"Ich war damals achtundzwanzig Jahre alt, wandte mich Übersetzungen aus dem Englischen zu und verdiente mir dadurch wenigstens meinen Lebensunterhalt."
So schreibt der 54-jährige Friedrich Gerstäcker in einer Selbstbiographie zu einem Bilde in der 'Gartenlaube' (1870). Der Roman 'Omoo oder Abenteuer im stillen Ocean' (1847), im englischen Original von Herman Melville ('Omoo. A Narrative of Adventures in the South Seas', 1847), ist eine dieser frühen Übersetzungen des angehenden Schriftstellers.
Die vorliegende Arbeit untersucht, nach welchem Grundprinzip er unter den Aspekten des Kulturkontaktes Melvilles 'Omoo' ins Deutsche überträgt. Da jeder Text mit all seinen Besonderheiten in einer bestimmten Kultur verankert ist, sind die Rezeptionsbedingungen von Kultur zu Kultur unterschiedlich. Dem Übersetzer kommt die Herausforderung zu, diese 'kommunikative Differenz' zu überbrücken. Es existieren zwei idealtypische Übersetzerhaltungen: Einmal die 'adaptierende Übersetzung', die Textelemente der Ausgangssprache, welche spezifisch in der Kultur der Ausgangssprache verankert sind, durch Elemente der Kultur der Zielsprache ersetzt. Demgegenüber steht die 'transferierende Übersetzung', die kulturspezifische Elemente der Ausgangssprache in der Zielsprache zu vermitteln sucht. Hier können Schwierigkeiten auftreten, wenn die kulturelle Differenz zwischen Ausgangs- und Zielsprache zu groß ist.
Übersetzen hat eine fundamentale Bedeutung für Mensch und Gesellschaft. Dementsprechend hat der Übersetzer dank seiner Sprachkenntnisse die anerkennenswerte Aufgabe inne, „als Mittler zwischen Sprachen, Völkern, Ideologien, Literaturen, Wissenschaften und Kulturen“ zu fungieren. Er trägt so dazu bei, Sprach- und Kulturbarrieren zu überwinden. Er ist ein Vermittler zwischen den Kulturen.
Im zweiten Kapitel der vorliegenden Arbeit wird anhand der Vita Gerstäckers seine Entwicklung vom Abenteurer zum Übersetzer und Schriftsteller aufgezeigt. Das dritte Kapitel gibt einen Überblick über die Entstehungsgeschichte der Übersetzung und stellt den Einfluss der Arbeit an Omoo auf Gerstäckers Leben und Werk dar. Ein Vergleich der Übertragung Gerstäckers mit dem Ausgangstext erfolgt im vierten Kapitel. Es wird die Frage nach der Übersetzerhaltung Gerstäckers beantwortet und entschieden, ob Gerstäckers Übersetzung einer transferierenden oder einer adaptierenden entspricht. In der Schlussbesprechung finden sich eine Zusammenführung der Ergebnisse und ein Fazit.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Friedrich Gerstäcker: Abenteurer – Übersetzer - Schriftsteller - Abenteurer
- 2.1 Erste Reise: Der Abenteurer
- 2.2 Die Entwicklung vom Übersetzer zum Schriftsteller
- 3. Omoo: Übersetzungs- und Wirkungsgeschichte
- 3.1 Übersetzungsgeschichte
- 3.2 Weitere Omoo-Übersetzungen
- 3.3 Exkurs: Mutmaßungen über die Übersetzung Gerstäckers
- 3.4 Einflussnahme der Übersetzungsarbeit
- 4. Omoo: Übersetzung und Ausgangstext im Vergleich
- 4.1 Gerstäckers Werk als stimmungsvolle Übersetzung
- 4.2 Formale Auffälligkeiten
- 4.3 Anglizismen und nautische Termini
- 4.4 Transferierende oder adaptierende Übersetzung?
- 4.5 Exkurs: Mutmaßungen über einen Übersetzungsfehler
- 5. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Friedrich Gerstäckers Übersetzung von Herman Melvilles "Omoo" und untersucht, nach welchem Grundprinzip Gerstäcker die Übertragung ins Deutsche vollzieht. Dabei werden die Entstehungsgeschichte der Übersetzung, die Entwicklung des Übersetzers und die Besonderheiten der Übersetzung im Vergleich zum Original analysiert. Die Arbeit möchte zudem Einblicke in Gerstäckers Übersetzungsverständnis und dessen Einfluss auf seine eigene literarische Produktion geben.
- Die Entwicklung des Abenteurers Gerstäcker zum Übersetzer und Schriftsteller
- Die Entstehungsgeschichte von Gerstäckers Übersetzung von Melvilles "Omoo"
- Die Übersetzungspraxis Gerstäckers und deren Einfluss auf sein eigenes Werk
- Der Vergleich von Gerstäckers Übersetzung mit dem Originaltext
- Die Frage nach der Übersetzerhaltung Gerstäckers: Transferierende oder adaptierende Übersetzung?
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel bietet eine Einleitung in die Thematik der Arbeit, die sich mit der Übersetzung von Herman Melvilles "Omoo" durch Friedrich Gerstäcker befasst. Im zweiten Kapitel wird Gerstäckers Lebensweg vom Abenteurer zum Übersetzer und Schriftsteller beleuchtet, wobei seine erste Reise nach Amerika und die Entwicklung seiner literarischen Karriere im Fokus stehen. Kapitel drei widmet sich der Übersetzungs- und Wirkungsgeschichte von "Omoo", beleuchtet die verschiedenen Übersetzungen und geht auf den Einfluss der Arbeit an "Omoo" auf Gerstäckers Leben und Werk ein. Kapitel vier vergleicht Gerstäckers Übersetzung mit dem Originaltext, analysiert die formalen Besonderheiten der Übersetzung und beschäftigt sich mit der Frage, ob Gerstäcker eine transferierende oder adaptierende Übersetzung anstrebte. Die Schlussbetrachtung fasst die Ergebnisse der Analyse zusammen und zieht ein Fazit.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Übersetzen, Übersetzungstheorie, Abenteurerliteratur, Kulturkontakt, Friedrich Gerstäcker, Herman Melville, Omoo, Transferierende Übersetzung, Adaptierende Übersetzung, deutsche Sprache, englische Sprache, literarische Übersetzung.
- Quote paper
- Adrian Gunkel (Author), 2006, Friedrich Gerstäcker und Herman Melville: Transfer oder Adaption?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179822