Im modernen Automobilbau spielen Forderungen hinsichtlich verminderten Kraftstoffverbrauchs bei gleichzeitig erhöhtem Insassenschutz vorrangige Rollen. Dazu wird verstärkt auf neue, hochfeste Werkstoffe zurückgegriffen. Noch in der Entwicklung befinden sich so genannte TWIP-Stähle, die aufgrund mechanischer Zwillingsbildung während der Umformung (TWinning Induced Plasticity, TWIP-Effekt)eine herausragende Duktilität bei gleichzeitig hoher Festigkeit besitzen. Können mit konventionellem Blecheinsatz anspruchsvolle Bauteileigenschaften nicht mehr erfüllt werden, kommen z.B. Halbzeuge aus maßgeschneiderten, geschweißten Platinen (engl.: Tailored Welded Blanks, TWB) zum Einsatz. TWBs kombinieren zwei oder mehrere Teilbleche mit unterschiedlichen Blechdicken, Umformeigenschaften oder Oberflächenbeschichtungen zu einer Platine. Somit lässt sich eine geforderte Bauteileigenschaft lokal realisieren. Der Einsatz von TWIP-Stahl in TWBs ist angestrebt, jedoch sind dazu noch grundlegende Fragen hinsichtlich Schweißbarkeit und Einfluss der Schweißnaht auf das Umformverhalten offen. Ziel diese Diplomarbeit war es, das Einsatzpotential von TWBs auf Basis neu entwickelter TWIP-Stähle abzuschätzen und anhand umformtechnischer Kriterien zu bewerten. Ebenfalls sollte eine Mischkombination TWIP/DP-Stahl erprobt werden. Neben Umformsimulationen (AutoForm) wurden hierfür Grundsatzversuche an Schweißverbindungen (Erichsen-Versuch, Metallographie, Härtemessung, EDX), sowie Abpress- und Bauteilversuche (Bestimmung mech. Eigenschaften und Maßhaltigkeit) durchgeführt. Die Schweißnaht wurde hinsichtlich ihrer Eigenschaften charakterisiert, der Schweißnahteinfluss auf das Umformverhalten dokumentiert und die Bauteileigenschaften mit Referenzbauteilen aus Einzelblechanwendung und höchstfestem Serienwerkstoff verglichen.
Dabei zeigte sich, dass TWBs auf Basis von TWIP-Stahl grundsätzlich darstellbar sind und Einsatzpotential besitzen, in zukünftigen Fahrzeuggenerationen Insassensicherheit zu erhöhen und gleichzeitig Leichtbauforderungen gerecht zu werden. Hinsichtlich Bauteilfestigkeit, Umform- und Energieaufnahmevermögen versprechen sich Vorteile gegenüber Serienwerkstoffen für Strukturbauteile. Jedoch neigt die Schweißnaht zum Versagen und verlangt große Sorgfalt bei der Herstellung. So besteht u.a. im Bereich der Fügetechnik noch Entwicklungsbedarf, eine prozesstauglich Stumpfstoß-Verbindung von TWIP-Stahl zu realisieren.
Gliederung
1. Einführung
1.1. Einleitung und Motivation
1.2. Zielsetzung und Vorgehensweise
2. Stand der Technik
2.1. Theoretische Grundlagen der Umformtechnik
2.2. Technologische Grundlagen der Umformtechnik
2.2.1. Tiefziehen
2.2.2. Streckziehen
2.2.3. Ziehen von Karosserieblechen
2.2.4. Warmumformung im Karosseriebau
2.2.5. Grenzen des Umformvermögens
2.3. Grundlagen der Umformsimulation
2.3.1. Finite Elemente Methode
2.3.2. Materialmodell
2.4. Festigkeitssteigerung bei Stahlwerkstoffen
2.4.1. Karosseriebaustähle
2.4.2. Metallurgische Maßnahmen zur Festigkeitssteigerung
2.4.3. Technologische Maßnahmen zur Festigkeitssteigerung
2.5. Tailored Welded Blanks
2.5.1. Einsatz und Eigenschaften geschweißter Halbzeugplatinen
2.5.2. Herstellung von Tailored Welded Blanks
3. Basis der Potentialbewertung
3.1. Ausgewähltes Versuchswerkzeug
3.2. Verwendete Werkstoffe
3.2.1. TWIP Stahl
3.2.2. Dualphasenstahl
3.2.3. Martensitphasenstahl
3.3. Aufbau der Tailored Welded Blanks
4. Umformsimulationen
4.1. Umformsimulationen und Bauteiloptimierung mit AutoForm
4.2. Simulationsdurchführung
4.3. Ergebnisvariablen zur Potentialbewertung
5. Experimentelles
5.1. Herstellung von Schweißproben und Tailored Welded Blanks
5.2. Schweißnahtcharakterisierung
5.2.1. Erichsen Tiefungsversuch
5.2.2. Metallographische Gefügeuntersuchung
5.2.3. Härtescan
5.2.4. EDX Analyse
5.3. Abpressversuch
5.4. Bauteilcharakterisierung
5.4.1. Minizugversuch
5.4.2. Optische Bauteilvermessung
6. Ergebnisse
6.1. Ergebnisse der Umformsimulationen
6.2. Schweißnahteigenschaften
6.2.1. Schweißnahtausbildung
6.2.2. Erichsen Tiefung
6.2.3. Gefügebeschreibung
6.2.4. Härteverlauf
6.2.5. Mangan und Kohlenstoffverteilung
6.3. Abpresstauglichkeit
6.4. Bauteileigenschaften
6.4.1. Bauteilfestigkeit und Restdehnung
6.4.2. Maßhaltigkeit
7. Diskussion
7.1. Einsatzvorteile von Tailored Welded Blanks aus TWIP Stahl anhand Umformsimulationen
7.2. Einfluss der Schweißnaht auf das Umformvermögen
7.2.1. Einfluss von Kantenqualität, Metallurgie und Blechdicke
7.2.2. Konsequenzen für Bauteilherstellung und eigenschaften
7.3. Bewertung der Mischkombination von TWIP und DP Stahl in Tailored Welded Blanks
7.4. Potential zur Substitution von warmumzuformenden Stählen 85 durch Tailored Welded Blanks aus TWIP Stahl
8. Zusammenfassung und Ausblick
9. Verzeichnisse
1. Einführung
1.1. Einleitung und Motivation
Im modernen Automobilbau spielen gesellschaftliche und technische Forderungen hinsichtlich verminderten Kraftstoffverbrauchs bei gleichzeitig erhöhtem Insassenschutz vorrangige Rollen. Trotzdem sollen darunter Leistungsvermögen und Fahrdynamik möglichst nicht leiden. Eine Möglichkeit diesen Zielkonflikt zu lösen, stellt konsequenter Leichtbau der Karosserie, als Fahrzeugkomponente mit dem größten Eigengewicht, dar. Dazu wird verstärkt auf neue, hochfeste Werkstoffe zurückgegriffen.
Stahl, als klassischer Karosseriewerkstoff, steht zunehmend in Wettbewerb mit Leichtmetallen wie Aluminium oder Magnesium und faserverstärkten Polymerwerkstoffen. Dieser Konkurrenzdruck führte zu beachtlichen Innovationen seitens der Stahlerzeuger. Im Bereich der sicherheitsrelevanten Fahrzeugstruktur steht heute dem Entwickler somit eine große Auswahl unterschiedlicher hoch und höchstfester Stahlwerkstoffe (Rm>500MPa) zur Verfügung. Moderne Mehrphasenstähle finden aufgrund ihrer guten Kombination aus Festigkeit und Duktilität verstärkt Anwendung in crashrelevanten Bauteilen. Um die Fahrgastzelle vor Intrusion zu schützen, wird in aktuellen Automobilen des Weiteren pressgehärteter Martensitphasenstahl mit einer Zugfestigkeit >1300MPa, dafür geringer Duktilität, eingesetzt. Noch in der Entwicklung befindlich ist TWIP Stahl (TWinning Induced Plasticity), welcher über eine massive mechanische Zwillingsbildung verfestigt und damit überragende Duktilität bei hoher Festigkeit bietet. TWIP Stahl besitzt damit großes Potential, in künftige Fahrzeuggenerationen die Insassensicherheit zu erhöhen und gleichzeitig Leichtbau durch Wandstärkenreduzierung zu ermöglichen.
Können mit konventionellem Blecheinsatz anspruchsvolle Bauteileigenschaften nicht mehr erfüllt werden, ist eine Möglichkeit, Halbzeuge aus maßgeschneiderten, geschweißten Platinen (engl.: Tailored Welded Blanks, TWB) anzuwenden. TWBs kombinieren zwei oder mehrere Teilbleche mit unterschiedlichen Blechdicken, Umformeigenschaften oder Oberflächenbeschichtungen zu einer Platine. Somit lässt sich durch gezielte Werkstoffkombination eine geforderte Bauteileigenschaft lokal realisieren (Abb. 1.1). Das „Maßschneidern“ zum Tailored Welded Blank ermöglicht also eine Bauteiloptimierung sowohl hinsichtlich funktioneller Eigenschaften als auch Leichtbauforderungen. Dies sichert neben dem breiten Einsatzspektrum und guter Verarbeitbarkeit die Dominanz und Konkurrenzfähigkeit von Stahlwerkstoffen im automobilen Karosseriebau.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1.1: Vorteil TWB Einsatz an Beispiel Türinnenblech: Wegfall Verstärkungsbleche [DOH]
Der angestrebte Einsatz von TWIP Stahl in Struktur und Sicherheitsteilen steht in direkter Konkurrenz zu pressgehärtetem Martenitphasenstahl. Dabei bietet TWIP Stahl prinzipiell Vorteile: Höheres Energieaufnahmevermögen im Crashfall und Verzicht auf die aufwendige Warmumformung im Presswerk. Allerdings konnten bisherige Abpressversuche mit TWIP Blechen nicht die geforderten Bauteileigenschaften insbesondere Festigkeit liefern. Ein weiteres Problem des Einsatzes von TWIP Stahl ist der hohe Materialpreis. Lohnenswert erscheint daher der Einsatz von TWIP Stahl in Tailored Welded Blanks: Kombination von TWIP Stählen verschiedener Festigkeitsklassen ermöglicht eventuell eine Substitution von Martensitphasenstahl. Weiterhin könnte in diesem Zusammenhang das Leichtbaupotential durch lokale Blechdickenreduzierung ausgelotet werden. Ebenfalls bietet sich an, die Realisierung einer Mischkombination aus TWIP und kostengünstigem Mehrphasenstahl zu prüfen. Dazu sind allerdings noch grundlegende Fragen offen. Sowohl Schweißeignung als auch Beeinflussung der Umform und Werkstoffeigenschaften durch die Schweißnaht wurden bei TWIP Stahl noch nicht für eine Anwendung im Tailored Welded Blank untersucht. Weiterhin muss Abpresstauglichkeit gewährleistet sein und die erreichbaren Bauteileigenschaften charakterisiert werden.
1.2. Zielsetzung und Vorgehensweise
Im Rahmen dieser Diplomarbeit sollte anhand von Grundsatz und Bauteilversuchen das Einsatzpotential von Tailored Welded Blanks auf Basis neu entwickelter TWIPStähle abgeschätzt und anhand umformtechnischer Kriterien bewertet werden. Zu folgenden Aussagen war dazu Stellung zu nehmen:
Abschätzung der Einsatzvorteile hinsichtlich Umformeigenschaften, Bauteilfestigkeit, Leichtbau usw. von TWIP Stahl in Tailored Welded Blanks Beschreibung des Einflusses der Schweißnaht auf das Umformvermögen Möglichkeit zur Substitution von Martensitphasenstahl durch Tailored Welded Blanks auf TWIP Stahl Basis hinsichtlich Umformeigenschaften, Bauteilfestigkeit Möglichkeit zur Realisierung von Mischverbindungen aus TWIP mit hoch/ höchstfesten Serienstählen in Tailored Welded Blanks Damit diese Zielaussagen getroffen werden konnten (Abb. 1.2), wurde zuerst ein Aufbau der TWBs festgelegt. Zur Aufzeigung der Einsatzvorteile von TWIP Stahl in Tailored Welded Blanks sollten dann Umformsimulationen mit dem Programm AutoForm durchgeführt werden. Die Simulationsergebnisse wurden mit denen aus Umformsimulationen an Einzelblechenanwendungen gegenübergestellt. Als Bauteilgeometrie diente dazu ein Pedaltopf der Baureihe W204 (C Klasse). Weiterhin sollte in Grundsatzversuchen, die Schweißtauglichkeit und den Einfluss der Schweißnaht auf das Umformvermögen an Probeschweißungen dokumentiert werden. TWIP Stahl wurde dabei untereinander und mit Dualphasenstahl gefügt. Als Referenz diente eine Schweißprobe aus Dualphasenstahl. Mit Tiefungsversuchen nach Erichsen wurde die Abnahme des Umformvermögens an der Schweißnaht bestimmt. Die Auswirkungen des Aufschmelz / Abkühlzyklus während des Schweißprozesses auf Gefüge und lokale Legierungszusammensetzung des Werkstoffes wurden mit metallographischer Auflichtmikroskopie, Härtescan und EDX Analyse dokumentiert. In Anlehnung an die durchgeführten Umformsimulationen wurden Tailored Welded Blanks sollten hergestellt und mit einer Karosserieziehpresse am Pedaltopf Werkzeug abgepresst werden. Diese Abpressversuche dienten neben der Ermittlung des realen Umformverhaltens weiterhin zur Herstellung von Bauteilen. Die Charakterisierung der Bauteileigenschaften erfolgte mittels Minizugversuch und optischer Vermessung zur Bestimmung von Festigkeit, Restdehnung und Rücksprungverhalten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1.2: Vorgehensweise zur Potentialbewertung zum Einsatz von TWIP Stahl in TWB
Die eigentliche Potentialbewertung erfolgte im Vergleich zu Referenzbauteilen aus TWIP und Martensitphasenstahl.
2. Stand der Technik
2.1. Theoretische Grundlagen der Umformtechnik
Metallische Werkstoffe bestehen aus einer Vielzahl von Kristalliten, in denen sich die Legierungsatome in einer periodischen Gitterstruktur anordnen. Plastische Formänderungen entstehen, indem Gitterebenen unter der Wirkung von Schubspannungen gegeneinander abgleiten oder einzelne Kristallbereiche umklappen.
Unter Umformen versteht man die gezielte Veränderung der Form eines Werkstücks unter Beherrschung der Geometrie. Folglich ist die Umformtechnik als Schnittstelle zwischen der Fertigungs und der Werkstofftechnik zu verstehen. Dieser Zusammenhang verdeutlicht sich, wenn man sich die zwei zentralen Aufgaben vor Augen führt, die der Umformtechnik zuzuordnen sind: Einerseits dient sie der Formgebung, somit der Herstellung von Produkten und zählt damit zur Fertigungstechnik. Andererseits bieten die unterschiedlichen Verfahren der Umformtechnik die Möglichkeit, gezielt auf die Veränderung von Werkstoffeigenschaften wie z.B. Festigkeit, Zähigkeit, usw. reproduzierbar und kontrolliert einzugehen [KOP].
Zur Beschreibung der Plastizität bzw. des Umformverhaltens eines Werkstoffs bedient man sich einer Reihe von Größen und Darstellungen, von denen die im Rahmen dieser Arbeit relevanten im Folgenden genannt werden sollen.
Fließspannung:
Die Spannung, bei welcher der Übergang von elastischer zu plastischer Formänderung erfolgt, wird als Fließspannung kf bezeichnet. Nach v.Mises berechnet sich die Fließspannung im ebenen Hauptspannungszustand wie folgt [HIR]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
mit: σ1, σ2: Hauptnormalspannungen
Für die Fließspannung ergibt sich folgende Abhängigkeit:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Umformgrad:
Der Umformgrad ϕ (logarithmische Dehnung) ist die über die entsprechende Körperabmessung gemittelte lokale Gesamtformänderung. Bei homogener Formänderung gilt beispielhaft für den Umformgrad in x Richtung [HIR]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fließkurve:
Die Abhängigkeit der Fließspannung vom Umformgrad wird in Form so genannter Fließkurven (Abb. 2.1) dargestellt. Dabei wird die Fließspannung kf über den Umformgrad ϕ aufgetragen. Umformtemperatur und geschwindigkeit sind dabei konstant [HIR].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.1: Beispiel einer Fließkurve, hier DP600 bei 20°C
Fließortkurve:
Bei ebenem Spannungszustand (σ3=0) können sämtliche Spannungszustände, die zum Werkstofffließen führen im Hauptspannungsraum 2 dimensional als geschlossene Kurve dargestellt werden (Abb. 2.2). Diese Kurve bezeichnet man als Fließortkurve [HIR].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.2: Fließortkurve nach v.Mises und Tresca
Grenzformänderungsdiagramm und kurve:
Das Grenzformänderungsdiagramm ist ein Koordinatensystem, in dem der größte Umformgrad über den kleinsten aufgetragen ist (Abb. 2.3). Die Verbindungslinie der Formänderungszustände, bei denen Werkstoffversagen auftritt, bezeichnet man als Grenzformänderungskurve. Alle Formänderungskombinationen, die unterhalb der Grenzformänderungskurve liegen, führen nicht zum Werkstoffversagen während der Umformung. Hingegen ist bei allen darüber liegenden mit Rissen zu rechnen [HIR].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.3: schematisches Grenzformänderungsdiagramm
Anisotropiekoeffizienten:
Werkstoffe weisen aufgrund von Textur und Kristallitanisotropie unterschiedliche mechanische Eigenschaften in verschiedene Raumrichtungen auf. Dies wirkt sich sowohl auf den Stofffluss als auch auf das Verfestigungsverhalten aus. In der Blechumformung wird dabei der Anisotropie eine größere Bedeutung als zum Beispiel in der Massivumformung beigemessen.
Zur Erfassung der Anisotropie bei Blechen gebraucht man die halb quantitative Methode der r Wert Bestimmung. Dabei können folgende Anisotropiekoeffizienten im Flachzugversuch ermittelt werden [HIR]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.2. Technologische Grundlagen der Umformtechnik
2.2.1. Tiefziehen
Unter Tiefziehen versteht man nach DIN8584 das Zugdruckumformen eines ebenen Blechzuschnittes zu einem Hohlkörper (Erstzug) oder eines bereits vorhandenen Hohlkörpers zu einem Hohlkörper mit noch kleinerem Durchmesser dafür aber größerer Höhe (Weiterzug). Die Blechdicke soll dabei möglichst konstant bleiben. Das Werkzeug besteht in der Regel aus einem Stempel, einer Matrize (Ziehring) und einem Niederhalter (Blechhalter). Die Platine wird von der Stempelkraft in die Matrize gezogen. Die Umformzone beim Tiefziehen ist der gesamte Blechbereich unter dem Niederhalter inklusive Flansch bis zum Auslauf aus der Ziehringrundung (Abb. 2.4).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.4: Prinzip des Tiefziehens [LAN]
Die Umformung findet unter der Wirkung von radialen Zugspannungen σ r sowie tangentialen Druckspannungen σ t statt. Weiterhin wird vom Niederhalter eine Druckspannung σ z induziert. Die vom Niederhalter eingebrachte Spannung ist vom Betrag her gegenüber den im Blech wirkenden radialen wie tangentialen Spannungen vernachlässigbar. Allerdings beeinflusst sie den Umformprozess dahingehend, dass sie einerseits Faltenbildung aufgrund tangentialer Druckspannung durch Flächenpressung unterbindet (Abb. 2.5). Andererseits erhöht sich die Reibkraft, welche das Blech erfährt, mit steigender Niederhalterkraft. Diese Abbremsung erhöht die radialen Zugspannungen und kann damit zur lokalen Ausdünnung des Blechzuschnitts führen. Näherungsweise ist die Blechdicke über das gesamte Ziehteil in etwa konstant, da der Werkstoff aus der Fläche des Flansches nachfließt. Das Tiefziehen gehört zu den meist eingesetzten Verfahren der Blechumformung [HIR].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2.5: Spannungszustände und verlauf beim Tiefziehen im Napfausschnitt [LAN]
2.2.2. Streckziehen
Reines Streckziehen ist eine Zugumformung, bei der Blech unter fester Einspannung durch einen Stempel umgeformt wird. Wegen der festen seitlichen Einspannung kann die Vergrößerung der Fläche nur unter einer Blechdickenabnahme erfolgen, da das Nachfließen des Werkstoffs unterbunden ist (Abb. 2.6). Aufgrund der reinen Zugbeanspruchung ergibt sich eine gleichmäßige Dehnungsverteilung, die insbesondere Vorteile bei großflächigen Bauteilen hinsichtlich einer hohen Formgenauigkeit birgt [HIR].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2.6: Prinzip des Streckziehens [LAN]
2.2.3. Ziehen von Karosserieblechen
Das Ziehen unsymmetrischer Blechzuschnitte (z.B. für Karosserieanwendungen) findet, bedingt durch die Bauteilgeometrie, meist als eine Kombination aus Tiefziehen und Streckziehen statt. Der Streckziehanteil beim Ziehen kann durch die Stärke der Niederhalterkraft eingestellt werden, indem eine hohe Flächenpressung als Quasi Einspannung wirken kann. Weitere Möglichkeiten zur Steuerung des Streckziehanteils bzw. des Stoffflusses sind die Größe und Form der Blechplatine, die Schmierstoffmenge und die Einarbeitung von Zieh oder Bremssicken.
Die im Einsatz befindlichen Karosserieziehpressen (Abb. 2.7) sind häufig als einfachwirkende Pressen mit Zieheinrichtung im Pressentisch aufgebaut. Dabei ist der Ziehstempel mit dem Niederhalter auf dem Pressentisch, die Matrize am Stößel montiert. Über die vertikale Bewegung des Stößels nach unten wird der Niederhalter während des Ziehvorgangs zum Pressentisch hin bewegt. Die Blechplatine wird durch die gemeinsame Abwärtsbewegung der Matrize mit dem Niederhalter über den feststehenden Stempel gezogen. Nach Ende des Ziehens bewegen sich Matrize und Niederhalter wieder nach oben und der Niederhalter hebt das Ziehteil vom Stempel ab [KLA].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2.7: Prinzip einer einfachwirkenden Presse mit Zieheinrichtung im Pressentisch [IFU]
2.2.4. Warmumformung im Karosseriebau
Warmumformung wird im Automobilbau zur Herstellung von Struktur und Sicherheitsteilen angewandt. Erfolgt dabei ein Härten des Bauteils beim Umformen durch Abschrecken aus der Vergütungshitze im Werkzeug, spricht man vom Presshärten. Die Festigkeitssteigerung wird somit durch Erzeugung eines martensitischen Gefüges im Werkstoff erzielt [MAD].
Die zugeschnittenen Platinen werden zuerst für 4 5min auf eine Temperatur oberhalb Austenitisierungstemperatur erwärmt, anschließend in einer Karosserieziehpresse mit einer Abkühlgeschwindigkeit größer 27°C/min pressgehärtet (Martensithärtung, siehe Kapitel 2.4.3.). Das Werkzeug muss dazu circa 15sek geschlossen bleiben, die Taktfrequenz beträgt circa 40sek. Die Abkühlgeschwindigkeit muss dabei über das gesamte Bauteil gewährleistet und konstant sein, um unerwünschte Anteile an Ferrit im Endgefüge zu vermeinden, da diese die Streuung der mechanischen Bauteileigenschaften erhöhen. Da die Platine bis zu 15°C/sek nach Entnahme aus dem Ofen verliere n kann, ist zur Einhaltung der notwendigen kritischen Abkühlgeschwindigkeit eine exakte Kontrolle der Temperatur während des Fertigungsprozesses notwendig [HEN].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2.8: 600t Ofenpresse, Fa. Sofedit [MAD]
Vorteil der Warmumformung durch Presshärten ist die Trennung von Umform und Gebrauchseigenschaften des Werkstoffs. Die speziellen Vergütungsstähle werden in weichem Zustand umgeformt, was geringere Umformkräfte erfordert, und in festem Zustand verwendet. Ein weiterer Vorteil pressgehärteter Bauteile ist ihre hohe Maßhaltigkeit, da die Vergütungstemperatur die beim Umformen eingebrachten Eigenspannungen relaxieren lässt.
Wesentlicher Nachteil des Presshärtens ist der im Vergleich zur Kaltumformung große fertigungstechnologische Aufwand. D.h. Anschaffung und Betrieb spezieller Ofenpressen (Abb. 2.8) und exakte Kontrolle und Einhaltung der Temperatur. Dementsprechend bedeutet Warmumformung deutlich höhere Kosten als konventionelle Kaltumformung [MAD] [HEN].
2.2.5. Grenzen des Umformvermögens
Risse und Falten:
Ist die Niederhalterkraft zu hoch gewählt und somit ein großer Streckziehanteil gegeben, kann örtlich die Ausdünnung so hoch sein, dass die Zugfestigkeit überschritten wird. Das Bauteil schnürt ein und kann reißen. Bei Faltenbildung hingegen ist die Niederhalterkraft zu gering. Das Blech faltet im Druckbereich unter Wirkung der Tangentialspannung bei Überschreitung der Knicksteifigkeit auf, wenn über den Niederhalter keine ausreichend große Flächenpressung aufgebracht wird. Zwischen Rissentstehung und Faltenbildung befindet sich der Arbeitsbereich in Form eines Fensters der Niederhalterkraft, innerhalb welchem Prozesssicherheit gewährleistet ist. Dieser Arbeitsbereich wird vom Grenzziehverhältnis β aus Rondenund Napfdurchmesser begrenzt (Abb. 2.9) [HIR].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2.9: Verfahrensgrenzen des Tiefziehens in Abhängigkeit der Niederhalterkraft [LAN]
Rückfederung:
Während des Tiefziehens wird das Blech in der Regel in unterschiedliche Richtungen gebogen. Die dabei ins Werkstück eingebrachten Eigenspannungen sowie die vorhandene Werkstoffelastizität führen nach Wegnahme der Belastung zu einer Rückfederung des Blechs, was einen Verlust an Maßhaltigkeit bedeutet. Die rückfederungsbedingte Formänderung vergrößert sich sowohl mit steigender Streckgrenze als auch mit abnehmendem E Modul [LAN].
2.3. Grundlagen der Umformsimulation
2.3.1. Finite Elemente Methode
Virtuelle Entwicklung mittels Simulationsrechnung in der frühen Entstehungsphase und bei Machbarkeitsanalysen ist heute eine Schlüsseltechnologie für eine effiziente und schnelle Fahrzeugentwicklung. Mit den heutigen Programmen ist es möglich, den Umformvorgang realitätsnah zu simulieren: Versagenserscheinungen wie Rissentstehung und Faltenbildung können voraus bestimmen werden. Blechdicken und Dehnungsverteilung und der Werkstofffluss lassen sich gut berechnen. Eine Rückfederungsberechnung erlaubt tendenzielle Aussagen [GES]. Durch Simulationen ist es möglich, den Einfluss verschiedener Parameter und Geometrie sowohl des Werkzeugs als auch der Platine zu erproben. Auch Aussagen zu den Produkteigenschaften können getroffen werden. Die Umformsimulation stellt somit eine effektive Hilfe dar, bei der Optimierung von Bauteileigenschaften Materialeinsatz und verbrauch zu minimieren.
Bei den numerischen Berechnungsverfahren hat sich insbesondere die Finite Elemente Methode (FEM) durchgesetzt. Eine zu analysierende Gesamtstruktur wird dabei in viele Unterstrukturen (Finite Elemente) mit geometrisch einfacher Form (Drei oder Vierecke) unterteilt, welche durch Knoten auf den Elementrändern zusammenhalten (Abb. 2.10 und Abb. 2.11). Nur an diesen Knoten, die meist die Elementecken darstellen, greifen Kräfte und Momente an und werden von einem Element auf das nächste übertragen. Dabei muss Stetigkeit vorliegen. Bei der Finite Elemente Methode handelt es sich somit um ein Näherungsverfahren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.10: einfaches Dreieckselement
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.11: diskretisiertes Bauteil (Pedaltopf)
Für jedes einzelne Element wird eine Gleichgewichtsbedingung aufgestellt, in der die Knotenkräfte mit den Knotenverschiebungen über eine Elementsteifigkeitsmatrix in linearer Beziehung stehen. Dazu müssen Elastizitätsmodul und Querkontraktionszahl bekannt sein. Um die Gesamtgleichgewichtsbedingung zu erhalten, wird aus den einzelnen Elementgleichungen ein Gleichungssystem für die gesamte Struktur aufgestellt. Die eigentliche FEM Berechnung stellt die Ermittlung der unbekannten Verschiebungen in dieser Systemgleichung dar. Aus den ermittelten Verschiebungen werden durch Differentiation nach den globalen Koordinaten die Dehnungen bestimmt, aus welchen die Spannungen folgen [RIP]. Diese Verschiebungsmethode gilt für eine elastische Formänderungen. Im Fall plastischer Formänderungen (Umformsimulation) müssen nicht lineare Gleichungen aufgestellt werden, welche nur iterativ gelöst werden können.
Bei Simulationen der Blechumformung bieten sich zur Diskretisierung des Kontinuums Schalen oder Membranelemente an. Schalenelemente werden bevorzugt verwendet, wenn die Maßhaltigkeit untersucht werden soll, da sie aufgrund ihrer Eigensteifigkeit das Rückfederungsverhalten besser wiedergeben [GES].
2.3.2. Materialmodell
Zur Beschreibung des Materialverhaltens mittels FEM bei plastischer Formänderung muss ein Materialmodell erstellt werden, welches das Werkstoffverhalten oberhalb der Fliessgrenze beschreibt. Dieses besteht aus Fließkurve, Fließortkurve und Grenzformänderungsdiagramm (siehe Kapitel 2.1.). Um aussagekräftige Simulationsergebnisse zu erhalten, ist es wichtig, dass das numerische Materialmodell das Werkstoffverhalten so realitätsnah wie möglich widerspiegelt.
Fließkurve:
Da beim Tiefziehen lokal sehr große Vergleichsdehnungen auftreten können, muss die Fließkurve bis zu einem Umformgrad von ϕ=1 angegeben werden. Da ein solch hoher Umformgrad experimentell nur bedingt realisierbar ist, muss die Fließkurve bis ϕ=1 extrapoliert werden. Gute Ergebnisse bei Stahlwerkstoffen erhält man mit einem Potenzansatz über Swift. Alternativ können auch exponentielle Approximationen (z.B. Hocket Sherby) oder Kombination aus Swift und Hocket Sherby herangezogen werden [GES].
Approximation der Fließkurve nach Swift:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Approximation der Fließkurve nach Hocket Sherby:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fließortkurve:
Da nach v.Mises die Fließortkurve im ebenen Hauptspannungsraum eine Ellipse ist, kann sie über eine quadratische Funktion dargestellt werden (Modell Hill 48). Ausgangspunkte der Approximation sind Ellipse mit den Hauptspannungsachsen (Fließspannung kf ) und die dortige Steigung, welche über die r Werte festgelegt wird (Abb. 2.12). Es existieren allerdings auch Modelle mit nicht quadratischem Ansatz (Barlat Lian 86, Barlat 96,…), welche in Spezialfällen Vorteile bieten [GES].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.12: Fließortkurve nach Hill 48
Grenzformänderungskurve:
Für die korrekte Simulation des Werkstoffverhaltens während der Umformung wird noch die Eingabe eines Versagenskriteriums benötigt. Diese erfolgt normalerweise mittels einer experimentell ermittelten Grenzformänderungskurven [GES].
2.4. Festigkeitssteigerung bei Stahlwerkstoffen
2.4.1. Karosseriebaustähle
Der Werkstoff Stahl bietet aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten gezielter Einflussnahme bei seiner Herstellung und Verarbeitung ein sehr weites Einsatzspektrum im Automobilbau (Abb. 2.13).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.13: Eigenschaftsspektrum von Feinblechen [HOF]
Hohe Duktilität bedeutet dabei eine gute umformtechnische Verarbeitbarkeit. Allerdings ist heutzutage bei Karosseriebaustählen für Strukturanwendungen insbesondere eine hohe Festigkeit gefordert, um Leichtbau durch Wandstärkenreduzierung ohne Verlust an Insassensicherheit zu realisieren. Duktilität beruht bei Karosseriebaustählen weitgehend auf Versetzungsbewegung, aber auch auf Umklappen ganzer Kristallbereiche. Somit ergibt sich die Werkstofffestigkeit aus dem Widerstand, welcher der Kristall einer Versetzungsbewegung entgegenbringt. Möchte man die Festigkeit eines Werkstoffs erhöhen, muss man folglich Maßnahmen treffen, die Versetzungsbewegung zu hemmen [BR1]. Zur Steigerung der Festigkeit von Stahlwerkstoffen stehen verschiedene Härtungsmechanismen zur Verfügung, welche auf metallurgischen oder technologischen Maßnahmen bzw. auf Kombination beider beruhen.
2.4.2. Metallurgische Maßnahmen zur Festigkeitssteigerung
Mischkristallhärtung:
Durch substitutionelles oder interstitielles Einbringen von Fremdatomen in das Kristallgitter bauen sich in diesem Spannungsfelder auf, welche der Versetzungsbewegung entgegenwirken und so diese hemmen [BR1].
Ausscheidungs und Dispersionshärtung:
Fällt mit sinkender Temperatur die Löslichkeit eines Legierungsbestanteils im Kristallgitter, so können Ausscheidungen in der Matrix entstehen. Diese Ausscheidungen schränken die Beweglichkeit der Versetzungen durch das von ihnen ausgehende Spannungsfeld infolge einer Volumenabweichung gegenüber der Matrix oder durch Veränderung des Schubmoduls ein. Ist die Fehlpassung zur Matrix nur gering, die Ausscheidungen somit kohärent oder teilkohärent, können diese von Versetzungen geschnitten werden (Fine Kelly Mechanismus). Sind die Ausscheidungen inkohärent, müssen die Versetzungen diese umgehen (Orowan Mechanismus). Maßgebend dafür, welcher Mechanismus zu tragen kommt, sind außerdem die Teilchengröße und deren Verteilung (Abb. 2.14). Die maximale Festigkeitserhöhung wird dabei über den Fine Kelly Mechanismus erreicht, weil die schneidenden Versetzungen die Energie zur Bildung einer neuen Phasen bzw. Antiphasengrenzfläche aufbringen müssen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.14: Teilchenhärtung über Orowan (links) und Fine Kelly Mechanismus (rechts)
Die Härtung über Dispersoide ist artverwandt der Ausscheidungshärtung. Allerdings kann nur der Orowan Mechanismus Anwendung finden, da Dispersoide immer inkohärent zur Matrix sind. Durch Umgehen der Dispersoide bilden sich Versetzungsringe um diese, so dass folgende Versetzungen zum Umgehen eine noch größere Energie aufbringen müssen, was sich in einem Festigkeitsanstieg bemerkbar macht [BR1]. Dispersionshärtung ist bei Stahl vernachlässigbar.
Kornfeinung:
Da Korngrenzen für Versetzungen unüberwindlich sind, bewirkt eine Erhöhung der Korngrenzenanzahl eine Verfestigung des Werkstoffs. Diese Erhöhung wird durch eine Verringerung der Korngröße erzielt. Da mit sinkendem Korndurchmesser ebenfalls die Zähigkeit erhöht wird, ist Kornfeinung eine metallurgische Möglichkeit, gleichzeitig Festigkeit und Duktilität zu steigern (Hall Petch Mechanismus) [BR1].
Zwillingsbildung:
Hohe Duktilität bei gleichzeitig hoher Festigkeit erzielt man durch Verfestigung über eine intensive mechanische Zwillingsbildung, was als TWIP Effekt („TWinning Induced Plasticity“) bezeichnet wird. Zwillingsbildung bedeutet Scherverformung eines Kristallbereiches spiegelsymmetrisch zur Ausgangslage (Abb. 2.15). Damit die Zwillingsbildung gegenüber der Versetzungsgleitung bevorzugt wird, muss in austenitischem Stahl metallurgisch eine kleine Stapelfehlerenergie erzeugt werden. Da nur die Zwillingssysteme im Kristallgitter (Abb. 2.16) aktiv sind, welche in Belastungsrichtung liegen, liefert die Zwillingsbildung einen Dehnungsbeitrag. Zusätzlich stellt die Zwillingsgrenze ein für Versetzungen unüberwindliches Hindernis dar, wodurch eine kornfeinende Wirkung erzielt wird [GOT].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.: 2.15: Atomistische Anordnung an einem Zwilling in kfz Kristallgitter
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.16: Lage der Zwillingssysteme im kfz Gitter und Atombewegung bei Zwillingsbildung [GOT]
Weiterhin werden lokale Einschnürungen herausgezögert, da an Stellen beginnender Einschnürung der Werkstoff durch Zwillingsbildung schnell verfestigt und die Spannungsspitzen in Bauteilbereiche geringerer Fließgrenze weiterleitet [GRA].
2.4.3. Technologische Maßnahmen zur Festigkeitssteigerung
Martensithärtung:
Unterdrückt man durch schnelle Abkühlung die diffusionsgesteuerte Umverteilung der Kohlenstoffatome während der Gitterumwandlung von Austenit in Ferrit, bildet sich Martensit als Nichtgleichgewichtsphase. Da im Martensit aufgrund seines verzerrten Gitters wie auch der extremen Mischkristallhärtung durch den Kohlenstoff quasi keine Versetzungsbewegung möglich ist, erhöht sich die Festigkeit eines Stahlwerkstoffs mit zunehmenden Martensitanteil im Gefüge auf Kosten der Duktilität stark [BR2].
Kaltverfestigung (Work Hardening):
Formt man ein Metall bei Temperaturen unterhalb seiner Rekristallisationstemperatur um, so erfährt es eine Festigkeitssteigerung durch Kaltverfestigung. Dabei aktivieren die eingebrachten äußeren Spannungen so genannte Frank Read Quellen in Form gepinnter Versetzungen. Diese beginnen, neue Versetzungen zu emmitieren (Abb. 2.17). Die an Anzahl zunehmenden Versetzungen behindern sich in ihrer Beweglichkeit gegenseitig durch die von ihnen erzeugten Spannungsfelder. Das Metall verfestigt [BR1].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.17: Versetzungsmultiplikation an einer gepinnten Versetzung durch äußere Spannungseinwirkung (Frank Read Quelle)
Bake Hardening:
Unter Bake Hardening versteht man den Effekt, bei dem durch eine kontrollierte Wärmebehandlung (Lackeinbrand im Automobilbau) eine Festigkeitssteigerung von etwa 40N/mm² infolge kontrollierter Kohlenstoffalterung erzielt wird (Abb. 2.18). Dies ist besonders bei nur geringfügig kaltverfestigten Karosserieteilen mit großen ebenen Flächen, z.B. Beplankungsbauteilen, vorteilhaft. Fast alle modernen Karosseriebaustähle weisen den Bake Hardening Effekt auf [KLA].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2.18: Bake Hardening Effekt [MAD]
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