In Deutschland leben rund zwei Millionen Menschen (2002), die wegen einer
körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigung auf Hilfeleistungen bei der
Bewältigung ihres täglichen Lebens angewiesen sind. Manche benötigen nur
wenig Unterstützung, andere brauchen bei allen Verrichtungen des täglichen
Lebens Hilfe und Unterstützung durch Dritte. Diese Unterstützung oder besser
Assistenzleistungen beginnen bei der Körperpflege, umfassen die Versorgung des
Haushaltes, Hilfen am Arbeitsplatz und bei der Freizeitgestaltung.
Menschen, die ständig auf Hilfe und Unterstützung durch andere angewiesen sind,
laufen sehr schnell Gefahr, ihre Selbstbestimmung zu verlieren. Pflegekräfte in
stationären Einrichtungen, Mitarbeiter ambulanter Dienste und gerade auch
Familienangehörige neigen dazu, Assistenznehmer zu bevormunden: "Ich weiß
was für dich gut ist" oder "ich helfe dir so, wie ich es für richtig halte". Häufig
gilt: Je höher der Assistenzbedarf, desto größer die Gefahr einer
Fremdbestimmung. (Bartz, E. 2003, 5 ff)
In der Behindertenhilfe zeichnet sich jedoch in der letzten Zeit ein
Paradigmenwechsel ab. So wollen die Betroffenen weg vom klassischen Begriff
der Betreuung, da mit diesem zu sehr Fremdbestimmung und Bevormundung
verbunden sind (s.o.), hin zum Begriff der Begleitung, der Unterstützung,
letztendlich eben der Assistenz, da mit diesem Begriff die Eigenkompetenz, die
Eigenverantwortlichkeit und vor allem der Selbstverantwortung unterstrichen
wird.
Der Begriff der Betreuung erweist sich in der Praxis zunehmend als
problematisch und wird von den Betroffenen abgelehnt, da er helferdominant
erscheint und die Gefahr in sich birgt, Menschen mit Behinderungen zu
verdinglichen und auf subtile Weise zu beherrschen und zu entmündigen. Der
Betreuer weiß, was für den Menschen mit Behinderung gut ist, der Fürsorgeaspekt
beeinflusst das Handeln. Der Betreuer wir zum Subjekt, zum Handelnden, der
behinderte Mensch zum Objekt, zum "Behandelten". Die Vorsilbe "be" ist besitzergreifend, bevormundend, anmaßend und drückt
Ungleichwertigkeit und Hierarchie aus. (Theunissen 2000, 59). Auch der Begriff
Begleitung/begleiten kann mit Blick auf sinnverwandte Worte wie "Aufpassen",
"Führen", "Bewahren", "unter seine Fittiche nehmen" durchaus in Misskredit
geraten
(Hähner u.a. 1997, 9). [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Arbeitgebermodell in der Behindertenhilfe
- Der behinderte Mensch als Arbeitgeber
- Die Ausgangsbasis
- Die Finanzierung des Arbeitgebermodells
- Die Probleme mit der Finanzierung
- Die Bedeutung des §3a BSHG
- Fazit
- Assistenzgenossenschaften in der Behindertenhilfe
- Was sind Assistenzgenossenschaften
- H.A.G Die Hamburger Assistenzgenossenschaft
- Machtverhältnisse ändern
- Kooperative Selbstverwaltung
- Unterstützungen durch die HAG
- Zusammenfassung
- W.A.G. Die Wiener Assistenzgenossenschaft
- Grundsätze der WAG
- Leistungen der WAG
- Serviceleistungen für persönliche Assistenten
- Administrative Serviceleistungen
- Zusammenfassung
- Abschlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Arbeitgebermodell in der Behindertenhilfe und den Möglichkeiten, die Assistenzgenossenschaften bieten. Ziel ist es, die Herausforderungen und Chancen des Assistenzmodells im Kontext der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen zu beleuchten.
- Der Begriff der Assistenz im Vergleich zu Betreuung und Begleitung
- Die Bedeutung des selbstbestimmten Lebens für Menschen mit Behinderungen
- Das Arbeitgebermodell als Möglichkeit zur Selbstbestimmung
- Die Rolle von Assistenzgenossenschaften in der Behindertenhilfe
- Finanzierung und rechtliche Rahmenbedingungen des Assistenzmodells
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Assistenz für Menschen mit Behinderungen ein und erläutert die Bedeutung des Begriffswechsel von Betreuung zu Assistenz im Hinblick auf Selbstbestimmung. Das zweite Kapitel beleuchtet das Arbeitgebermodell, bei dem Menschen mit Behinderungen ihre eigenen Assistenten beschäftigen. Hier werden die Vorteile und Herausforderungen dieser Form der Assistenz beschrieben, inklusive der notwendigen Kompetenzen für den behinderten Arbeitgeber. Die Kapitel 3.1 - 3.3 befassen sich mit den rechtlichen und finanziellen Aspekten des Arbeitgebermodells, wobei der Fokus auf der Ausgangsbasis, Finanzierung und den Problemen mit der Finanzierung des Modells liegt. Der Abschnitt 3.3.1 widmet sich der Bedeutung des §3a BSHG für die Finanzierung. Weitere Kapitel befassen sich mit Assistenzgenossenschaften, deren Funktionen, Unterstützungsleistungen und Beispiele wie die H.A.G. und die W.A.G.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Selbstbestimmung, Assistenz, Arbeitgebermodell, Assistenzgenossenschaften, Behindertenhilfe, Finanzierung, rechtliche Rahmenbedingungen, §3a BSHG, H.A.G., W.A.G., Empowerment.
- Quote paper
- Mandy Hibbeler (Author), 2003, Von der Betreuung zur Assistenz - Arbeitgebermodell und Assistenzgenossenschaften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17896