsentwicklung zu erläutern, sowie deren Einbettung in die gesamte Konzernstruktur darzustellen. Die Dezentralisierung hinsichtlich räumlicher und wissensbezogener Aspekte führt zu einem hohen Kommunikations- und Koordinationsaufwand der übergreifenden Geschäftsprozesse. Die Intention dieser Master Thesis ist es, den Nutzen und die Rahmenbedingungen von einem zentralistisch strukturierten zu einem dezentralistisch ausgerichteten Konzern darzustellen.
Forschungsfragen
Zur besseren Strukturierung der Master Thesis wird diese in zwei Forschungsfragen unterteilt:
Was ist der Nutzen von dezentralem PzM und welche Rahmenbedingungen sind für die Umsetzung nötig? Wie ist der Status- Quo des PzMs in Unternehmen mit verschiedenen Standorten?
Daraus abgeleitet ergibt sich ein möglicher Informationsbedarf, der durch Beantwortung folgender Teilfragen abgedeckt werden kann:
- Welche Potentiale und welchen Nutzen hat der Einsatz eines dezentralen PzMs für internationale Konzerne?
- Welche Methoden werden derzeitig eingesetzt bzw. könnten zum Einsatz gelangen?
- Eine hundertprozentige Dezentralisierung ist laut der in Betracht gezogenen Literatur nicht praktikabel. Wie kann ein optimaler Dezentralisierungsgrad dargestellt werden?
- Inwieweit muss die Organisationsstruktur durch das dezentrale PzM geändert werden?
- Welche generellen Ziele werden mit einem dezentralen PzM verfolgt?
- Welche Rolle spielt der kulturelle Aspekt im dezentralen PzM?
Methodik und Vorgehensweise
Die Master Thesis untersucht ein Thema, das sowohl für die wissenschaftliche Theorie, als auch für die industrielle Praxis eine hohe Relevanz aufweist. Zuallererst wird die Methodik der Literaturanalyse angewandt. Unter Verwendung einschlägiger Literatur über das PzM und im speziellen über dezentrales PzM, wird ein theoretischer Bezugsrahmen geschaffen.
Die ausführliche Literaturrecherche diente der Erhebung des aktuellen, theoretischen Wissenstandes bezogen auf dezentrales PzM. Um sich den Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen des dezentralen PzMs aus der Sicht der Industrie anzunähern, wird ein qualitatives Erhebungs- und Auswertungsverfahren gewählt. Die qualitative Erhebung in Form von halbstandardisierten Experteninterviews soll die Antwort auf die genannte Fragestellung liefern. Für die empirische Untersuchung werden ausgewählte Experten in Konzernen und in Beratungsfirmen befragt. Die Konzerne bilden den organisatorischen Rahmen, innerhalb welchem ein dezentrales PzM stattfindet.
Überblick über die Arbeit
Der Aufbau der Arbeit lässt sich direkt aus der Beschreibung der vorliegenden Arbeit ableiten. In Kapitel zwei wird zunächst eine übersichtliche Einführung in die Grundlagen von PzM vorgenommen, außerdem werden die bedeutsamsten Definitionen des PzMs vorgestellt. Nach der Vorstellung der Grundlagen von PzM wird in das Kapitel drei mit der Darstellung der Begrifflichkeiten von Zentralisierung und Dezentralisierung übergeleitet. Im Weiteren beleuchtet dieses Kapitel die Themen Strategie, Organisation und Führung, Organisationsstruktur und den kulturellen Aspekt im dezentralen PzM.
In Kapitel vier wird zum eigentlichen Forschungsthema übergeleitet. Zunächst wird in vorgenommenen Präzisionsschritten eine Definition für dezentrales PzM erarbeitet. In einem weiteren Vorgehen werden die konzeptionellen Grundlagen eines dezentralen PzMs erläutert und die dazu notwendigen Rollenbilder, wie Prozessmanager (PM) und Prozessverantwortlicher (PV) charakterisiert.
Das Kapitel fünf widmet sich den Gründen und Rahmenbedingungen eines dezentralen PzMs. Darin wird der Frage nachgegangen, welcher Wandel in Unternehmen vorgenommen werden muss, damit die dezentrale PzM-Strategie und deren Praktiken einen für das eigene Unternehmen ökonomischen Nutzen erbringt.
Im nachstehenden Kapitel sechs wird der Status- Quo des PzM beleuchtet. Die Erhebung dazu wird durch aktuelle Untersuchungsstudien die zu diesen Themen durchgeführt wurden, vorgenommen. Ferner wurden Vorträge, die im diesjährigen „Business Circle 2011“ präsentiert wurden, und der Darstellung der Aktualität des Themas dienen, in diesem Kapitel berücksichtigt.
In Kapitel sieben findet die Überleitung in den empirischen Teil der Arbeit statt, in dem die Untersuchungsergebnisse aus den durchgeführten Experteninterviews visuell aufbereitet und interpretiert werden.
2 Grundlagen von Prozessmanagement
Es ist nicht unsere Aufgabe, die Zukunft voraus zu sagen sondern auf sie gut vorbereitet zu sein. Perikles (Der attische Staatsmann) In den Unternehmen ist derzeit ein massiver Umstrukturierungsprozess zu beobachten. Ein erkennbarer Hintergrund dafür ist die Umweltdynamik und der stetig wachsende Wettbewerbsdruck, der in den verschiedenen Unternehmungen die Aktivierung neuer Organisationsstrukturen erzwingt. In den seltensten Fällen erfolgen diese Strukturänderungen automatisch, sondern setzen ein Prozessdenken voraus.15
Die sicher installierten Organisationsfunktionen werden von dynamischen Funktionen, die sich aus marktevaluierten Kompetenzkernen ergeben, abgelöst. Diese Neuausrichtung der Prozesse bedarf hoher Anstrengungen, die mit beträchtlichem Aufwand verbunden sind. Mit der Prozessorganisation soll letztlich das optimale Zusammenwirken aller Funktionen in einem Unternehmen gewährleistet werden. Im Rahmen der klassischen Aufbauorganisation vollzieht sich das dezentrale PzM parallel und in Ergänzung zu dieser. Daher ist es das Bestreben der Unternehmen, sich mit innovativen Instrumenten, wie einer dezentralen Prozessausrichtung einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz zu schaffen. Laut den Erkenntnissen von Chandler sind Konzerne nur dann erfolgreich, wenn es gelingt, die Vision „structure follows strategy“ umzusetzen. 16
Im folgenden Kapitel wird die Darstellung der wesentlichsten Grundlagen von PzM, die zu einem besseren Verständnis dieser Managementphilosophie beitragen, vorgenommen.
In der heutigen industrialisierten Umgebung ist eine erfolgreiche Unternehmensführung ohne PzM kaum mehr durchführbar. PzM wird in der Literatur als Instrument zur Realisierung der umfassenden Prozessorientierung im Unternehmen definiert. Es dient als Organisationsgestaltungswerkzeug damit eine erfolgreiche Unternehmensführung im Spannungsfeld des Kundenmarktes etablieren werden kann. Die Optimierungen mittels eines PzM in Unternehmen, haben dabei immer Auswirkung auf die Aufbauorganisation, durch die Beschreibung von Schnittstellen, Definition von Zuständigkeit und Kompetenz.17
Das auf PzM ausgerichtete Konzept von Vorgehensweisen, Verantwortlichkeiten, IT-Unterstützung und kulturflankierenden Maßnahmen; ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, um im Unternehmen eine effektive und effiziente Prozessorganisation zu gewährleisten.18
Es stellt sich die Grundfrage, wie ein Prozess beschrieben werden kann.
In der Literatur sind zahlreiche Bedeutungen und Definitionen zu dem Begriff „Prozess“ zu finden.
Das Wort „Prozess“ kommt aus dem Lateinischen „procedure“ und bedeutet „vorangehen“ bzw. „vorgehen“. Die Prozessdefinition nach DIN EN ISO 9000: 2000 besagt, dass ein Prozess ein „ Satz von in Wechselbeziehung oder Wechselwirkung stehenden Tätigkeiten ist, der Eingaben in Ergebnisse umwandelt“. Anhand dieser Definitionsbeschreibung ist ein Prozess eine Abfolge von Tätigkeiten im Unternehmen, in dem Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe eingesetzt und nach einem vorgegebenen Regelwerk zu einem Produkt umgewandelt werden.19
Fischermanns beschreibt „Prozess“ als eine Struktur, deren Elemente Aufgaben haben, Aufgabenträger, Sachmittel und Informationen sind, die durch logische Folgebeziehungen miteinander verknüpft sind. Fischermanns führt weiter aus, dass ein Prozess ein definiertes Startereignis (Input), eine Tätigkeit und ein Ergebnis (Output) hat und das Ganze dazu dient, einen Wert für den Kunden zu schaffen. 20
Allgemein ausgedrückt kann man unter einem Prozess eine Reihe von Unternehmensaktivitäten verstehen, die aus einem definierten Input ein definiertes Ergebnis (Output) generieren. Dabei werden Einsatzfaktoren, wie z.B. Arbeitsleistung, Betriebsmittel, Energie Werkstoffe und Information als Input für den Prozess benötigt. Der Input wird von dem Lieferanten bereitgestellt und daraus ergibt sich der Output für den Kunden.
Der Begriff „Prozess“ macht noch keine Aussage über die Begrenzung, die Reichweite, den Inhalt und die Struktur, sowie die jeweiligen Empfänger des Prozessergebnisses. Bereits wenige Arbeitsschritte zur Erstellung eines Arbeitsergebnisses sind ein Prozess. Dabei kommt es darauf an, diese effektiv miteinander zu verbinden und effizient aufeinander abzustimmen, so dass das Ergebnis der Prozesskette die Anforderungen, Wünsche und Erwartungen des externen Kunden erfüllt (siehe Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Definition von Prozess und Geschäftsprozess 21
Für die optimale Aneinanderreihung der Aktivitäten wurde das Konzept des Geschäftsprozessmanagements entwickelt.22
Laut Ferk sind Geschäftsprozesse (GPe) Abläufe im Unternehmen, deren Leistungen in einer Wertschöpfungskette miteinander verknüpft sind. Beispielsweise können die Abwicklung eines Auftrages, die Bearbeitung einer Kundenanfrage oder die Entwicklung eines Produktes angeführt werden. 23
Eine sehr ausführliche Darstellung ist die Formulierung von Becker, der GPe als die inhaltlich abgeschlossene, zeitliche und sachlogische Folge von Aktivitäten, die zur Bearbeitung eines betriebswirtschaftlich relevanten Objekts notwendig sind, definiert. 24
Die Definition von Becker ist mit jener von Scheer inhaltlich identisch. Auch Scheer bezieht sich in seiner Definition auf die zusammengehörige Abfolge von Unternehmensverrichtungen, die dem Zweck einer Leistungserstellung dienen. Ergebnis des GPes ist eine Leistung, die seitens eines internen oder externen Kunden angefordert und abgenommen wird. 25
Alle Aktivitäten im Unternehmen können in Form von Prozessen abgebildet werden. Die Prozessdarstellungen können in verschiedenen Formen durchgeführt werden. Das Prozessmanagementsystem (PzMS) bedient sich dabei eines vielseitigen Werkzeugkoffers, der von einer einfach aufgebauten graphischen Darstellung bis hin zu einer IT-unterstützenden Simulationslandschaft Einiges umfasst. 26
Am Anfang eines Prozess stehen zumeist immer die Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden. Die Bereitstellung der erforderlichen Leistung an die Kunden ist der entsprechende Ausdruck am Ende des Prozesses. Die Charakteristik der GPe stellt die Anforderungs-Leistungs-Beziehung für die Unternehmen dar, indem alle Aktivitäten, organisatorisch gebündelt werden.
Die Überwindung der nicht strukturbedingten Bruchstellen der Prozessketten in Organisation mit funktionaler Ausrichtung, wird durch die Etablierung und Anwendung von GPe ermöglicht. Dabei werden die Aktivitäten des Unternehmens (siehe Abbildung 2) auf die Erfüllung von Kundenanforderungen sowie deren Erreichung der erklärten Geschäftsziele ausgerichtet.27
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Komponenten eines Geschäftsprozesses28
Eine wichtige Rolle im PzM nimmt heutzutage die Informationstechnologie (IT) ein. Für die Erstellung der Modellierung von Ist- und Sollprozessen stellt die IT ein sehr umfangreiches Einsatzpaket an Werkzeugen zur Verfügung, das von der einfachen Visualisierung der Prozesse bis hin zu einer Analyse und Simulation von Prozessen reicht.29
Die Auswahl eines geeigneten Modellierungswerkzeugs für die Notation muss dem Einsatzzweck im Unternehmen angepasst werden. Für Unternehmen mit komplexen und standortübergreifenden Prozessen können Modellierungswerkzeuge im Rahmen der vorhandenen Funktionsmöglichkeiten unterstützend wirken.30
Eine genauere Darstellung der Softwareprogramme erfolgt in dieser Ausarbeitung nicht, da dieses umfangreiche Themengebiet den vorgegeben Rahmen übersteigt.
Einige moderne IT-Strukturen sind die technische Basis, ohne die ein PzMS nicht funktionieren kann und sie beeinflussen gleichzeitig auch Organisation und Management. Die vermehrte Anwendung der neuen IT- Lösungen ermöglicht eine länderübergreifende Zusammenarbeit und trägt zur Steigerung internationaler Kooperation bei.31
Die Kommunikation die zwischen Mitarbeitern stattfindet, weist laut den Erkenntnissen der Kommunikationspsychologen inhaltliche und verhaltensbezogene Komponenten auf.
Eine deutliche Mehrheit der Prozesse im Unternehmen benötigt für den erfolgreichen Ablauf ein Mindestmaß an standardisierter Kommunikation, damit ein reibungsloser Ablauf funktionieren kann.
Das von Watzlawick erstellte Kommunikationsmodell bezieht sich im Speziellen auf die Theorie der verhaltensbezogenen Wirkung der zwischenmenschlichen Kommunikation. 32
Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Kommunikationsbegriff wird in dieser Arbeit nicht weiter verfolgt, da die Bedeutsamkeit für das Funktionieren eines PzMs als allgemein bekannt vorausgesetzt wird. Mit dem umfassenden PzM wurde der ganzheitliche Steuerungsansatz in das Zentrum gestellt, um damit die Potentiale an den Schnittstellen von Unternehmen weiter zu verbessern. Die übergeordnete Aufgabe dient für die Prozesssicht des Kunden und Unternehmens zu definieren und Hürden für die Erreichung der Ziele zu überwinden. Ein End-to-End Prozess lässt sich laut Horvath und Partners mit der Charakterisierung eines wertschöpfenden Prozess, der durch einen Kunden (intern/extern) initiiert wird und ohne Prozessbrüche bei dem Kunden (intern/extern) endet. Der Prozess kann dabei mehrere funktionale Geschäftsbereiche durchlaufen. Für den erfolgreichen Ablauf von End-to-End Prozessen ist immer ein definierter Start- und Endpunkt.33
3 Zentralisierung versus Dezentralisierung
Ziel dieses Abschnittes ist die theoretische Ausarbeitung der Dezentralisierung als Wandlungsprozess im Konzern. Über die Begriffsdefinition des Paares Zentralisierung und Dezentralisierung herrscht in der Literatur keine einheitliche Meinung. Zur Einordnung der Begriffe Zentralisierung und Dezentralisierung im Kontext der Prozessmanagement Lehre ist eine genauere Betrachtung notwendig. Diese Termini beziehen sich auf die Verteilung von Entscheidungen und Aufgaben innerhalb einer wirtschaftlichen Einheit (Konzern bzw. Unternehmen).34
3.1 Begriffserklärung
Hungenberg beschreibt anhand seiner Darlegung das Begriffspaar als Ausrichtung desselben auf einen gedachten Mittelpunkt, wobei Zentralisation in Richtung einer Akkumulation von Elementen auf diesen Punkt wirkt.35
Dezentralisation ist dieser Ansicht entgegengesetzt und findet damit aus der systemtheoretischen Sicht nach Kosiol Unterstützung.36
Die organisationstheoretische Sicht ist fokussiert auf die arbeitsteilige Erfüllung einer Aufgabe und ist somit die Zuordnung von Aufgaben oder Entscheidungsrechten in strategischer und operativer Art auf Einheiten innerhalb der Unternehmung.
Die Beschleunigung des ständigen Wandels ist bei den Industrieunternehmen, die globale, wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, sehr stark ausgeprägt. Hinter dem nach außen wahrnehmbaren Unternehmen verbirgt sich ein Netzwerk von dezentralen Gruppen und Untergruppen, die mit anderen Arbeitseinheiten auf der ganzen Welt Kontrakte abschließen.37
3.1.1 Der Begriff der Zentralisierung
Der Begriff der Zentralisierung beschreibt die Konzentration von Entscheidungskompetenzen auf wenige Funktionen des Unternehmens. Dabei werden identische Aufgaben oder Tätigkeitsbereiche zu einer Applikation zusammengeführt. Die Entscheidungsbefugnisse liegen bei der obersten Führung. Die strategischen und operativen Einheiten stellen den Kompetenzrahmen der Entscheidungen dar.38
Demzufolge lassen sich folgende Arten der Zentralisierung unterscheiden:
Verrichtungszentralisierung
Gleichartige Verrichtungen werden zu Aufgabenkomplexen zusammengefasst
Objektzentralisierung
Verrichtungen an gleichartigen Objekten werden zu einem Aufgabenkomplex zusammengefasst.
Entscheidungszentralisierung
Entscheidungsaufgaben werden zu Aufgabenkomplexen zusammengefasst.
Nach Springer führen die bei der Zentralisierung vorgenommenen Zusammenfassungen der strategischen und operativen Entscheidung zu langwierigen Prozessen und Informationsverlusten.39
Für die zentral organisierten Unternehmen können nach Braczyk und Schienstock folgende wesentliche Nachteile abgeleitet werden:
- langwierige Entscheidungsprozesse,
- Verlust an Information,
- eine starre Organisationsausrichtung,
- aufwändige Kontrollverfahren im Konzern und erhöhte Personalkosten, verursacht durch eine aufgeblähte Organisationsstruktur,
- die zahlreichen Hierarchiestufen führen zu einem gehemmten Informationsfluss
- top-down sowie bottom-up, die dadurch nur selektive und nicht aktuelle Information der verschiedenen Instanzen im Unternehmen erfahren.40
Im Zuge der Zentralisation werden mehrere gleichförmige Aufgaben oder Disziplinen in einer Stelle oder Abteilung zusammengefasst, infolge dessen resultiert eine Konzentration der Entscheidungskompetenzen auf wenige Stellen im Unternehmen, wobei alle strategisch relevanten Entscheidungen und operativen Kontrollaktivitäten in den Kompetenzrahmen der zentralen Führungseinheit fallen.41
Unternehmen, die Massenproduktion betreiben und in einer relativ stabilen Umwelt mit langen Produktzyklen agieren, sind zumeist zentralistisch organisiert.
3.1.2 Der Begriff der Dezentralisierung
In dieser Arbeit wird Dezentralisierung von Unternehmen im Zusammenhang mit der unternehmerischen Organisationsstrukturbildung eines Konzerns verstanden.
Im Allgemeinen wird unter dem Begriff „Dezentralisierung" die Verteilung von Entscheidungskompetenzen innerhalb des Systems auf autonome oder teilautonome Unternehmenssysteme verstanden. Auf internationale Konzerne bezogen bedeutet dies, die Übertragung von Entscheidungskompetenzen und von administrativer Verantwortung auf dezentrale Unternehmensstandorte auszulagern.
Dezentralisierung hat sich in den 80er Jahren mit der Einführung von Unternehmenseinheiten, die divisionäre Strukturbildung aufweisen, etabliert. Bei dieser Unternehmensausrichtung liegt das Augenmerk auf der Konzentration auf die Kernaktivität des Unternehmens. Die weiteren Ausprägungen dieser Entwicklungsphase sind der Abbau von Hierarchien, die Etablierung flexibler Subeinheiten, Delegation von Tätigkeiten in die unteren Bereichsebenen, sowie die Gründung von Cost- und Profit-Centern, bis hin zur Bildung von Unternehmensnetzwerken.42
In der Dezentralisierung ist die Tendenz, dass die Entscheidungsgewalt vom Mittelpunkt des Unternehmenssystems vorgenommen wird und sich auf die nachgeordneten Organisationseinheiten gleichermaßen verteilt.43
Springer bezeichnet beiliegend die Dezentralisierung mehr als nur eine Alternative zur Zentralisierung zu sein, sondern eine Modernisierung der Zentralisierung.44
Der Prozess der Dezentralisierung umschreibt die horizontale Aufteilung von Befugnissen zur Entscheidung durch eine systematische Zuordnung von Aufgaben in den Verantwortungsbereich anderer Hierarchieebenen. Dadurch erfolgt ein Abbau traditionell errichteter Häufungspunkte zentraler Entscheidungsbefugnisse.45
Bei einer dezentralen Organisationsstruktur findet, im bekannten Spannungsfeld von strategischen Entscheidungen, hierarchischen Vorgaben und der Delegation von Aufgaben in die nächste Funktionsebene ein tiefer Kommunikationsaustausch zwischen den einzelnen Niederlassungen statt.46
Dezentralisierung wird von Deutschmann folgendermaßen beschrieben: „Dort, wo sich die Marktnachfrage rasch verändert, wo komplexe und innovative Produkte und Dienstleistungen gefragt sind, versagt das bürokratische Organisationsmodell. Hier erweisen sich netzwerkförmige, dezentralisierte und wenig formalisierte Strukturen als überlegen.“47
Eine weitere Art, sich den Ausprägungen von Dezentralisierung zu nähern, ist die bekannte und verbreitete Unterteilung in drei Formen:
- Dekonzentration
- Delegation
- Devolution48
Unter Devolution wird hierbei die höchste Form der Dezentralisierung verstanden, die zu autonomen, lokalen Unternehmenseinheiten führen soll. Mit Delegation und Dekonzentration wird eine Form der Zusammenarbeit praktiziert, in der die Unternehmenszentrale die Unterebene der verschiedenen Unternehmensstandorte einer straffen Kommunikation unterzieht und das Spektrum der transferierten Machtbefugnisse relativ klein ist. Delegation stellt dabei die schwächste Form der Dezentralisierung dar.
Bassen gliedert anhand seiner empirischen Studie den Begriff „Dezentralisierung“ in drei sich ergänzende Dimensionen. Er untersucht diese auf Inhalt, Richtung und Dynamik.49
Zu trennen ist hierbei die operative von der strategischen Dezentralisierung. Erstere umfasst dabei die Übertragung von Entscheidungs- und Kompetenzaufgaben auf die operative Ebene im Unternehmen und zielt damit auf eine Erhöhung von Verantwortlichkeiten ab. Letztere umschreibt die Übertragung von Kompetenzbereichen auf neudefinierte oder unternehmensexterne Bereiche zum Zwecke der Reorganisation.50
Die Merkmale einer dezentralen Organisation zeichnen sich durch bestimmte Ausprägungen aus, die sich wie folgt darstellen:51
Gleichberichtigte Mitglieder
In dezentralen Unternehmen sind Wissen und Macht gleichmäßig verteilt und werden nicht formalen Hierarchien zugeordnet.
Starke Ideologie und Normen
Dezentrale Unternehmen leben von einer starken Ideologie, Standardisierung und Normen, die den Charakter der Einheit darstellen. Dies bedeutet stärker auf gemeinsam entwickelte Leitlinien und Ziele, anstatt auf autoritäre Befehlsgewalt zu setzten.
Hohe Flexibilität
Dezentrale Unternehmen können sich flexibel um ihre Leitlinien und Ideologien immer wieder rasch neu gruppieren. Durch die gewährten Freiräume der Teammitglieder, können sich diese den sich ändernden Begebenheiten vor Ort rasch anpassen.
Direkte Kommunikation
In dezentralen Unternehmungen findet die Kommunikation in der Netzwerkorganisation zwischen den Teammitgliedern auf direkte Weise statt. Um dem Ideal der dezentralen Kommunikation näher zu kommen, verwenden Unternehmen Firmen-„Wikis“52, bei denen die Mitarbeiter über Hierarchie-Ebenen hinweg, die notwendige Information versenden, abrufen und gegebenenfalls ergänzen können.
Kopflosigkeit
Unter Kopflosigkeit wird verstanden, dass der Vorgesetzte laut den Netzwerkexperten Brafman und Beckström nicht als Befehlshaber, sondern als Moderator auftritt, der in erster Linie seine Ideologien weitergibt, die betroffenen Personen inspiriert und ihnen als Vorbild dient. Für Manager und Führungspersonen der Konzerne bedeutet diese Ideologie eine Änderung des Führungsverständnisses.
Die Frage nach Zentralisierung oder Dezentralisierung wird immer öfters von den Unternehmen gestellt. Im Bereich der Unternehmensführung wird diese Frage zumeist falsch gestellt, denn ein Unternehmen, das sich ausschließlich zentral organisiert, wird ebenso wenig wirtschaftlich erfolgreich sein, wie ein solches, das vollständig auf zentrale Steuerung verzichtet. Vielmehr wird es notwendig sein, die Gegebenheiten des zu bedienenden Marktes, sowie die internen Unternehmensbereiche zu analysieren und anschließend eine Gegenüberstellung der beiden Systeme von Zentralisierung und Dezentralisierung für das Unternehmen vorzunehmen.
Der Artikel von Dagmar Recklies behandelt das Thema Zentralisierung und Dezentralisierung und untersucht dabei welche Faktoren die Wahl der Unternehmensstruktur eines Unternehmens dabei beeinflussen. In ihrer eingehenden Analyse werden an dieser Stelle die wichtigsten genannt:
- Die Größe des Unternehmens,
- Die Geschwindigkeit, mit der Entscheidungen gefällt werden müssen,
- Die Fragen der Motivation durch Delegation im Einklang mit der Fähigkeit und Bereitschaft der Manager, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, sowie der Einfluss des Wettbewerbs.53
Die richtige Verteilung der Entscheidungsbefugnis wird in dem Artikel „Wie werden Entscheidungsbefugnisse effizient verteilt“ von Nicole Pfeiffer Tobias Rüggeberg und Jens Schumacher behandelt und zeigt weiters die Aktualität, die seit der Darstellung der Organisationslehre im Gange ist, auf.54
3.1.3 Zentralisierung und Dezentralisierung als Entscheidung
Die Prinzipien von Zentralisierung oder Dezentralisierung beschreiben eine Verteilung der Entscheidungsgewalt in den hierarchischen Führungsebenen.
Die Tendenz zu Entscheidungszentralisierung führt dazu, dass Befugnisse, die in der obersten Führung beschlossen werden zunehmend ausgelagert werden. Die Entscheidungsgewalt nimmt von Ebene zu Ebene kontinuierlich ab. Die Richtlinien, die von der Konzernzentrale vorgegeben werden, sind von den Führungskräften als solche zu befolgen und umzusetzen.
Die Entscheidung der Dezentrale hingegen zielt darauf ab, eine vermehrte Verteilung von Entscheidungsbefugnissen in den einzelnen Unternehmensbereichen zu etablieren.
In der industriellen Revolution herrschte die Meinungsvertretung, dass die Aufgabe eines Mitarbeiters darin bestünde, sich ausschließlich der ihm zugewiesenen Aufgabe zu widmen und dabei nicht zu denken und keine eigenständigen Entscheidungen zu fällen. Dieses Vorrecht wurde dem Management vorbehalten, das tatsächlich einen besseren Überblick als jene in der nächsten Ebene hatte, da ihm mehr Informationen zur Verfügung standen. Aufgrund der besseren Informationsüberlieferung konnten sie wohl auch bessere Entscheidungen treffen. Die Kosten eines derartigen hierarchischen Entscheidungssystems sind aus heutiger Betrachtung für die meisten Unternehmen ein zusätzlicher Faktor der zu einem unergiebigen Geschäftserfolg beiträgt. Wenn für jede Zustimmung oder Absegnung einer Entscheidung eine übergeordnete Stabstelle gerufen werden muss, sind diese Entscheidungswege für einen turbulenten schnelllebigen Markt empfindlich zu langsam. Eine Entscheidungsdezentralisierung in Kombination mit einer auf die Anwendung abgestimmten Informationstechnologie kann ein möglicher technischer Fortschritt sein.55
Der Dezentralisierungsgrad ist der Spakat der totalen Autokratie (Zentralismus) bis zur freien Selbstbestimmung (Totale Freiheit) über Arbeitsprozesse, Ressourcen, Ziele und Ergebnisse. Die optimale Kombination zentraler und dezentraler Organisationselemente, die in Abhängigkeit der jeweiligen Marktkonstellation unterschiedlich ausfallen, ist die Grundbasis für den Dezentralisierungsgrad. Durch die zahlreichen Varianten von unterschiedlichen Kombinationen von Zentralisierung und Dezentralisierung wird in der Studie von Tim Zimmermann, Maren Hauptmann und Theresa Tenneberg vom Kontinuum der möglichen Dezentralisierungsgrade gesprochen (siehe Abbildung 3).56
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Kontinuum möglicher Dezentralisierungsgrade57
Auch in dem folgenden Beispiel konnte mit Hilfe einer Verbesserung der Informationstechnologie und einem optimalen Dezentralisierungsgrad ein enormes Einsparungspotential erhoben werden.
Die Materialbeschaffung bei Hewlett-Packard war sehr stark dezentralisiert, um sich Vorteile wie Flexibilität, individuelles Eingehen auf Kundenwünsche und Reaktionsgeschwindigkeit für das Unternehmen zu nutzen zu machen. Jedoch wurde die Materialbeschaffung nur standortspezifisch abgeschlossen und somit wurden unnötig hohe Mehrkosten für Rohmaterial ausgegeben. Auch mit einer Zentralisierung des Einkaufs würden diese Unkosten nicht zum Vorschein gebracht werden können. Im Gegenteil, weitere Probleme, wie mangelnde Reaktionsgeschwindigkeit und erhöhte Bürokratie, wäre die Folge gewesen. Die Lösung für Hewlett- Packard war eine bessere gemeinsame Informationstechnologie.58
Der Unternehmensberater Tim Zimmermann sieht bei jenen Administrationen, die nicht geschäftsspezifisch sind, dass die Zentralisierung nach wie vor Sinn macht, und dass sich dies in absehbarer Zeit auch nicht ändern wird. Jedoch dort, wo Wertschöpfung direkt mit einem Kunden erzielt wird, muss Entscheidungskompetenz dezentral organisiert werden. Die Studie mit dem Titel „Profitables Wachstum organisieren: zentral steuern, dezentral führen“ unterfüttert die Behauptung, dass kleine und große Unternehmungen und Gruppen gleichzeitig möglich sind. Unternehmungen, die es verstehen die gegebenen Synergien und Kombinationen aus Klein und Groß nutzbringend in der Organisation zu etablieren, werden den Weg des profitablen Wachstums beschreiten können.59
In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde die Frage des profitablen Wachstums entweder mit Zentralisierung oder mit Dezentralisierung beantwortet.
Der Unternehmensberater führt weiters aus, dass gerade Industrie, in der direkt mit den Kunden die Wertschöpfung erzielt wird, eine Entscheidungskompetenz dezentral installiert und organisiert werden sollte.60
Immer wieder veröffentlichen Theoretiker Trends in eine der beiden Richtungen von Zentralisierung und Dezentralisierung. Der maßgebliche Faktor bei der Gewichtung der Entscheidungsbefugnisse ist letztlich der Markt. Auch in der Zukunft steht dem Vorteil der Effekte der Zentralisierung der dezentrale ausgerichtete Gedanke in großen Unternehmen gegenüber. Dabei wird innerhalb der Organisation unternehmerisches Denken verankert und zur Umsetzung angeregt. 61
3.1.4 Operative Dezentralisierung
Demgegenüber charakterisiert die operative Dezentralisierung der Versuch von Unternehmen, die operative Kontrolle und Kompetenzen an die ausführenden Einheiten zu verlagern. Folglich wird ein Unternehmen in selbstständige Bearbeitungsfelder und überschaubare Organisationseinheiten aufgegliedert. Die operativen Einheiten können weiters in parallele, sowie echte Dezentralisierungen unterteilt werden. „Parallel“ bezeichnet die Begleitung zur Organisationsstruktur, wobei „echt“ dagegen die Überarbeitung der vorhandenen Strukturgebäude darstellt. Diese Vorgänge sind durch die Stufe und Dauer des Eingriffs in die formale Struktur der Organisation differenzierbar.62
Ferner wird durch die operative Dezentralisierung die Übertragung von Entscheidungs- und Kompetenzaufgaben auf die operative Ebene im Konzern vorgenommen und damit eine Erhöhung von Verantwortlichkeit erzielt.63
3.1.5 Strategische Dezentralisierung
Die strategische Dezentralisierung bezieht sich primär auf die Ebenen der Unternehmensorganisation. Dabei werden Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung auf die strategischen, marktnahen Standorte verlagert. Diese Form der Dezentralisierung kann auch mit der Zentralisierung von Kompetenz gebildet werden, wonach die mittlere Ebene und zentrale Leistungsträger verloren gehen.
Faust unterteilt in seiner Darstellung die operative Dezentralisierung in eine „parallele“ und eine „echte“ Dezentralisierung. Die parallele, auch als strukturbegleitende Dezentralisierung bezeichnet, wird durch die ursprüngliche Organisationsstruktur nicht oder nur kaum verändert. Die echte oder die strukturverändernde Dezentralisierung stellt dagegen einen deutlichen und zeitlich unbegrenzten Eingriff in die Unternehmensorganisation dar. Dabei wird die vertikale Arbeitsteilung reduziert und die Verlagerung der Kompetenzen erfolgt in untere Organisationsbereiche. Es entstehen teilautonome Gruppen, Gesellschaften und Unternehmen, die mittels eines funktionierenden PzMs miteinander die Geschicke des Gesamtkonzerns leiten. Laut Faust wird die echte Dezentralisierung in das Selbstorganisationsmodell (siehe Abbildung 4) und das Intrapreneurmodell (siehe Abbildung 5) eingeteilt.
Die beiden Modelle unterscheiden sich in der unterschiedlichen Ausprägung von Kompetenz und Verantwortung. Die Selbstorganisationsform zeigt ein starkes Charakteristikum für Kompetenz und Verantwortung auf. Die Unternehmen werden in Richtung mehr Objekt- und Kundenorientierung ausgerichtet, wo auch indirekte Aufgaben wie Qualitätskontrolle, Instandhaltungstätigkeiten und Verwaltungstätigkeiten integriert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Typisierte Organisationsform des Selbstorganisationsmodells64
Im Intrapreneurmodell wird die Kompetenz und die Verantwortung in die nächste Organisationsebene verlagert. Diese Ebene trägt die Verantwortung für Kostenstruktur, Produktqualität und Bestände, um diese auf einem niedrigen Niveau zu stabilisieren. Damit kann Handlungsraum und Teambildung im Unternehmen in den Vordergrund treten. Die unterschiedliche Erscheinungsweise von Verantwortung und Kompetenz wird bei der „echten“ Dezentralisierung als der Dezentralisierungsgrad bezeichnet. Die Formen des Selbstorganisations- und des Intrapreneurmodells stellen dabei die Eckpunkte der Handlungsgrenzen dar. In der nächsten Auflistung wird versucht, jene strategischen Vorteile, die aus dezentralem Prozessmanagement aus der Literatur erarbeitet wurden, zu umreißen. Folgende Kriterien konnten gefunden und erhoben werden:
- geringere Komplexität,
- Steigerung der Flexibilität und Schnelligkeit bei der Abwicklung der Geschäftsprozesse,
- bessere Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiter, durchgehend in allen Organisationsebenen,
- Förderung von Innovation und
- raschere Entscheidungsfindung.65
Das organisatorische Konzept ist wesentlich für einen langfristigen Erfolg des PzMs. Hierbei können zentrale oder dezentrale Organisationsansätze verfolgt werden. So können beispielsweise bei einem zentralen Prozessmanagement die Prozesse zentral von einer Prozessmanagementabteilung gesteuert werden. Bei einem dezentralen PzM würde die Prozessverantwortung in den Händen der Geschäftsverantwortlichen der jeweiligen Abteilungen liegen und lediglich einige organisatorische Aufgaben des PzMs zentral verwaltet werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Typisierte Organisationsform nach dem Intrapreneurmodell66
Im dezentralen PzM steht allen Prozessmitgliedern des Prozessteams die benötigte Information zur Verfügung, die aus der traditionellen zentralen Prozesssicht nur den Spezialisten bekannt war. Aufgaben, die traditionellerweise nur zentral erledigt werden konnten, können deshalb dezentral bearbeitet werden, weil jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin online auf die Daten zugreifen kann.67
Je stärker ein System dezentral eingesetzt wird und je mehr Anwender damit arbeiten, desto wichtiger ist eine sorgfältige Definition, Abstimmung und Dokumentation der Prozesse.
Die eigentliche Modellierung des Prozesses wird dezentral von Spezialisten Teams durchgeführt. Die Umsetzung des Prozesses wird standortabhängig an den individuellen Standorten vorgenommen.68
3.1.6 Wissensorientierte Dezentralisierung
Darin wird das Ziel zur Verbesserung der organisatorischen Kommunikationsstrukturen, die zu einer besseren Vernetzung des Informationsaustausches führen sollen, beschrieben.69
Follet erklärt die wissensorientierte Dezentralisierung damit, dass Wissen sich zu einer wertvollen Ressource im letzten Jahrzehnt etablieren konnte. Das Management hat zudem erkennen müssen, dass sich Wissen nicht nur in Managementkreisen wertbringend äußert, sondern auch wesentlich in den PE, PV, sowie bei Mitarbeitern aller Hierarchie-Ebenen allgegenwärtig sein sollte. Für das Gelingen dieses Vorhabens sind Änderungen des Denk- und Verhaltensmusters notwendig, um das angestrebte Ziel der Kommunikationsverbesserung und der Verbesserung des Informationsaustauschs gemeinsam und langfristig zu erreichen.70
3.2 Strategie und Gründe der Dezentralisierungspolitik
Die fundamentale Intention jeder Unternehmung ist die Erhaltung des Unternehmens, eng verknüpft mit dem Ziel der Gewinnmaximierung. In der Betrachtung, dass dezentrale Einheiten kleine Bausteine der Gesamtunternehmung darstellen, ist festzustellen, dass die Strategieentwicklung ähnlich verläuft, jedoch nicht unabhängig ist, sondern immer in den kognitiven Kontext der diversifizierten Unternehmungen passen muss. Daraus abgeleitet, stellt sich die Strategie der dezentralen Einheiten grundsätzlich spezifischer dar, insofern, dass die dezentralen Einheiten in Einklang mit der speziellen Marktaufgabe der Einheit stehen müssen und sich auf bestimmte lokale Wettbewerber konzentrieren. Die sich ständig ändernden Wettbewerbsbedingungen auf den globalen Märkten erfordern gerade bei den internationalen Konzernen eine umfassende Anpassung der Organisationsstrukturen. Die Unternehmungen stoßen mit den typischen, zentralen und eigentümerorientierten Entscheidungsstrukturen an ihre Leistungsgrenze.71
An die Dezentralisierung werden vielfältigste Erwartungen gestellt und die Auflistung der Argumentation für Konzerne ist umfangreich. Daher wird zu den wichtig erscheinenden Faktoren einer Dezentralisierung Stellung genommen.72
Die Dezentralisierungsdiskussion stellt keine partielle Reorganisationsmaßnahme dar, sondern führt zu einer Organisationsgestaltung, die sich zudem kunden-, zeit-, innovations, wertschöpfungs-, und mitarbeiterorientiert darstellt. Es ermöglicht den Unternehmen, sich den Fängen des bloßen Reagierens zu entreißen und zu einem wettbewerbsorientierten Handeln und Agieren zu gelangen.73
Das wesentliche Ziel der strategischen Überlegungen ist es, nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Zu beachten ist, dass marktspezifische Veränderungen sowohl nur einen lokalen Kundenmarkt betreffen, als auch globalen Charakter aufweisen können. Daher muss es für die dezentralen Standorte eines Unternehmens gelingen, mit dem wirksamen Einsatz seiner Kernkompetenzen auf allen Ebenen diese Wettbewerbsvorteile zu erzielen.74
Ein weiterer Aspekt für dezentrale Unternehmenseinheiten ist die Tatsache, dass autonome Einheiten Anpassungen auf Umwelteinflüssen und Problemsituationen lokal vornehmen können und das Gesamtunternehmen schrittweise zu adaptieren.75
Das Rahmenwerk eines dezentralen PzMs ist Teil eines umfassenden Prozessgebäudes, in dem Geschäftsprozesse beschrieben werden. Die mit dem Rahmenwerk verfolgten Zielsetzungen sind im Wesentlichen:
- Schaffung von Transparenz,
- ein Bezugsrahmen für die Einordnung von dezentralen Prozessen und deren weitere Detaillierung,
- Beschleunigung der Entscheidungsprozesse,
- Nutzung von Synergien durch „Best Practice“- Anwendung,
- Steigerung der Leistungsfähigkeit durch Reduzierung von Komplexbildnern,
- Beschleunigung nach Produktinnovation und stärkerer Kundenorientierung,
- Abbau von Hierarchieebenen, Forcierung der Selbstständigkeit und
- hohe Standardisierung und Harmonisierung der Geschäftsprozesse über einzelne Standorte hinweg.76
Durch den kontinuierlichen Hierarchieabbau von oben nach unten werden die vorhandene Systemstarrheit eingeschränkt und dezentrale Einheiten gebildet, wodurch das selbstständige Abwickeln von bereichsrelevanten Entscheidungen an den individuellen Standorten ermöglicht wird. Damit kann eine deutlich höhere Entscheidungsqualität mit einer gleichzeitigen Entlastung des Vorstandes erreicht werden, der sich dann wieder gezielter der strategischen Lenkung der Organisation widmen kann.77
Die immer kürzer werdenden Produktzyklen und die komplexeren Kundenwünsche die mehr und mehr „just in time“- Belieferung bedeuten, sind von hoher Relevanz. Dabei können die Verringerung der Produktentwicklungszeiten und ein effizienterer Prozessablauf für alle Standorte einen entscheidenden Erfolgsbeitrag leisten. Implizierend betrachtet können diese Änderungen die Entscheidungsfindung positiv beeinflussen, wodurch wiederum die strategische Prozessqualität höher ausfällt.78
Des Weiteren beschränken sich nach diesem dezentralen Prinzip die Informations- und Führungswege stets auf eine Schnittstelle, da keine übergreifende Führung vorgesehen werden muss.
Die zentrale Folgerung ist die Schaffung von unverwechselbaren und einzigartigen Betriebsstandorten, die im Sinne der klaren Ergebnisvorgaben der Konzernvertretung selbstständig und selbstverantwortlich handeln.
Die Gründe für dezentrale Unternehmensstrukturen sind daher vielfältigster Natur. Seit einigen Jahren werden die Entscheidungen betrieblicher Instanzen über die Reorganisation von Unternehmensstrukturen dadurch geprägt. Durch zahlreiche industriesoziologische Studien lässt sich feststellen, dass sich das Phänomen Dezentralisierung offenbar zu einem organisatorischen Leitbild etabliert.79
Ein Status, wie ihn einst der Taylorismus hatte, bei dem alternative Strukturlösungen unter beträchtlichem Legitimationsdruck von vornherein gestellt wurden.80
3.2.1 Trends und neuere Konzepte von dezentralen Steuerungssystemen
Im Folgenden werden die dezentralen Steuerungskonzepte unter dem Aspekt der Vereinfachungsstrategie kritisch betrachtet.
Laut Kühl führt der Erfolg über die Verringerung der Komplexität in der Organisationsform.81
Die gestellten Erfordernisse für eine dezentrale Unternehmung im internationalen Zusammenhang richten sich nach „so viel Dezentralisierung wie möglich, und so viel Zentralisation wie nötig“. 82
Die dezentral ermittelten Erfolgspotentiale von international tätigen Konzernen ergeben sich aus strategisch relevanter Flexibilität, sowie aus schnellerer Reaktionsfähigkeit.
Der Prozess der Dezentralisierung von Unternehmen wird durch die Studie von Reichwald und Koller als widerspruchsvoll bezeichnet.83
Die geforderte Komplexitätsvereinfachung weist zumeist eine Tendenz in Richtung Komplexitätssteigerung auf.
„Just in Time“-Konzepte sollten für die Reduzierung der Lagerkosten sprechen, steuern aber durchwegs dahingehend, dass die Logistikkette aus dem Gleichgewicht gerät und störanfälliger wird. Dieses Konzept bedarf eines exakt funktionierenden Prozess- und Qualitätsmanagements, um prognostizierte Störanfälle zu verhindern.
Der durchwegs niedrige Personalstand in den Konzernen trägt ebenfalls zur Komplexitätssteigerung bei. Mit den Personalkürzungen steigen automatisch die Anforderungen an jeden einzelnen Mitarbeiter und die angesprochene Flexibilität und Reaktionsfähigkeit kann dadurch kaum verbessert werden.
3.2.2 Umstieg zu einem dezentralen Prozessmanagementsystem
In den zuvor ausgearbeiteten Kapiteln wurde versucht, eingehend das Thema der dezentralen Prozessausrichtung in Organisationen zu behandeln. In dem nächsten Themenabschnitt wird die Frage erläutert, welche Bedingungen für einen Übergang von einer organisatorischen Ablaufstruktur zu einer dezentralen prozessorientierten Organisationsstruktur sprechen könnten.
Unternehmen mit einem Wachstum und einer vermehrten Internationalisierung sind gewillt, ihre Prozesse dezentral zu strukturieren. Die steigende Komplexität des Unternehmens erweist sich als nicht mehr zweckmäßig für die zentral operative Führung. Die Entfernung von Management zur operativen Ebene vergrößert sich mit dem steigenden Wachstum des Konzerns. Die Kommunikationswege erscheinen den Betroffenen als zunehmend komplexer und notwendige Entscheidungen werden vom Management nicht immer zeitgerecht und zielorientiert getroffen. Die Strukturen des zentralen Prozesssystems sind mit steigender Komplexität der immer längeren Kommunikationswege überfordert. Der Konzern schlittert unweigerlich in eine strategisch problematische Situation, wodurch die Einhaltung der internen Konzernziele in Mitleidenschaft gezogen wird. Die große Zahl von internationalen Konzernen macht sich den Vorteil der dezentralen Organisationsformen gegenüber hierarchischen Strukturen zu nutzen.84
Torsten Groth vom Management Zentrum Witten merkt zu den hierarchischen Strukturen an, dass die Person welche die Kompetenz und Verantwortung bekleidet, oftmals zu weit vom Ort des Geschehens entfernt ist.85 Diese Aussage deckt sich mit den Theorien von Kühl, Askhenas und Drumm, dass die Entscheidungsebene kaum mehr einen objektiven Einblick in maschinellen Einrichtungen, den Kundenkreis oder in die unterschiedlichen Gewohnheiten in den Ländern der Auslandsniederlassungen hat.86
Die Studie mit dem Titel „Profitables Wachstum organisieren: zentral steuern, dezentral führen“ der Roland Berger Strategy Consultants, die auf der Basis einer aktuellen Studie beruht, sagt aus, dass dezentrale Organisationen nicht nur ihr Konzernumfeld besser im Blickfeld haben, sondern meist auch innovationsstärker als der zentral funktionale Mitbewerber sind.87
Das Argument liegt einerseits darin, dass den Mitarbeitern mehr Freiheiten eingeräumt werden und sie bei der Entwicklung eigener Ideen intuitiver unterstützt werden. Eine auf Vertrauensbasis ausgelegte Unternehmenskultur wird von den Führungskräften der befragten Unternehmen als strategisch wichtig angesehen. In dieser durchgeführten Studie wurden Führungskräfte bezüglich dezentraler Organisation befragt. Nur wenige der Befragten haben die Meinung, dass eine Matrix-Organisation oder eine ausgeprägte funktionale Organisation eine geeignete Grundlage für den betrieblichen Erfolg darstellt. Dazu passt auch der Führungsstil, den die Gesprächspartner beschreiben. Dieser zeigt zentrale Elemente der Vertrauensbasierenden Führung auf.
In der nachstehenden Abbildung (siehe Abbildung 6) werden die bewerteten Führungsstile aus den befragten Unternehmen dargestellt.88
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Bewertungsschema der befragten Führungsstile89
Dittrich und Janning befragten in ihrer Studie vier unterschiedliche Unternehmen zu den Beweggründen zur Ausrichtung eines dezentralen Prozessmodells. Zwei Unternehmen verfolgten die Einsparung in den Bereichen Personal, Lagerkapazitäten und Durchlaufzeit.
Die Verlagerung der Verantwortungsbereitschaft in eine tiefere Ebene und die Steigerung der Flexibilität, sowie die besser beschriebenen Ablauforganisationen können als ein enges Korsett für Rationalisierung und Leistungsvorgabe in der Ebene der Mitarbeiter gesehen werden. In der dezentralen Prozessausrichtung orientiert sich die Verschlankung und Dynamisierung der unternehmerischen Prozessabläufe an einem Leitbild.90
David Teece, Direktor des Instituts für Management, Innovation und Organisation an der University of California in Berkeley sieht einen entscheidenden Erfolgsfaktor in einem sich stetig ändernden Produktsegment, durch die Stärkung der dynamischen Fähigkeiten des Unternehmens.
[...]
1 Vgl. Porter (1986), S.15.
2 Vgl. Raab-Stahl (1999), S.21.
3 Vgl. Pande, P. et al. (2004), S.3.
4 Vgl. Mintzberg (1979), S.183.
5 Vgl. Heintel/Krainz (1990), S.16, siehe auch Fuchs (1991), S.7.
6 Vgl. Gomez (1992), S.167.
7 Vgl. Raab- Stahl (1999), S.21.
8 Vgl. Picot (1993), S.220.
9 Vgl. Binner (1997), S.3-2.
10 Vgl. Emrich (2004), S.1. Prozessmanagement und Unternehmenserfolg, Nutzfaktoren zur strategischen Fitness von Unternehmen.
11 Vgl. Otis (1999), S.103ff, Lawton, Michaels (2001), S. 91ff.
12 Vgl. Otis (1999), S.103ff, und T.C Lawton, K.P Michaels (2001), S.91ff.
13 Vgl. Reichwald, Koller (1996); Koller (1998).
14 Vgl. Senge (2003), S.120.
15 Vgl. Bierfelder (1991).
16 Vgl. Chandler (1972), S.14, Pepels (2001), S.497., Osterlohfrost/Frost (2003), S. 37.
17 Vgl. K. Wagner, Patzak (2007), S. 90.
18 Vgl. Fischermanns (2010), S. 26.
19 Vgl. Prozessmanagement (2008), S. 9.
20 Vgl. Fischermanns (2008).
21 Quelle: Schmelzer/ Sesselmann (2008), S.64.
22 Vgl. Schmelzer, Sesselmann (2008), S. 63f.
23 Vgl. Ferk (1996), S.2.
24 Vgl. Becker et al (2005), S.6.
25 Vgl. Scheer (1998a), S.3.
26 Vgl. Gadatsch (2005), S. 105.
27 Vgl. Schmelzer/Sesselmann (2008), S. 66.
28 Quelle: Schmelzer/Sesselmann (2008), S. 61f.
29 Vgl. Schmelzer/Sesselmann ( 2008), S.26.
30 Vgl. Allweyer (2005), S.217.
31 Vgl. Picot/Reichwald/Wigand (2001).
32 Vgl. Reichwald/Möslein (1998).
33 Vgl. Gaydoul, Daxböck (2011), S.40f.
34 Vgl. Hungenberg (1995), S.45.
35 Vgl. Hungenberg (1995), S.44f, Beuermann (1992), Sp. 2611 sowie Grochla (1980), S.57.
36 Vgl. Kosiol (1976).
37 Vgl. Giddens (1992), S.325.
38 Vgl. Osburg (1994), S.206.
39 Vgl. Springer (1999), S.85.
40 Vgl. Braczyk/Schienstock nach Springer (1999), S.81.
41 Vgl. Kühl (1998), S.21.
42 Vgl. Hirsch-Kreinsen (2009), S.95f.
43 Vgl. Hungenberg (1995), S.47.
44 Vgl. Springer (1999), S.93.
45 Vgl. Raab-Stahl (1999), S.70.
46 Wolf (1997).
47 Vgl. Deutschmann (2002), S.113.
48 Vgl. Silverman (1992), S.1, Rondinelli et al. (1983), S.14.
49 Vgl. Bassen (1998), S.30 ff.
50 Vgl. Faust/Jauch/Brünnecke/Deutschamnn (1999), S.23f.
51 Vgl. Brafman/Beckström (2007).
52 Wiki ist die Kurzform von WikiWiki oder WikiWeb, ein offenes Autorensystem für Webseiten. Wiki sind im „World Wide Web“ veröffentlichte Seiten, die von den Benutzern online geändert werden können. Im Gegensatz zu HTML wird mit einer vereinfachten Syntax gearbeitet, die ein leichtes Ändern der Inhalte ermöglicht, aufgerufen am 21.04.2011
53 Vgl. Recklies (2001), Artikel im Themenmanagement, aufgerufen am 08.09.2011, http://www.themanagement.de/ressources/StrukturenII.htm
54 Vgl. Wirtschaftsmagazin Perspektive- blau, aufgerufen am 08.09.2011, http://www.perspektive- blau.de/artikel/0510a/0510a.pdf
55 Vgl. Hammer/Champy (1994), S.127f.
56 Vgl. Zimmermann, Hauptmann, Tenneberg (2008), S.9.
57 Quelle: Richardson, H.A et al. (2002).
58 Vgl. Hammer/Champy (1994), S.125.
59 Vgl. Ramge (2009).
60 Vgl. brandeins Magazin (01/2009), Schwerpunkt Wirtschaft neu.
61 Vgl. Wirtschaftsmagazin Perspektive- blau, aufgerufen am 08.09.2011, http://www.perspektive- blau.de/artikel/0510a/0510a.pdf
62 Vgl. Krems (2005).
63 Vgl. Faust/Jauch/Brünnecke/Deutschmann (1999), S.23f.
64 Vgl. Faust/Deutschmann (1999), S.42.
65 Vgl. Faust et al. (1995).
66 Vgl. Faust/Deutschmann (1999), S.43.
67 Vgl. Osterloh/Frost (2006), S.109.
68 Vgl. Osterloh/Frost (2006), S.
69 Vgl. Dittrich/Jannig (2007), S.43.
70 Vgl. Follet (1924) zitiert in Pearce/Conger (2003), S.6.
71 Vgl. Fischer (1993), S.37 sowie Raab-Stahl (1999), S.22.
72 Vgl. Hinterhuber (2004a), S.150.
73 Vgl. Wildemann (2009), Nr. LXXI, S.1.
74 Vgl. Treacy/Wiersema (1995).
75 Vgl. Krieg (1971).
76 Vgl Walther Müller- Jentsch (1999),S.68-72.
77 Vgl. Steinle (2005), S.500.
78 Vgl. Fischer (1993), S.67f.
79 Vgl. hierzu eine Reihe von Studien, die sich mit Dezentralisierung von Unternehmen auseinander gesetzt haben: Faust u.a. (1994), Hirsch-Kreinsen (1995) und Funder (1999).
80 Vgl. Hirsch-Kreinsen (2009), S.95.
81 Vgl. Kühl (1998), S.108.
82 Vgl. Bleicher (1996), S.275.
83 Vgl. Reichwald/Koller (1996).
84 Vgl. Zimmermann/Hauptmann/Tenneberg (2008).
85 Vgl. Manager Seminare (2008).
86 Vgl. Kühl (1998), Askhenas et al. (1995), Drumm (1996).
87 Vgl. Bötzel/Reichl/Conze/Holger von Daniels/Kleepel/Seeliger (2004), S.7f.
88 Vgl. Bötzel/Reichl/Conze/Holger von Daniels/Kleepel/Seeliger (2004), S.9f.
89 Quelle: Roland Berger Strategy Consultants (2004).
90 Vgl. Dittrich/Janning (2007), S.76ff.
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