Die Facharbeit handelt um die geschlechterspezifische Motivation im Schulsport. Im Folgenden gehe ich besonders auf die (fehlende) Motivation der Mädchen in jenem Schulfach ein und erkläre, warum es dieses Vorurteil gibt und ob es überhaupt der Wahrheit entspricht, dass Mädchen weniger motiviert sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Vorwort
1.2 Geschichte des Schulsports
1.3 Ausdifferenzierung meiner Problemstellung
2. Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Problem
2.1 Problemschilderung und Erklärungsversuche anhand von Literatur
2.2 Versuchsreihen zur Dokumentation der Motivation von Mädchen im Schulsport
2.2.1 Beobachten einer Sportstunde von der 10d
2.2.2 Beobachten einer Sportstunde von der 5b
2.3 Leistungsfähigkeit der ausgewählten Untersuchungsmethoden
2.4 Formulierung der Ergebnisse meiner Versuchsreihen nach Einbezug ihrer Leistungsfähigkeit
2.4.1 Analyse der Beobachtungen der Sportstunden
2.4.2 Vorläufiges Fazit
3. Reflektierende Auseinandersetzung im Vergleich der Literatur mit Eigenerfahrungen
4. Schlusswort
5. Literaturverzeichnis
6. Anhang
1. Einleitung
1.1 Vorwort
In der heutigen Zeit sind in unserer Gesellschaft Frauen den Männern gleichgestellt. Somit gibt es auch für Frauen kaum Einschränkungen im Bereich der sportlichen Partizipation. Anlässlich unseres Seminarfachthemas „Dimensionen des Sports“ werde ich mich in folgender Facharbeit mit der unterschiedlichen Motivation von Schülerinnen und Schülern im Schulsport beschäftigen. Außerdem werde ich hinterfragen, warum Mädchen die Optionen, die ihnen von Lehrern und Schulen geboten werden, nicht in Anspruch nehmen und ob diese These überhaupt der Wahrheit entspricht.
Mein Beweggrund, das Thema „Schulsport – Fehlende Motivation bei Mädchen?“ zu wählen, entstand unter anderem durch Eigenerfahrungen. Denn üblicherweise toben Jungen bereits vor der Sportstunde in der Halle, während Mädchen sich oft noch in der Umkleidekabine befinden und auf den Beginn der Stunde warten. Dieses Verhalten stößt bei mir auf Unverständnis, da ich jede sich nur bietende Möglichkeit Sport zu treiben, ausnutzen würde.
1.2 Geschichte des Schulsports
In der Antike galt Sport als Ausbildung zur Verteidigung des Vaterlandes. Heutzutage soll die Fitness und somit die Gesundheit der Kinder beziehungsweise der Jugendlichen durch Schulsport gefördert werden. Den Weg dazu ebnete unter anderem der Philanthrop Johann Christian Friedrich Guts Muths, der mit seinem Programm „Gymnastik für die Jugend“ im Jahre 1793 die Idee der „Leibeserziehung“ in der Schule einführte. Mädchen wurden hierbei zunächst noch nicht berücksichtigt, da sie im Gegensatz zu Männern mit Schwäche und Passivität assoziiert wurden (vgl. HARTMANN-TEWS 2006, S.41). Erst um 1860 entwickelte sich der Schulsport als eine Möglichkeit, die ebenfalls Mädchen geboten wurde (http://www.netschool.de/spo/schspo/gesch.htm; 08.02.2009). Turnen war vorwiegend unter weiblichen Schülern ein beliebtes Programm. Dennoch wurde die sportliche Vielfalt, die sich den männlichen Schülern bot, für weibliche Schüler eingeschränkt. Moritz Kloss, „Vater des Mädchenturnens“ (http://www.netschool.de/spo/schspo/gesch.htm, 08.02.2008), reduzierte die Bandbreite, da er Verletzungen der Mädchen befürchtete, falls diese Reckturnen oder Bockspringen betreiben würden. Langsam etablierte sich jedoch der Schulsport als Ausgleich zum Alltag und nicht nur zur Leibeserziehung, wie Guts Muths es beabsichtigte (PFISTER 2006, S.28f). Später wurde der von den Nationalsozialisten als jugendliche Ertüchtigung angesehene Schulsport vermehrt auf die Stundenpläne gesetzt. Die Geschichte des Schulsports prägte sicherlich denselben mit Nachhaltigkeit und setzte somit neue Schwerpunkte. Denn heutzutage soll der Schulsport, wie bereits erwähnt, Möglichkeiten zur Verbesserung von motorischen und sensorischen Fähigkeiten bieten, Spaß an Bewegung vermitteln und somit einen Ausgleich zum Schulalltag schaffen. (http://www.sportunterricht.de/lksport/info_sport22.html; 09.02.09).
1.3 Ausdifferenzierung meiner Problemstellung
Die Funktion des Schulsports, einen Ausgleich zum Alltag zu bieten, kann jedoch nicht erfüllt werden, wenn Mädchen sich tatsächlich, wie nach meinem provokanten Seminarfachtitel zu urteilen ist, durch mangelnde Motivation nur teilweise am Sportunterricht beteiligen. Das Ergebnis davon wäre eine Unausgeglichenheit der Mädchen im Gegensatz zu den durch den Schulsport motivierten Jungen im schulischen Alltag. Außerdem dürften Mädchen folglich durch den Schulsport nicht so ausgebildete motorisch-sensible Fähigkeiten besitzen wie Jungen. Eine in der Schule auffallend negative Verhaltensweise, sowohl im Schulsport durch Passivität als auch in den übrigen Fächern durch einen Mangel an Ausgeglichenheit, würde somit für die Mädchen einen Nachteil darstellen, der durch ihre fehlende Motivation im Sportunterricht verursacht wird.
Die Frage, ob Mädchen wirklich fehlende Motivation im Schulsport aufweisen, soll den Schwerpunkt im Verlauf meiner Seminarfacharbeit darstellen. Bestätigt sich diese These, werde ich versuchen das Problem, sowohl unter dem pädagogischen als auch psychischen Aspekt, zu begründen. Wenn sich jedoch die These als falsch erweist, scheint es essentiell zu erläutern, warum dieses Phänomen so erscheint.
2. Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Problem
2.1 Problemschilderung und Erklärungsversuche anhand von Literatur
MÜNSTER (1995) formuliert in seiner analytischen Studie „Zwischen Passivität und Partizipation“ auf Seite 10 für den Unterricht vorerst allgemein: „Lern- und Aneignungsprozesse, wie sie innerhalb der gesellschaftlichen Veranstaltung Schule im Vordergrund stehen, sind ohne die aktive Teilnahme des jeweiligen Lernsubjektes nicht denkbar[…]“. Damit macht MÜNSTER deutlich, dass sowohl Mädchen als auch Jungen am Unterricht beteiligt sein müssen, um den Unterricht gestalten zu können und um etwas zu lernen. Eine „Nichtteilnahme“ der Mädchen hätte also zur Folge, dass Jungen den Unterricht alleine gestalten und Mädchen während der Lernprozesse der Jungen außen vor bleiben. Die Motivation spielt hierbei also eine prägnante Rolle. Es scheint deswegen, dass eine Begriffsdefinition des abstrakten Begriffs „Motivation“ nötig ist. Heinz-Egon RÖSCH (1975) bezeichnet auf Seite 11 Motivation als „Beweggrund“, „Antrieb“ bzw. „Anregung“. Er setzt das Verb motivieren also ausdrücklich mit „bewegen“ gleich. Somit zeigen RÖSCH und MÜNSTER einen wichtigen Grundstein für den Schulsport auf: Motivation bedeutet Bewegung und Bewegung ist essentiell im Schulsport, um diesen mit Hilfe der Schüler zu gestalten.
Doch inwiefern sind Mädchen in sportlicher Hinsicht unmotivierter? Dies ist anhand einer Statistik des Landessportbundes Niedersachsen aus dem Jahre 2007 zu erklären. Ebenfalls sind weitere Schlussfolgerungen über Partizipation von Mädchen in Sportvereinen und somit meiner Meinung nach auch über die Motivation im Schulsport in dem Tabellenausschnitt erkennbar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Mitgliedschaften in Sportvereinen nach Alter und Geschlecht (LSB-Statistik 2007).
Auffällig in dieser Tabelle ist der vergleichsweise hohe männliche Mitgliederanteil im Gegensatz zu dem weiblichen. So stellen Jungen im Alter von sieben bis vierzehn Jahren ca. 50 000 mehr Mitglieder als Mädchen mit nur ca. 266 000 Schülerinnen in einem Sportverein. Auch die Kluft zwischen dem weiblichen und männlichen Geschlecht im Alter von fünfzehn bis achtzehn Jahren zeigt eine deutliche Mehrheit männlicher Partizipation. Dies stellte auch schon COMBRINK und MARIENFELD (2006) auf Seite 277 fest: „In Sportvereinen sind Mädchen gegenüber Jungen deutlich unterrepräsentiert und diese Entwicklung erreicht in der Jugendphase ihren Höhepunkt.“ Bei jungen Erwachsenen im Alter von neunzehn bis sechsundzwanzig Jahren ist der gesamte Unterschied noch extremer. Im Gegensatz zu jungen Männern, die ungefähr 153 000 Mitglieder stellen und somit ein Zuwachs zur vorherigen Altersgruppe verzeichnen, sinkt die Mitgliederzahl der jungen Frauen zwar nicht so drastisch wie im Alter der Pubertät, aber dennoch kontinuierlich. Dies lässt Rückschlüsse auf die Motivation der Schüler zu. Denn wer als Jugendlicher in einem Verein sportlich aktiv ist, muss einen Beweggrund haben, den RÖSCH ja mit dem Begriff der Motivation gleichsetzt. Mädchen und Jungen engagieren sich im Alter von null bis sechs Jahren in Sportvereinen nahezu identisch. Später im Alter von sieben bis vierzehn Jahren lässt dieses Engagement leicht nach. Es findet also ein Prozess statt, der die Motivation im Bereich der sportlichen Betätigung der Mädchen in gewisser Weise negativ beeinflusst.
Klaus-Jürgen TILLMANN (1992) behauptet nach Freuds Psychoanalyse der Geschlechter auf Seite 62 seines Werkes „Jugend weiblich – Jugend männlich“, dass die sich langsam entwickelnde genitale Sexualität zu einer Umstrukturierung des Verhaltens von Jungen und Mädchen führt. Ab dem sechsten Lebensjahr wird sich das Individuum also seines Geschlechts bewusst und verhält sich aus der Geschlechterperspektive angemessen bzw. typisch. Dies geschieht durch Identifikation mit Vorbildern wie zum Beispiel mit Berühmtheiten symbolischer Weiblich- bzw. Männlichkeit. Häufig werden aber auch die eigenen Erziehungsberechtigten als Vorbild gewählt. Kinder und Jugendliche werden also in einen vorher schon bestimmten Verhaltenstypus gedrängt. Jungen müssen das Stereotyp eines starken Mannes erfüllen und Mädchen im Gegensatz dazu die hübsche, elegante Frau verkörpern. KUGELMANN formuliert dieses Problem in Hinsicht auf die Mädchen als Weiblichkeitszwang: „Gesellschaftlicher Identitätszwang, für Mädchen und Frauen Weiblichkeitszwang, dient der Legitimation und dem Schutz der bestehenden Geschlechterordnung. Sozialer Status und soziale Chancen hängen von der Geschlechtszugehörigkeit ab.“ (KUGELMANN 1996, S.200). Somit würde der Identitätszwang den KUGELMANN beschreibt auch Konsequenzen auf das spätere Leben haben. Dies wäre der oben erwähnte Einfluss der die Veränderungen im Verhalten der Sechsjährigen beschreibt. Mit zunehmendem Alter sehen sich die Schülerinnen immer mehr in ihre Identität gedrängt und halten es nicht für weiblich sich weiterhin engagiert am Sport (inklusive des Schulsports) zu beteiligen.
2.2 Versuchsreihen zur Dokumentation der Motivation von Mädchen im Schulsport
2.2.1 Beobachten einer Sportstunde der 10d des Gymnasiums Z
Nachdem ich mich mit Herrn X über mein Seminarfachthema „Schulsport – Fehlende Motivation bei Mädchen?“ unterhalten hatte, bot er mir freundlicherweise an, seine zehnte Klasse im Sportunterricht zu beobachten. Am 18. Februar 2009 begab ich mich also in den ersten zwei Schulstunden zum Volleyballkurs von Herrn X. Die 10d hat insgesamt 16 Schülerinnen und 13 Schüler.
Schon vor Beginn des Unterrichts konnte man grundlegende Unterschiede im Verhalten der Schülerinnen und Schüler erkennen. Man hörte, dass sich die männlichen Jugendlichen, die sich in der Kabine umzogen, laut unterhielten und sich auf den anschließenden Sportunterricht freuten. Hingegen kamen aus den Kabinen der weiblichen Jugendlichen kaum Stimmen. Drei Mädchen und ein Junge nahmen nicht an den Sportstunden teil, da sie Kopf- bzw. Bauchschmerzen hatten. Deswegen schauten sie nur zu, konnten aber an dem darauffolgenden Unterricht wieder teilnehmen. Auffällig hingegen war aber auch, dass eine Schülerin trotz eines Handverbandes mitspielte. Nachdem Herr X die Volleybälle geholt hatte, organisierten sich die Jungen sofort Bälle, um damit zu spielen. Die Mädchen hingegen warteten zuerst ab, holten sich anschließend aber auch einige Bälle und spielten ebenfalls damit, bevor der eigentliche Unterricht begonnen hatte. Es war ebenfalls auffallend, dass einige Schülerinnen und Schüler in Freundschaftsgruppen zusammenstanden und inaktiv auf den „offiziellen“ Beginn der Sportstunde warteten. Diese Jugendlichen waren in der späteren genaueren Einzelbeobachtung auch in der Teilnahme am Sportunterricht zurückhaltender. Als Herr X nun aufforderte sich hinzusetzen, um den Aufbau der heutigen Schulstunde zu erklären und wichtige Grundlagen des Volleyballs zu besprechen, bildete sich ein Sitzkreis um den Fachlehrer. Ich bemerkte die besondere Sitzpositionierung der Jugendlichen. Wenn auf der linken Seite des Lehrers sich die Schülerinnen befanden, waren auf der rechten Seite stets die Jungen. Bei jeder späteren Aufforderung des Lehrers sich erneut hinzusetzen und zuzuhören, bildete sich diese besondere Struktur zweier Halbkreise, die jeweils geschlechtlich getrennt waren. Der Aufbau und das Ziel des nachfolgenden Sportunterrichts wurde zunächst durch den Sportlehrer formuliert. Das Thema der Sportstunden war das anfängliche Warmmachen mit Pritschübungen, um im Anschluss ein flüssiges Volleyballspiel auf einem großen Feld gestalten zu können. Herr X forderte die Schüler auf, sich mit selbstgewählten Spielpartnern in Vierergruppen warm zu machen. Hier bildeten sich wieder die von mir schon vorher beobachteten geschlechtsspezifischen Freundschaftsgruppen.
[...]
- Quote paper
- Joschka Zimmermann (Author), 2009, Fehlende Motivation bei Mädchen im Schulsport, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179562