„..., to halt this offensive build up, a strict quarantine of all military equipment under shipment
to Cuba is being initiated.“1 Mit diesem Satz gab J.F. Kennedy in seiner Rede vom
22.10.1962 die Reaktion der USA auf die sowjetische Bedrohung in Kuba der Öffentlichkeit
bekannt und läutete damit die wohl heißeste Phase des Kalten Krieges ein, nämlich die Kuba
Krise. Der Konflikt, in den USA als „Cuban missile crisis" und in der sowjetischen Leseart als
„Caribbean crisis" bekannt, gilt als die erste direkte bewaffnete Konfrontation zwischen den
zwei nuklearen Supermächten. In der Tat kam die Menschheit niemals zuvor und niemals
danach einem atomar geführten Dritten Weltkrieg näher als in den Tagen zwischen dem 22.
und dem 28.Oktober des genannten Jahres. Die eigentliche Krise begann aber bereits eine
Woche vorher am 16.10.1962 als der Präsident, J.F. Kennedy, über sowjetische MRBMStellungen2
auf Kuba informiert wurde. Der Präsident berief daraufhin einen Krisenstab
zusammen, das sogenannten Executive Commitee of the U.S. National Council, kurz Ex-
Comm. Dieses Komitee hatte eine Schlüsselstellung bei der Entscheidungsfindung
hinsichtlich der Reaktion auf die sowjetische Bedrohung durch atomare Offensivwaffen in
Kuba.
Im Folgenden soll zunächst auf die personelle Besetzung des Komitees eingegangen werden
und kurz die Meinungen der zentralen Personen aufgeführt werden. Danach werden die
Verhandlungen der Ex-Comm vom 16.10.62 bis zum 21.10.62 untersucht. Anhand der
„Presidential Recordings" - Tonbandprotokolle von Sitzungen des Krisenstabes Ex-Comm
(Executive Commitee)3 - soll das Krisenmanagement analysiert werden, d.h. welche Konzepte
es auf Seiten der USA gab, die Krise zu managen und welche Differenzen dabei zu Tage
traten. Es steht die These im Mittelpunkt, dass durch die Beratungen der Ex-Comm ein
Lernprozess stattgefunden hat, der erst die nukleare Dimension dieser Krise offen legte.
[...]
1 Kennedy Rede vom 22/10/1962.
2 Medium Range Ballistic Missiles-Stellungen: Abschussanlagen für Raketen mit atomaren Sprengköpfen, mit
einer Reichweite von ca. 1020 Seemeilen. Diese hätten von Kuba abgefeuert, amerikanische Zentren, wie
Washington und New York erreichen können.
3 Kennedy ließ vor den Beratungen im Sitzungssaal geheime Tonbandgeräte einbauen.
Inhaltsverzeichnis:
A. Einleitung
B. Die Beratungen der Ex-Comm: Das Erfassen der nuklearen Dimension
I. Vorstellung des Executive Commitee
1. Der imperiale Präsident
2. Mitglieder der Ex-Comm - militante Antikommunisten
II. Die Beratungen vom 16.10.62 bis zum 21.10.62
1. 16.10.62 – 17.10.62 Wie soll man Antworten?
2. 18.10.62 – 19.10.62 The position „just right”
a. „the most dangerous situation since the end of war” J.F. Kennedy
b. „it’s now pretty clear what the decision should be“ Robert Kennedy
c. Die Entscheidung 20.10.62 – 21.10.62
C. Die Folgen der Krise
Literaturverzeichnis
A. Einleitung
„..., to halt this offensive build up, a strict quarantine of all military equipment under shipment to Cuba is being initiated.“[1] Mit diesem Satz gab J.F. Kennedy in seiner Rede vom 22.10.1962 die Reaktion der USA auf die sowjetische Bedrohung in Kuba der Öffentlichkeit bekannt und läutete damit die wohl heißeste Phase des Kalten Krieges ein, nämlich die Kuba Krise. Der Konflikt, in den USA als „Cuban missile crisis" und in der sowjetischen Leseart als „Caribbean crisis" bekannt, gilt als die erste direkte bewaffnete Konfrontation zwischen den zwei nuklearen Supermächten. In der Tat kam die Menschheit niemals zuvor und niemals danach einem atomar geführten Dritten Weltkrieg näher als in den Tagen zwischen dem 22. und dem 28.Oktober des genannten Jahres. Die eigentliche Krise begann aber bereits eine Woche vorher am 16.10.1962 als der Präsident, J.F. Kennedy, über sowjetische MRBM-Stellungen[2] auf Kuba informiert wurde. Der Präsident berief daraufhin einen Krisenstab zusammen, das sogenannten Executive Commitee of the U.S. National Council, kurz Ex-Comm. Dieses Komitee hatte eine Schlüsselstellung bei der Entscheidungsfindung hinsichtlich der Reaktion auf die sowjetische Bedrohung durch atomare Offensivwaffen in Kuba.
Im Folgenden soll zunächst auf die personelle Besetzung des Komitees eingegangen werden und kurz die Meinungen der zentralen Personen aufgeführt werden. Danach werden die Verhandlungen der Ex-Comm vom 16.10.62 bis zum 21.10.62 untersucht. Anhand der „Presidential Recordings" - Tonbandprotokolle von Sitzungen des Krisenstabes Ex-Comm (Executive Commitee)[3] - soll das Krisenmanagement analysiert werden, d.h. welche Konzepte es auf Seiten der USA gab, die Krise zu managen und welche Differenzen dabei zu Tage traten. Es steht die These im Mittelpunkt, dass durch die Beratungen der Ex-Comm ein Lernprozess stattgefunden hat, der erst die nukleare Dimension dieser Krise offen legte.
Diese These scheint auf den ersten Blick etwas fragwürdig, da bereits beide Supermächte über ein großes Atomwaffenarsenal verfügten und beide durch Test oder auch durch Anwendung über die verheerenden Wirkungen vage informiert waren. Doch gerade der Umstand der direkten Konfrontation der beiden Nuklearmächte machte den Befehlshabern und Regierungschefs deutlich, dass ein solcher Krieg im konventionellen Sinne nicht durchführbar war und die Atombomben keine militärischen Waffen mehr waren, sondern zu strategischen Waffen geworden waren. Es zeigte die Grenzen des militärisch machbaren auf.
Diese Arbeit stützt sich überwiegend auf Quellen, welche vom amerikanischen State Departement im Internet[4] veröffentlicht worden sind. Diese Internetseite beinhaltet die Abschriften der Tonbandprotokolle, etliche Memoranden des CIA, von Mitgliedern der Ex-Comm und viele Dokumente bezüglich der Krise, wie zum Beispiel den Briefwechsel von Chruschtschow und Kennedy.
B. Die Beratungen der Ex-Comm: Das Erfassen der nuklearen Dimension
I. Vorstellung des Executive Commitee
1. Der imperiale Präsident
Seit Beginn des Ost-West-Konfliktes war die Außenpolitik der USA vom Leitbild des Antikommunismus geprägt. Aufgrund des sowjetischen Expansionswillens in Europa, suchte die USA immer neue Strategien der sowjetischen Bedrohung zu begegnen. Bereits mit der Truman-Doktrin 1947, die die „Containment-Politik“ beinhaltete, versuchte die amerikanische Regierung durch Wirtschaftshilfen (Marshall-Plan) und militärische Interventionen (Griechenland) die sowjetische Expansion einzudämmen. Eisenhowers Strategie des „New-Look“ und der „massive retaliation“ (massive Vergeltung) stand im Gegensatz zur passiven Containment - Politik, indem sie aktiv gegen die Ausbreitung des Kommunismus vorging, z.B. die Wiederherstellung des status quo ante in Korea. So wird deutlich, dass die amerikanische Außenpolitik von der Auffassung bestimmt war, dass dem Kommunismus nur durch abschreckende bzw. militärische Maßnahmen zu begegnen sei. Die Politik einer bedachten Diplomatie wurde mit dem Verweis auf die englische Appeasement-Politik[5] vor dem zweiten Weltkrieg und deren Scheitern strikt abgelehnt.
Unter diesen Vorgaben führte Kennedy seine Politik als Präsident fort. Er strengte weiterhin eine harte Gangart gegenüber dem Kommunismus an und wollte auf jeden Fall dessen Ausbreitung verhindern. Er erachtete die Entwicklung in den USA als vorbildhaft und wollte, dass dieses Modell der Maßstab der globalen Modernisierung werde. Dies äußerte sich besonders an den Vorgaben der amerikanischen Außenpolitik als Garant für die westlichen Demokratien. Die Glaubwürdigkeit („credibility“[6]) der amerikanischen Bestrebungen zeigten sich vor allem durch ihre Bemühungen um Berlin und Vietnam. Dies waren Kennzeichen für die imperiale Präsidentschaft Kennedys, die ihren Ausdruck im persönlichen Führungsstil Kennedys hatte. Das Entscheidungszentrum verlagerte sich vom Kabinett zum Executive Office, dessen Mitglieder oft in kleinen spontan gebildeten Gruppen und Komitees aktuelle Probleme diskutierten. Der Präsident erwartete, dass seine Mitglieder ihm mehrere Optionen zur Lösung des Problems vorlegten, aus denen er dann selber auswählen konnte. Bei ihm lag aber die alleinige Entscheidung, unabhängig von der Abstimmung des Komitees.
Dies repräsentiert in gewisser Weise ein Grundmuster künftiger Entscheidungsfindung: „Hawks“ (Falken) und „Doves“ (Tauben) bezogen Stellung, Präsidentenberater kondensierten die verschiedenen Standpunkte, und am Ende kristallisierte sich einen Position heraus die „just right“ (genau richtig) erschien. Erst nach der Watergate Affäre unter Nixon wurde der übersteigerten Machtvorstellung der Exekutiven durch den War Powers Act[7] ein Riegel vorgeschoben und die imperiale Präsidentschaft, von Kennedy geprägt, eingeschränkt.
2. Mitglieder der Ex-Comm - militante Antikommunisten
Die Kuba-Krise ist ein gutes Beispiel für die Entscheidungsfindung und das Einpendeln auf die „genau richtige Position“. Unter Berücksichtigung der Ausgangslage, nämlich ein aggressiver Antikommunismus, verblüfft die bedachte Entscheidung einer Quarantäne[8].
Kennedys Berater während der Krise waren ebenso wie er selbst jung, dynamisch und optimistisch, „the Best and the Brightest“ (die Besten und Klügsten). Sie waren überwiegend junge Akademiker, die genauso wie Kennedy am Zweiten Weltkrieg teilgenommen hatten, daher noch in der konventionellen militärischen Dimension dachten, dass ein Krieg auf dem Schlachtfeld gewonnen werde. Diejenige Partei mit den besseren Waffen, den meisten Männern und der richtigen Strategie gewinnt die Schlacht.
Es zeigte sich aber bald, dass die Kuba Krise ein anderes Management erforderte als eine konventionelle militärische Aktion. Zu Beginn der Beratungen votierten die meisten Mitglieder für einen schnellen Luftangriff auf die sowjetischen Nuklearbasen. Erst im Verlauf der Verhandlungen kristallisierte sich die neue atomare Dimension heraus.
Besonders Robert Kennedy verwies immer wieder auf die hohe Opferzahl eines nuklearen Krieges. Ihm kam eine Schlüsselstellung bei den Verhandlungen zu, weil er der engste Vertraute J.F. Kennedys war und dessen Meinung beeinflusst hatte. Ebenso wie R. Kennedy, votierte McNamara am Ende der ersten Woche für eine Blockade Kubas. Der Verteidigungsminister Robert McNamara, ehemals Präsident der Ford Motor Company, zeichnete sich während der Krise als logischer Analyst aus. Aufgrund seiner vorhergehenden Tätigkeit sah er die Krise weniger unter politischen als vielmehr unter ökonomischen Aspekten, daher rechnete er einen Angriff Kubas unter Berücksichtigung der Folgen, gegen eine Quarantäne auf. Das Ergebnis seiner Überlegungen war die Quarantäne, obwohl er anfangs stark für einen Angriff argumentiert hatte. Er zeigte, dass eine Krise gemanagt werden konnte.
Ein weiterer wichtiger Fürsprecher für eine gemäßigte Reaktion war der Staatssekretär im Außenministerium George Ball. Unter Verweis auf die verheerenden Folgen eines Luftschlages, wollte er die Krise kontrollieren, d.h. agieren statt reagieren. Ein Luftschlag gegen Kuba, würde eine Reaktion der Gegenseite provozieren, deren Ausmaß nicht abzusehen wäre. Obwohl jene oben genannten Mitglieder letztendlich gegen einen Luftschlag votierten, waren sie anfangs für einen Angriff auf Kuba.
Auch andere Mitglieder wechselten im Verlauf der Diskussion ihre Meinung. Einige derer, die noch am Ende der ersten Woche gegen eine Seeblockade stimmten und wichtige Fürsprecher einer Militäraktion waren, sollen kurz vorgestellt werden. Der stellvertretender Verteidigungsminister Paul Nitze, der mit dem NSC-68 die Strategie gegenüber dem Kommunismus formulierte, war ein Fürsprecher eines harten schnellen Angriffs gegen Kuba, weil er von der amerikanischen Überlegenheit überzeugt war.
CIA-Chef John McCone bildete die Schnittstelle zwischen der Intelligence und dem Beratergremium. Er bereitete sehr detaillierte Analysen, wie man reagieren könne, und welche Reaktionen sich daraus ergeben könnten. McCone bereitete die Aktion Mongoose[9] vor und war daher von Anfang an für eine Militäraktion gegen Kuba. Er argumentierte für die Seite der Hawks.
Ein sehr prominenter Hawk war der Finanzminister Douglas Dillon. Er hatte bereits unter Eisenhower viel Erfahrung mit der Tragweite nuklearer Diplomatie gesammelt, als er mit Frankreich über nukleare Unterstützung im Vietnamkrieg verhandelte. Er war ebenso ein Wirtschaftsfachmann wie McNamara, der aber aufgrund seiner Erfahrung weit mehr mit politischen Argumenten für die Seite der Hawks eintrat.
An den Verhandlungen der Ex-Comm waren noch weit mehr Personen direkt und indirekt beteiligt, die bei der Betrachtung der ersten Woche der Krise teilweise noch Erwähnung finden werden.
Während des Krisenmanagements haben sich die nukleare Dimension und die möglichen irreversiblen Konsequenzen herausgebildet. Ein atomar geführter Krieg zwischen den Supermächten hätte die gesamte Welt zerstört. Um dieses Risiko gering zu halten, ist für die Blockade entschieden worden.
[...]
[1] Kennedy Rede vom 22/10/1962.
[2] Medium Range Ballistic Missiles-Stellungen: Abschussanlagen für Raketen mit atomaren Sprengköpfen, mit einer Reichweite von ca. 1020 Seemeilen. Diese hätten von Kuba abgefeuert, amerikanische Zentren, wie Washington und New York erreichen können.
[3] Kennedy ließ vor den Beratungen im Sitzungssaal geheime Tonbandgeräte einbauen.
[4] http://www.state.gov/www/about_state/history/frusXI/index.html
[5] Münchner Abkommen 1938: Chamberlain gibt den Forderungen Hitlers nach, um den Frieden zu wahren. Die Politik Chamberlains wurde als Appeasement-Politik bekannt.
[6] Schlagwort der Kennedypolitik.
[7] Vom Kongress verabschiedetes Gesetz, das dem Präsidenten bei militärischen Kriseninterventionen eine Frist von 60 Tagen setzte, nach deren Ablauf die Truppen innerhalb von 30 Tagen zurückgezogen werden mussten, wenn die Volksvertreter die Aktion nicht genehmigten.
[8] Während den Verhandlungen der ersten Woche wird von den Teilnehmern die Option einer Seeblockade verbalisiert. Blockade ist im Endeffekt nichts anderes als eine Quarantäne. Der Unterschied ist, dass eine Quarantäne im völkerrechtlichen Sinne keine kriegerische Handlung ist.
[9] Die geheime Militäroperation Mongoose wurde vom CIA vorbereitet. Sie stellte einen Aktionsplan zur Invasion Kubas dar. Die Vorbereitungen standen kurz vor dem Abschluss als die Nachricht über die Raketenstellungen auf Kuba eintrafen.
- Arbeit zitieren
- Michael Fliehr (Autor:in), 2002, Die erste Woche der Krise, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17936
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