Erich Kästner ist einer der bekanntesten deutschen Autoren, sowohl in Deutschland als auch im Ausland. Verse von ihm wie „Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es!“ sind quasi sprichwörtlich geworden. In den letzten Jahren scheint er jedoch etwas zu verschwinden. Als das ZDF 2004 nach den „100 Lieblingsbücher der Deutschen“ suchte – so wenig verlässlich das Ermitt-lungsverfahren auch sein mag –, fanden sich zwar viele Kinderbücher unter den Favoriten, nicht jedoch die Kästners.
Auch in der stark polarisierten Forschung der letzten 30 Jahre findet ein Loslö-sen von der ehemaligen ‚Überfigur‘ der deutschsprachigen Kinderliteratur statt. Diesbezügliche Kritik von Teilen der Forschung bezieht sich wiederholt auch auf das Geschlechterverständnis, das in Kästners Romanen für Kinder deutlich wird. So resümiert Andreas Drouve in seiner Dissertation, „[d]ie Grenze der Toleranz des fragwürdigen Satirikers ist erreicht, wenn es – wie ge-sehen – um sexuell Andersartige, um selbstbewusste und emanzipierte Frauen […] geht.“ Marianne Bäumler kritisiert beispielsweise Kästners „altruistische[s] Mutterideal […], das sich in Varianten schwarz-weiß und ungebrochen durch alle Romane zieht“ . Ähnlich argumentieren Dorothee Markert und Gundel Mattenklott , in Teilen auch Susanne Haywood. Auch Kästners Vaterbild wird kritisiert. So seien die Väter in seinen Romanen für Kinder stets tot oder ließen ihr Kind allein. Auftrieb hat dieser Forschungsstrang vor allem durch die un-geklärte Vaterfrage in der eigenen Biografie des Autors – Hausarzt oder Emil Kästner – und die sehr enge Beziehung zur Mutter, Ida Kästner, erhalten. Die Kritik an Erich Kästners Geschlechterbild geht häufig mit einem autobiogra-phischen Interpretationsansatz einher. Die Frage, die ich mit dieser Arbeit be-antworten möchte, ist allerdings, ob das Geschlechterbild Kästners wirklich so einseitig ist, wie die zitierten Teile der Forschung annehmen.
Überdies verleitet auch ein anderer Aspekt dazu, Kästner unter der Perspektive von Rollenbildern und Geschlechterordnungen zu betrachten. Eine in der viel-fältigen Kästnerrezeption wiederholt zitierte Aussage, findet sich in „Kästner über Kästner“ :
„Er ist ein Moralist. Er ist ein Rationalist. Er ein Urenkel der deutschen Aufklärung […]“.
Der Aufklärungsbegriff wird dabei in der Rezeption kaum hinterfragt. Im Zu-sammenhang mit dem hier untersuchten Gegenstand lässt sich ....
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Geschlechterordnungen und Rollenbilder — Mann und Frau stehen zur Diskussion
- ,Neue Kinder', ,Neue Mädchen', ,Neue Sachlichkeit' — die Kinderliteratur der 1920er Jahre
- Geschlechterkonstruktionen in den „Emil" -Romanen (1929; 1934), „Pünktchen und Anton" (1931) und „Das doppelte Lottchen" (1949) — Eine exemplarische Analyse
- „Emil und die Detektive" (1929) und „Emil und die drei Zwillinge" (1934) — Von ganzen und halben Jungen
- „Pünktchen und Anton"(1931) — Gleichstellung oder hierarchische Geschlechterverhältnisse?
- „Das doppelte Lottchen" (1949) — Evas Töchter und ein fast richtiger Mann
- Figuren- und Familienkonstellationen
- Frauenfiguren - Mütter, Patente Kerle, Evas Töchter
- Männerfiguren - (Stief-)Väter, Musterknaben, erzählerische Überväter
- Fazit
- Anhang
- Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Konstruktion von Geschlechterrollen in den Kinderromanen Erich Kästners. Sie untersucht, inwiefern Kästners Geschlechterbild einseitig ist, wie es Teile der Forschung annehmen, und beleuchtet den Aspekt des Geschlechterverständnisses in Kästners Werken unter der Perspektive von Rollenbildern und Geschlechterordnungen. Darüber hinaus soll die Arbeit den Einfluss der „Neuen Sachlichkeit" auf Kästners Romane beleuchten.
- Geschlechterrollen in Kästners Kinderromanen
- Der Einfluss der „Neuen Sachlichkeit" auf Kästners Geschlechterbild
- Die Rolle der Familie in Kästners Romanen
- Die Bedeutung von Stereotypen und Ironie in Kästners Werken
- Die Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit in Kästners Kinderliteratur
Zusammenfassung der Kapitel
Das zweite Kapitel befasst sich mit dem Geschlechterbegriff und dessen Entwicklung, insbesondere im Kontext der Aufklärung. Es werden die Begriffe „Geschlechterordnung", „Rollenbild" und „Geschlechterdifferenz" erläutert und die historische Entwicklung des Geschlechterdiskurses dargestellt.
Das dritte Kapitel ordnet Erich Kästner in den kinderliterarischen Kontext der „Neuen Sachlichkeit" ein. Es werden die Merkmale dieser Strömung, insbesondere die realistische Darstellung in der Kunst, die neuen Genres und die veränderten Rollenverhältnisse zwischen Kindern und Erwachsenen, erläutert.
Das vierte Kapitel analysiert die Geschlechterkonstruktion in vier Romanen Kästners: „Emil und die Detektive", „Emil und die drei Zwillinge", „Pünktchen und Anton" und „Das doppelte Lottchen". Die Analyse konzentriert sich auf die Darstellung der Hauptfiguren, ihre Beziehungen zueinander und die in den Romanen präsenten Geschlechterstereotype.
Das fünfte Kapitel beleuchtet die Figuren- und Familienkonstellationen in Kästners Kinderromanen. Es werden die verschiedenen Typen von Frauen- und Männerfiguren, insbesondere die Mütter, Väter, Musterknaben und die erzählerische Über-Vater-Figur, vorgestellt und analysiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Förderschwerpunkt Lernen, den inklusiven und exklusiven Unterricht sowie die schulische Inklusion, insbesondere in Nordrhein-Westfalen. Empirische Forschungsergebnisse werden präsentiert, um die Rahmenbedingungen und Herausforderungen der inklusiven Beschulung von Kindern mit dem Förderschwerpunkt Lernen zu beleuchten. Ein besonderer Fokus liegt auf der Bielefelder Längsschnittstudie (BiLieF-Projekt), die die Leistungsentwicklung und das Wohlbefinden von Schülern in inklusiven und exklusiven Förderarrangements vergleicht. Weitere Themen sind Förderempfehlungen, die Herausforderungen der Inklusion sowie Implikationen für die Schulentwicklung und Inklusionspraxis.
- Quote paper
- Ariane Giesler (Author), 2010, Geschlechterordnungen und Rollenbilder in Erich Kästners Kinderromanen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178886
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