Bei dem Versuch hauptsächlich europäischer und US-amerikanischer Medien, islamistischen Terrorismus zu beschreiben und zu ergründen, findet immer wieder die Vorstellung Erwähnung, einen im Kampf umgekommenen Muslim erwarteten im Paradies 70 Jungfrauen. Auf der Suche nach Erklärungsansätzen für Selbstmordattentate sind diese Publikationen – und somit letztendlich auch die öffentliche Meinung – zu dem Schluss gekommen, bei dieser (stark sexualisierten) Vorstellung handele es sich um einen der Hauptbeweggründe für einen Attentäter muslimischen Glaubens, seinen eigenen Tod bei einem Anschlag in Kauf zu nehmen.
In der vorliegenden Arbeit möchte ich mich mit Paradiesvorstellungen aus der frühislamischen Zeit auseinandersetzen, da diese bis heute die Grundlage des Bildes vom Paradies stellen, das in der islamischen Gemeinde, aber auch in islamistischen Kreisen vorherrscht. Um diese Herangehensweise in den richtigen Kontext zu setzen, werde ich vorab skizzieren, inwieweit sich das Konzept des ğihād in der von mir betrachteten Zeitspanne (bis etwa ins 12. Jh. n.Chr.) bis heute, da es im medialen Diskurs eine prominente Rolle einnimmt, verändert hat.
Die Arbeit ist so gegliedert, dass zuerst Paradiesvorstellungen aus dem Koran anhand von Sekundärliteratur und Übersetzungen angeführt werden, um dann im zweiten Teil Paradiesvorstellungen aus der frühislamischen ğihād-Literatur vorzustellen. Dabei habe ich Auszüge aus den Werken von Ğa’far Ibn-Ahmad as-Sarrāğ übersetzt.
Auf Basis dessen lassen sich anschließend Vergleiche anstellen: Welche Vorstellungen entspringen dem Koran, und welche wurden später durch die Autoren der ğihād-Literatur hinzugefügt?
Die Frage nach den Beweggründen von Selbsttötungsattentätern beschäftigt diverse Journalisten und Wissenschaftler. Sie zu beantworten, ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Es geht vielmehr darum, herauszufinden, wie sich Gläubige der Frühzeit das Paradies vorstellten. Dementsprechend werde ich hier auch nicht der Frage nachgehen, welche der verwendeten Quellen von religiösen und/oder wissenschaftlichen Autoritäten als „glaubwürdig“, sprich auf den Propheten rückführbar oder nicht, angesehen werden – ich bin der Meinung, dass Texte und Abhandlungen sehr wohl einen Einfluss auf die Gemeinschaft der Gläubigen haben können, auch wenn sie in bestimmten Diskursen angezweifelt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Abriss: Entwicklung der Idee des ğihād im Laufe der Jahrhunderte
- Das Paradies
- Dem Paradies einen Namen geben
- Vorstellungen vom Paradies im Koran
- Literarische Aufbereitung und Darstellung von koranischen Quellen und Aḥādīt
- Paradiesvorstellungen in der ğihād-Literatur am Beispiel des „Maṣāri al-‘uššāq“ von Ġa’far Ibn-Aḥmad as-Sarrāğ al-Qārī
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Paradiesvorstellungen in der frühen islamischen Zeit und ihre Bedeutung im Kontext des ğihād. Der Fokus liegt auf der Analyse von koranischen Quellen und deren literarischer Bearbeitung in der ğihād-Literatur. Die Arbeit möchte aufzeigen, wie sich diese Vorstellungen im Laufe der Zeit entwickelt haben und welche Bedeutung sie für das Verständnis des ğihād im islamischen Diskurs besitzen.
- Paradiesvorstellungen im Koran
- Entwicklung des ğihād-Begriffs
- Literarische Darstellungen des Paradieses in der ğihād-Literatur
- Vergleiche zwischen koranischen und literarischen Paradiesvorstellungen
- Relevanz von Paradiesvorstellungen für die Interpretation des ğihād
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt den Forschungsgegenstand vor und skizziert die Bedeutung von Paradiesvorstellungen im Zusammenhang mit islamistischem Terrorismus. Sie erklärt zudem die methodische Vorgehensweise der Arbeit.
- Das zweite Kapitel bietet einen Überblick über die Entwicklung des ğihād-Begriffs im Laufe der Geschichte, beginnend mit der semantischen Bedeutung des Wortes "ğihād" bis hin zu den verschiedenen Auslegungen des Begriffs im Koran und in der frühen islamischen Literatur.
- Kapitel drei beschäftigt sich mit Paradiesvorstellungen im Koran und analysiert verschiedene koranische Stellen, die sich auf das Paradies beziehen. Dabei wird auf die Beschreibungen des Paradieses im Koran und seine Funktion im Kontext des ğihād eingegangen.
- Kapitel vier widmet sich der literarischen Verarbeitung von koranischen Quellen und Aḥādīt im Bereich der ğihād-Literatur und zeigt auf, wie verschiedene Autoren das Thema des Paradieses interpretieren.
- Das fünfte Kapitel analysiert Paradiesvorstellungen in der ğihād-Literatur am Beispiel von Ġa’far Ibn-Aḥmad as-Sarrāğ al-Qārī. Es werden konkrete Beispiele aus seinem Werk „Maṣāri al-‘uššāq“ herangezogen, um zu zeigen, wie die Paradiesvorstellungen in der ğihād-Literatur dargestellt werden.
Schlüsselwörter
Koran, ğihād, Paradies, frühislamische ğihād-Literatur, Ġa’far Ibn-Aḥmad as-Sarrāğ, Selbstmordattentate, Islamismus, Terrorismus, religiöse Schrift, Interpretation
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- Marina Schmidt (Author), 2011, Vorstellungen vom Paradies und der Dschihad, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180599