Die Erzählung „An der Brücke“ wurde von Heinrich Böll im Februar 1949 verfasst, ein halbes Jahr nach Beginn der Berlin-Blockade, dem Auftakt des Teilungsprozesses von West- und Ostdeutschland, aber noch vor den großen Ereignissen der BRD an der Schwelle zum Wirtschaftswunderarzehnt; noch vor der Konsolidierung des in Trümmern darniederliegenden Landes, seiner Anerkennung als Republik, der Vergabe einer Verfassung, des Zusammentretens eines Bundestages, kurz, noch Monate vor der Rückkehr zu einer politischen Ordnung und wirtschaftlichem Aufschwung. Böll selber hatte sein literarisches Schaffen nach Ende des Krieges nur zögerlich wieder aufgenommen, vornehmlich in Form von kurzen Erzählungen, die in diversen Zeitungen veröffentlicht wurden.
Es sind diese Kurzgeschichten, in deren stichprobenartigen Vielfalt Böll ein lebendiges Bild seiner Gegenwart, nämlich Deutschland in den ersten Nachkriegsjahren entwirft.
Inhaltsverzeichnis
- Die Erzählung „An der Brücke“
- „Ausschnitte aus dem Leben“
- Die mysteriösen „Die“
- Der Ich-Erzähler als Antagonist
- Die Brücke als Handlungsschauplatz
- Statistische Verkehrszählungen
- Die kleine Geliebte
- Kritik an einer scheinheiligen Gesellschaft
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Analyse befasst sich mit Heinrich Bölls Kurzgeschichte „An der Brücke“ und untersucht die Bedeutung dieser Erzählung im Kontext der unmittelbaren Nachkriegszeit Deutschlands. Ziel ist es, die zentralen Themen und Motive der Geschichte herauszuarbeiten und deren Relevanz für die damalige Gesellschaft zu beleuchten.
- Die Kritik an der Technokratisierung der Gesellschaft
- Die Reduktion des Menschen auf einen statistischen Wert
- Der Konflikt zwischen Individualität und gesellschaftlichen Normen
- Die Suche nach menschlicher Verbindung in einer anonymen Welt
- Die Ambivalenz des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders
Zusammenfassung der Kapitel
Die Erzählung „An der Brücke“ schildert die Geschichte eines Kriegsversehrten, der als Verkehrszähler an einer Brücke arbeitet. „Die“ – eine anonyme und allmächtige Verwaltung – hat ihm diese Aufgabe zugeteilt. Er betrachtet seine Arbeit mit einer Mischung aus Resignation und Rebellion. Die Geschichte spielt im Kontext des Wiederaufbaus Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, wobei die Brücke als Symbol für den Fortschritt und die neue Ordnung dient. Der Ich-Erzähler, der sich durch seine Verletzung und seinen Lebensentwurf von der Gesellschaft abgegrenzt fühlt, gerät in Konflikt mit den statistischen Erhebungen, die ihn dazu zwingen, seine „kleine Geliebte“ als bloßen Prozentsatz zu betrachten.
Die Brücke, die als Zeichen des Wiederaufbaus verstanden werden kann, wird täglich von Tausenden von Menschen frequentiert. Der Ich-Erzähler beobachtet diese Menschen und ist fasziniert von seiner „kleinen Geliebten“, die zweimal täglich die Brücke überquert, um in einer Eisdiele zu arbeiten. Er möchte sie ansprechen, jedoch hält er sich zurück und schätzt sie nur aus der Ferne. Die Geschichte endet mit dem Hinweis auf das wachsende Wirtschaftswachstum und die zunehmende Normalisierung der deutschen Gesellschaft.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter der Kurzgeschichte „An der Brücke“ sind: Wiederaufbau, Technokratisierung, Statistik, Individualität, Menschlichkeit, Gesellschaft, Brücke, Krieg, Verletzung, Liebe, Hoffnung, Verzweiflung, Verlorenheit, Wiederentdeckung, Normalität.
- Quote paper
- Christine Binder (Author), 2009, Darstellung der Gegenwart in der Erzählung "An der Brücke" von Heinrich Böll, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179896