Unsere Zeit ist geprägt von ökonomischen Veränderungen (z.B. Globalisierung und
weltweite Rezession), vom technologischen Wandel (z.B. Internet), von politischen
Veränderungen (z.B. Europäischer Einigungsprozess), von der demografischen
Entwicklung (z.B. Geburtenrückgang) und vom Klimawandel (z.B. Zunahme von Naturkatastrophen),
um nur einige Veränderungsprozesse zu nennen. Diese komplexen
und dynamischen Umweltphänomene verlangen auch von Organisationen neue
oder zumindest andere Problemlösungen als bisher. So beginnen Veränderungen
immer in den Köpfen der Menschen.
Obwohl die Veränderungen seit längerem bekannt und verschiedene Verwaltungsreformen,
nicht zuletzt in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts durch das
„New Public Management“, angestoßen wurden, stellen die erzielten Ergebnisse
nicht zufrieden.
Vielfach scheitern Projekte daran, dass der Faktor Mensch und damit Emotionen,
Macht, Konflikte, Wahrnehmung und Motivation zu wenig in den Vordergrund gerückt
wurde. Eine nur begrenzte Modellierung des Organisationswandels, die mangelnde
Berücksichtigung der Verwaltungskultur und die unzureichende Förderung
von organisationalem Lernen geben weitere Anhaltspunkte dafür.
Die Fähigkeit, sich an stetig wandelnde Anforderungen anzupassen, ist die Voraussetzung
dafür, dass Organisationen auf Dauer ihren Fortbestand sichern können.
Diese Folgerung bedingt, dass das Lernen immer mehr in den Fokus der Sozialwissenschaften
rückt. Unter Einbeziehung organisationaler Lernstrukturen wird Systemen
die Möglichkeit eröffnet, relevante Veränderungen ihres Umfeldes umzusetzen.
Das Erkenntnisinteresse sehe ich7 darin begründet, die relevanten Umweltveränderungen
eines Phänomens auf der Grundlage kognitiver Lerntheorien zu entziffern
und daraus den Umsetzungsgrad von organisationalem Lernen abzuleiten. Ich folge
der Annahme, dass der Umgang mit Phänomenen ein hohes Maß an Veränderungsbereitschaft aller Beteiligten erfordert und je nach Lernfortschritt zu einer Erneuerung
von organisationalem Handeln führt. Grundlage der Untersuchung bilden
dabei die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Theorien zur lernenden Organisation
von Chris Argyris und Donald A. Schön.[...]
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Veränderungsmanagement in Organisationen gestalten
2.1 Organisationsbegriff
2.2 Change Management
2.2.1 Definition
2.2.2 Rahmenkonzeption und Phasen
2.2.3 Change Management in der öffentlichen Verwaltung
2.3 Der kontinuierliche Verbesserungsprozess
2.3.1 Wesen und Ziel
2.3.2 Umsetzung und Rollen
2.3.3 Potenziale und Risiken
3 Organisationales Lernen
3.1 Definition
3.2 Lernebenen
3.3 Bedingungen an lernende Organisationen
3.3.1 Wirkung von individuellem und organisationalem Lernen
3.3.2 Führungsverhalten und mentale Modelle
3.3.3 Erzeugung von Lernprozessen
3.4 Lernsystem einer lernenden Organisation
3.4.1 Modelle handlungsleitender Theorien
3.4.2 Organisationsstruktur
3.4.3 Verhaltenswelt
4 Wissenschaftliches Vorgehen und Forschungsdesign
4.1 Ansatz der Praxisforschung
4.1.1 Untersuchungsort
4.1.2 Rolle als Forscher und Praktiker
4.2 Qualitativer Forschungsansatz und Gütekriterien
4.3 Forschungsfrage und Entwicklung von Prozesshypothesen
4.4 Erhebungsverfahren und qualitative Auswertungskategorien
4.4.1 Datengenerierung und Felderschließung
4.4.2 Auswertungskategorien
4.4.3 Vorgehensweise und Dokumentation
5 Projekt: „KVP-Einführung in einem Ministerium“
5.1 Ziele und Konzeption
5.2 Projektdurchführung
6 Empirische Untersuchung
6.1 I. Hypothese: Jüngere bzw. kürzlich eingestellte Mitarbeiter sind offener und aufgeschlossener gegenüber Veränderungsprozessen als die etablierten Mitarbeiter
6.1.1 Jung oder Alt - Der fehlende Kausalbezug
6.1.2 Abwehrroutinen begrenzen Aufgeschlossenheit
6.2 II. Hypothese: Der Lernerfolg zeichnet sich durch den Grad an Intersubjektivität der Rolleninhaber zum KVP aus
6.2.1 Die Projektleitung gibt KVP ein Gesicht
6.2.2 Der Moderator in unterschätzter Schlüsselfunktion
6.2.3 Der Koordinator als Bindeglied und Informationsvermittler
6.2.4 Die Mitarbeiter in besonderer Verantwortung
6.3 III. Hypothese: Ausgeprägte personale und organisationale Hierarchieebenen begünstigen begrenzte Lernsysteme
6.3.1 Auswirkungen auf handlungsleitende Modelle
6.3.1.1 Zurückgehaltene Informationen
6.3.1.2 Handlungen werden zum Teil einseitig entschieden
6.3.1.3 Inneres Engagement und unterdrückte Gefühle
6.3.1.4 Defensive Denkmuster
6.3.2 Auswirkungen auf die Organisationsstruktur
6.3.2.1 Räumliches Umfeld
6.3.2.2 Wissen
6.3.2.3 Neue Wege der Kommunikation
6.3.2.4 Einführung von Anreiz-Systemen
6.3.2.5 Lenkende Maßnahmen und Verfahren
6.3.3 Auswirkungen auf die Verhaltenswelt
6.4 Ergebnisse im Bezug auf die Forschungsfrage
6.4.1 Wirkungen der Hypothesen auf die Forschungsfrage
6.4.2 Lernebenen und organisationale Lernprozesse
7 Zusammenfassung und weiterführende Forschungsfragen
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Schema der Arbeit und Konzeption
Abbildung 2: Das magische Dreieck nach Klimecki, Probst, Ebert
Abbildung 3: Übersicht der Rollen im KVP
Abbildung 4: Lernebenen nach Argyris und Schön
Abbildung 5: Zusammenwirken organisationaler und individueller Lernmodelle
Abbildung 6: Transformation von Modell-I zu Modell-II
Abbildung 7: Elemente der Organisationsstruktur
Abbildung 8: Konzeption zur Ideenfindung
Abbildung 9: Zusammenwirken von Hypothesen und Forschungsfrage
1 Einleitung
Unsere Zeit ist geprägt von ökonomischen Veränderungen (z.B. Globalisierung und weltweite Rezession), vom technologischen Wandel (z.B. Internet), von politischen Veränderungen (z.B. Europäischer Einigungsprozess), von der demografischen Entwicklung (z.B. Geburtenrückgang) und vom Klimawandel (z.B. Zunahme von Na- turkatastrophen), um nur einige Veränderungsprozesse zu nennen. Diese komple- xen und dynamischen Umweltphänomene verlangen auch von Organisationen neue oder zumindest andere Problemlösungen als bisher.1 So beginnen Veränderungen immer in den Köpfen der Menschen.2
Obwohl die Veränderungen seit längerem bekannt und verschiedene Verwaltungsre- formen, nicht zuletzt in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts durch das „New Public Management“, angestoßen wurden, stellen die erzielten Ergebnisse nicht zufrieden.
Vielfach scheitern Projekte daran, dass der Faktor Mensch und damit Emotionen, Macht, Konflikte, Wahrnehmung und Motivation zu wenig in den Vordergrund gerückt wurde. Eine nur begrenzte Modellierung des Organisationswandels, die mangelnde Berücksichtigung der Verwaltungskultur und die unzureichende Förderung von organisationalem Lernen geben weitere Anhaltspunkte dafür.3
Die Fähigkeit, sich an stetig wandelnde Anforderungen anzupassen, ist die Voraus- setzung dafür, dass Organisationen auf Dauer ihren Fortbestand sichern können.4 Diese Folgerung bedingt, dass das Lernen immer mehr in den Fokus der Sozialwis- senschaften rückt.5 Unter Einbeziehung organisationaler Lernstrukturen wird Syste- men die Möglichkeit eröffnet, relevante Veränderungen ihres Umfeldes umzusetzen.6
Das Erkenntnisinteresse sehe ich7 darin begründet, die relevanten Umweltverände- rungen eines Phänomens auf der Grundlage kognitiver Lerntheorien zu entziffern und daraus den Umsetzungsgrad von organisationalem Lernen abzuleiten. Ich folge der Annahme, dass der Umgang mit Phänomenen ein hohes Maß an Verände rungsbereitschaft aller Beteiligten erfordert und je nach Lernfortschritt zu einer Erneuerung von organisationalem Handeln führt. Grundlage der Untersuchung bilden dabei die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Theorien zur lernenden Organisation von Chris Argyris und Donald A. Schön. Um dies zu ergründen, gliedert sich die vorliegende Ausarbeitung wie folgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Schema der Arbeit und Konzeption8
Kapitel 2 stellt zunächst den wissenschaftlichen Bezug und die theoretischen Grundlagen zum Change Management her und nennt wesentliche Aspekte zum kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP).
Kapitel 3 setzt die gewonnenen Erkenntnisse in Bezug zum organisationalen Lernen. Dazu wird auf maßgebliche handlungsleitende Theorien, die für die Organisation eine Basis für höheres Lernen darstellen und dem Lernsystem, in dem diese wirken, eingegangen.
Kapitel 4 geht verstärkt auf die Forscherrolle ein und stellt das wissenschaftliche Vorgehen zur Untersuchung vor. Als Methodik wird das Vorgehen der Aktionsfor- schung mit einer hohen qualitativen Ausrichtung gewählt. Die darin implizierte und besondere Rolle des Verfassers, nämlich als Forscher und Beteiligter, durchdringt den wissenschaftlichen Diskurs und schafft eine Schnittstelle, die auf den Mehrwert und Austausch von Praxis- und Wissenschaftssystem abzielt.
Kapitel 5 stellt den Untersuchungsgegenstand vor und gibt den Verlauf zur Einführung des KVP wieder.
Kapitel 6 setzt sich mit den gewonnenen Erkenntnissen auseinander und beantwortet schlussendlich die Forschungsfrage und die dazugehörigen Hypothesen.
Kapitel 7 fasst die Erkenntnisse zusammen und legt weiterführende Forschungsfra- gen dar.
2 Veränderungsmanagement in Organisationen gestalten
Die öffentliche Verwaltung ist eine Verwaltung der jeweils herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse. Daher muss sie sich ständig jenen Entwicklungen anpassen und daraus die Organisation weiterentwickeln.9 Dies hat zur Folge, dass sich der Entwicklungsprozess in einem umfassenden Change Management vollzieht. In dieser Entwicklung übernimmt die menschliche Ressource, auch Humankapital genannt, einer Organisation eine entscheidende Aufgabe.10
2.1 Organisationsbegriff
Der Begriff Organisation ist vom griechischen ‚organon‘ abgeleitet und kann mit ‚Werkzeug’ übersetzt werden.11 In der klassischen Begriffsdeutung spaltet sich die Organisation in einen institutionellen Teil, welcher als ein offenes, soziales Gebilde mit formalen Strukturen beschrieben wird. Sowie einen funktionalen Teil, der die Ge- staltung und Strukturierung von Organisationen behandelt. Und abschließend in ei- nen instrumentellen Teil, der Organisation als Führungsinstrument quantifiziert, wel- ches der Steuerung des Leistungsprozesses dienlich ist und meist in Ablauf- und Aufbauorganisation untergliedert ist.12
Während in der frühen Organisationsforschung die Organisation von Zweck, sowie von der Hierarchie und Mitgliedschaft her gedacht wurde, lassen sich heute Organisationen als gemeinschaftliche Werkzeuge bezeichnen, die als kooperative Systeme von den konstitutionellen Grundsätzen einer Polis beherrscht werden.13
In kooperativen Systemen arbeiten Individuen zusammen, die als „erkennbarer Träger gemeinsamer Entscheidungen und Handlungen“14 wahrgenommen werden. Individuen gründen, repräsentieren und verändern Organisationen.15
Wöhrle ordnet Organisationen als virtuelle Gebilde ein. Dazu stellen sie Grundsätze auf, unter anderem durch Delegation von Handlungsvollmachten an Einzelpersonen, die im Namen der Organisation entscheiden und handeln.16
Die Prinzipien regeln die Mitgliedschaft ihrer Mitglieder.17 Das Regelwerk legt ferner fest, inwiefern die Organisation sich von der Umwelt abgrenzt und komplexe und wiederkehrende Aufgaben ausführt. Wiederkehrende Aufgaben bilden dabei den Aufgabenplan der Organisation.
Der Aufgabenplan teilt Tätigkeiten nach Grundsätzen auf, regelt die Delegation von Tätigkeiten an einzelne Mitglieder18 und weist diesen damit Rollen zu. Die konstitutionellen Regeln müssen nicht explizit vereinbart sein; oftmals erfolgt auch das Aufstellen der Regeln unbewusst und intuitiv.19
Die Umsetzung erfolgt dabei durch kommunikative Strukturen. Für die „Kontinuität von sozialen Systemen ist eine fortlaufende Kommunikation unerlässlich.“20
Nach Luhmann kommt „ein soziales System […] zustande, wenn immer ein autopoietischer Kommunikationszusammenhang entsteht und sich durch Einschrän- kung der geeigneten Kommunikation gegen eine Umwelt abgrenzt.“21 „Soziale Sys- teme bestehen demnach nicht aus Menschen, [...] sondern aus Kommunikationen.“22
Bei Interaktionen können nun Probleme entstehen, die soziale Systeme beschäftigen und für sich selbst eine Herausforderung darstellen. Als autopoietisches System löst es Probleme, in dem sie zu ihren eigenen Operationen Bezug nimmt, eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt und selbst referenziell wirkt.23
Für die empirische Analyse organisationaler Lernvorgänge schlägt Klimecki vor, einen geeigneten Untersuchungsbereich (Organisationen und organisationale Aktivitäten) auszuwählen, an dem die Beobachtung und Beschreibung der entsprechenden Phänomene möglich ist.24
Betrachtet man Organisationen als ein Netzwerk interagierender Gruppen, dann kann man Organisationen als ein System der Beziehungen zwischen Gruppen, die selbst wieder Beziehungssysteme von Beziehungen sind, begreifen.25
Daran angelehnt, orientiert sich der Untersuchungsbereich an folgenden Vorgaben: Die Organisation sollte dabei einer sich wandelnden Umwelt gegenüberstehen und darüber hinaus soll die Organisation über einen Entscheidungsspielraum verfügen, der selbstinitiierte und selbstorganisierte Veränderungsprozesse ermöglicht.26
Beide Anforderungen treffen sowohl auf Bundesministerien, als auch auf Ministerien der Bundesländer zu, die per Definition in einem besonderen Spannungsverhältnis zwischen Politik (Unterstützung der Regierung bei ihren politischen Aufgaben), Bür- ger (Planung und Gestaltung von politischen Vorgaben bzw. Gesetzen) und dem sogenannten nachgeordneten Bereich (Aufsicht über Dienststellen) fungieren.27
Die Organisation „Ministerium“ ist systemtheoretisch als ein soziales System anzu- sehen. Es zeichnet sich durch eine operationale Geschlossenheit aus, die eine Un- terscheidung zur Umwelt und die Entwicklung einer eigenen Sinnhaftigkeit ermög- licht.28
Dies impliziert, dass das soziale System „Ministerium“ mit einer sich stets wandelnden Umwelt konfrontiert wird und über den notwendigen Spielraum verfügt, eigene Entscheidungen im Bereich der Organisationsentwicklung zu treffen.
2.2 Change Management
Nachdem die Grundlagen zum Organisationsbegriff erarbeitet wurden, möchte ich nun näher auf die Weiterentwicklung von Organisationen eingehen. Der zugrundliegende Wandel und das komplexe Beziehungsgeflecht von Organisationen bedingen einer Steuerung. Das Konzept zum Change Management verfolgt dieses Anliegen und wird nun weiter ausgeführt.
In den folgenden Kapiteln stelle ich den Ansatz und wesentliche Faktoren zur An- wendung und Umsetzung vor. Abschließend unternehme ich den Versuch, die Er- kenntnisse mit den besonderen Kennzeichen öffentlicher Verwaltungen29 zu ver- knüpfen. Zum besseren Verständnis soll zunächst der Begriff 'Change Management' definiert werden.
2.2.1 Definition
Auf eine einheitliche Definition von Change Management hat sich die Wissenschaft bisher nicht verständigen können. Einige Autoren vermeiden sogar eine Definition des Begriffs.30 Daher versuche ich zunächst, mich mittels Begriffszerlegung in die Bestandteile Change und Management einer Definition zu nähern:
Der amerikanische Begriff Change wird oftmals in der deutschsprachigen Literatur mit dem Ausdruck 'Wandel' übersetzt.31 Andere Autoren wählen den Begriff Verän- derung.
Den Terminus Management differenziert Wolf auf zwei Bedeutungsebenen: „Erstens [...] instrumentell, wobei hiermit die Führung und Leitung von Sozialsystemen angesprochen ist. Und zweitens […] institutionell; hier ist die Gruppe der Personen gemeint, der die Führung von Sozialsystemen obliegt.“32
Steinmann und Schreyögg unterscheiden ähnlich auch nach einem institutionellen und einem funktionalen Ansatz. „Mit Management als Institution meint man die Gruppe von Personen, die in einer Organisation mit Anweisungsbefugnissen betraut ist. […] Der Funktionsansatz knüpft dagegen - prinzipiell unabhängig von einer vor- herigen Fixierung auf bestimmte Positionen und Führungsebenen - an diejenigen Handlungen an, die der Steuerung eines Leistungsprozesses […] dienen. Solche Steuerungshandlungen können ganz verschiedener Art sein, z.B. planender, organi- sierender oder kontrollierender Art.“33
Setzt man den beschriebenen funktionalen Managementansatz in Bezug zum Change Management, so sind alle Steuerungshandlungen tangiert, die der Gestaltung geplanter Änderungsprozesse dienen.
So kommt Nolte zu dem Schluss, dass das Veränderungsmanagement als Führungs- und Leitungsaufgabe die Steuerung und Gestaltung zielgerichteter Veränderungsprozesse innerhalb einer Organisation betrifft.34
Change Management werde ich daher im Folgenden als Oberbegriff für viele Formen des Veränderungsmanagements in Organisationen verwenden.35
2.2.2 Rahmenkonzeption und Phasen
Da unter dem Change Management sich alle organisationalen Anstrengungen zum Veränderungsmanagement vereinen, ist das Management aufgerufen, erforderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen wirksamen, zielorientierten Wandel be- günstigen.36
Dazu zählen die Beeinflussung der Organisationsstruktur, der Organisationskultur und das individuelle Verhalten unter Beteiligung der Betroffenen.37 Daraus entstehen vielfältige Wechselwirkungen „zwischen Individuen, Gruppen, Technologien, der Umwelt, der Zeit und den Rahmenbedingungen, in welchen sich die Organisation als Ganzes bewegt.“38
Die bisherigen Erfahrungen zur Umsetzung von Reorganisationsansätzen haben gezeigt, dass viele Konzepte auf Schwierigkeiten stoßen und sogar ein Scheitern der Programme zur Folge haben können.39 Ein Hauptproblem sind Widerstände, die sich auf die mangelnde Unterstützung durch die Mitarbeiter zurückführen lassen.40
Klug erkennt ein unzureichendes Mittragen von Veränderungsprozessen durch Gruppen, Hierarchieebenen und komplette Verwaltungseinheiten.41
Empirische Untersuchungen belegen, dass „1/3 der Mitarbeitenden sich bei Veränderungsprozessen engagieren, 1/3 eher abwartend sind und 1/3 mit aktivem oder passivem Widerstand reagieren […].“42 Oftmals werden Mitarbeiter nicht in Konzeptphasen eingebunden und geraten dann unter Druck, wenn das von wenigen Personen konzipierte Programm schnell und radikal umzusetzen ist.43
Klug plädiert dafür, die Auswahl und Zusammensetzung der Projektteams und der Projektleitung durch Schlüsselpersonen zu besetzen, die über ein hohes Wissen, über Erfahrung und Kenntnisse der beteiligten Personen verfügen. Die Multiplikatoren müssen ein Interesse an Veränderungen haben.44
Zusammen mit den Projektteams und der Projektleitung fungiert die Organisations- führung als Führungskoalition und setzt den Rahmen fest, der den Beteiligten Hin- weis und Richtung vermittelt. Dieser gliedert sich in verschiedene Phasen auf, wobei das Vorgehen sachlogisch aufgebaut ist. Elemente einer emotionalen und psycholo- gischen Prozessgestaltung sind Bestandteil des Prozesses.45 Viele psychologische Erkenntnisse fließen von daher in unterschiedlichen Phasenmodellen ein.
Das 3-Phasen-Modell dient zur schrittweisen Umsetzung von Veränderungen nach Lewin und basiert auf der Grundannahme, dass eine Organisation sich verändert, wenn sich die Personen darin verändern. Es zielt auf einen stabilen Gleichgewichtszustand ab, wobei Veränderungen eines dynamischen Ausgleichs bedürfen. Das Modell basiert auf drei Phasen, dem Auftauen („unfreezing“), einer Übergangsphase („moving“) und dem neu einfrieren („refreezing“).46
Litzcke / Nolte erkennen folgende Elemente zum Veränderungsprozess an: „System- und Umfelderfassung […], System- und Umfeldanalyse […], Implementierung einer wirksamen Changeorganisation […], Definition und Kommunikation des Soll- Zustandes […], Entwicklung praxistauglicher Lösungsalternativen […] sowie Durch- führung der Maßnahmen mit anschließender Erfolgs- oder Wirksamkeitskontrolle.“47
Abschließend möchte ich die besondere Bedeutung eines professionellen Change- marketings ansprechen. So haben empirische Untersuchungen den Nachweis erb- racht, dass Motivation und Identifikation der Führungskräfte und Mitarbeiter, sowie eine partnerschaftlich und kooperativ ausgerichtete Organisationskultur zum erfolg- reichen Veränderungsmanagement und dem organisationalen Lernen beitragen.48 Diese Aspekte sind in ein Changemarketing einzubetten, um die Notwendigkeit und die Sinnhaftigkeit des Wandels, sowie die sich daraus ergebenden Perspektiven zeitnah und umfassend zu kommunizieren und auf notwendige Änderungen des Wertesystems und die Änderung der Verhaltensmuster der Systemmitglieder hinzu- wirken.49
Das folgende Kapitel stellt nun die Change Management-Anstrengungen in den Kontext zu den Besonderheiten der öffentlichen Verwaltung.
2.2.3 Change Management in der öffentlichen Verwaltung
Die spezifische Funktion öffentlicher Verwaltungen offenbart dabei wesentliche Unterschiede zum Veränderungsmanagement von privaten Organisationen. Diesem Aspekt ist Rechnung zu tragen. So stellt Nolte fest, dass im „Gegensatz zur Privatwirtschaft [...] die Notwendigkeit eines Wandels in der öffentlichen Verwaltung höchst unterschiedlich beurteilt“50 wird.
So galt lange Zeit die Umsetzung einer neuen Lösung als unproblematisch, da die Bestimmung einer optimalen organisatorischen Entscheidung im Zentrum stand. Die Veränderung von Organisationen wurde als planerisches Problem begriffen.51
Der Wandel wurde als Ausnahme und nicht als Regel mit einem eigenständigen kritischen Erfolgsfaktor verstanden. Probleme ergaben sich erst aufgrund der Umsetzung in der Praxis.52
In der Folge setzte sich dann die Einsicht durch, dass die Steuerung des organisato- rischen Wandels aufgrund einer zunehmenden Ökonomisierung von Staat und öf- fentlicher Verwaltung notwendig ist. Daraufhin haben vermehrt betriebswirtschaftli- che Methoden und Grundsätze in den öffentlichen Sektor Einzug genommen, die das Ziel verfolgen, den effizienten und effektiven Staat als Orientierungspunkt zu sehen.53
Schließlich wurden die ursprünglichen Bedingungen, nämlich festgelegte Reaktionsmuster, hohe Beherrschbarkeit und Prognosefähigkeit von definierten Verfahren und exakte Planung durch neuartige Paradigmen54 abgelöst.55
Führt man diese Überlegung weiter, so bildet sich ein modernes (Selbst-) Verständnis der Verwaltung heraus, welches sich von einer Organisation der traditionellen Verwaltung nach dem Bürokratiemodell56 von Max Weber zu einem „öffentlichen Dienstleister“ entwickelt.
Viele neue betriebswirtschaftliche Steuerungsinstrumente und Managementmodelle treten an die Stelle der bisherigen formalen Steuerung.57
Allerdings ist der Spielraum von Change Management in Einheiten der Verwaltungen im Vergleich zu privaten Unternehmen relativ gering. Die Abhängigkeiten des zu verändernden Systems sind von übergeordneten politisch-strategischen Zielen sowie vom Einfluss politischer Programme sehr hoch.58
Bezugnehmend auf den eingangs erwähnten Aspekt der Steuerung von Veränderungen möchte ich auf Nolte hinweisen, der für das 'Überleben' von Organisationen die Fähigkeit, sich sowohl reaktiv als auch proaktiv an die neuen Bedingungen anzupassen, als essentiell einstuft.59
In diesem Wissen erscheint der Organisationswandel nicht mehr als „einmaliges, sachlich und zeitlich abgrenzbares und damit gut strukturierbares Entscheidungsfeld des Managements, sondern verlangt vielmehr einen dynamischen Fit zwischen der internen und externen Umwelt.“60
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Das magische Dreieck nach Klimecki, Probst, Ebert61
Charakteristisch für die Organisationsumwelt sind dabei Komplexität, Diskontinuität und Dynamik, die neben den Organisationen der Privatwirtschaft auch Verwaltungen und NGOs betreffen.62
Klimecki ordnet die Komplexität in ein magisches Dreieck ein, welches an den Polen von drei Faktoren, nämlich Vielfalt, Dynamik und Diskontinuität getragen wird (Abbil- dung 2).
Während sich zur Anfangszeit der Managementlehre - besonders im öffentlichen Sektor die Machbarkeit und exakte Planbarkeit des Handelns - auf den Arbeitsablauf und die Arbeitsverteilung konzentrierte (z.B. Webers Bürokratiemodell), gibt es heute aufgrund der drastisch veränderten Rahmenbedingungen keine adäquaten Konzepte mehr.63
Zusammenfassend stelle ich fest, dass Organisationen, insbesondere Verwaltungen, von Wandel betroffen sind und diesen zu managen haben. Das Change Manage- ment erfordert dabei eine grundsätzliche Rahmenkonzeption, die den Beteiligten Richtung und Hinweis vermittelt. Eine darauf aufbauende Fähigkeit von System und Systemmitgliedern zur Selbstorganisation ist für den Veränderungserfolg eine wich- tige, für das organisationale Lernen eine obligatorische Voraussetzung.
2.3 Der kontinuierliche Verbesserungsprozess
Wie im vorigen Kapitel bereits erarbeitet, bildet der kontinuierliche Verbesserungsprozess einen Reorganisationsansatz, der als Teil des Gesamtkonzeptes zum Change Management einzuordnen ist.64 Dieser wird nun vorgestellt.
2.3.1 Wesen und Ziel
Unter KVP ist ein ganzheitlicher Ansatz zu verstehen, der das Ziel verfolgt, “versteckte“ bzw. bisher nicht genutzte Ressourcen zu erfassen und zu beschreiben. Alles, was den Leistungsprozess65 behindert, Kosten erhöht und Ressourcen unnötig belastet, ist nach diesem Ansatz 'Verschwendung'.
Ein zentrales Anliegen des KVP ist die Vermeidung von Verschwendungen aller Art.66 Dazu werden bestehende Wissensstrukturen und Handlungsschritte von den Beteiligten kritisch hinterfragt und analysiert.
Ursprünglich wurde der KVP in der Automobilfertigung als Ansatz zur Verbesserung der Produktion eingesetzt. Zwischenzeitlich ist der KVP als ein moderner Manage- mentansatz in vielen Industrie-, Handelsgewerbe- und Dienstleistungsbranchen an- erkannt.67 So kommt dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Hinblick auf eine systematische und langfristige Organisations- und Personalentwicklung eine wesentliche Bedeutung zu.68
Der kontinuierliche Verbesserungsprozess schließt darüber hinaus eine große Lü- cke, da er als ein Instrument zur Organisationsentwicklung in der Organisation vor- handenes und teilweise verborgendes Wissen aufzeigt.69 KVP soll „möglichst alle Mitarbeiter […] dazu bewegen und befähigen […], in einem ständigen Bemühen und in Teamarbeit Verbesserungen im alltäglichen Arbeitsprozess zu erarbeiten.“70
KVP ist eine innere Haltung aller Beteiligten und bedeutet, stetige Verbesserung mit möglichst nachhaltiger Wirkung. Diese Geisteshaltung ist geprägt von einer Überzeugung zur fundamentalen Veränderung, einem Weitblick mit klaren Zielvorgaben und einer respektvollen und verbindlichen Kommunikation.71
2.3.2 Umsetzung und Rollen
Zur wirkungsvollen Umsetzung bedarf es der Kommunikation der genannten Prinzipien und der dahinter stehenden Geisteshaltung. Durch den kontinuierlichen Verbesserungsprozess erfahren die Abläufe und Herangehensweisen eine Überarbeitung und führen somit zu einer Optimierung von Verwaltungshandeln. Letztendlich soll daraus eine Entlastung und Verbesserung der Arbeitssituation für die Mitarbeiter entstehen (Leistungsqualität, Zeit zur Leistungserstellung).72
KVP nutzt den Sachverstand und die Erfahrungen der Mitarbeiter. Der Fokus liegt zunächst auf den eigenen Arbeitsbereichen, die im Sinne der Prinzipien verbessert werden sollen.
Während in der ersten Phase vermehrt Mängel und Verschwendung aufzuspüren sind, verlagert sich zunehmend die Diskussion zu den Chancen einer zusätzlichen Wertschöpfung, sowie der Leistungsprozesse und Abläufe hin. KVP ist somit als ein Entwicklungsprozess zu verstehen.73
Dieser Prozess ist so zu gestalten, dass bei einem Rückgang von KVP-Vorschlägen die Partizipation der Beteiligten nicht abbricht, sondern die Verbesserungsaktivitäten auf die Chancen der zusätzlichen Wertschöpfung gelenkt werden.74 Umgesetzt wird KVP durch stetige, kleine Verbesserungsschritte in kontinuierlicher Teamarbeit und nicht durch große, sprunghafte, einschneidende Veränderungen.75
Die KVP-Sitzungen der Teams bilden den Kern des Vorgehens. In Gesprächen wer- den Vorschläge benannt und identifiziert. Danach werden mögliche Umsetzungsal- ternativen entwickelt und ein Lösungsvorschlag erarbeitet. Die Entscheidung zur Umsetzung und Realisierung erfolgt dabei durch das Team selbst oder durch eine eingerichtete Entscheidungsinstanz. Die Umsetzung ist zu kontrollieren.76
Innerhalb des KVP sind verschiedene Fähigkeiten notwendig, so insbesondere ein transparenter Kommunikations- und Informationsfluss.77 In der Kommunikation ist die verwendete Sprache dem „Languaging“ anzupassen und fortzuentwickeln, da ein organisationales Lernen erst dann effizient sein kann.78
Die Anwendung einer KVP-Software verspricht einerseits eine Arbeitserleichterung zur Dokumentation des Prozesses, anderseits erfordert sie eine hohe IT-Kompetenz, über die alle Beteiligten verfügen müssen.79 Menzel merkt dazu an, dass die Gestaltung von Hilfsmaterialen sich oftmals an der Software orientiert und tatsächliche Bedürfnisse ausblendet. Daher sollte zunächst abgewartet werden, bis die Mitarbeiter das Prinzip „KVP“ verinnerlicht haben.80
Weitere notwendige Fähigkeiten sind eine gute Kenntnis der Dienststelle und des öffentlichen Sektors, die Fähigkeit im Team zu arbeiten und grundlegende Kenntnisse zum KVP.81 Zur Vermittlung dieser Fähigkeiten sind umfangreiche Qualifikationsmaßnahmen notwendig.82
Die Teamarbeit vollzieht sich in neuartigen Strukturen, die so bisher in der Verwal- tungsarbeit nicht anzutreffen waren. Dabei liegt die Herausforderung weniger in der Implementierung der Teams. Viel zentraler ist die Fähigkeit, den Prozess der Teamentwicklung und -vernetzung zu managen. Das Ziel ist die Aktivierung von vorhandenen Problemlösungspotenzialen, diese sind zu kultivieren und fördern somit die Diffusion relevanten Wissens.83
Im beschriebenen Prozess nehmen alle Beteiligten verschiedene Rollen und Funktionen wahr.84 Damit die Rolle umfassend wahrgenommen werden kann, sind die Beteiligten entsprechend zu schulen und zu qualifizieren.85 Abbildung 3 verdeutlicht die Rollenbeziehungen der Akteure im KVP.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Übersicht der Rollen im KVP86
Die KVP-Organisation sieht einen KVP-Beauftragten vor, der durch die Organisationsleitung benannt wird. Der Beauftragte ist für die strategische Planung des gesamten Prozesses verantwortlich. Er hält einen engen Kontakt zu den Koordinatoren und erhält somit die notwendigen Informationen zum Prozess.87
Die KVP-Koordinatoren agieren als Schnittstelle zu den Teamgruppen und den KVP- Moderatoren. Sie üben ihre Tätigkeit in der gesamten Organisation oder in einem zugewiesenen Bereich aus, sorgen für einen Know-How-Transfer und die Vernet- zung der vorgeschlagen Verbesserungen. Sie sind für die interne Koordination ver- antwortlich und stellen letztendlich die Funktionsfähigkeit des Systems sicher.88
Die KVP-Moderatoren bereiten Teamsitzungen vor und moderieren diese ziel- und ergebnisorientiert. Der Moderator ist für die Dokumentation und Einhaltung der Er- gebnisse verantwortlich. Sie zeichnen sich durch eine hohe Kompetenz in verschie- denen Moderations- und Kreativitätstechniken aus, die in den Sitzungen Anwendung finden.89 Letztendlich sind die Mitarbeiter die Protagonisten im KVP. Die Mitarbeiter entwickeln in Teams eigene Lösungsvorschläge und Ideen und reichen diese an die jeweilige Entscheidungsinstanz weiter.
2.3.3 Potenziale und Risiken
Die Chancen von KVP liegen in dem aktiven Vorschlagswesen begründet. Motivierte Mitarbeiter lernen dabei den kritischen Umgang mit der eigenen Arbeit, es entstehen innovative Teamkulturen, die das organisationale Lernen90 begünstigen und fördern.
KVP korrespondiert mit dem Ansatz des magischen Dreiecks, indem die Leistungsfähigkeit, Flexibilität und Dynamik in permanent veränderten Umweltbedingungen optimiert werden.91
Der KVP und insbesondere die Einführungsphase beinhalten Risiken, die sogar eine gesamte Konzeption scheiten lassen können.92 Gegenstand des KVP ist die Arbeitserledigung, also insbesondere die Frage: Wie tun wir es? Mitarbeiter, die es gewohnt sind nur auszuführen, sind zum Teil schwer zu den KVP-Prinzipien des Nachdenkens und der Teamarbeit zu bewegen.93
Viele Mitarbeiter empfinden eine KVP-Einführung als starke Veränderung.94 Diese wird zumeist von Anfangswiderständen seitens der Beteiligten begleitet.95
KVP darf nicht derart verstanden werden, dass eine Verbesserung in einem be- stimmten Arbeitsbereich eine Verschlechterung und Mehrbelastung in einer anderen Organisationseinheit mit sich bringt. Wichtig ist, die richtige Balance zu finden.96
Ein weiteres Risiko ist die überzogene Erwartungshaltung der Mitarbeiter an den KVP. Dies bezieht sich vor allem auf die mit dem KVP bezweckten Zielvorstellungen, deren Erreichung womöglich nicht von den Mitarbeitern geteilt wird. Enttäuschung kann sich auch dann entwickeln, wenn eingereichte Vorschläge nicht verwirklicht werden.97
Schließlich berühren Veränderungsprozesse unmittelbar die persönlichen Interessen und persönlichen Ziele, Erwartungen und Werte der Systemmitglieder, die keines- wegs mit den Zielen, Werten und Interessen der Organisation deckungsgleich sein müssen.98
Im Einzelfall kann das persönliche Werte- und Zielsystem erheblich von den Organi- sationszielen abweichen. Dort, wo eigene Interessen vermeintlich bedroht oder be- einträchtigt werden, ist Widerstand gegen den Wandel zu erwarten. Dieser kann of- fen oder verdeckt ausgeübt werden und in unterschiedlicher Weise und Intensität auftreten.99
Neben den dargelegten Potenzialen und Risiken zeichnet sich das Entwicklungsinstrument insbesondere dadurch aus, dass vorhandene und bisher nicht genutzte, und teils sogar verborgene, Wissensstrukturen für den Wertschöpfungsprozess eingebracht und für den weiteren Prozess aufbereitet werden.
Schließlich sind vielen Mitarbeitern der Organisation oftmals die vorherrschenden Handlungsstrategien und -muster nicht bewusst. Hier nimmt das KVP eine wichtige Funktion wahr, wenn es gelingt, durch den KVP Wissensstrukturen aufzudecken, diese im Diskurs zu reflektieren und schließlich in organisationales Handeln zu ope- rationalisieren.
Dieser Ansatz, der zunächst über die Prinzipien und den Vorgaben vom Change Management und dem Organisationsinstrument KVP entwickelt wurde, soll nun von anderer Seite, nämlich aus Sicht des organisationalen Lernens, aufgegriffen werden. Dazu setzt das folgende Kapitel die Auswirkungen individueller Erwartungshaltungen und Zielvorstellungen in Folge von Veränderungsprozessen in Verbindung zum or- ganisationalen Lernen.
3 Organisationales Lernen
Der angesprochene Wandel der öffentlichen Verwaltung und die Einbettung von be- triebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten, insbesondere die Einführung eines KVP, stellt für die gesamte Organisation eine neuartige Herausforderung dar, die nur mittels eines Lernprozesses zu bewältigen ist. Die nun folgenden Ausführungen zum organisationalen Lernen und zur Implementierung organisationaler Lernprozesse folgen den Forschungen von Chris Argyris und Donald A. Schön, deren Modelle und Konzeptionen mit konkreten Situationen verknüpfbar sind und somit sich durch einen hohen Praxisnutzen auszeichnen.100
Zum besseren Verständnis ist es zunächst erforderlich, den Lernbegriff zu definieren und auf maßgebliche Lerntheorien einzugehen (Kapitel 3.1). Anschließend folgt die Einordnung des Lernbegriffs zu unterschiedlichen Lernebenen. Lernebenen stellen individuelle und organisationale Handlungen in Bezug zu Leitwerten, Strategien und Konsequenzen dar (Kapitel 3.2). Während Abschnitt 3.3 auf Wechselwirkungen indi- vidueller und organisationaler Lernprozesse eingeht, erarbeitet Kapitel 3.4 notwendi- ge (Erfolgs-) Faktoren zur Entwicklung von Organisationen, die sich durch eine hohe Lernfähigkeit auszeichnen.
3.1 Definition
Eine Vielzahl von Wissenschaftsdisziplinen beschäftigen sich mit dem Phänomen des menschlichen Lernens. Eine umfassende Bestandsaufnahme kann die vorlie- gende Ausarbeitung nur teilweise leisten, so dass ich mich auf wesentliche Erkennt- nisse dieser Wissensgebiete im Kontext von individuellem und organisationalem Lernen konzentriere.
Klimecki, Laßleben und Riexinger-Li definieren „Lernen als Sammelbezeichnung für nicht unmittelbar zu beobachtende Vorgänge in einem Organismus, die auf der Basis von Erfahrungen über kognitive Informationsverarbeitungsprozesse zu latenten Verhaltensänderungen führen.“101
Aus lernpsychologischer Sicht wird „Lernen als ein Prozess der Veränderung des Verhaltens, Denkens und Fühlens aufgrund von Erfahrung verstanden.“102
[...]
1 Vgl. Klimecki / Laßleben / Riexinger-Li (1994), S. 1, ähnlich argumentierend: Probst / Büchel (1994),
S. 3-9. Zum Begriff „Problemlösungsfähigkeit“ vgl. Willke (2006), S. 225.
2 Vgl. Nolte (2008), S. 110.
3 Vgl. Schritte (2004), S. 4f.
4 Vgl. Florian / Hillebrandt (2004), S. 7, siehe auch Bertels (2008), S. 53 und Klimecki / Laßleben / Riexinger-Li (1994), S. 9.
5 Vgl. Klimecki / Laßleben / Riexinger-Li (1994), S. 1.
6 Vgl. Bertels (2008), S. 54.
7 Innerhalb der Ausarbeitung wurde die „Ich“-Form gewählt. Damit belege ich die Selbstbezogenheit und die besondere Sichtweise zur Untersuchung: Der Verfasser verfügt über einen Einblick in die or- ganisationalen Prozesse und Funktionen zum Phänomen, da er selbst ein Teil des Systems ist.
8 Eigene Darstellung.
9 Vgl. Hopp / Göbel (2008), S. 45.
10 Vgl. ebd., S. 43.
11 Vgl. Klug (2009), S. 5.
12 Vgl. ebd., S. 6f.
13 Vgl. Argyris / Schön (2002), S. 26.
14 Ebd., S. 24.
15 Vgl. Wöhrle (2005), S. 28.
16 Vgl. ebd., S. 23.
17 Vgl. Argyris / Schön (2002); S. 24-26.
18 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde die männliche Schreibweise verwendet. Der Verfasser weist an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass sowohl die männliche als auch die weibliche Schreibweise für die entsprechenden Beiträge gemeint ist.
19 Vgl. Argyris / Schön (2002), S. 24.
20 Wilke (2006), S. 65.
21 Luhmann (2008), S. 179.
22 Ebd. Unter dem Begriff „Kommunikation“ subsumiert Luhmann eine eigenständige autopoietische Operation, die aus den Sektoren Information, Mitteilung und Verstehen besteht; vgl. ebd., S. 177.
23 Vgl. Wilke (2006), S. 8.
24 Vgl. Klimecki / Laßleben / Riexinger-Li (1994), S. 5.
25 Vgl. Wimmer (1993), S. 259f.
26 Vgl. Klimecki / Laßleben / Riexinger-Li (1994), S. 5.
27 Stichwort „Ministerium“ Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag 2007.
28 Vgl. Kaiser-Probst (2008), S. 103; unter dem Begriff „operative Geschlossenheit“ wird ein System verstanden, welches für sich selbst Grenzen definiert und dadurch die eigene Identität durch eigene Regeln sicherstellt. Siehe dazu ausführlich Wilke (2006), S. 61-65; sowie Wöhrle (2005), S. 28.
29 Die Begriffe „Verwaltung“, „öffentliche Verwaltung“ sowie „öffentlicher Sektor“ werden synonym ver- wendet. Eine allgemeine Definition des Begriffs konnte bisher nicht gefunden werden. Im Rahmen dieser Ausarbeitung werden unter diesem Begriff alle staatlichen Leistungen subsumiert, die sich auf die Vorbereitung, den Vollzug und Kontrolle politischer Entscheidungen (Staatszweck) beziehen. Diese Leistungen werden in einer speziellen vom Staat bereitgestellten und gesetzlich determinier- ten Organisation, der Verwaltung, bereitgestellt. Vgl. dazu Schedler / Proeller (2006), S. 15-21.
30 Vgl. Klug (2009), S. 163.
31 Vgl. Plag (2007), S. 7. Die Begriffe „Wandel“, „Change“ und „Veränderung“ werden synonym verwen- det.
32 Wolf (2003), S. 38.
33 Steinmann / Schreyögg (2000), S. 6.
34 Vgl. Nolte (2008), S. 106.
35 Beispiel für Formen des Veränderungsmanagements in Organisationen sind u.a. die Organisations- entwicklung sowie weiterführende Reorganisationsansätze zum Total Quality Management, Kontinu- ierlicher Verbesserungsprozess, Lean Management, Business Process Engeneering.
36 Vgl. Litzcke / Nolte (2008), S. 107.
37 Vgl. Klug (2009), S. 164.
38 Ebd.
39 Vgl. Schridde (2004), S. 10.
40 Vgl. ebd.
41 Vgl. Klug (2009), S, 196.
42 Ebd.
43 Vgl. ebd., S. 165.
44 Vgl. ebd., S. 197.
45 Vgl. Klug (2009), S. 55-59. Die Ausgestaltung des Rahmens orientiert sich an den Erkenntnissen zum Ansatz des Kulturwandels in der Gesellschaft (Veränderungszyklus nach Dyer) sowie dem or- ganisatorischen Verhaltungsmuster in Veränderungsprozessen nach Kostka/Münch).
46 Vgl. ebd., S. 59-61; weitere beispielhafte Phasenmodelle sind 8-Stufen-Veränderungsplan nach Kot- ter; 12-Stufen-Modell nach Doppler/Lauterburg, Phasenmodell nach Glasl; zyklischer Organisations- entwicklungs-Problemlöseprozess nach Riekmann; Phasenmodell nach Heitger/Doujak.
47 Vgl. Litzcke / Nolte (2008), S. 108.
48 Vgl. Hopp / Göbel (2008), S. 43f.; zu empirischen Untersuchungen: siehe Plag (2007), S. 296f.
49 Vgl. Litzcke / Nolte (2008), S.108f.
50 Nolte (2008), S. 97f.
51 Vgl. Schreyögg (2008), S. 403f.
52 Vgl. Schridde (2004), S. 9.
53 Vgl. Nolte (2008), S. 106. Zu den theoretischen Grundlagen des New Public Management (NPM) siehe ausführlich Schedler / Proeller (2006), S. 47-58.
54 Dazu zählen beispielsweise das Prinzip der Selbstorganisation, den Konstruktivismus (siehe dazu ausführlich Kaiser-Probst (2008)), die Implementierung von Frühwarnsystemen, die Entwicklungsfä- higkeit von Organisationen und letztendlich das organisationale Lernen.
55 Vgl. Klimecki / Probst / Eberl (1994), S. 10-13.
56 Max Weber hat in seinem Hauptwerk "Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Sozi- ologie", 1921/1922 die modernen, leistungsfähigen Strukturen von Wirtschaft und Verwaltung be- schrieben, die gekennzeichnet sind durch bewusst gesetzte Regeln und auf Dauer eingerichtete "Verwaltungen" in "Büros" mit hauptamtlichem fachlich ausgebildetem Personal ("legale Herrschaft mit bürokratischem Verwaltungsstab").
57 Vgl. Schedler / Proeller (2006), S. 17f.
58 Vgl. Nolte (2008), S. 107. Zur Unterscheidung der Kennzeichen von Organisationseinheiten der öf- fentlichen Verwaltung siehe Plag (2007), S. 88f.
59 Vgl. ebd., S. 96.
60 Schridde (2004), S. 12.
61 Eigene Darstellung. Inhaltlich basierend auf Klimecki / Probst / Eberl (1994), S. 12.
62 Vgl. Nolte (2008), S. 96.
- 11 -
63 Vgl. Klimecki / Probst / Eberl (1994), S. 10-13.
64 Vgl. Schridde (2004), S. 9.
65 Der Begriff Leistungsprozess wird synonym zum Wertschöpfungsprozess verwendet.
66 Vgl. Kostka / Kostka (2008), S. 15.
67 Vgl. Menzel (2009), S. 22.
68 Vgl. ebd., S. 106.
69 Vgl. Witt / Witt (2008), S. 18.
70 Ebd.
71 Vgl. Kostka / Kostka (2008), S. 32.
72 Vgl. ebd., S. 46.
73 Vgl. Witt / Witt (2008), S. 39f.
74 Vgl. Plag (2007), S. 302.
75 Vgl. ebd., S. 22.
76 Vgl. Plag (2007), S. 91f.
77 Vgl. ebd., S. 291; siehe auch Menzel (2007): S. 75-78.
78 Vgl. ebd.; zum Begriff „Languaging“ siehe ausführlich Bertels (2008), S. 88f.
79 Vgl. ebd.
80 Vgl. Menzel (2009), S. 78f.
81 Vgl. Plag (2007), S. 292.
82 Vgl. ebd., S. 291.
83 Vgl. Bertels (2008), S. 87f.
84 Beispielsweise in einem Führungs- bzw. Entscheidungsgremium, als KVP-Beauftragte, KVP-Koordi- natoren, KVP-Moderatoren und schlussendlich als KVP-Mitglieder, die als Mitarbeiter Ihre Erfahrung und Sachverstand in Teamgruppen einbringen.
85 Vgl. Witt / Witt (2008), S. 49.
86 Eigene Darstellung.
87 Vgl. Menzel (2009), S. 36.
88 Vgl. ebd., S. 38-42; ähnlich argumentierend Witt / Witt (2008), S. 51f.
- 15 -
89 Vgl. Menzel (2009), S. 43-46.
90 Eine eingehende Erörterung zum Begriff „organisationales Lernen“ siehe Kapitel 3.
91 Vgl. Witt / Witt (2008), S. 40-44.
92 Vgl. Plag (2007), S. 303.
93 Vgl. Witt / Witt (2008), S. 46.
94 Vgl. Plag (2007), S. 279-303.
95 Vgl. Menzel (2009), S. 22.
96 Vgl. Witt / Witt (2008), S. 13f.
97 Vgl. ebd., S. 47.
98 Vgl. Nolte (2008), S.114
99 Zu den Hauptursachen von Widerstand siehe Kapitel 2.2.2.
100 Vgl. Argyris (1993b), S. 184.
101 Klimecki / Laßleben / Riexinger-Li (1994), S. 12.
102 Becker (2009), S. 116.
- Quote paper
- Daniel Hoffmann (Author), 2011, Die lernende Verwaltung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180263
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